Anno 1613 – Altenahr erhält eine Schule
VON IGNAZ GÖRTZ
Mit dem Schuljahr 1973/74 wird in der Schulgeschichte der Gemeinde Altenahr ein neuer Abschnitt eingeleitet: Die Hauptschule öffnet ihre Tore.
Ein neues, geräumiges und bestens eingerichtetes Schulgebäude mit Sporthalle wird dem Schulunterricht zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wird aber auch die bisherige Volksschule aufgelöst, und an ihre Stelle tritt, den Wandel im Schulsystem auch nach außen sichtbar machend, die Grund- und Hauptschule.
Wenn dieser neue Anfang von der Sache her zukunftsorientiert ist, so mag er doch Anlaß sein, der Gründung der ersten Schule in Altenahr nachzugehen. Dabei ist es reiner Zufall, wenn die Hauptschule genau 360 Jahre nach Einrichtung der ersten Pfarrschule zu Altenahr fertiggestellt und bezogen wird.
Die Pfarrei Altenahr nahm bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine gewisse Sonderstellung ein. Hinter dem Titel „Ritterpfarrei“ stand die Tatsache, daß den Burgmännern von Are zusammen mit dem Burgherren die Wahl des Pastors von Altenahr zustand, wie es schon in einer Urkunde von 1166 überliefert ist, und daß dieser Pastor meist aus einer der Burgmannsfamilien stammte.
Diese Regelung führte zu der Erscheinung, daß der gewählte Pastor, der gleichzeitig Dom- oder Stiftsherr war und daher meist nicht in seiner Pfarrei residierte, nur Titularpfarrer war. Er setzte zur Verwaltung der Pfarrei und zur Ausübung der Seelsorge einen Stellvertreter, den Vicecuraten oder Vicepastor, ein. Für die Seelsorge war dies nicht immer gut, zumal die Pfarrstellvertreter nach wenigen Jahren die Pfarrei verließen, sobald sich ihnen eine eigene Pfarrstelle anderswo anbot. Andererseits brachte der außerhalb wohnende Pfarrherr eine gewisse Öffnung der Pfarrei nach außen, so daß neue Gedanken von außerhalb in die Pfarrei hineingetragen und die Aufgeschlossenheit der Pfarrangehörigen gefördert wurde. So dürfte auch die frühe Gründung einer Pfarrschule entscheidend vom damaligen Pfarrherrn Arnold von Metternich, der gleichzeitig Stiftsherr in Münstereifel war, vorangetrieben worden sein.
Der Gedanke einer besseren Unterweisung der Jugend, wenn auch im kirchlichen Bereich mehr auf religiösem Gebiet gedacht, stand im Raum, und es dürfte sicher ein Zusammenhang zu sehen sein zwischen dem intensiven Bemühen des Altenahrer Pfarrherren Arnold von Metternich um die Errichtung der Pfarrschule und dem Erlaß des Trierer Erzbischofs Lothar von Metternich vom Jahre 1622, daß jede Pfarrei eine Pfarrschule einrichten sollte.
Mit dem Bau des Schulgebäudes in Altenahr wurde im September 1612 begonnen. Nach Ausweis der Baurechnungen war es ein Fachwerkbau, der in der Brückengasse er richtet wurde. Die meisten Arbeiten – beispielsweise das Schlagen der Eichen, die der Herr von Gymnich zu Vischel zum Schulbau stiftete, das Zurichten der „Stickelhölzer“ und das Graben und Zubereiten des Lehms, mit dem die Gefächer des Fachwerkbaues ausgefüllt wurden, oder Handlangern bei den Verputzarbeiten – wurden in Eigenleistung der Pfarrangehörigen erbracht. In den Ausgaben erscheinen Zahlungen an die Handwerker für die Zimmererarbeit, für Fenster und Türen und die Verputzarbeiten. An Materialkosten wird der Kauf verschiedener Sorten Nägel genannt, von Brettern, Fensterglas und „Bierenkraut“ (Birnenkraut), das in Verbindung mit dem Verputz genannt wird und vielleicht dazu diente, den auf den Lehm aufgetragenen Kalkputz geschmeidig zu halten.
Mit der Fertigstellung des Schulgebäudes wurde im Jahre 1613 der erste Schulmeister, Anno Winrichs, angestellt. Schon 1612 ist von einer Unterrichtung der Jugend die Rede, die vom damaligen Vicecuraten Nikolaus Klöckner übernommen wurde, aber noch nicht im Schulgebäude erfolgte.
Zur Finanzierung der Schule, des Schulbaues und der Durchführung des Schulbetriebs, ließ der Pfarrherr eine Sammlung durchführen, bei der er sich zusammen mit dem Amtmann Heinrich von der Horst persönlich stark einsetzte. So erfahren wir nicht nur, daß die beiden Herren selbst über Land reisten, um Spenden zu sammeln, sondern die überlieferte Liste der „Wohltäter für die Schule zu Altenahr“, die im Jahre 1615 abgeschlossen wurde, zeigt den weiten Kreis der Institutionen und Personen, die angesprochen wurden, wobei der Raum zwischen Altenahr und Münstereifel besonders stark vertreten ist.
So werden neben dem Erzbischof von Köln, den. Äbten von Maria Laach, Siegburg, Steinfeld, Himmerod, dem Prior von Prüm und dem Cassiusstift in Bonn über 50 „geistliche“ Spender genannt, Pastöre, Vikare und Kanoniker von Münstereifel.
Die Reihe der „weltlichen Wohltäter“ führen die Städte Ahrweiler, Andernach, Linz, Münstereifel, Rheinbach und Euskirchen an. Es folgen die Gerichte des Amtes Altenahr, von Saffenburg und Mutscheid, ferner 24 namentlich genannte Stifter von Adel und 97 „Privatpersonen“ aus der näheren und weiteren Umgebung von Altenahr, und schließlich „alle Junggesellen des Kirchspiels Aldenahr“.
Die eingehenden Gelder flössen in die Schulstiftung, aus der zunächst der Bau und die Einrichtung der Schule bezahlt wurden. Die Restsumme von rund 2500 Reichsthalern wurde ausgeliehen. Aus den Erträgen flössen jährlich 100 Reichsthaler dem Lehrer als Gehalt zu, der au ßerdem freie Wohnung im Schulgebäude und die Nutzung des großen Schulgartens hatte. Zur Unterhaltung des Schulgebäudes und seiner Einrichtung sowie der Anschaffung von Schulbüchern standen weitere 25 Reichsthaler aus den Stiftungserträgcn jährlich zur Verfügung. Der Besuch der Schule war für alle Kinder des Kirchspiels Altenahr, also der heutigen Pfarrei bzw. Gemeinde, kostenlos.
Ein Nachteil der Stiftung war es, – und das klingt schon bei der Pfarrvisitation des Jahres 1628 an, als der Schulmeister Johann Widerßem (Wittersheim) feststellt, daß sein Gehalt nicht voll eingeht – daß das Stiftungsvermögen in vielen kleinen Beträgen ausgeliehen war und die Schuldner weit auseinander wohnten. Außerdem mußte der Lehrer die Zinserträge, die sein Gehalt ausmachten, selber beitreiben. Bei dieser Einrichtung bestand die Gefahr, daß Kapitalien verlustig gingen. Zum ändern erhielten die Lehrer nicht ihr volles Gehalt, wie immer wieder bei den Pfarrvisitationen geklagt wird, und sie verloren viel Zeit, wenn sie bei den über 100 Schuldnern, die mehr als 4 Stunden Fußmarsch auseinander wohnten, die Zinsen holten. Im Jahre 1718, als das 1690 bei der Einäscherung Altenahrs abgebrannte Schulhaus neugebaut und der in den Kriegswirren in Unordnung geratene Schulfonds geordnet wird, übernimmt die Pfarrei die volle Verwaltung der Schulstiftung und besoldet den Lehrer.
Am 16. Mai 1618 werden die „leges scholae“, die Schulordnung, erlassen, die näher auf den Schulunterricht eingeht, jedoch vor allem Verhaltensregeln für den Lehrer aufstellt. Diese Vorschriften sind für unser heutiges Empfinden sehr streng, gehen aber vielleicht auf ungute Erfahrungen zurück, die in den ersten Jahren der Schule gemacht wurden. Wenn vom Lehrer ein „ehrbarlich Wandel“ verlangt wird, damit „seine jung Pläntzlein, auch andere Ehrliebende, darob ein gut Exempel schöpften“, so ist dies zu verstehen. Aber unter Strafe wird ihm der Besuch eines Wirtshauses verboten, auf Kindtaufen und ähnlichen Festen darf er sich höchstens zwei Stunden aufhalten, und sommers wie winters muß er abends spätestens um 8 Uhr in seiner Wohnung sein. Im übrigen soll der Lehrer – auch hier ist die Mitwirkung des Pfarrherrn und Münster-eifeler Stiftsherrn Arnold von Metternich zu spüren – es so halten „wie es zu Münstereifel in löblichem Brauch“.
Faßt man die Daten kurz zusammen, – 1612/13 Bau des Schulgebäudes und Errichtung der Schulstiftung, 1613 Anstellung des ersten Lehrers, 1615 Abschluß der Spenderliste und 1618 Erlaß der Schulordnung -, so scheint, daß mit dem Erlaß der Schulordnung die Gründung der Schule abgeschlossen war. Die Pfarrvisitation im Jahre 1628 kann daher von einer gut fundierten Schule und einem Schulmeister, der ordentlich seinen Dienst versieht, berichten.
Quellen:
Pfarrarchiv Altenahr; Hist. Arch. f. d. Erzbistum Köln, Dec. Are.; Aithiv Schloß Gymnich, Akten 600.