Der Kreis im Spiegel der Statistik
Ergebnisse der Volkszählung 1970
VON HANS JOSEF MOEREN
Nachdem nunmehr das Ergebnis der Volkszählung vom 27. Mai 1970 durch das Statistische Landesamt vollständig herausgegeben wurde, lohnt es, sich einmal mit dem umfangreichen Zahlenwerk zu beschäftigen. Dabei lassen sich für den Kreis Ahrweiler interessante Feststellungen treffen. Das beginnt bereits mit der starken Bevölkerungszunahme seit 1961, dem Jahr der vorletzten Volkszählung.
Unter Berücksichtigung des räumlichen Zuschnitts des Kreises Ahrweiler zu Ende 1970 mit einer Fläche von 787 qkm ergab die Volkszählung eine Gesamtwohnbevölkerung von 103 862 Personen. Das sind 20421 Menschen mehr als bei der Volkszählung 1961, bei der der Kreis eine Größe von 7 06,28 qkm und eine Wohnbevölkerung von 83 441 Personen aufwies. Die erhebliche Bevölkerungszunahme von 24% innerhalb von 9 Jahren ist jedoch nicht nur auf die normale Bevölkerungsentwicklung zurückzuführen, sondern hauptsächlich auf die Eingliederung eines Teils des aufgelösten Kreises Mayen im Zuge der Verwaltungsreform im Jahre 1970, als 12 Gemeinden im Brohltal mit insgesamt über 10 000 Einwohnern dem Kreis Ahrweiler zugeordnet wurden. Aber auch die jährlichen Wanderungsgewinne, d. h. die Differenz aus der Zahl der Personen, die aus dem Kreis fortziehen und der Zahl der Personen, die in den Kreis zuziehen, haben zu dem Anwachsen der Kreiseinwohner beigetragen. Sie betrugen im Durchschnitt der letzten Jahre rd. 1500 Personen. Damit ist der Kreis im Vergleich zu den übrigen Landkreisen in Rheinland-Pfalz bevölkerungsmäßig einer der am meisten wachsenden Kreise. Der Grund hierfür ist hauptsächlich die Nähe der Bundeshauptstadt Bonn, die beruflich viele Menschen anzieht, von denen ein Teil aus den verschiedensten Gründen im Kreis Ahrweiler Wohnung nimmt. Diese Entwicklung dürfte sich mit der Fertigstellung der A14. die eine noch schnellere Straßenverbindung zwischen Bonn und unserem Raum bringt, verstärken.
Dagegen hat der Geburtenüberschuß seine Bedeutung für die Bevölkerungszunahme verloren. Seit 1971, also l Jahr früher als in der Bundesrepublik, ist für den Kreis sogar ein Geburtendefizit zu verzeichnen. In diesem Jahr standen erstmals 1245 Lebendgeborenen 1356 Gestorbene gegenüber. Obwohl die vielfältigen Gründe für diese negative Geburtenentwicklung bekannt sind und schon oft diskutiert wurden, läßt sich derzeit nicht sagen, wie lange sie anhält und ob sie sich noch verstärken wird. Von den 103 862 Personen, die am Zählungsstichtag als Wohnbevölkerung ermittelt wurden, waren 48 951 (47,1%) Männer und 54911 (52,9%) Frauen. Nichtdeutsche, also Ausländer waren 2334 (2,2%) Kreiseinwohner.
Die Relation der Religionszugehörigkeit hat sich seit 1960 nur unwesentlich geändert. 88 385 oder 85,1% der im Kreis wohnenden Menschen gehören der römisch-katholischen Kirche an, 13 090 oder 12,6 % sind Angehörige der evangelischen Landes- und Freikirchen und 0,3% Mitglieder anderer christlicher Kirchen oder Gemeinschaften. Mitglieder sonstiger Religionsgemeinschaften sind 0,5% der Kreisbevölkerung und 1,5 % der Einwohner haben sich als gemeinschaftslos bezeichnet oder keine Angaben gemacht. Auch im Kreis Ahrweiler ist das auffälligste Phänomen der Altersstruktur die Tatsache, daß infolge rückläufiger Geburtenhäufigkeit die Besetzung der jüngsten Jahrgänge im Vergleich zu 1961 erheblich reduziert ist, während gleichzeitig diejenige der älteren Jahrgänge weiter zugenommen hat. So betrug der Anteilsatz der Kinder unter 6 Jahren an der Gesamtbevölkerung 9,7%. Gegenüber der letzten Volkszählung ist er um 0,7% auf 10121 Kinder zurückgegangen. Er liegt unter dem Durchschnittssatz von 9,9 % aller Landkreise in Rheinland-Pfalz. Entsprechendes gilt für die schulpflichtigen Kinder (6 bis 15 Jahre). Während sie mit 15 535 Kindern im Kreis Ahrweiler 15,0% der Wohnbevölkerung ausmachen, sind sie im Durchschnitt aller Landkreise mit 15,7% beteiligt.
Dem Anteil der schulpflichtigen Kinder entspricht fast der Anteil der 65jährigen und älteren mit 14,2%. 14780 Personen zählen zu dieser Bevölkerungsgruppe. Ihr Anteil geht weit über den Durchschnitt der Landkreise (12,8 %) hinaus und betrug 1961 noch 11,6%. Neben einer höheren Lebenserwartung der heutigen Menschen macht sich hier der Trend bemerkbar, daß viele alte Menschen, denen eine Wohnortbindung nicht vorgegeben ist, nach der Pensionierung Mittelstädte als Wohnort bevorzugen. Dabei üben besonders die Städte eine große Anziehung aus, in denen Altenwohnheime zur Aufnahme dieser Menschen errichtet werden. Im Kreis zeigt sich das besonders deutlich in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Aber auch Städte und Gemeinden des östlichen Kreisgebietes werden wegen ihrer Nähe und guten Verkehrsverbindung zum Bonner und Koblenzer Raum als Altenwohnsitz bevorzugt.
Entsprechend dem hohen Anteilsatz der älteren Jahrgänge ist der Anteilsatz bei den mittleren Jahrgängen, bei den Personen im erwerbsfähigen Alter, niedriger. Er beträgt bei den 15- bis 65jährigen 61,1%, d. h. 63 426 Personen standen im Erwerbsleben. Ein für den Kreis günstiges Bild vermittelt die Statistik über den Ausbildungsstand der
Bevölkerung. Danach hatten am 27. Mai 1970 75103 Personen (72,4% der Wohnbevölkerung) ihre Schulausbildung abgeschlossen und 17185 Personen (16,5%) waren als Schüler und Studierende noch mit ihrer schulischen Ausbildung befaßt. Die Zahl der noch nicht schulpflichtigen Kinder betrug 11574 (11,1%). Von den Personen mit abgeschlossener Ausbildung gaben 60953 (81,2%) die Volksschule als höchste Ausbildung an. Auf den Abschluß einer qualifizierten Ausbildung konnten dagegen 14150 (18,8%) hinweisen. Damit hatte fast jeder fünfte Kreiseinwohner einen über die Volksschule hinausgehenden Schulabschluß. Der Anteil von 81,2% der Personen mit Volksschulabschluß ist der geringste bei allen Landkreisen in Rheinland-Pfalz, was gleichzeitig auch bedeutet, daß der Kreis im Vergleich aller Landkreise den höchsten Bevölkerungsanteil mit einer qualifizierten Ausbildung hat.
Von den Personen mit qualifiziertem Schulabschluß hatten 4893 (6,5% der Wohnbevölkerung) als Schulabschluß die mittlere Reife, 1131 (1,5%) das Abitur, 5628 (7,5%) den Abschluß einer Berufsfach- oder Fachschule, 486 (0,6%) den Abschluß einer Ingenieurschule und 2012 (2,7%) einen Hochschulabschluß. Die Durchschnittswerte bei den Landkreisen betragen 85,3% Volksschulabschluß, 4,7% mittlere Reife, 0,9% Abitur, 6,6% Berufsfach- oder Fachschulabschluß, 0,6% Ingenieurschulabschluß und 1,9% Hochschulabschluß. Mit seinen Werten liegt der Kreis auch noch über dem Landesdurchschnitt, der beim Volksschulabschluß 82,6%, beim Abschluß der mittleren Reife 5,9%, beim Abitur 1,3%, beim Abschluß einer Beruf sfach- oder Fachschule 7,1% sowie beim Ingenieurschulabschluß 0,8% und beim Hochschulabschluß 2,4% beträgt.
Von den Schülern besuchten im Zeitpunkt der Erhebung 12031 (70,0%) die Volksschule, 1213 (7,1%) eine Realschule, 2 542 (14,8%) ein Gymnasium, 1064 (6,2%) eine Bcrufsfach- oder Fachschule, 27 (0,2%) eine Ingenieurschule und 308 (1,8%) eine Hochschule. Bei diesen Zahlen kommt das große Angebot an weiterführenden Schulen im Kreis zum Ausdruck. Nur 70% aller Schüler besuchten eine Volksschule. Hier liegt der Durchschnitt der Landkreise bei 73,9% der Schüler und der Landesdurchschnitt bei 70,4%, also ebenfalls über dem Kreisergebnis.
Sowohl bei der Aufschlüsselung der Personen mit einem qualifizierten Schulabschluß als auch bei der Betrachtung der prozentualen Anteile der einzelnen Ausbildungsgruppen macht sich die „Schulfreudigkeit“ des Kreises, die sich in der Errichtung von Realschulen, Gymnasien und berufsbildenden Schulen dokumentiert, besonders bemerkbar. Berücksichtigt man jetzt noch, daß seit 1970 im Kreis das Rheingymnasium in Sinzig am 1. 8. 1971 seinen Schulbetrieb aufnahm und die Realschule Adenau am 1. 8. 1972 ihre Tore öffnete, so kann dem Kreis Ahrweiler nur eine vorzügliche Kommunalpolitik auf dem Gebiet des Schulwesens bestätigt werden.
Durch den starken Zuzug von außerhalb des Kreises wurde neben der Bevölkerungsentwicklung auch noch eine andere Entwicklung gefördert, nämlich die der Berufspendler. Es sind die Personen, deren Wohn- und Arbeitsgemeinde nicht identisch ist, d. h. die einen Ortswechsel zur Erreichung ihrer Arbeitsstelle vornehmen müssen. Sie werden unterteilt in Aus- (betrachtet vom Wohnort) und Einpendler (betrachtet vom Arbeitsort). Waren 1961 noch 34% der im Kreis wohnenden Erwerbspersonen Berufsauspendler, so ist der Anteil bis 1970 um 6,3% auf 40,3% oder 16 917 Personen gestiegen. Ihnen stehen gegenüber die Berufseinpendler. Ihr Anteil ist von 1961 nur um 1,5% gestiegen, nämlich von 28% auf 29,5% (10454 Personen) der im Kreis arbeitenden Erwerbstätigen. Der Anteil der im Kreis arbeitenden an den im Kreis wohnenden Erwerbstätigen beträgt 84,6%, so daß ein Auspendlerüberschuß von 15,4% besteht, d. h. 6463 Kreiseinwohner pendelten 1970 mehr in Arbeitsorte außerhalb des Kreises aus, als von dort in Gemeinden des Kreises einpendelten. Der Kreis Ahrweiler wies also einen negativen Pendlersaldo aus, eine typische Erscheinung der an Großstädte angrenzenden Landkreise. Zu der immer stärker werdenden Mobilität der Erwerbstätigen im Kreis hat sicher auch beigetragen, daß die Zahl der in Land- und Forstwirtschaft tätigen Erwerbspersonen von 1961 bis 1970 von 22,5% auf 8,4%, also um 14,1% zurückgegangen ist, in einem Wirtschaftsbereich, in dem die Pendlerbewegung völlig bedeutungslos ist, da die Beschäftigten als Betriebsinhaber, mithelfende Familienangehörige oder Hauspersonal tätig sind. Der rapide Rückgang der in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Erwerbspersonen offenbart aber auch, in welchem Wandlungsprozeß sich dieser Wirtschaftszweig auch in unserem Kreis befindet. Orientiert man sich an dem Bundesdurchschnitt von 7,5% der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten, so ist zu ermessen, daß auch in unserem Kreis noch weitere land- und forstwirtschaftliche Arbeitskräfte freigesetzt werden, die in anderen Wirtschaftsbereichen Arbeitsplätze finden müssen. Ein Anstieg von 38% auf 42,9% ist jedoch beim Anteil der Erwerbstätigen in dem Wirtschaftsbereich des produzierenden Gewerbes zu verzeichnen. Der stärkste Anstieg im Verhältnis zu 1961 ist jedoch bei den übrigen Wirtschaftsbereichen festzustellen. Hier nahm der Anteil von 38,8% auf 48,7%, also um rd. 10% zu.
Interessant ist auch, daß sich seit der letzten Volkszählung die wirtschaftliche Stellung im Beruf stark geändert hat. Besonders der Anteil der Selbständigen ist von 18,1% auf 12,6% und der Anteil der mithelfenden Familienangehörigen von 16,2% auf 7,5% zurückgegangen. Ein entsprechender Anstieg ist bei den Beamten und Angestellten zu verzeichnen, deren Anteil von 20,9% auf 34,0% gewachsen ist. Während sich der Anteil der Lehrlinge nur unwesentlich von 4,9% auf 6,0% gesteigert hat, ist der Anteil der Arbeiter mit 39,9% konstant geblieben. Insgesamt ist dies eine Tendenz, die sich auch im Landesdurchschnitt ablesen läßt. Zusammenfassend läßt sich aufgrund dieser kurzen Analyse sagen, daß sich in unserem Raum neben der allgemeinen Entwicklung auch eine spezielle Entwicklung vollzieht, die besondere Probleme mit sich bringt.
So sehr manche Zahlen auch das Ergebnis einer weisen Komm unalpolitik sind, so müssen die politisch Verantwortlichen in den Gemeinden und im Kreis aus den gewonnenen Daten aber wieder neue Erkenntnisse ziehen und die Weichen für die Zukunft entsprechend stellen.