Braunkohlenbergbau bei Leimersdorf
Ottmar Prothmann
In der Mitte zwischen Leimersdorf und Niederich liegt im Tal des Leimersdorfer Baches ein einsamer Bauernhof. Er trägt den postamtlichen Namen „Bartholomäusgrube“ und wird in der Umgangssprache „Klüttekuhl“ genannt. Außer dem heute als Wohngebäude benutzten ehemaligen Zechenhaus und dem angrenzenden hügeligen Wiesengelände erinnert nichts mehr daran, daß an dieser Stelle noch vor hundert Jahren Braunkohle gefördert wurde. Auch im Bewußtsein der Bevölkerung ist jede Erinnerung an jene Zeit getilgt. Deshalb sollen die folgenden Zeilen diese für die Geschichte von Leimersdorf interessante Epoche vor dem Vergessenwerden bewahren.
Zum besseren Verständnis seien einige Worte über die Entstehung der Kohle vorangeschickt. Die Braun- und Steinkohlevorkommen sind pflanzlichen Ursprungs. Aus riesigen Wäldern mit einem bei tropischem Klima entstandenen üppigen Pflanzenwuchs bildeten sich gewaltige Torfmoore, die allmählich absanken und von Sand- und Tonschichten überlagert wurden. Durch Druck sowie unter Luftabschluß verkohlten die Pflanzen und bildeten zunächst die Braunkohle, später in den tieferen Schichten die Steinkohle. Das geologische Alter der Braunkohle schätzt man auf 40 bis 50 Millionen, das der Steinkohle auf 250 bis 280 Millionen Jahre.
Braunkohle wurde im Rheinland, soweit bekannt, erst seit dem 18. Jahrhundert abgebaut. Dagegen wurde Steinkohle schon viel früher gewonnen, wie uns eine Urkunde vom Jahre 1549 beweist, nach der die Kölner Bürger Johann von Holt und Hans Wildenburg das Recht erhielten, in Westum bei Sinzig sowie im Bereich der kurkölnischen Ämter Poppelsdorf und Brühl Steinkohle, Gold, Silber, Zinn usw. zu gewinnen.
Die erste Nachricht über Braunkohlenabbau bei Leimersdorf liegt uns aus dem Jahre 1754 vor. Im Januar dieses Jahres beschwerten sich B. J. V. Sturm, Schultheiß Deuster, Johannes Bollig und Heinrich Röhner, die gemeinsam bei Leimersdorf in einem Bergwerk „Kohlbänke undt sonstige minoralien“ abbauten, beim zuständigen Bergmeister in Gemünd über unrechtmäßige Eingriffe des Vogtes von Neuenahr. Die Streitigkeiten hatten damit begonnen, daß immer wieder nachts Grubenholz gestohlen oder in die Schächte geworfen worden war, ja daß man tagsüber sogar die Arbeiter in den Schächten von oben mit Steinen beworfen hatte. Durch all diese Störungen, die schließlich zum Einsturz einiger Stollen führten, war ein Schaden von 400 Reichstalern entstanden. Als eines Tages der Steiger — so nennt man den Mann, der die Grubenaufsicht führt — Heinrich Röhner einige Kinder ertappte, als sie auf dem Grubengelände Unfug anstellten, jagte er sie davon. Dabei hatte sich, nach Aussage von Röhner, die Tochter von Marx Castenholtz „erfrechet, undt solche for-malia heraußgesacht: du landläufer, mein Vatter hatt gesacht, ich solte dir schelmstücker thuen“, worauf er ihr nachlief und sie verprügelte. Der Vater des Mädchens meldete diesen Vorfall dem Vogt von Neuenahr, auf dessen Befehl Röhner in der Frühe des nächsten Tages von den Birresdorfer Schöffen aus dem Bett geholt und ins Arrestlokal nach Beul (heute Stadtteil Bad Neuenahr) geschafft wurde. Dies war nach Ansicht der Grubeninhaber ein unrechtmäßiger Eingriff in das Bergrecht, da die Bergleute nur vom Berggericht belangt werden konnten. Im Laufe der durch die kurfürstliche Hofkammer in Düsseldorf veranlaßten Untersuchung stellte sich heraus, daß die Bevölkerung gegen den Grubenbetrieb eingestellt war. Weitere Zerstörungen und Diebstähle führten schließlich dazu, daß der Betrieb im Laufe des Jahre 1754 eingestellt werden mußte. Schon vorher hatte sich der Steiger Röhner nach seiner kurzfristigen Freilassung in die kurkölnische Stadt Mek-kenheim, die außerhalb des Amtsbereichs des Vogtes von Neuenahr lag, abgesetzt. Wie die Angelegenheit sich weiter entwik-kelte, ist uns leider nicht überliefert.
36 Jahre später berichtete der Bonner Geologe Carl Wilhelm Nose über das Braunkohlenwerk bei Leimersdorf, das er auf einer geologischen Wanderung im Jahre 1788 besichtigt hatte: „Von hier (= Remagen) zurück östlich über Limersdorf bis Bürresdorf (wobey sich wieder der braune und weisse eisenschüßige Sandsiein der Gegend zwischen Wehr und Olbrück findet) eine Stunde, zu dem eine halbe viertel Stunde weit südöstlich davon abliegenden Braunkohlen-Werk an einem flachen Gebirgs-Abhange. Westlich sind Fruchtfelder, südlich Holzung. Die Arbeit wird nicht mit Schacht und Stollen, sondern durch Aufwerfung von Kuhlen (Kaulen) betrieben, die bey nasser Witterung zusammenstürzen, und sehr wenig bemerken lassen. Eine horizontale Schicht von (gemeinen, nelkenbraunen oder schwarzen, holzigen) Braunkohlen fünf bis sechs Zoll stark, fand sich durch das Wasser zehn Fuß unter der Damm-Erde in einem Graben entblößt, und wahrscheinlich sind die Arbeiter nie tiefer als zu diesem Flötz gekommen. Stücke eines ochergelben, mürben, mulmigen, etwas sandigen Eisenthons, oder braune, härtere, wirklich thonige Eisensteine (Sumpf-Erze) liegen darüber. Das übrige Gebirge ist gemeiner weißgrauer Schiefer-thon. Die Lage gibt zu erkennen, daß noch sehr viele Kohlen (die man hier ebenfalls zu Asche brennt und über die Fruchtfelder streuet) gewonnen werden könnten: wegen
des weiträumigen Reviers nemlich, wo noch frisches Feld ist, da die gegenwärtige Arbeit etwa nur hundert und zwanzig Fuß im Durchmesser beträgt.“
Diese Kuhlen, von denen Nose berichtet, lagen wahrscheinlich nahe dem heutigen Anwesen Bartholomäusgrube, das im Westen, Norden und Osten von einem hügeligen Wiesengelände umgeben ist, welches deutlich Spuren einstiger Erdbewegungen aufweist, östlich des Hofes erstreckte sich bis fast zu dem Weg, der „Bonte HÖH“ genannt wird, noch zu Anfang unseres Jahrhunderts das von Nose in seinem Bericht erwähnte Waldstück.
War in einer solchen Kuhle die Braunkohle bis zum Grundwasserspiegel abgebaut, so hob man ein bis zwei Meter daneben ein neues Loch aus und warf den Abraum in die zuletzt ausgebeutete Grube. Dadurch, daß man das Flöz nur bis zur Höhe des Grundwasserspiegels gewann und zwischen den einzelnen Kuhlen breite Wände beließ, blieben 30 bis 50% der gewinnbaren Kohle stehen. Dieser sogenannte „Umschlag“ im Tagebau war unrentabel, und wir wissen auch nicht, ob er in den nächsten Jahren fortbestand. Im Jahre 1812, als die Konzessionspflicht eingeführt wurde, erscheint die Grube Leimersdorf nicht in der Liste der konzessionierten Braunkohlenwerke. Erst ein Jahrzehnt später hören wir wieder von ihr.
Bartholomäus Fey, Pastor von Bodendorf, berichtete in einem Brief vom 20. Oktober 1822 an das Bürgermeisteramt in Gelsdorf (erst 1863 wurde der Amtssitz nach Ringen verlegt), daß er in den Jahren 1820 und 1821 erhebliche Mittel aufgewendet hätte, um die Braunkohle bei Leimersdorf zu fördern. Eindringendes Wasser hätte immer wieder seine Förderschächte zerstört. Nach diesem Brief zu schließen scheint er anfangs allein die Grube betrieben zu haben, und erst, als er feststellte, daß seine bergmännischen Kenntnisse und finanziellen Mittel nicht ausreichten, tat er sich wohl mit dem in Erpel ansässigen Berginspektor Johann Abraham Bleibtreu zusammen. Diese beiden baten am 12. Juli 1821 beim zuständigen Bergamt in Düren um eine Konzession zum Braunkohlenabbau auf einem 1157 Morgen großen Feld in der Gemeinde Leimersdorf. Die Bauern, die innerhalb des Konzessionsgebietes Land hatten, sollten eine jährliche Vergütung von vier Pfennigen pro Hektar erhalten und zusätzlich bei Beschädigung der Erdoberfläche vollen Schadenersatz. Das Gesuch wurde öffentlich bekanntgemacht (siehe die Abbildung), und da niemand Einspruch erhob, wurde ihm am 20. Mai 1825 stattgegeben. Mit dem Namen „Bartholomäusgrube“ wurde das neue Feld unter Nr. 28 in das chronologisch geführte Verzeichnis der nach rheinischem Bergrecht verliehenen Braunkohlengerechtsame eingetragen. Die beiden Grubenbesitzer hatten den Namen Bartholo-mäus wohl nach dem Namenspatron von Pastor Bartholomäus Fey gewählt. Bartholomäus Fey (1775—1836), Pastor in Bodendorf, ist uns kein Unbekannter. Als Freund des Trierer Bischofs von Hommer und des Freiherrn vom Stein war er eine einflußreiche Persönlichkeit im unteren Ahrtal. Seine praktischen Fähigkeiten und seine Tatkraft bewies er bei der Errichtung eines neuen Pfarrhauses, einer Schule und eines Friedhofes. Der Weinbau in Bodendorf gelangte unter seiner Anleitung zu einer bisher nicht gekannten Blüte. Daß er sich auch mit Bergbau beschäftigte, ist ein neuer Gesichtspunkt in der Beurteilung dieser dynamischen Persönlichkeit. Auch über Johann Abraham Bleibtreu (1775—1852) sind wir gut unterrichtet. Er gehörte einer Familie an, die im 19. Jahrhundert durch ihren Unternehmungsgeist der rheinischen Wirtschaft entscheidende Impulse gab. Besonders auf dem Gebiet der Braunkohlenförderung hat sich die Familie, als Besitzerin zahlreicher Braunkohlengruben, hervorgetan.
Pastor Fey scheint sich bald aus dem Braunkohlenbergwerk zurückgezogen zu haben, denn als 1831 das Konzessionsgebiet um 862 Morgen nach Norden und Osten erweitert wurde, waren Besitzer der Grube Johann Abraham Bleibtreu, sein Bruder Leopold Bleibtreu, Bergmeister in Graurheindorf bei Bonn wohnend, und der mit beiden befreundete Inhaber eines großen Kölner Handelshauses, Hermann Heinrich Löhnis, der in Pützchen lebte.
Über den Abbau der Braunkohle sind wir recht gut unterrichtet durch ein im Jahre 1830 einsetzendes „Zeichen-Register der Bartholomäusgrube“, aus dem leider die ersten Blätter herausgerissen wurden. In diesem Buch sind alle verrichteten Arbeiten, die Ergebnisse der Bohrungen und alle vorgefallenen Ereignisse säuberlich eingetragen.
Die Führung dieses Zeichen-Registers sowie der anderen für einen Grubenbetrieb erforderlichen Bücher oblag dem Steiger, der als Leiter des Betriebes bergmännische Kenntnisse besitzen mußte. Er besorgte den Ankauf der Materialien, löhnte die Arbeiter und führte Rechnung über die verkauften Kohleprodukte. Der erste uns bekannte Steiger war ab 1830 Harhausen, der zwei Jahre vorher als Besitzer der Braunkohlengrube „Ca-tharinenfeld“ bei Röttgen erscheint. Ihm folgte 1842 Johann Äußern, der wiederum 1847 von Matthias Joseph Bachern abgelöst .wurde.
Alle vier bis sechs Monate prüfte ein Beamter des Bergreviers Brühl die Grube und trug seine Beobachtungen, seine Verbesserungsvorschläge und Beanstandungen in das Zeichen-Register ein. Die Verwaltung des Reviers Brühl, zu dem damals fast alle linksrheinischen Braunkohlengruben gehörten, lag 50 Jahre lang allein in der Hand von August Ludwig Bergmann, der das Muster eines altpreußischen korrekten Beamten war.
Der Abbau der Braunkohle geschah zwar seit 1820 unter Tage, aber noch 1830. förderte man sie in der Nähe des Baches auch im Tagebau, da das Flöz an dieser Stelle nicht tief unter der Erdoberfläche lag. Wahrscheinlich waren diese Lager 1829 schon fast erschöpft, denn in diesem Jahr berichtete der Bürgermeister an den Land rat in Ahrweiler: „Dieses Werk zu Leimersdorf gelegen wird zwar noch, aber sehr unbedeutend betrieben.“
Ein Jahr später unternahm man große Anstrengungen, um die Förderung wieder zu vergrößern. Durch Probebohrungen an verschiedenen Orten innerhalb des Konzessionsgebietes erkundete man die Tiefe und Mächtigkeit der Braunkohlenlager und teufte dann zwischen der Straße Leimersdorf—Niederich und dem Bach neue Förderschächte ab.
Es begann die Blütezeit der Grube. Man erweiterte, wie oben bereits erwähnt wurde, 1831 das Konzessionsgebiet und erbaute das noch heute stehende Zechenhaus. Im Durchschnitt waren jetzt acht bis neun, höchstens jedoch vierzehn Arbeiter beschäftigt. Sie arbeiteten in einer oder zwei sogenannten Kameradschaften, die jeweils einen Arbeitsgang vom Abbau der Kohle bis zur Lagerung auf der Halde erledigten. Von den Förderschächten aus wurden Stollen in das Braunkohlenflöz hineingetrieben.
Repro: Prothmann
Diese sogenannten Abbaustrecken waren teilweise über 40 m lang. Die Kohlenschicht liegt hier meist tiefer als 11 Meter unter der Erdoberfläche und hat eine Mächtigkeit von 1,50 bis 3,20 m. Der tiefste Förderschacht reichte 25 m hinab. Auf der benachbarten Grube „Anna“ bei Gedingen soll sogar ein Schacht von 70 m Tiefe gewesen sein.
Es war eine harte Arbeit unter Tage, die von keiner Maschine unterstützt wurde. Vor Ort schlugen die Hauer die Braunkohle aus der Wand, Träger beförderten sie dann mit Förderbrettern oder Körben zum Förderschacht, füllten sie in die Förderkörbe um, die mittels eines Seiles, das über eine Haspel lief, hochgezogen wurden. Je nach Tiefe der Förderschächte waren ein oder zwei Zieher bei der Arbeit. Ein weiterer Arbeiter schaffte dann, zumeist mit einer Schiebkarre, die Kohlen auf die Halde. Auf diese Weise konnten von einer Kameradschaft in einer Schicht, sie dauerte im Sommer bis zu 12 Stunden — 200 bis 300 Körbe Braunkohle gefördert und auf die Halde geschafft werden.
Neben den reinen Förderarbeiten waren viele andere Tätigkeiten zu verrichten, damit ‚der Grubenbetrieb geregelt lief. In den umliegenden Wäldern mußte das Holz gehauen werden, das zum Verzimmern der Schächte und Abstützen der Stollen diente. Zusätzlich wurden die Schachtwände mit Stroh verkleidet. Die meiste Arbeit bereitete jedoch die Entfernung der Grubenwässer. Bei dieser Tätigkeit ereignete sich übrigens der einzige tödliche Unfall auf dieser Grube. Am 24. Juli 1850 stürzte Johann Peter Wachendorf aus Birresdorf (geboren 1791), der seit drei Jahren als Pumper angestellt war, in einen Pumpenschacht und erlag seinen Verletzungen.
Hatten die Arbeiter genügend Kohle auf die Halde gefahren, so begannen alle mit der Formung von Klüften; allerdings nur während der Sommermonate. Dazu rührte man die Braunkohlenmasse mit Wasser und wohl auch etwas Ton zu einem steifen Brei an. Diesen füllte man in blumentbpfartige kopfgroße Formen, die auf einem geebneten und gesäuberten Platz umgestülpt wurden. Hier trockneten die Klüften einige Tage bis sie fest genug waren, um in großen Haufen zum weiteren Trocknen übereinander gestapelt werden zu können. Durch starken Regen zerfielen die Klütten allerdings wieder und mußten erneut eingeformt werden. Deshalb bedeckte man sie anfangs mit Strohmatten und später, etwa seit den 1840er Jahren, lagerte man sie in einem Schuppen. Die Formung der Klütten geschah im Akkord. Zwei Arbeiter, von denen einer formte und der andere die Klütten auf die Halde trug, konnten täglich etwa 500. Klütten herstellen. Als es der Industrie schließlich gelang, Braunkohle zu „Briquettes“ zu pressen, und als ab 1890 überall Kohlenpressen errichtet wurden, bestand die Bartholomäusgrube schon nicht mehr.
Nach mehrwöchiger Trockenzeit begann der Verkauf der Klütten. Käufer waren, soweit wir es einem Verkaufsregister von 1858 bis 1864 entnehmen können, die Bewohner aller Dörfer der damaligen Bürgermeisterei Gelsdorf und der angrenzenden Ortschaften, aber nur selten Einwohner der weiter entfernt liegenden Orte wie Löhndorf, Oberwinter, Gimmersdorf und Ahrweiler. Diese Orte wurden im Norden von den Braunkohlengruben Nabor bei Meckenheim (konzessioniert 1856), Catharinenfeld bei Röttgen (konzessioniert 1825) und die Grube Züllighoven (konzessioniert 1857) versorgt. Südlich war die im Jahre 1834 konzessionierte Grube Gerechtigkeit bei Koisdorf als Konkurrenz anzusehen. Klütten waren ein willkommener Hausbrand, da Holz nicht in genügendem Maße zur Verfügung stand und Steinkohle zu teuer war. Die Abnehmer holten sich die Klütten selbst mit ihren zweirädrigen Pferdekarren ab. Der Preis von 100 Klütten betrug nach dem genannten Verkaufsregister 10 Silbergroschen, also genausoviel wie ein Grubenarbeiter oder ein Tagelöhner in der Landwirtschaft verdiente. Bezahlt wurde zum großen Teil erst im Winter, wenn die Ernte eingebracht und das Getreide verkauft worden war. Ein Arbeiter der Grube ging rund und zog die ausstehenden Gelder ein. Zum Formen der Klütten nahm man nur die weiche Braunkohle, während die härteren Braunkohlenstücke und die noch nicht verkohlten Holzreste als sogenannte Grobkohle oder Knabben korbweise verkauft wurden. Das dritte Produkt der Grube war Asche, die man als Dünger auf die Felder streute. Man verbrannte dazu schlechte Kohlen oder verdorbene Klütten.
Was die Jahresproduktion betrifft, so konnte sich die Bartholomäusgrube keineswegs mit den großen Bergwerken in der Brühler Gegend messen. Im Jahre 1836 stellte sie 400 000 Klütten zum Wert von 1333 Reichstalern her. Mit der Papierfabrik zu Brohl, die 1836 50 Arbeiter beschäftigte, und der Steinhauerei in Niederbreisig, mit 15 bis 20 Arbeitern, gehörte die Bartholomäusgrube, die damals 1 Steiger und 9 Arbeiter hatte, zu den drei einzigen Industrie- bzw. Gewerbebetrieben im Kreis Ahrweiler. Im Jahre 1857 lag sie mit einer Förderung von 3788 Tonnen an 33. Stelle der 42 im Brühler Revier betriebenen Braunkohlengruben. Wenn man jedoch bedenkt, daß die seinerzeit gebräuchlichen zweirädrigen Pferdekarren etwa einen Kubikmeter, also ein Gewicht von ungefähr einer Tonne faßten, so ist dies eine erstaunliche Menge.
Ehemaliges Zechenhaus der Bartholomäusgrube
Foto: Krelsblldstelle
Nach einer kurzen Scheinblüte in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, als eine Verteuerung der Steinkohle überall eine Flut von Mutungen (= Antrag auf eine Bergbaukonzession in einem bestimmten Gebiet) auslöste, sanken die Absatzziffern aller Braunkohlenwerke im Revier Brühl unaufhaltsam und gegen Ende der 60er Jahre mußte der Braunkohlenbergbau in diesem Revier praktisch eingestellt werden. Die Gewerkschaft, die die Bartholomäusgrube betrieb, erweiterte ihre Konzession zwar 1851 und 1859 noch beträchtlich, sogar bis auf die Gemarkung von Bengen (Bartholomäus II), doch rentierte sich der Abbau bald nicht mehr, da der Aufwand für die Gewinnung von Braunkohle zu groß wurde. Wie schon in den 20er Jahren, so bereitete das stark eindringende Grubenwasser immer größere Schwierigkeiten. Im Juli 1855, als man eine neue Pumpe angeschafft hatte, mußte man täglich allein vier Arbeitsschichten zum Wasserpumpen verwenden. Eine Dampfmaschine, die gleichzeitig zum Wasserpumpen und Fördern dienen konnte, lohnte sich nicht. Die Zeit der kleinen Klüttenkuhlen war endgültig vorbei. Es begann die Epoche der großen Tagebaue, denen besonders in der Kölner Bucht zukünftig sogar ganze Dörfer weichen mußten. Soweit sich feststellen läßt, förderte die Bartholomäusgrube bis in die Mitte der 60er Jahre. Das Zeichen-Register, dem leider die letzten Blätter fehlen, endet 1860, und das Verkaufsregister verzeichnet die letzten Klüt-tenverkäufe im Juli 1864.
Um neue Erwerbsmöglichkeiten zu erschließen, stellten die Inhaber der Bartholomäusgrube seit 1848 Versuchsbohrungen auf Eisenstein an. 1849 erhielt sie die Konzession für die Eisensteingruben Rudolph und Walburga bei Gelsdorf sowie die Josephsgrube bei Birresdorf.
Es war eine Zeit, da fast auf jedem Fleckchen in der heutigen Gemeinde Grafschaft Versuchsbohrungen angestellt und kleinere Bergwerke betrieben wurden. Im Jahre 1858 lagen von 18 Eisensteinwerken im Revier Brühl allein 7 in unserer Gegend: Marienberg bei Werthhoven (mit 6 Arbeitern), Thusnelda bei Ringen (mit 34 Arbeitern), Rudolph bei Gelsdorf (mit 3 Arbeitern), Walburga bei Gelsdorf (mit 2 Arbeitern), Adolphine bei Eckendorf (mit 28 Arbeitern), Apollinaris bei Remagen (mit 2 Arbeitern) und Wilhelm II bei Karweiler (mit 4 Arbeitern). Die Lebensdauer aller dieser Werke war jedoch nur kurz. Der Abbau rentierte sieh nicht mehr, als gegen Ende des Jahrhunderts die lothringischen Minette durch das Thomasverfahren abbauwürdig wurde.
Die letzten Eigentümer der Bartholomäus-grube, die Kinder von Hermann Heinrich Löhnis und die Rheinische Grubengewerkschaft, verkauften am 31. Juli 1881 das Zechenhaus und die zum Grubenbetrieb gehörenden .17 Morgen großen Ländereien für 10000 Mark an den Steiger Matthias Joseph Bachem. Vom Verkauf ausgeschlossen blieben die Konzessionen auf Braunkohlen- und Eisensteinabbau. Matthias Joseph Bachern (+ 1900), der zeitweise als Ortsvorsteher der Gemeinde Leimersdorf vorstand und auch als Fleischbeschauer tätig war, vererbte das Anwesen an seinen Sohn Wilhelm Bachem, der um 1905 am ehemaligen Zechenhaus Ställe und eine Scheune anbaute. Die Halden und Mulden wurden nach und nach eingeebnet. Wilhelm Bachern betrieb Landwirtschaft und förderte nur nebenher auch etwas Ton. Ton wird auch heute noch auf dem Gebiet der Bartholomäusgrube im Tagebau gewonnen, aber an den Abbau von Braunkohle denkt niemand mehr.Kurze Quellenübersicht
Gerhard Adelmann, Der gewerblich-industrielle Zustand der Rheinprovinz 1836, Bonn 1967, S. 242. Hans Arlt, Ein Jahrhundert preußischer Bergverwaltung in den Rheinlanden, Bonn 1921. Familienchronik Bleibtreu, als Manuskript gedruckt, Teil 1 von Paul Overbeck, Treis 1886, Teil 2 von Roderich Bleibtreu, Krailling 1971.
Leopold Kaufmann, Bilder aus dem Rheinland, Köln 1884, S. 118—124.
Carl Wilhelm Nose, Orographlsche Briefe über das Siebengebirge und die benachbarten zum Teil vulkanischen Gegenden beyder Ufer des Mieder-Rheins an Herrn Joseph Paul Edeln von Cobres, zweyter Thell, westliche Rheinseite, Frankfurt am Mayn 1790, S. 239.
Peter Schug, Geschichte der kurkölnischen Dekanate Adenau, Ahrweller und Remagen, Trier 1952, S. 108.
Fritz Wündisch, Von Klüften und Briketts. Bilder aus der Geschichte des rheinischen Braunkohlenbergbaues, Weiden 1964.
Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Best. Jülich-Berg III Nr. 2488 und Best. Bergamt Düren Nr. 134 und 439. Kreisarchiv Ahrweller, Aktenband D 3 (Zustand des Fabrik- und Manufakturwesens, 19. Jh.) Archiv der Gemeindeverwaltung Grafschaft in Ringen, Aktenband „Die Braunkohlengrube zu Leimersdorf 1821—1852″.
Zeichen-Register 1830—1860, Verkaufsregister 1858— 1864 und Notariatsvertrag über den Verkauf der Bartholomäusgrube 1881, die bei Familie Wilhelm Manch in Leimersdorf, Bartholomäusgrube, liegen Der Verfasser dankt dieser Familie herzlich, daß sie Ihm das Material zur Verfügung stellte und bereitwillig zahlreiche Auskünfte gab.