Das veränderte Bild der ländlichen Arbeit

Johann Schnitten

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, neue Arbeitsmethoden und neue Geräte, haben das über Jahrhunderte kaum veränderte Bild der ländlichen Arbeit weggefegt. Der Wandel ist nicht aufzuhalten, geht es hier doch um Rentabilität und Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe. Andererseits stimmt es traurig, daß die früheren Arbeitsmethoden und -gerate, die das Ergebnis einer jahrhundertelangen kulturellen Entwicklung waren, so schnell in Vergessenheit geraten. Im folgenden sollen zwei Bilder, die wesentlicher Bestandteil der Eifellandschaft waren, die noch gärnicht so „alte Zeit“ aufleben lassen.

Erntezeit — hohe Zeit

Ein Landwirt ohne den notwendigen, oft recht großen Maschinenpark Ist heute kaum denkbar. Er mußte mehr und mehr die auf ihm ruhende Arbeitslast durch Maschinen erleichtern.

Wenige Jahrzehnte, oft nur Jahre trennen uns eigentlich von der Zeit dieser Handarbeit, seit Jahrhunderten wenig verändert, auf allen Gebieten bäuerlichen Wirkens, bei kleinen wie bei großen Bauernhöfen. Bleiben wir nur beim Getreideanbau! Der Sämann packte sich den Umhänger, meist ein aus gutem Leinen gewirkter Sack, voll der wertvollen Saat. Und der gläubige Landmann sprach vor dem Beginn ein kurzes Gebet, damit der Herrgott dieser Saat seinen Segen geben möge. Der erste Saatwurf wurde als Kreuz auf den Acker aufgebracht. Dann ging es Schritt für Schritt über das Feld, streng auf eine gerade Linie achtend, das aufzubringende Korn immer gegen Himmel werfend, so daß es sich nicht nur gut verteilend, sondern auch vom Himmel fallend auf den Acker senkte, wo es Frucht bringen sollte.

Sense und Sichel waren die nächsten und auch die einzigen Geräte, die zur Erntezeit die wogenden Ährenfelder schnitten. Die Männer schlugen mit dem „Sensenwurf“ ein, die Frauen hoben mit den Sicheln ab, und meist war es Aufgabe der Frauen, mit sicherem Griff die Garben zu binden. Eine gute saubere Garbe binden wollte gekonnt sein. Der Verlust wertvoller Ähren konnte durch guten Einbund vermieden werden. Die Garbe hatte meist zwei Bunde, um die Ähren besonders einzubinden und zu schützen.

Sensenwurf

Abheben des Getreideschnitts

Dann ging es ans Aufstellen der Karsten, die bald das Stoppelfeld bedeckten und Reihe um Reihe ausgerichtet wurden. War die Witterung unsicher, wurden Hüte gebunden und den Karsten zum Schutz gegen Regen aufgesetzt. An die Stelle des wogenden Ährenfeldes waren die langen Reihen der Karsten getreten. Das „Wunder der Technik“ hat hier nicht nur die Landarbeit an

sich, sondern auch das Bild der Landschaft zur Erntezeit verändert. Der Sämann mit seinem schweren und prall gefüllten Umhänger schreitet nicht mehr über den Acker. Meterbreite Sämaschinen mit flotter Gangart haben ihn verdrängt. Die Zeit der Saat ist kürzer, der Mühen gibts weniger.

Zur Erntezeit brauchen die Sensen nicht mehr gehämmert zu werden. Die Sichel wird schon langsam unbekannt, sie wird in der Landwirtschaft nur noch wenig gebraucht. Mähdrescher haben in wenigen Tagen die wogenden Ährenfelder zu einer Stoppelwüste verwandelt, die ehemals säuberlich aufgestellten Karstenreihen sind ganz verschwunden.

Nur die ältere Generation weiß noch um die Mühen der Saat- und insbesondere der Erntezeit. Die Zeit geht eben weiter, und dies im gleichen Rhythmus wie vor tausend Jahren, nicht schneller und nicht langsamer.

Die Gemeindeherde

Ab und zu trifft man auch heute noch Schafherden in der Eitel an, und der .Schäfer mit seinen Tieren ist dann beliebtes Objekt für Amateurfotografen, die dieses Idyll für ihr Album festhalten möchten. Früher war die Zahl der Herden größer. Vor allem waren es nicht wie heute nur Privatherden, die ihre fest angepachteten Weideplätze haben oder auch In der schon seltener gewordenen Form der Wanderschäferei betrieben werden. Fast jeder Ort hatte seine Gemeinschaftsherde, eine Weideform, die gänzlich ausgestorben ist. Fast jeder Bauernhaushalt hatte Schafe, der eine mehr, der andere weniger. Sechs Schafe bildeten einen „Tag“, das hieß also, bei sechs Schafen war der Schäfer einen Tag in diesem Haus in Kost. Für diesen Tag mußte der Halter nicht nur die Beköstigung des Schäfers übernehmen, er mußte auch die Hunde versorgen und den ausgemachten Lohn zahlen. Zum täglichen Barlohn, beispielsweise eine Mark, kam noch hinzu, daß der Schäfer im runden Jahre pro „Tag“ ein Lamm als Lohn erhielt.

Hatte eine Familie zwölf oder achtzehn Schafe, es waren oft viel mehr, so ergab das zwei oder drei „Tage“, in denen der Schäfer mit seinen Hunden zu Gast war. Hinzu kam die entsprechende Anzahl Lämmer. Bei ungleichen Zahlen wurde aufgerundet oder auf irgendeine Art ausgeglichen. Hatte der Schäfer eine einigermaßen große Herde zu versorgen, so war er in einigen Jahren selbst im Besitz einer kleinen Schafherde, die das Recht hatte, auf den Weiden, die er mit seinen Tieren aufsuchte, mitge-füttert zu werden. Hinzu kam noch, daß die Schafhalter für die Nacht oder an strengen Wintertagen, wenn wirklich ein Austreiben gar nicht möglich war, die Tiere des Schäfers entsprechend der Zahl der „Tage“ aufzunehmen und zu füttern hatten. Im Allgemeinen war man darauf bedacht, den Schäfer gut zu versorgen, wenn er zu Gast war, ihm also beste Kost vorzusetzen, damit er nicht im Dorf erzählte, daß es in diesem oder jenem Haus schlechte Kost gäbe.

Binden der Garben
Fotos: Schmitten

Natürlich gab es auch hier Geizige, und keiner wußte besser als ein Schäfer, welche Frau eine tüchtige, eine schlechte oder etwa sparsame Köchin war. Ihm waren die Häuser, wo es immer und immer wieder nur „Brei“ gab, sehr gut bekannt.

Wenn morgens die Herde ausgetrieben wurde, begann der Schäfer am Ende des Ortes und benutzte hierfür eine besondere Flöte, die aus Schieferstein selbst gefertigt war. Sie hatte einen weithin hörbaren hellen Pfiff, der langgezogen durch die dörfliche Stille gellte.

Der erste Stall wurde geöffnet, dann der zweite und so sammelte sich sehr bald die Herde um ihren Schäfer, dessen Hunde mit ihrem Beilen den Pfiff bekräftigten. „Däe Schafe kütt“, hieß es, und das Blöken der Schafe schallte über die Dorfstraße.

Schafherde an der Teufelsley
Foto: Kreisbildstelle

Wenn der Abend kam, konnte jeden Augenblick mit dem Eintreffen der Herde gerechnet werden. Die Rückkehr wurde mit dem bekannten Pfiff des Schäfers angekündigt und durch ein kräftiges Hundegebell unterstützt. Wenn so eine ganze Herde in die abendliche Stille des Dorfes einzog und alle Tiere abwechselnd ihren Blökton von sich gaben, war das schon eine lautstarke Angelegenheit, die noch durch den Ruf der einzelnen Besitzer untermalt wurde.

Die Tiere kannten ihren Stall genau, und nur selten war wirklich ein Schaf dabei, das nicht wußte, wo es zu Hause war.

Jeder Besitzer hatte seine Tiere mit einem besonderen Kennzeichen gefärbt, wobei die Farbe, eine Zahl oder ein Buchstabe als Besitzausweis galt. So wußte jeder sofort, ob er ein falsches Tier im Stalle hatte. Dieses wurde entweder sofort herausgenommen oder man gab dem Besitzer Nachricht, daß man es bis zum nächsten Morgen bei sich im Stalle lasse.

Mit der Person des Schäfers fiel oder stand die Herde. Es war nicht gleich, wer die Herde versorgte. Ein guter Schäfer mußte nicht nur darauf bedacht sein, die Tiere satt zu bekommen, er mußte auch etwas von den Tieren selbst verstehen und deren Eigenart und Krankheiten schnell erkennen.

Auch bei einer großen Herde kennt ein guter Schäfer jedes einzelne Tier, seine Vorfahren und Nachkommen, und nicht zuletzt sein Alter.

Es gibt wohl kaum einen Beruf, der so mit der Natur verbunden ist, wie der des Schäfers, der täglich alle Vorgänge des Wachsens und Gedeihens beobachtet. Er kann gutes und schlechtes Futter für die Tiere unterscheiden und kennt alle Pflanzen und deren Eignung. Wer einen alten Schäfer nach dem Wetter fragt, der kann sicher sein, daß ihm meist eine gute Voraussage gegeben wird, denn die Beobachtung der Natur und ihres Geschehens hat im Laufe der Jahre und Jahrzehnte eine natürliche Deutung der Vorgänge gebracht. „Däe kaan dat besse, wie die Weddemääche em Radio, die dat soon, wat at jewees os“, sagte einmal ein Bekannter zu mir.

Viel Romantik ist im Laufe der Vergangenheit um den Schäfer mit seiner Herde gewoben worden und wird es auch heute noch. Viele haben es „in sich“ gehabt, und es hat immer wieder besondere Originale darunter gegeben.

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