Aus den Verwaltungs- und Bürgervorschriften im alten Ahrweiler
Josef Müller
In der kurkölnischen Zelt von 1513 bis 1794 war das Leben der alten Stadt Ahrweiler durch zahlreiche Verwaltungs- und Bürgervorschriften bestimmt. Aus ihrer Fülle sollen nachstehend einige hervorgehoben werden, da sie uns einen gründlichen Einblick in das mittelalterliche Gemeinwesen gestatten. So mußten fremde Besucher der Stadt von den Hutenmeistern und Ortsvorstehern gemeldet werden. Die Vorschrift lautete: „Die Hodenmeister und Honen einjeder hoden sollen die Auswendigen, so vorgesetzter maßen sich nidergeschlagen, und ferner zu verbleiben gemeint sind, inwendig zweien Monaten bei dem Rath nahmhaftig angeben, folgends dieselbe vor dem Rath durch den Bürger- und Stadt-Botten der gebühr nach vorgeheischen und erfraget werden sollen, ob sie die Bürgerschaft anzunehmen gemeinet sind oder nicht. Demnach soll der-selbiger den Bürgermeister — Scheffen, und Rath im Rahmen, und von wegen des Landfürsten geloben, und schwören unserem gnädigsten Erzbischofen zu Kölln, und Kurfürsten, Bürgermeister, Scheffen und Rath der Stadt und Gemeinden getreu, hold- und gehorsam zu sein, derselben bestes zu werben, arges und schädliches soll er — so viel ihme möglich helfen abzuwenden, keine öffent- oder heimliche Beisammenkünfte, und conventicula ohne Vorwissen des Raths vornehmen, verursachen oder befürderen, fürter das alles thuen und lassen, was einem aufrichtigen Bürger aufliegt gebüret.“
Wer Bürger der Stadt werden wollte, mußte zehn Goldgulden Aufnahmegeld (Bürgergeld) zahlen und mit zwei erhobenen Fingern folgenden „Bürger Aid“ leisten:
„Was ich jetzo angehört, und mit Worten unterscheiden bin, und sonst hinfürter durch Bürgermeister, Scheffen und Rath und deroselben unterhabender. Befehls-Haber gebotten und verbotten wird, dasselbe bin ich als ein gehorsamer und getreuer Bürger und Aidsgenossener würdich zu vollziehen und zu leisten freiwillig und schuldig, unserm Gnädigsten Herrn Erz-Bischofen zu Kölln und Kurfürsten, Bürgermeister, Scheffen und Rath, dieser Stadt bestes und frömliches zu • werben: was ich erfaren, daß der Stadt zu Nachteil reichen mag, anzubringen, und was schädlich, helfen abzuhalten und sonstens das zu thun und zu laßen, was einem gehorsamen, redlichen und frommen Bürger zu Verthätigung dieser Stadt wohl anstehet, stets fest und alles getreulich und unge-fehrlich zu erhalten, als mir Gott hilft und sein Heiliges Wort“.
Zehn Goldgulden wurden Hausbesitzern als Strafe angedroht, wenn sie Fremde ohne Genehmigung des Rates der Stadt beherbergten. Es heißt da:
„Darneben vermög der wohlherbrachter dieser Stadt-Ordnung und sonderlich, damit allem anderen Unheil mit wachendem fleiß möge vorkommen werden, sollen die Bürgern, und andere ihre Häuser binnen der Stadt und eingehörigen Dörferen keinen fremden und auswendigen ohne Bürgermeister und Rath vorgehender und sonderlich erhaltener Erlaubnis und Verwilligung bey poen (Strafe) 10 Goldgulden hinfüro elociren und verlehnen.“
Arme Wandersleute jedoch wurden ohne Bezahlung Im städtischen Hospital aufgenommen:
„Arm leuth betrefent, und welche ihre nachtsruhe nicht können bezahlen, denselben bleibt, wie von altershero, das gemeine Hospital erofenet.“
Alle Bürger der Stadt waren verpflichtet, zum sofortigen Befehlsempfang zum Rathaus zu kommen, sei es bei Tage — sei es bei Nacht:
„Wan der Herren oder Gemeinde Glock, es sei Tag — oder in der Nacht geläutet wird, soll ein jeder an dem Bürger Hauß ohnge-säumt gehorsamlich erscheinen, daselbst Bericht und Anordnung seines Thuns und Laßens, und sonst anhören, und erwarten bei straf- und verlust seiner Bürgerschaft. Und dieweilen der glockenschlag alleinig dem Landsfürsten gebührt, derowegen sollen von Bürgermeister und Rath, da dieselbe mit dem glockenschlag die Bürger beisammen zu bringen, und vorzubescheiden gemeinet, vorhero den Vögten anstatt eines Regierenden Erzbischof und Kurfürsten zu Kölln die Ursachen vermeldet und angezeigt werden, es wäre dan, daß bei entstandenem Brand, Krieg oder ander unversöhnlich zugefallener Noth durch solche Anzeig, und Verweilung anders nicht als mehrer Schad und Beschwernüs zu befahren soll meinlich die Bürgerschaft zu gegenwehr mit dem Glok-kenschlag an zu machen erlaubt sein.“
Umfangreich waren die Bestimmungen, welche das Bauwesen betrafen. Zunächst mußte die Baugenehmigung beim Baumeister der Stadt eingeholt werden:
„Wer bauen will, soll seinen Bau mit dem Baumeister zu vorn begleiten, und besichtigen laßen, demnach am nechsten Gerichtstag vor Bürgermeister und Rath erscheinen, und wie vieh Holtz er vonnöten, angeben und bittlich gesinnen, und wie viel ihme erlaubt wird, soll durch den Stadtschreiber deren Holtz buch alsbald nach geschehener Relation des Baumeisters einverleibt werden, folgends der Baumeister das bewilligte Bau Holtz mit dem Honneisen-Zeichen, und vor denselben, welchen das Holtz ist gegeben worden, entweder Bürgen nehmen, oder sonst fleißig aufsehens haben, daß das Holtz binnen Jahresfrist verbauet werde; bliebe aber das Holtz über das halbe Jahr im Busch stehen oder anderswo liegen, soll der Baumeister dasselbige fort angeben“.
Das Bauholz durfte nicht anderweitig verwertet werden: „Item (Ebenso) wer das gegebene Holtz ver-than, verkauft, nicht verbauet oder anders nützlich verbrauchet, oder Dillen daraus schneiden ließ, soll von einem jeden stück einen goldgulden zugeben verwirkt und darneben den angewendeten Fuhrlohn verloren haben“.
Es gab damals auch schon unerlaubtes Bauen. Hierüber bestimmte die Vorschrift zugunsten der Hüten der Stadt: „Item soll es nimand eine offene cloac oder heimliche Gemach hart und längs die Straße machen und aufrichten, und so oft er zu Abschaffung ermannt worden, und dasselbige nicht abschafft und abstellet, soll derselbe in poen 4 goldgulden, halb dem Rath und halb der Nachbarschaft in den Hoden, darin solches geschehen, verfallen sein“.
Wichtig waren alle Bestimmungen, die den Weinbau betrafen. So war die Einfuhr von fremdem Wein ohne Genehmigung verboten. Er mußte wieder aus der Stadt ausgeführt werden. Es heißt da:
„Item Es soll niemand keinen fremden Wein binnen das Gericht zu Ahrweiler füren, noch darin bringen, auf die alt Konr (Strafe) 5 Mark, also als das von alters herkommen und gehalten ist und wes Weins hierboven hierin gefürt und bracht wird von jemand, der soll umb die alte Köhr verfallen sein, als vorgeschrieben und soll darzu ohnver-zuch zu gesinnen eines Bürgermeisters zur Zeit oder seinen gewissen Bollen den Wein wider aus der Stadt und dem Gericht führen, und thäte er das nicht, wie oft er zu Mahnungen und gesinnen des Bürgermeisters oder seines gewissen Bottens darin ungehorsam, und freventlich würde, also oft soll er um dieselbe Kür erfallen bis daß der Wein wider ausgeführt ist, und die vorgeschriebene Kühren sollen die Kürmeisteren heben und zu der Stadt Bau kieren und berechnen.
In mißwachsigen Wein Jaren aber wan kein Wein binnen Ahrweiler zum feilen Kauf zu bekommen, als dan mit vorgehender Erlaubnüß, und Verwilligung Bürgermeisters und Raths ein ingessener Bürger und Wirth fremden Wein einfüren, und verzapfen mag, Item so einigem, so In- und außerhalb Ahr-weiler-Bezirk auf seinem eigenen Erb- und güteren Wein gewachsen, oder sonsten Wein renthen fallen und einkommen hat In zufüren, und zu verbrauchen frei stehen und unbenohmen sein soll. Item soll einem jeden Bürger in seiner Haushaltung fremden Wein zu seiner Hauß Nothdurft — aber nit zu verkaufen, wein zu schenken frei sein“. Diese Bestimmung war auch schon in der heut noch im Stadtarchiv vorhandenen Stadtordnung von 1513 enthalten. In einem Ratsprotokoll vom Jahre 1602 machte der damalige Ratsschreiber Schöneck, der dieses Amt über 50 Jahre verwaltete, im Anschluß an die Aufzeichnung über die Bestrafung eines Bürgers wegen verbotswidriger Weineinfuhr folgende Eintragung: „Der Wein ist hiesiger Gegend fürnehmste Nahrung, so es alle Zeit und unnachsichtlich gehalten werden soll“. Damit wollte der Schreiber ausdrücken, daß der Weinbau der wichtigste Erwerbszweig der Bürgerschaft sei und daß dieser Erwerb unbedingt geschützt werden müsse. Der Lesetermin wurde damals schon festgesetzt:
„Item zu Herbst Zeit soll niemand weder weiße noch rothe Trauben leßen. Bürgermeister und Rath haben dan zuvor die Laaß aufgekündiget und angesetzt, bei straf 2 goldgulden“.
Beim Trauben- und Weinverkauf waren bestimmte Grundsätze zu beachten: „Item in- und nach der Herbstzeit soll niemand einen Kauf ohn Vorwissen und ver-willigung Bürgermeister und rath vornehmen, oder machen-, bei poen 2 goldgulden … Item ein Bürger- oder wirth, so wein zum zappen gilt, oder sonsten zapfen will, soll denselbigen nicht kelleren, er sei dan zu vor durch die Ac’cinsmeistere aufgeschrieben, wie gleichfalls der Wirth was er ganz verkauft, auch besichtigen laßen soll, bei poen 1 goldgulden, darbeneben er auch die accins bewirket haben soll. Item wer weichen wein zapft, soll kürig (strafbar) sein um 1 goldgulden, und der zur Zeit Bürgermeister soll den Wein zuschlagen. Item ein Wirth soll von einer färben nicht zweierlei vermischen- oder nachschmeckigten wein zapfen um die Kühr 1 Goldgulden.
Item soll es kein in Substantia verachteter, unschmeckiger oder sonsten mangelhaftiger Wein ohne sonderlich vorgegangene Erkenntniß Bürgermeisters und sämtlicher Scheffen Vorwissen vergeben werden, dabei aber den Markgeschworenen nach Befindung des Mangels und gebrechs des Weins ihr gebühr vorbehalten werden soll“. Auch der Weinverkauf in den sogenannten „Straußwirtschaften“ war geregelt: „Item wer zapfen willt, der soll den Wein vor den Pfenning, wie er denselben geben willt, und anders nicht schenken, und einen wusch ausstrechen bei straf ein goldgulden.
Item wer in dem Zapfen steigern wilt, der soll den wusch zu thun, und drei dag und Nachten nach dem ersten Zappen warten, ehe er den Wein theurer verzapfen, welcher aufschlag nicht mit demselben, sondern mit einem anderen stück weins geschehen soll bei straf 4 mark.“
Dasselbe betraf den Verkauf selbstgebrauten Bieres:
„Item wer Bier zappen wilt, soll einen Wusch ausstechen, und das neue gebraute Bier durch die accins Meister besichtigen, probieren und aufschreiben laßen, und nach befinden darnach dasselbige doch eher nicht dan wann es acht tage alt ist, verzap’pen bei straf 1 goldgulden“.
Die Trauben- und sonstigen Feld- und Gartenfrüchte waren besonders geschützt. Diese Bestimmungen lauten: „Item Niemand soll dem anderen seine Trauben abschneiden, oder in allen anderen güteren Weingarten und garten, Wießen, Büschen und Bungärten ahn fruchten, es sei Korn oder Weitzen, gersten, Erbsen, Bohnen, Obst, apfel-Bieren-Nüß, öllich, muß oder dergleichen ,im geringsten nicht beschädigen, noch abnehmen, wer darüber ergriffen und brüchig befunden wird, soll nach gestalt des Schadens und der Schützen Ordnung gestraft werden. Item Es soll auch niemand in und auf ungewöhnlichen Wegen regeren, und an den Bäumen mit dem Vieh weiden, oder zu krauthen sich gelüsten laßen bei poen 1 goldgulden.
Item Niemand soll einige Schaaf, geißen, Bock oder Hunde in und auf der gemeinen Erb und güteren erhalten oder ein kleren, wie gleichfalls Niemand ein Schaaf, oder Hammel ins feld nach zu leiten gestattet werden soll, welcher darüber befunden würde, soll um 1 goldgulden Straf verfallen sein.“
Zum Schluß seien noch drei interessante Bestimmungen erwähnt:
Das Abwerben von Dienstpersonal war damals schon verboten:
„Item soll kein Bürger dem anderen sein Dienstknecht, oder Magd, so er gedingt und angenehmen, abspannen oder abhendig machen bei poen und straf nach gelegen-heil dieser Uebertrettung vorbehaltlich.“
Das Wildern war aber erlaubt:
„Item das hohe Wild soll niemand schießen, aber uralter Brauch nach mag ein jeder Bürger mit garnen Rehe und Haaßen fangen.“
Das Wildbret durfte nur auf dem Markt öffentlich verkauft werden:
„Item alle Wildprett soll nit auswendig, sondern binnen der Stadt an den Mark feil bracht, und verkauft werden, wie die Mark-geschworenen solches mit vorgehender Verwilligung Bürgermeisters und Raths zu verkaufen verordnen, und ansetzen, bei straf ein goldgulden.“
Neu gewählte Amtspersonen mußten einen Einstand geben:
„Entlich ist ein uralter und freuntlicher gebrauch bei diesem gericht unt im rath gewesen, daß jede newe erwehlte unt ankommende scheffen, welche perpetui senatores seint, scheffen undt rath ehrliche essen unt mahlzeiten zu geben pflichtig, als soll ein new erwählter undt veräydter scheffen innerhalb Jahresfrist a die installationis suae (vom Tage seiner Bestallung) zu completiren pflichtig unt verbunden sein seine Schuldigkeit hierin zu leisten undt das scheffen Essen der gebühr auszurichten; auf ver-säumnusfall sollen das gericht undt rath in gemeinem wirths haus mächtig sein in forma consuetä sich lassen die ahngerechde essen zu bestellen.“
Dieser Einblick in die Verwaltungs- und Bürgervorschriften des mittelalterlichen Ahrweiler soll genügen. Er zeigt, wie festgefügt die Verwaltungsordnung schon damals war. Dabei fällt sichtlich auf, daß immer wieder sehr harte Geldstrafen angedroht werden. Viele dieser Vorschriften gelten auch heute noch, wenn auch in abgemilderter Form. Sie sind teilweise regelrecht eingebürgert.
Zur Schriftsprache der damaligen Zeit sei vermerkt, daß sie noch keine Regeln kannte. Deshalb wird der Leser finden, daß das gleiche Wort in den einzelnen Textabschnitten verschieden geschrieben wurde.