Arenbergische Dreikönigsverehrung, einmal ganz anders
Wilhelm Knippler
Ein Gemälde kann dem Betrachter vieles erzählen. Bilder von Michelangelo oder Dürer, von Watteau oder von Käthe Kollwitz sind für uns sprechende Dokumente ihrer Zeit. Hier wollen wir uns mit einem Stück religiöser Kunst beschäftigen, das die Familie der Herzöge von Arenberg betrifft.
Die Arenberg im Verhältnis zur Kirche
Überall, wo die Arenberg tätig waren als Burggrafen, gefürstete Grafen, Reichsgrafen oder als Herzöge, begegnen wir ihren Spuren nicht nur in Heiratskontrakten oder Erbauseinandersetzungen, in Fehden und Schlachten oder, auf diplomatischem Parkett, sondern oft im kirchlichen Raum.
Wenn auch der Kreuzfahrertod des Hartmann von Arburg (1099) umstritten ist, um so sicherer ist bestätigt, daß der Burggraf Eberhard von Arenberg und seine Gemahlin Aleydis im Jähre 1215 die Zisterzienserabtei Marienstatt im Westerwald gegründet haben. Beide sind dort auch beigesetzt. — Mechthild von Arenberg, die Mutter des letzten Arenberg der ersten Linie (Burggraf Johann), schuf im Jahre 1281 die Ordensniederlassung (Kommende) der Johanniter in Walsum am Niederrhein.
Die zweite Linie, die Graton Arenberg von der Mark, hatten starke kirchliche Bindungen zu Lüttich durch den Bischof Adolf von der Mark (1313—1344), einen Bruder des Grafen Engelbert von Arenberg von der Mark, und in der Person des Fürstbischofs Eberhard von der Mark, der zwei Jahrhunderte später in Lüttich residierte, einen Bruder des Grafen Robert II. von der Mark Arenberg. — Seit 1496 war die Kreuzherrenkirche in Lüttich die Grabkirche der Arenberg von der Mark. Die dritte Linie der Arenberg wird schon in ihrem ersten Repräsentanten vor ernste Entscheidungen im religiösen Bekenntnis gestellt. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Alba und den Oraniern bezahlt Johann von Arenberg bei Heiligerlee im Jahre 1568 seine religiöse Haltung mit dem Leben. Gräfin Margaretha, seine Witwe, stiftete zu seinem Gedächtnis eins der berühmten Kirchenfenster der St. Janskirche in Gouda. Später bestand eine starke Brücke zwischen dem Stadtschloß der Arenberg in Brüssel und der gegenüberliegenden Liebfrauenkirche vom Zavel. Im 16. Jahrhundert wurden die Reichsgrafen von Arenberg als Kollatoren (Patrone) der Pfarreien Antweiler, Dorsel, Reifferscheid, Müsch und Wershofen genannt. Sie hatten also das Recht, Kirchenämter in diesen Pfarreien zu vergeben. Seit dem Reichsdeputationshauptschluß 1803 waren die Herzöge von Arenberg vom Unken Rheinufer als regierende Fürsten vertrieben. Sie bewohnten später das Schloß Nordkirchen in Westfalen und die Arenberger Mispeln in den Wappen der dortigen Kirchenfenster bezeugen, wer ihr Stifter war.
Heute berichte ich nun von einer erneuten Bestätigung kirchlicher Bindung vom Anfang des 17. Jahrhunderts.
Wegweiser zur „Dreikönigsverehrung“
Ein freundlicher Zufall spielte, mir G. H. Dumonts 1959 erschienenes Werk über die belgisch-wallonischen Lande in die Hände. Darin schreibt der Verfasser über Enghien, südlich von Brüssel gelegen: „Enghien verdankt fast alles den Herzögen von Arenberg, die es i.J. 1606 dem König von Frankreich für 27000 Pfund abkauften. Von dem Schloß, wo sich einst Voltaire mit Madame du Chatelet aufhielt, sind nur eine Kapelle in dem Wachtturm und ein geschnitztes Portal übrig geblieben. Die Erinnerung an die Familie von Arenberg aber halten zwei Dinge wach: der wunderbar angelegte Park mit seinen Gewächshäusern, seiner Orangerie, seinen Statuen, Marmorvasen, Kollonadenbänken und seinem Sklaventor, die sich kaum verändert haben seit der Zeit, da Mlle Montpensier ihn bewunderte. „Nichts Schöneres gibt es auf der Welt!“ rief die Enkelin Heinrichs IV. aus, und Ludwig XIV. beauftragte den Gartenbaumeister Le Nötre, die Pläne der Gärten zu studieren. Fünf Jahre später entstand Versailles!
Weiter wird die Erinnerung an die Arenberg aufrechterhalten in der Kapuzinerkirche zu Enghien, denn dort sind auf einem Altarbild die Gesichtszüge von 51 Mitgliedern der herzoglichen Familie wiederzufinden.“ So weit G. H. Dumpnt! — Ich bat das Pastorat von Enghien um Obersendung einer Fo-tokopie, und nach wenigen Tagen schickte mir Pfarrer Roeykens, dem herzlicher Dank gesagt sei, mehrere Fotos und Exzerpte aus den „Anmalen des archäologischen Kreises von Enghien“, 1964 bis 1966 erschienen bei E. Delwarde in Enghien, die den Maler de Coulx betrafen.
Das Altarbild mit den 51 Portraits stellt die Anbetung der drei Könige dar, die hier in Enghien mit ihrem ganzen Hofstaat — alle zur Familie Arenberg-gehörig — erscheinen. Die Idee zu dem Gemälde und der Auftrag an den Maler gingen aus von Karl von Arenberg und seiner Gemahlin Anna. Der gefürstete Graf Karl von Arenberg, Prinz von Rebecq, Herzog von Arschot, Baron von Zevenbergen und Herr von Enghien, war 1550 auf Schloß Vollenhoven in Friesland, wo sein Vater Johann von Arenberg damals
Statthalter war, geboren. Seine Mutter war die einzige Erbin der Arenberg von der Mark, Margaretha, die ihrem Gatten, dem Grafen von Ligne, als Heiratsgut auch den Namen der Arenberg brachte. Karl von Arenberg hatte Kaiser Karl V. zum Paten, eine Anerkennung für die treuen Dienste, die der Vater dem Hause Habsburg geleistet hatte. Schon mit 19 Jahren war Karl Gesandter für Herzog Alba am französischen Hof. Lange stand er im spanischen Kriegsdienst und mußte sich mit den Söldnern des abgefallenen Kölner Erzbischofs Truchseß von Waldburg herumschlagen. Als Ritter des Goldenen Vlieses trug er die höchste habsburgische Auszeichnung. Durch Anna von Croy erheiratete Karl reichen Besitz im niederländischen Räum, hierin dem Habsburger Vorbild getreu: „Du, glückliches Oesterreich, heirate!“ Zwölf Kinder entstammten der glücklichen Ehe, und so fand der Maler de Coulx eine große Anzahl von Familienangehörigen als Modelle für das Altarbild, zu dessen Anfertigung er im Jahre 1615 Auftrag erhielt. Da Karl von Arenberg schwer erkrankt war und sein Ende ’nahte, drängte man zu größter Eile. Der Maler konnte aber noch genügend Portraitstudien vorbereiten bis zum 18. Januar 1616, dem Todestag des Fürsten. Servals de Coulx war nach den zitierten Annalen damals, besonders in den Jahren 1615 bis 1620, der Hausmaler der Arenberg. Außer den Studien für das Hochaltarbild schuf er in jenen Jahren zehn Portraits von Familienmitgliedern. Er war ein fleißiger Maler und allem Anschein nach ein tüchtiger Künstler der flämischen Schule. Am 8. April 1617 lieferte er das Hochaltarbild ab und berechnete dafür 1400 Gulden. Man wird sicher nicht erwarten, daß ich die einundfünfzig Personen des Bildes hier identifiziere. Wer mit Bestimmtheit in der Rolle dei“ Könige sich verbarg, war zunächst Fürst Karl, der Auftraggeber. Er kniet Im Vordergrund und stellt den ältesten der Könige dar. Die beiden anderen „Magier“ sind seine Söhne. Philipp von Arenberg (1587—1640), der älteste Sohne und Nachfolger des Vaters, schwingt das goldene Rauchfaß. Neben ihm sehen wir Graf Anton von Arenberg, den jüngeren Bruder (1593—1669), der später in den Orden der Kapuziner als „Pater Karl von Brüssel“ eintrat und berühmt geworden ist als Schöpfer der herrlichen Gärten von Enghien.
Altarbild in Enghien/Belgien
Der Maler Coulx hielt sich genau an die Modelle. Auch bereits verstorbene Familienmitglieder reihte er unter die Lebenden. Er malte sie nach vorhandenen Portraits, die wir leicht vergleichen können. Als Beispiel nenne ich nur das Portrait des 1568 verstorbenen Vaters Johann von Arenberg, der über dem knieenden verstorbenen Fürsten Karl neben der Säule steht, und das Portrait der Mutter des Fürsten, Gräfin Margaretha, die ich im Hintergrund an der Spitze der Frauen zu erkennen glaube. Prof. Dr. Neu veröffentlichte beide Portraits 1938 in seiner Schrift über das Herzogtum Arenberg.
Die Bedeutung des Bildes
Das Gemälde von 1616 ist ein absolut einwandfreies Zeitdokument, das auch dem heutigen Menschen noch etwas auszusagen vermag. Wer nur ein wenig die Einflußnahme der Arenberg auf die Geschicke Ihrer Erblande im 16., 17. und 18. Jahrhundert, aber auch auf die Belange des Reichs und Habsburgs studiert hat, wer außerdem feststellen konnte, daß die Grafen und späteren Herzöge von Arenberg sich im Bekenntnis zur Kirche in hohem Maße auszeichneten, für den ist das Altarbild nicht etwa ein Zeugnis
von Überheblichkeit, die gar blasphemische Verdachte aufkommen lassen könnte, sondern ganz einfach ein Zeugnis stolzer, aber frommer Geisteshaltung. In der Entstehungszeit 1616 war das Gemälde von Enghien, zumal in den Niederlanden, ein mutiges Bekenntnis einer religiösen Oberzeugung.
Ein Verantwortlicher von damals stand für seine Gesinnung: Johann von Arenberg, der Mann an der Säule, starb dafür im Jahre 1568. Zu den dargestellten Frauen gehören mutige Bekennerinnen wie Gräfin Margaretha, die – wie Friedrich von Spee — unerschrocken und energisch gegen die Unmenschlichkeit der Hexenprozesse auftrat oder wie Anna von Croy, die zwölf Kindern das Leben schenkte.
Nur ein tiefgläubiges Fürstenpaar konnte solch einen Gedanken erwägen und dann die Idee 1615 und 1616 verwirklichen, die Dreikönigsverehrung allein durch Familienmitglieder darstellen zu lassen, und dies gleich über dem Hochaltar einer Klosterkirche! Dieses Kunstwerk und historische Bekenntnis blieb glücklicherweise 350 Jahre lang erhalten. Darüber darf man sich freuen, auch darüber, daß Schrittsteller unserer Tage (1962—1966) würdigende Abhandlungen darüber schrieben.
Genug der Worte! Das Bild dürfte für sich selbst sprechen und ein wenig Verinnerlichung als Echo auslösen.