Rolandseck und Nonnenwerth wie gestochen
Wilhelm Knippler
In den letzten Jahrzehnten ist allenthalben eine Renaissance in der Wertschätzung des Kupferstichs zu beobachten. Namentlich dem kolorierten Stich begegnet man heute vielfach.
An der Ah r waren es besonders die Maler Roidkin, Ponsart und Schlickum, die viele Landschaften unsrer Heimat zeichneten. Der Rhein lockte eine große Menge von Künstlern aus vielen Ländern Europas. Bevor aber die Maler kamen, mußte erst die Besonderheit des Rheintals entdeckt werden, und es waren anfangs recht düstere Eindrücke, die auf den Bildern festgehalten wurden.
Da war es eine glückliche Fügung, daß von Wien aus ein tüchtiger Landschaftsmaler, Laurenz Janscha, an den Rhein geschickt wurde mit dem Auftrag, für den Kölner Kurfürsten rheinische Landschaften auszuwählen und in Aquarellen darzustellen. Er kam mit guter Beute zurück. Der Kunstverlag Artaria in Wien war zufrieden und ließ durch Johann Ziegler die Bilder in Kupfer stechen.
So entstanden 1798 „Fünfzig malerische Ansichten des Rheinstroms von Speyer bis Düsseldorf“, deren Originalzeichnungen man in der Albertina zu Wien betrachten kann.
Aus unserer Heimat wählte Janscha zwei Motive aus, den Rathausplatz von Remagen (vgl. Clemen, Kunstdenkmäler d. Kr Ahrweiler, S. 531) und das Blatt Rolandseck und Nonnenwerth, dem meine besondere Liebe gehört.
Janscha bereiste 1792 das Rheintal, so gehören seine Motive noch zur heilen Welt vor 1794. Der abgebildete kolorierte Stich zeigt eine friedliche Landschaft und zufriedene Menschen. Vor den Burgruinen von Rolandseck und vom Drachenfels lehnen sich an die Hügel die Fachwerkhäuser von Rolandseck. Drüben lugt hinter Baumwipfeln das Kloster Nonnenwerth hervor. Dazwischen fließt der Rheinstrom, auf dem Schiffer ihr Lastschiff ohne Segel ruhig zu Tal treiben lassen. Den Vordergrund beleben Menschen des einfachen Volkes, keine Kavaliere mit Degen und keine Damen mit gepuderten Perücken. Eine zwei räderige Karre kommt auf uns zu, ein Ruderboot legt an der Insel an, eine Frau mit dem Säugling auf dem Arm plaudert mit dem Nachbarn, während ein Mädchen Wasser zum Hause emporträgt. — Alltagsleben an einem schönen Sommertag l Das anmutige Bild gehört zu einem Gesamtwerk, das gerade in den vergangenen Jahren große Beachtung fand. Dafür einige Beispiele: J. J. Hässlin1) schreibt: „Als Laurenz Janscha, kaiserlicher Rat undLehrer für Landschaftsmalerei an der Wiener Akademie, 1798 seine feinen Rheinansichten herausgab, war das Unwetter der französischen Revolutionstruppen über das schöne Land hinweggebraust; aber auf diesen stattlichen, zart getönten Blättern lebt das alles noch, mit Karossen und Turnüre, mit idyllischen Gruppen von Landleuten, eine tänzelnde Allemande nach der stürmischen Oberfahrt in das Jahrhundert der napoleonischen Kriege.“
Dr. Werner Jüttner2) sagt zum gleichen Thema: „Es war ein riesiger Stab von künstlerischen und handwerklichen Mitarbeitern, die allerorts für die bedeutendsten Verleger tätig waren. Unter den zahlreichen Rheinansichten dieser Zeit finden wir wohl die besten in dem Sammelwerk von L. Janscha. Er hat wohl als erster die vielen, damals noch unbekannten malerischen Winkel am Rheinufer entdeckt“.
Repro: Kreisbildstelle
Paul Hübner3) berichtet: „Die ergiebigsten und besten Bildbände werden übertroffen von dem gezeichneten und gestochenen Prunkwerk „Malerische Ansichten des Rheinstroms“ von Janscha und Ziegler, die 1792 eine Vedutenfolge vom Rhein schufen. Janscha hat in seinen duftigen Aquarellen und. sehr genau zu seiner Stunde die Welt am Rhein überliefert, die kurz danach weithin zerstört wurde.“
Die „Frankfurter Allgemeine“ meldete 1970 von der Kunstmesse in Düsseldorf, daß die Palme in alten Stichen zweifellos dem Kunsthaus Markus mit Janschas Rheinansichten von 1798 gebühre.
Am ausführlichsten äußerte sich der Kunsthistoriker Paul Ortwin Rave4). Er veröffentlicht eine übersichtliche Entwicklung vom Aquarell zum Kupferstich und zum kolorierten Stich. Er zieht eine feine Parallele zwischen Bertolas Reisebüchlein von Speyer bis Düsseldorf5) und Janschas Stichen, die die gleiche Rheinstrecke zum Thema haben. Er bemerkt, Janscha habe die Besonderheiten und Eigentümlichkeiten der rheinischen Gefilde erkannt und festgehalten, idealisiert zu immer grünender Landschaft unter stets heiterem, nur von lichten Wolken belebtem Himmel, von einer angenehmen Jahreszeit, die keinen Winter kennt, nicht einmal Sturm und Regen.
Rave kommt zum Schluß: „Diese heitere Ansichtenfolge Janschas blieb auf lange hinaus das maßgeblich geprägte Bild des Rheins. Wie einst den Menschen der Klassik, den empfindsamen Freund von Natur und Kunst; so spricht Janschas Werk uns heute an, unübertroffen in seiner Sauberkeit und Treue, in der menschlichen Liebenswürdigkeit und in dem fast mozartischen Klang.“
Freuen wir uns des schönen Janschastiches aus unserer Heimat, denn er ist für spätere Generationen ein unverfälschtes Dokument einer reizvollen Landschaft, dazu eine feine Milieuschilderung der Welt vor zweihundert Jahren.
- „Ansichten aus alter Zelt“, Von Mainz bis Köln, Honnef 1954
- Malerisches Rheinland, Jugenheim 1961
- Monographie des Rheinstroms, Socletätsverlag Frankfurt 1974
- P. O. Rave, Der Rhein, Peters, Honnef o. J.
- Abbate G. de Bertola, Malerische Rheinreise von Speyer bis Düsseldorf, deutsch 1796. (Vgl. Heimat-Jahrbuch Ahrweller 1958, 136)