Als man dem Breisiger Bürgermeister die Wohnung kündigte . . .
. . . verlor die Bürgermeisterei 1872 ihr »Local mit Dienstwohnung« für Bürgermeister und Verwaltung
Carl Bertram Kommen
Das Rathaus ist in den Gemeinden, die seit Jahrhunderten das Stadtrecht besitzen, seit jeher Mittelpunkt des Gemeindelebens. Hier konzentriert sich gerade in unseren Tagen eine Vielzahl von Verwaltungen und neben ihnen auch anderer öffentlicher Einrichtungen wie etwa Sparkassen und Banken. Für die Bevölkerung ist es eine Erleichterung, möglichst alle kommunalen Behörden an einem Platz vorzufinden. In Bad Breisig ist dies —wie in manchen anderen Gemeinden und Städten—jedoch seit langem nicht mehr möglich: Das Rathaus an der Koblenzer Straße ist für die Verwaltung der Ver-bandsgemeinde zu eng geworden. Allzu viele Teile sind anderweitig untergebracht und verlangen von den Bürgern oft weite Wege. Die Diskussion um die notwendige räumliche Verbesserung geht seit Jahren — bisher jedoch angesichts der fehlenden Etatmittel ohne Ergebnis.
Vor eine noch schwierigere Situation wurde Ende des vergangenen Jahrhunderts die damalige Bürgermeisterei Niederbreisig gestellt. Im Sommer 1872 war dem Bürgermeister die Wohnung gekündigt worden und damit auch das mit ihr verbundene »Bürgermeisterei-Bureau«. Die Gemeinde stand also praktisch von heute auf morgen ohne Rathaus da. Die Lage war im Vergleich zu heute etwas einfacher: Die gesamte Verwaltung, für die damals neue Räume und eine Dienstwohnung gesucht werden mußten, bestand lediglich aus dem Bürgermeister, seinem Sekretär, dem Polizeidiener und einer Schreibhilfe.
Der Fall wurde von der Bürgermeisterei-Versammlung in einer einzigen Sitzung diskutiert und gelöst: Man beschloß, ein eigenes »Bürger-meistereilocal nebst Dienstwohnung« zu bauen. So entstand vor 110 Jahren das »Rathaus«.
Dreißig Jahre später wurde es erweitert, weil es zu klein geworden war.
Am 27. August 1872 hatte Bürgermeister Joseph Ehser den für ihn und für die Bürgermeisterei recht unangenehmen Kündigungsbrief erhalten. Noch am selben Tag lud er die Mitglieder der »Bürgermeisterei-Versammlung« mit abgekürzter Zeitfrist für Donnerstag, den 29. August, zu einer dringenden Sitzung ein. Diesem Gremium gehörten neben dem Bürgermeister als Vorsitzenden und dem zweiten Beigeordneten Schurp zwölf Vertreter der Gemeinden an: aus Niederbreisig die »Verordneten« Dinget und Schubach, von Oberbreisig Gemeindevorsteher Schäfer, aus den übrigen Orten jeweils der Gemeindevorsteher und ein Verordneter: aus Waldorf Nachtsheim und Nett, aus Gönnersdorf Schmitgen und Frömbgen, aus Rheineck Schäfer und Heymann und aus Brohl Reuter und Bröhl.
Neues Rathaus »aufm Planken«
In dieser Sitzung berichtete Bürgermeister Ehser, daß nach dem ihm zugegangenen Schreiben der Gebr. Rick, Cöln, als Hausbesitzern die seit 16 Jahren bewohnten Räume samt dem Bürgermeisterei-Bureau innerhalb von drei Monaten geräumt werden müßten und nur noch bis zum 27. November bewohnt werden könnten. »Da wie ja auch notorisch in loco Niederbreisig weder Wohnung noch Bürgermeistereilocal zu miethen seien«, so heißt es im Sitzungsprotokoll wörtlich, »geht deßhalb der Vorschlag dahin, auf dem Grundstück neben der Schule, in Flur V11625/992 »aufm Planken< der Chaussee entlang gelegen und er. 130 Ruthen enthaltend, ein Bürgermeisterei-Bureau nebest Wohnung für den zeitigen Bürgermeister zu bauen, welch letzterer dann entsprechende Wohnungsmiethe zu zahlen haben werde.« Die Versammlung erwog, so liest man in dem kurzen handschriftlichen Protokoll weiter, »daß es angethan erscheine angesichts des Mangels an Wohnungen auf diesen Vorschlag einzugehen, und beschloß daher nach mehrfachen Erörterungen mit zehn gegen zwei Stimmen« ein eigenes Rathaus zu errichten und mit dem Bau bereits im Frühjahr 1873 zu beginnen. Seinen Vorschlag hatte der Bürgermeister ganz offensichtlich mit Kreisbaumeister Cuno in Neuenahr bereits vorbesprochen. Denn dieser wurde beauftragt, »alsbald« einen Plan im Rahmen eines Kostenvoranschlags von 3 500 Reichs-thalern vorzulegen.
Das Rathaus sollte zweistöckig werden und in jedem Stockwerk fünf Zimmer erhalten. Für das Bureau der Verwaltung waren im Erdgeschoß zur Straße hin zwei Zimmer mit je zwei Fenstern vorgesehen, ferner zum Hof hinaus ein größerer Raum, der auch als Sitzungssaal und Aktenzimmer dienen sollte. Für die über den gemeinsamen Eingang zugängliche Dienstwohnung des Bürgermeisters befanden sich im Erdgeschoß die Küche und ein Wohnraum, im ersten Stock weitere fünf Zimmer »nebst Appartements«. Die Bürgermeisterei-Versammlung sprach die Hoffnung aus, die Gemeinde Niederbreisig werde das Grundstück kostenlos zur Verfügung stellen, weil sie »durch den Sitz des Bürgermeisteramts daselbst auch besondere Vorteile habe«. Diesen Wunsch erfüllte Niederbreisig nicht, versprach aber einen »mäßigen Kaufpreis«.
Alle Gemeinden zahlten Baukosten
Die Baukosten wurden auf die einzelnen Gemeinden entsprechend der »Gesamt-Staats-steuer« umgelegt. Die Anteile betrugen für Niederbreisig 1298 Reichsthaler 19 Silbergroschen 8 Pfennige, Brohl 738 Rthlr 19 Sgr 8 Pfg, Waldorf 552 Rthlr 12 Sgr 10 Pfg, Oberbreisig 253 Rthlr 12 Sgr 10 Pfg, Gönnersdorf 251 Rthlr 25 Sgr 6 Pfg und Rheineck 124 Rthlr 28 Sgr 6 Pfg. Schon vor Baubeginn erhöhten sich die Kosten aber um weitere 800 Thaler, da man noch Änderungen beschloß. Zudem mußten 42 Ruthen Schulgelände hinzugekauft werden, die Ruthe zu acht Thaler.
Schon Ende September konnte an Ort und Stelle eine erste Besprechung der Baukommission, der mit dem Bürgermeister die Herren Dinget und Schäfer angehörten, mit Kreisbaumeister Cuno erfolgen. Am 1. Oktober genehmigte die Königliche Regierung zu Koblenz den Bau des Rathauses »auf der der Schule gehörenden Baustelle jedoch unter der bestimmten Voraussetzung, daß die hierzu nachträglich einzuholende Genehmigung des Schulvorstandes ertheilt wird«.
Baubeginn nach fünf Monaten
Die Baugrube wurde am 27. Januar 1873 begonnen — nur fünf Monate nach dem Beschluß der Bürgermeisterei-Versammlung. Dann konnte der Brohler Baumeister Hubert Netz, der den Zuschlag erhalten hatte, mit dem Bau beginnen. Er mußte ihn aber entgegen seinem Vorschlag in Ziegelsteinen und nicht in Lützinger Stein ausführen. Bis das Rathaus fertig war, bezog Bürgermeister Ehser eine Lehrerwohnung in der neben dem Bauplatz liegenden alten Schule; für sein Büro gab ein anderer Lehrer zwei Zimmer ab.
Wann der Bau des Rathauses beendet wurde, ist den Bürgermeisterei-Unterlagen im Landeshauptarchiv Koblenz nicht zu entnehmen. Lehrer Breitbach schreibt, das Gebäude sei 1874 bezogen worden. Die alten Akten verzeichnen ein Gedicht von J. Dewin, das in acht Strophen in der Ahrweiler Zeitung am 15. April 1873 »Zur Grundsteinlegung des neuen Bürgermeisterei-Lokales« erschien; sie erfolgte bereits am 18. März, wie man Notizen des Bürgermeisters entnehmen kann. In diesem Gedicht heißt es u. a.:
»Lang möge steh’n
dies Haus auf festem Grunde
Und trotzen möge es
dem Zahn derzeit.
Noch manches Jahr mög‘
machen seine Runde,
Eh’es zerfällt
in eitle Nichtigkeit’«
Zumindest dieser Wunsch hat sich erfüllt; das Rathaus steht heute nach 110 Jahren immer noch.
1905: Neubau oder Anbau
Bereits zu Anfang des Jahrhunderts saß die sich vergrößernde Verwaltung im Amt bereits so beengt, daß eine Erweiterung dringend notwendig wurde.
1905 hatte die Gemeinde neben dem Rathaus zwei Grundstücke gekauft, die an der Provinzialstraße eine Front von 98,5 Meter und eine Tiefe zum Rhein hin von 158,4 Meter hatten. Zwei Vorschläge, die Raumsituation im Rathaus zu lösen, standen zur Wahl. Einmal wurde erwogen, unter Einbeziehung der neuen Grundstücke eine 14 Meter breite Straße zwischen dem Bürgermeisteramt und der Schule anzulegen und das Rathaus durch einen Anbau zu erweitern. Der zweite Plan sah mit den erheblich höheren Gesamtkosten von 31 500 Mark einen völligen Neubau des Bürgermeisteramtes auf zwei dieser 14 Grundstücke und einen Umbau der Schule vor. Gleichzeitig sollten im alten Rathaus zwei Lehrerwohnungen eingerichtet werden.
Die Bürgermeisterei-Versammlung entschloß sich jedoch am 22. April 1905, nur einen Anbau vorzunehmen mit je zwei Zimmern im Erd- und Obergeschoß und das Dachgeschoß auszubauen. Für den Erweiterungsbau, der bis Ende des Jahres ausgeführt wurde, waren 12500 Mark bewilligt worden. Es kam aber zu einer Überschreitung des Kostenvoranschlages um fünfzig Prozent. Abgerechnet wurden am 12. Dezember 1905 18 233 Mark. Die hinzugekauften Grundstücke sind damals zum Glück nicht parzelliert worden.