Der Bodendorfer Jagdpachtvertrag von 1670
Dr. Karl August Seel
Während des Dreißigjährigen Krieges und der unruhigen und kriegerischen Jahrzehnte danach sind das Ahrtal und das Mittelrheingebiet ständig Repressalien, Plünderungen und Brandschatzungen wechselnder Kriegsvölker — Spanier, Schweden, Niederländer, Franzosen, Hessen u. a. — ausgesetzt. Durch die großen Bevölkerungsverluste geht dabei das Wissen über die Rechts- und Eigentumsverhältnisse zu einem großen Teil verloren. Schriftliche Quellen in den herrschaftlichen und geistlichen Archiven werden zerstört, Landmaß- und Erbbücher in den Städten und Dörfern verbrannt. Nach dem Krieg sind daher die Landesherren gezwungen, eine Bestandsaufnahme ihres Besitzes mit der Feststellung darauf ruhender Rechte und Lasten durchführen zu lassen. In der Reichsherrschaft Landskron wird eine solche Besitzstandsaufnahme durch den Freiherrn Wilhelm von Brempt, einen Nachfolger der Herren Quad zu Landskron, angeordnet. Für Bodendorf fällt diese Aufgabe dem freiherrlich-bremptischen Kellner Becker zu, der die Aufnahme im Jahre 1670 durchführt. Johann Hermann Becker bezeichnet sich selbst als Schultheiß, Schöffe, Gerichtsschreiber und bremptischen Rentmeister und Kellner. Als Bodendorfer Gerichtsschreiber ist er von 1668 -1670, als Kellner von 1670 – 1672 belegt und nach 1691 verstorben. In seinem Lagerbüchlein vom Haus Landskron1 beschreibt er außer der Lage und dem Bauzustand der Burg den dortigen Landbesitz und die herrschaftlichen Güter, Rechte, Zehnten und Renten in Bodendorf. Bei der Aufstellung bedient er sich neben Befragungen noch vorhandener alter Urkunden und schreibt diese fort. So ersetzt er z. B. Junker Lutter Quad und die Grafen von Manderscheid des ihm vorliegenden alten Weistums durch den Freiherrn von Brempt. Der Lutter Quad der alten Quelle ist bereits 1473 verstorben; die Grafen von Manderscheid haben 1617 ihren Bodendorfer Besitz an Damian Quad, den Urgroßvater des Wilhelm von Brempt, veräußert. Ebenso führt Becker das Kloster Engelthal zu Bonn als Mitbesitzer des Bodendorfer Zehnten auf, der vor oder im Laufe des Dreißigjährigen Krieges — vermutlich durch Verpfändung — in den Besitz des Klosters gekommen sein muß. Bei der Erfassung der Kurmuten, Rauchhühner und anderer Zehnten — nach dem Inhalt des Herrenregisters — beklagt er, daß diese Herrenrechte alle in Vergessenheit geraten seien und nicht genau erfaßt werden können. Er merkt an, daß die Alten, die hiervon »Wissenschaft getragen«, alle tot seien. Bei der Erwähnung von Lutter Quad und der Manderscheider Grafen notiert er am Rande: »Und wissen davon die Ältesten nichts mehr«2.
Neben der Aufnahme und der Neuordnung der freiherrlichen Güter und Rechte regelt Becker u. a. auch das Mahlrecht der landskronischen Bodendorfer Mühle und die Jagd in Bodendorf. Die Jagd verpachtet er an den Bodendorfer Bürger Peter Unkelbach. Dieser ist 1670 und 1686 als Schöffe belegt.
Der Jagdpachtvertrag wird im Wortlaut im folgenden mitgeteilt. Dabei wurde versucht, die alte sprachliche Diktion bei der Umschreibung in die heutige Sprachform beizubehalten: »Auch gebührt dem gnädigen Herrn (von Brempt) die Jagdbarkeit zu Bodendorf, die ich mit diesem Inhalt und folgendem Pachtbrief verpachtet habe.
Zu Wissen sei hiermit für jedermann, dem dieser gegenwärtige Pachtbrief vor Augen kommt, daß ich namens des gnädigen Freiherrn von Brempt und Landskron, meines gnädigen Herrn, mit unten aufgeführtem Datum, die Jagdbarkeit auf Groß- und Kleinwild zu Bodendorf dem ehrengeachteten Peter Unkelbach mit folgenden Bedingungen verpachtet habe.
- Vorgenannter Unkelbach ist verpflichtet, mit anderen Liebhabern, so viel oder wenig, und mit diesen oder allein die Jagd von fremden Jägern freizuhalten.
- dafür zu sorgen, daß niemand mit Gezeug (= Fanggerät usw.) oder Gewehr die Bahnen, welche von ihm oder mir nicht freigegeben sind, betritt und solches Gewehr oder Ge-zeugs sollen sie sich zu Recht bemächtigen und von den Jagdstrafen sollen sie die Hälfte und mein gnädiger Herr ebenfalls die Hälfte erhalten, wohingegen sie
- gehalten sind, meinem freiherrlich gnädigen Herrn anstatt Pacht an Maria Himmelfahrtstag, welcher dem ausgehenden Jahr 1671 zuerst erscheint (= folgt), einen Goldgulden wie auch drei Hasen zu geben, sonst aber für jeden Hasen 12 Albus Kölnisch zu liefern und auszuzahlen, auch
- von einem Hirsch die Gewichter (= Geweih) und einen Hinterlauf (= Keule), von einem Reh einen Hinterlauf, desgleichen von einem wilden Schwein das Haupt und ein Viertel, ebenso von allen Regall wilden Tieren einen Teil zur Küche zu bringen, so ist auch
- abgesprochen, daß weder Peter Unkelbach
noch die, die mit ihm jagen, niemandem, einheimisch oder auswärtig, Wild zum Verkauf anbieten mögen. Er habe dann zuvor dieses meinem freiherrlich gnädigen Herren oder mir zum Kauf angeboten, wohingegen ihnen alsdann für einen ausgewachsenen Hasen zwölf Albus, für ein schweres Kning (= Kaninchen) acht Albus, für ein Feldhuhn sechs Albus, wenn aber dieses nur halbausgewachsen, die Hälfte, ausgezahlt werden soll, 6. und letztens bleibt mir die vorgenannte Jagd omni metiri modo (= auf beliebige Art) allerdings vorbehalten, und diese Pacht soll von Jahr zu Jahr verlängert werden. Ausgestellt Bodendorf, den 15. August 1670
Jo. Herrn. Becker, Gerichtsschreiber« Der Pachtvertrag mit dem Schöffen Peter Unkelbach stellt eine Sonderheit dar, weil eine Übertragung des herrschaftlichen Jagdrechts auf einen Bürgerlichen zu einem so frühen Zeitpunkt selten ist. Die Trennung zwischen Jagdrecht und Jagdausübungsrecht, im Mittelalter und der Frühneuzeit als Herrenrecht eine Rechtseinheit, vollzieht sich im allgemeinen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts.
1 LHA 53 C 25 Nr. 2670
2 ebda; s. dazu auch Seel, K. A. Die Geschichte Bad Bodendorfs von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert in Haffke, J. und Koll, B. Sinzig und seine Stadtteile gestern und heute, Sinzig 1983.