Tausend Jahre – wie ein Tag der Ewigkeit
St. Willibrord Bad Neuenahr feierte Jubiläum
Harry Lerch
Charakteristisch und unverwechselbar ist der Turm. Er wurde stets in den Gesamtleib des Sakralbauwerkes eingezogen.
Bewegend und bewegt hat Johannes Kirschweng geschrieben, was es mit der Kirche St. Willibrord auf sich habe. Er war in den zwanziger Jahren in Bad Neuenahr ein tennisspielender Kaplan, Lyriker und Romancier. So war sein Text mit dem Titel: „Durch ein Jahrtausend“:
„Wer aus dem starken, flutenden Leben des Weltbades Neuenahr leise auf die Anhöhe hinaufsteigt, die zu dieser alten Willibrorduskirche führt, der müßte eigentlich Feierlichkeit in seinen Schritt bekommen und Stille und Ehrfurcht in seine Seele. Denn wer diesen Weggeht, der schreitetdurch ein Jahrtausend zurück, bis ihm auf einmal wie Klang einer schweren, dunklen Glocke entgegenklingt: „Anno Domini nongen-tesimo nonagesimo – im Jahre des Herrn neun-hundertundneunzig.“
In der Tat ist ins Mauerwerk eine Tafel eingelassen. Deutlich ist die Jahreszahl DCCCCXC ablesbar mit Hinweis auf die Grundsteinlegung und Weihe im Jahr 990.
Die Inschrift ist gemeißelt in Versalien, also den Großbuchstaben romanischer Manier, sie heißt in der Übersetzung: „Dieses Gotteshaus und dieser Altar wurden Gott geweiht vom Kölner Erzbischof Evergerus zu Ehren der Heiligen Erzmärtyrer Stephanus, Papst Cornelius, Mar-cellus, Apollinaris, Märtyrer Mauritius und Bekenner St. Willibrord.“ Evergerus war Kölner Erzbischof von 984 bis 999, so daß also die zeitliche Identität verbürgt ist. Wenn auch der Widmungsstein erneuert wurde, bestätigt sich das Jahr der Konsekration von 990 unabweisbar. Mehrmals um 1600 und 1724 ist der Bauleib der einstigen schlichten Saalkirche erneuert worden, immer blieb der Turm eingebunden.
Ein Kirchenfenster der zwanziger Jahre: St. Willibrord wird in Legenden nachgerühmt, er habe Macht über die Quellen besessen. Hier hat er einen Fels angeschlagen, ein Quell fließt und bringt Genesung einem Kranken.
Das Achsenkreuz des Grundrisses wurde gelegt auf dem „Buyl“, also Hügel – obwohl der nachmalige Stadtteil Beul noch gar nicht besiedelt war, zuvor aber bereits Wadenheim. Mutmaßungen. der höher gelegene Standort sei gewählt worden, weil hier vor- oder frühchristliche Gräberfelder zu vermuten gewesen seien, sind nicht belegbar – immerhin war Ahrweiler früh römisch besiedelt. Naheliegender freilich ist einfach die Zuweisung aus dem gräflichen Wildbann.
Der Patron ist St. Willibrord, ein irischer Mönch, auf den Kontinent entsandt, er christianisierte Friesland, gründete das Kloster Echternach und starb 739.
Merkwürdig oder nicht – das Leben ist voller Geheimnisse und Zeichen! Ist es Fügung, was Willibrord nachgerühmt wird? „Gar oft hat er Brunnen hervorsprudeln lassen und taubes Wasser in heilkräftiges verwandelt.“ Und wenn er in der Gründungsinschrift als letzter genannt wird, hat dieses eher das Zeichen eines Nachdrucks. Nicht ohne Grund gab Quellenentdekker Georg Kreuzberg seiner zuerst geschürften Quelle den Namen Apollinarisbrunnen und im Badebezirk strömt aus den Tiefen eine Willibrordusquelle.
Im Hauptaltar hat seinen Platz St. Willibrord. geschnitzt aus edlem Holz, eine Schriftenrolle seiner Gelehrsamkeit in der Rechten, in der linken Hand sein Bischofsstab als Würdezeichen.
In den Kirchenfenstern, die Heinrich Maier, seine Frau und seine Tochter in den zwanziger Jahren gestaltet haben, ist das nachvollzogen worden. Ein Fenster zeigt St. Willibrord mit einem Kranken an einer Heilquelle, ein zweites Jesus mit einem Kranken an einem See, gespeist aus einer Heilquelle.
Dies alles bezieht sich auf den heutigen Stadtteil Beul, der erst 1374 als selbständig genannt wird. Das weit zuvor – 990 – geweihte Gotteshaus ist die Urkirche von Bad Neuenahr und St. Willibrord ihr Patron. Seine Statue aus edlem Holz, farbig gefaßt, ist nun wieder der Mittelpunkt des Hauptaltars.
Die Vollendung war Anlaß genug, die Tausendjahrfeier als Ereignis zu begehen. Zwei der noch intakten Glocken waren in der Glockengießerei Mark in Brockscheid neu eingestimmt worden: „Maria Rose“ von 1391 und eine kleinere von 1617. Die ältere hat im Glockenmantel die Umschrift „Maria Rose heysen ich, Donner und Unwetter verdryven ich Meyster Johann goys mych Anno MCCCLXXXXI.
Zwei neue kamen hinzu, gestiftet von dem Geschwisterpaar Barbara und Dr. Hans Steinborn. Auf dem Tieflader wurde das nun harmonisch gestimmte Geläut durch die Stadt geleitet. Vorder Kirche St. Willibrord erinnerte Dechant Otto Berberich an ein Wort von Kardinal Höffner, daß richtig glauben auch bedeute, sich der Quellen zu besinnen. Generalvikar Jakobs bekräftigte, daß Glocken auch heute noch Bedeutung haben! Sie läuten für die Gottesgewißheit über alle Zeit.
Geweiht wurde mit den Glocken auch der neu konsekrierte Altar. Harmonisch abgestimmt ist das Innen und das Außen – und als Krönung das Geläute im Turm für ein zweites Jahrtausend.
Literatur
Hans Frick: Quellen zur Geschichte von Bad Neuenahr, 1933. • Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler der RheinProvinz 1938. – Peter Schug: Geschichte der Dekanate Adenau Ahrweiler und Remagen, 1952. – Gerhard Knoll: 1 000 Jahre St. Willibrord. herausgegeben vom Bürgerverein Beul St. Willibrord. 1990.