Wohnverhältnisse in Ramersbach in früheren Jahrhunderten
Wohnverhältnisse in Ramersbach in früheren Jahrhunderten
Rudolf Leisen
Noch bis zur Jahrhundertwende war Ramersbach, heute Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler, ein stilles, ganz abseits vom Verkehr gelegenes, kleines Eifeldorf. Die Bewohner, welche mit dem kargen Ertrag ihrer Felder auskommen mußten, waren einfache, zufriedene Menschen, die in enger Dorfgemeinschaft Freud und Leid miteinander teilten. Zumindest bis um die Jahrhundertwende, als der Hauptverbindungsweg von Ramersbach nach Ahrweiler noch über die „Alte Linie“ verlief, gab es Bewohner, die in ihrem ganzen Leben das Dorf kaum verlassen hatten.
Vor fast 100 Jahren beschrieb Heinrich Rickes, der im April 1895 in Ramersbach die Stelle als Lehrer antrat, seinen ersten Gang von Ahrweiler nach Ramersbach folgendermaßen: „…Verfolgen wir den sich zwischen den Gärten hindurchschlängelnden Weg, so gelangen wir nach einer viertelstündigen Wanderung in einen schluchtartigen, zur Regenzeit fast unpassierbaren Hohlweg…“
Haus Sinzig im Stadtteil Ramersbach
Man hört oft von der guten alten Zeit. Aber, war diese Zeit wirklich so gut? Wenn man die Entwicklung unseres Dorfes betrachtet, dürfte man dies bezweifeln. Leider haben wir exakte Angaben über die Zahl der Einwohner und Wohngebäude erst seit Ende des 18. Jahrhunderts. Die nachstehende Übersicht zeigt, daß sich in den 170 Jahren zwischen 1783 und 1960 in Ramersbach kaum etwas verändert hatte.
Jahr | Einwohner | bewohnte Häuser |
1783 | 227 | 57 |
1900 | 268 | 56 |
1960 | 253 | 66 |
Als Beispiel für die Wohnverhältnisse in Ramersbach möchte ich das Haus Sinzig in der Ahrtalstraße Nr. 3 herausgreifen, welches sich als eines der ältesten Fachwerkbauten in Ramersbach geradezu als Musterbeispiel anbietet. Dieses Haus ist bis auf den nach 1950 zur Hofseite angebauten Raum, die Fenster und das Dach noch im ursprünglichen Zustand erhalten. In diesem Gebäude finden wir ein typisches Beispiel der Bauweise in früheren Jahrhunderten. Hier sind die beengten Raumverhältnisse noch deutlich erkennbar, zumal es sich um ein Gebäude handelt, welches als Opfer des großen Dorfbrandes von 1736, bei dem 35 Häuser eingeäschert wurden, auf den alten Grundmauern wieder aufgebautworden ist. Heute noch tragen die Fachwerkbalken der Außenwände deutlich die Spuren des Brandes. Damit wird bestätigt, daß es sich zumindest teilweise um Balken handelt, die aus dem Brandschutt gerettet und, soweit noch brauchbar, wieder zum Aufbau verwendet wurden.
Das ganze Haus, mit Außenmaßen von 3,90 m Breite und 6,55m Länge, hatte nur eine bebaute Fläche von insgesamt 25,54 qm, was heute etwa der Größe eines Wohnzimmers entspricht. Dieses Haus bestand ursprünglich nuraus zwei Räumen und hatte, wie alle bäuerlichen Häuser in den früheren Jahren, lediglich eine Feuerstelle, den Herdplatz. Dieser war überdacht von einem Rauchfang, der in einen Kamin einmündete. Über der Feuerstelle war eine sogenannte „Haal“, an der je nach Bedarf ein Koch- oder Wassertopf hing. Die Küche mit den Innenmaßen 2,50 m x 3,60 m. welche als Eintrittsraum direkt betreten wurde, war nicht nur der Raum, in dem die Speisen zubereitet wurden, hier war auch immer der Mittelpunkt des Hauses, in dem sich die ganze Familie aufhielt. Von hier aus war auch das nicht ausgebaute Dachgeschoß über eine Leiter erreichbar. Die einzige Treppe im Haus ging von der Küche in den Keller.
Zum Aufhängen des Kessels über dem Feuer diente die „Haal“. Zeichnung Helmut Gies
Hier befand sich zur Aufnahme der anfallenden Asche aus der darüber liegenden Feuerstelle ein etwa ein Quadratmeter großer, aus Bruchsteinen gemauerter Aschenraum. Auch der zweite 3,60 m x 3,55 m große Raum war nur von der Küche aus zugängig.
Das offene Feuer in der Küche hatte den Vorteil, daß in der kalten Jahreszeit von hier aus temperierte Luft in den hinteren Raum gelangte. Im Vergleich zu den großzügigen Ausmaßen unserer heutigen Wohnräume dürfte man eigentlich eher von Wohnhütten als von Häusern sprechen. In diesen, meist nur wenige Quadratmeter großen Räumen, wohnten durchweg Familien mit mehreren Kindern. Diese beengten Wohnverhältnisse waren auch Grund für die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten, denen nicht selten ganze Familien zum Opfer fielen. Als Beispiel aus Ramersbach sei hier das Jahr 1751 angeführt, wo alleine im Monat Mai 11 Kinder starben. Schuld daran war sicherlich auch die Unkenntnis der Ansteckungsgefahr und mangelnde Hygiene.
Erst um 1970 setzte in Ramersbach eine rege Bautätigkeit ein. Leider fiel den Neubauten im alten Ortskern auch alte Bausubstanz zum Opfer. So schlug für manches Gebäude, welches von Generation zu Generation vererbt und liebevoll gepflegt wurde, die Sterbestunde. Heute hat Ramersbach über 170 Wohngebäude und über 560 Einwohner.
Erfreulicherweise sind uns in den noch erhaltenen Altbauten, die wir als höchst interessante Denkmäler früherer Wohnkultur ansehen dürfen, noch ein Teil des von altersher bäuerlich geprägten Dorfes in seiner Schönheit erhalten geblieben. Da jedes Dorf seine eigene historische Individualität hat, so ist auch jedes Gebäude im alten Dortkern ein historisches Dokument, dessen Renovierung oder Umnutzung nur unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erfolgen sollte.