Auswanderung aus der Grafschaft im 19. Jahrhundert

Auswanderung aus der Grafschaft im 19. Jahrhundert

Ottmar Prothmann

Seit langen verlangt das Thema „Auswanderung aus dem Kreis Ahrweiler im 19. Jahrhundert“ nach einer gründlichen Aufarbeitung. Gerade in diesen Jahren gewinnt es wieder an Aktualität durch neuerliche Auswanderungswellen, die jetzt aber in umgekehrter Richtung verlaufen. Ein Strom von Flüchtlingen, Vertriebenen und Auswanderern aus aller Welt sucht heute bei uns Schutz beziehungsweise eine neue Existenzgrundlage.

Obschon eine Reihe von Vorarbeitern vorliegen, Adressen und Briefe von Auswanderern gesammelt wurde, ist noch eine große Arbeit zu bewältigen, da die Quellen weit verstreut zu finden sind. Über die Auswanderung aus dem Kreis Adenau, der 1932 mit dem Kreis Ahrweiler vereinigt wurde, ist gerade ein Buch erschienen, das die Namen von rund 4 000 Auswanderern aufführt.1)

Hier soll nun für die Gemeinde Grafschaft und den bis 1974 zum Amt Ringen gehörenden Ort Kaienborn eine erste kurze Zusammenstellung des Materials geboten werden.2) In diesem Verwaltungsbezirk im östlichen Teil des Kreises Ahrweiler waren die Lebensverhältnisse besser als in den Eifelregionen, von wo die Menschen in Scharen fortzogen, um dem Hungertod zu entgehen. Fruchtbare Böden und eine gute Verkehrslage ließen auf der „Grafschaft“ nicht eine solche Not aufkommen, doch auch hier war durch ein Bevölkerungswachstum ein großer Mangel an Arbeitsstätten entstanden, der viele zwang, ihre Heimat zu verlassen, denn die wenigen im vorigen Jahrhundert neuentstandenen Arbeitsplätze in kleinen Erzgruben, Steinbrüchen, Tongruben und einer Braunkohlengrube bei Leimersdorf reichten bei weitem nicht aus, um allen Arbeit und Brot zu bieten.

Schon im 18. Jahrhundert war die Bevölkerung infolge verbesserter Lebensumstände, bedingt vor allem durch das Ausbleiben von Kriegen und Seuchen, stetig gewachsen und wuchs im 19. Jahrhundert noch stärker an. Im Jahre 1799 lebten hier 3021 Bewohner (mit Kaienborn),3) zu Ende des Jahres 1861 waren es jedoch schon 5 307. Gegen Ende des Jahrhunderts, im Jahre 1894, hätten es durch einen Geburtenüberschuß von 812 Personen und den Zuzug von 30 Personen 6 149 Einwohner sein können. Tatsächlich lebten aber nur 4 709 Menschen hier, also1 440 weniger als im Jahre 1861. Sie waren aus der Bürgermeisterei verzogen, und zwar überwiegend in die Städte und Fabrikgegenden. Den schwerwiegenderen Schritt der Auswanderung aus der Heimat nach Übersee wählte dagegen nur eine verhältnismäßige kleine Gruppe. Nach Ansicht des Bürgermeisters waren es in dem genannten Zeitraum nur acht bis zehn Personen, 4)tatsächlich mögen es aber rund 50 gewesen und im ganzen Jahrhundert mindestens 150, also zahlenmäßig die Einwohnerschaft eines kleinen Dorfes. Genauere Angaben lassen sich noch nicht machen, weil in den Akten der Verwaltung nur vermerkt ist, daß jemand eine Ausreiseerlaubnis erhalten hatte, ob er aber auch wirklich fortzog, ist oft nicht festgehalten worden. Andererseits verließen nicht wenige Menschen ohne Auswanderungspapiere ihre Heimat, wie die zufällig gefundenen Namen in der folgenden Liste aufzeigen. Da es damals keine Einwohnermeldekartei gab, könnte nur eine zeitraubende Durchsicht aller Standesregister Klarheit bringen.

Soweit feststellbar, war das Ziel der Auswanderung gewöhnlich Nordamerika. Bezogen auf die Berufszugehörigkeit setzte sich die Gruppe der Auswanderer aus Tagelöhnern, Handwerkern und kleinen Bauern zusammen. Unter ihnen waren sowohl junge Männer wie ganze Familien und sogar alte Menschen anzutreffen. Ungeklärt bleibt bisher, warum Birresdorf mit 50 Personen ein Drittel aller Auswanderer aus den 17 Dörfern der Bürgermeisterei stellte, während erst an zweiter Stelle mit 17 Auswanderern Kalenborn folgt, der damals ärmste Ort dieses Bezirks. Er lag am westlichen Rand der damaligen Bürgermeisterei, und zeigt mit seiner Höhenlage schon ausgesprochenen Eifelcharakter. Neben Armut und Mangel an Verdienstmöglichkeiten waren Abenteuerlust und bei einigen wenigen auch eine kriminelle Vergangenheit die Ursache der Auswanderung.

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Die Behörden versuchten, das Ausbluten ganzer Regionen durch zahlreiche Aufrufe und Warnungen vor den bevorstehenden Gefahren zu verhindern. Um jedem Auswanderungswilligen die volle Tragweite seines Entschlusses bewußt zu machen, hatte dieser die folgende „Verwarnungs- und Belehrungs-verhandlung“ zu unterschreiben (so 1867): „Dem Nebengenannten wurde durch den unterzeichneten Bürgermeister eröffnet, daß er im Falle der wirklichen Auswanderung die Rechte eines Preußischen Staatsangehörigen verliert und wenn er etwa mit der Zeit verarmt wieder zurückkehren sollte, er unnachsichtlich an der Grenze zurückgewiesen und bei einem etwaigen Einschleichen als Landstreicher behandelt werden würde. Auch wurde er auf die vielen Gefahren und Beschwernisse der Uebersiedlung nach Amerika, sowie auch auf die Bestimmungen in Betreff der Reisemittel mit dem Bedeuten aufmerksam gemacht, daß er sich über deren Besitz vor Aushändigung des Consenses ausweisen müsse. Gleichzeitig wurden diejenigen Nachrichten mitgetheilt, die in dem Aufsatze Dr. Schmitt aus Hamburg vom October 1848 enthalten sind, ferner die Verwaltungsmaßregeln der Direktion des Nachweisungs-Bureaus für Auswanderer zu Bremen (Regime-Verfügung der Regierung vom 30. September 1854, A. l. Nr. 2706) sowie ein Exemplar des Memorial der Emigrations-Kommission zu New York mitgetheilt.“

Die erste große Auswanderungswelle erfaßte ab 1841/42 die Eifelregion und bezog auch die Grafschaft mit ein. Ursache war eine Krise in der Eisenindustrie, die infolge von billigem Eisen aus Belgien und England, das ab 1839 den Markt überschwemmte, kaum noch etwas absetzen konnte. Bis 1845 war die Industrie „todesstarr“. Dazu kamen Mißernten in den Jahren 1843 und 1845, die zu Hungerkatastrophen führten. Kleine Bauern, Handwerker und Tagelöhner verarmten immer mehr und sahen ihre einzige Rettung in der Abwanderung. Obschon die Verhältnisse sich in den folgenden Jahren wieder besserten, war der Weg geebnet und der Strom der Auswanderung riß nicht mehr ab. 5) Der benachbarte Bürgermeister von Villip nennt im Herbst 1856 noch einen weiteren Aspekt der Notsituation: „Der Wohlstand nimmt unter der geringen Klasse noch immer ab, welches seine Ursache darin findet, daß diese gewöhnlich früh heiraten, infolgedessen mit Kindern überhäuft werden und bei der herrschenden Teuerung die Lebensmittel nicht beischaffen können“.6)

Wie sich die Auswanderung in den Dörfern auswirkte, beschreibt 1897 Lehrer Schneider aus Eckendorf im Rückblick auf die 60er Jahre:

„Zur Zeit meines Eintritts im Jahre 1853 war Eckendorf in ganz anderen Verhältnissen als heute; im ganzen Ort war kein einziges massives Gebäude, dagegen waren zwölf Wohnhäuser mehr vorhanden, und die Einwohnerzahl betrug über 300 Seelen und die Zahl der Schüler 70 – 73. Der Wohlstand war sehr gering, und die ärmere Klasse fand nicht mehr den nötigen Lebensunterhalt, weshalb sie in den 60er Jahren auswanderte. Ihre Häuschen wurden abgebrochen, und die Schülerzahl verminderte sich immer mehr, so daß dieselbe heute nur noch 36 beträgt.“7

Die bei der Bürgermeisterei geführte Akte über Auswanderungen beginnt mit der ersten großen Ausreisewelle im Jahre 1842.8) Gleich im ersten Jahr werden rund 25 Auswanderungswillige verzeichnet, und zwar überwiegend aus Kalenborn. Am 29. April unterschrieb Joseph Auel seine Verzichtserklärung auf den preußischen Untertanenverband und konnte, nachdem er mit einem Vermögen von 2 101 Taler den Nachweis über ausreichende Reisemittel erbracht hatte, nach Amerika auswandern. Im Mai erhielt der Schreiner Joseph Assenmacher seinen Reisepaß, und im selben Monat genehmigte der Landrat die Ausreise von Johann Joseph Esser und Wilhelm Herper, letzterer mit Familie. Die Absicht auszuwandern hatten auch die Bürger Anton und Carl Hilberath, beide als Nagelschmiede zu Kaienborn wohnend, doch wurden sie zurückgehalten, da sie der Kirche in Effelsberg noch zehn Taler schuldeten. Ob sie schließlich auswanderten, ist ebenso unklar wie bei Mathias Axer, der 1842 und 1843 dringende Anträge stellte. Die Familie stimmte aber nicht seinem Wunsch zu, das Vermögen seines minderjährigen Sohnes zu diesem Anlaß zu verkaufen. Auswandern wollten wohl 1842 (die Notiz ist unklar) auch der 24jährige Schuster Peter Thelen, der wie alle Vorerwähnten aus Kaienborn stammte, sowie die Eheleute Stephan Hilberath und Gertrud geb. Cremer mit einem Kind. Bei ihnen fehlt der Wohnort. Am 24. Mai 1842 erhielten die Eheleute Anton Joseph Müller und Agatha geb. Todemann aus Vettelhoven die Erlaubnis zur Auswanderung. Sie wollten am 15. Juni mit dem „Paketschiff“ von Antwerpen nach New York reisen. Auswandern wollten 1842 auch der 34jährige Johann Wilhelm Vith aus Niederesch und seine Ehefrau Anna Maria geb. Busar (37 Jahre) mit ihren sieben Kindern im Alter von einem halben bis zwölf Jahren. Ihr Wohnhaus kaufte Johann Peter Mertens. Da weitere Nachrichten fehlen, bleibt auch ungewiß, ob Johann Wilhelm Vieth von Niederesch, der 1844 die Erlaubnis zur Auswanderung nach St. Thomas erhielt, mit dem oben Genannten identisch ist.

1844 erhielten die beiden Karweiler Familien Johann Peter Kündgen (Ehefrau Veronica geb. Mützenich, Kinder: Veronica, Otto, Johann, Joseph, Anna Franzisca und Peter) und Johann Joseph Schaefer (Ehefrau Agnes geb. Münch aus Oeverich, Kinder Anna Maria, Johann, Johann Joseph, Heinrich und Johann Peter) ihre Papiere zur Auswanderung nach Afrika.

1848 wanderte Stephan Gerardi aus Bölingen mit seiner Frau Anna Maria geb. Spilles und seinen sieben minderjährigen Kindern Wilhelm, Theodor, Bernhard Johann, Hubert, Peter, Johann, Joseph und Friedrich Wilhelm nach Amerika aus. Um 1854/55 besuchte er seine alte Heimat noch einmal.

1852 wollte der 41 jährige Dachdecker Peter Joseph Kirsch von Beller nach Nordamerika auswandern, nachdem seine zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilte Ehefrau im Kölner Arresthaus gerade verstorben war. Er selbst hatte wegen Diebstahls eine fünfjährige Strafe abgesessen. Sein einziges Kind, ein Mädchen von sieben Jahren, das bei einem Mann in Ringen untergebracht und eine Unterstützung aus dem Polizeistrafgeldfonds erhielt, wollte er später nachholen. Obwohl der Landrat eine Ausreise nur erlauben wollte, wenn er das Kind mitnähme oder die Gemeinde Ringen die Verpflegung des Kindes bezahlen würde, setzten der Bürgermeister und die Gemeinde sich für den Mann ein, der als Dachdecker hier kein Auskommen finden könne. Handwerksreisen dürfe er nicht machen, so daß er sich ohne betteln und stehlen beim besten Willen nicht ernähren könne. Wie die Sache ausging, ist unbekannt.

Joseph Müller aus Bölingen zog 1852 seinen bereits genehmigten Antrag zur Auswanderung wieder zurück, und ebenso machte der Ackerer Johann Harzern aus Birresdorf im August 1853 einen Rückzieher, angeblich weil seine Frau, nachdem die Liegenschaften schon verkauft waren, nicht mehrauswandern wollte. Vierzehn Jahre später kaufte sein Sohn mit dem vorhandenen Geldvermögen die Gastwirtschaft Talstraße 1, die von der Familie bis zur Aufgabe im Jahre 1991 geführt wurde.9) Noch eine zweite Familie aus Birresdorf, deren Name aber nicht genannt wird, entschloß sich etwa zur selben Zeit (nach Aussage des Bürgermeisters) doch in der Heimat zu bleiben. 10)

Hier muß auch Heinrich Joseph Conrads aus Gelsdorf erwähnt werden, der allerdings zum Zeitpunkt seiner Auswanderung in Niederbreisig wohnte. Er muß ein tüchtiger Verwaltungsbeamter gewesen sein, denn bereits mit 23 Jahren wurde er zum Bürgermeister von Altenahr bestellt. Später war er Bürgermeister von Königsfeld und zuletzt in gleicher Funktion zu Niederbreisig. Dort wurde er wahrscheinlich ein Opfer nie erklärter Verleumdungen und mußte im Jahre 1850 sogar den Dienst quittieren. Verbittert kehrte er daraufhin 1853 seiner Heimat den Rücken und folgte mit dem Rest seiner Familie den bereits in den beiden Jahren zuvor ausgewanderten Söhnen. Erzog nach Neu-Braunfels im Staat Texas, wo er sich eine neue Existenz aufbaute. Seine Nachkommen leben noch heute dort. 11)

Johann Wolber, ein 29jähriger Tuchmachergeselle aus Holzweiler, der aber seit drei Jahren in Sinzig arbeitete, bat 1854 um die Genehmigung zur Ausreise. Im selben Jahr wanderte auch Friedrich Münch aus Oeverich mit seiner Frau Catharina geb. Mombaur und mehreren Kindern nach Amerika aus.

Am 8. Januar 1855 erschien der 25jährige Akkerer Heinrich Joseph Schopp aus Lantershofen auf dem Bürgermeisteramt und erklärte, nach Amerika auswandern zu wollen. Auf Befragen, was ihn zu diesem Schritte bewogen hätte, erklärte er: „Ich habe erfahren, daß es mehreren jungen Leuten aus hiesiger Gegend, die nach Amerika ausgewandert sind, dort ganz gut ergeht und bei den wenigen Mitteln, die sie von hier aus mitgenommen haben, sich dort ziemlich Grund und Boden erworben, was hierzulande nicht mehr möglich ist. Ich bin noch unverheiratet und habe ein Vermögen im Werthe von circa 600 Taler und will ich mit diesem dort mein Glück versuchen.“ Als sein Antrag dem Landrat vorgelegt wurde, vermutete dieser, Schopp wolle sich vielleicht von der englischen Fremdenlegion anwerben lassen, doch der Bürgermeister entkräftete dies mit den Worten: „In den Dörfern Lantershoven und Carweiler und deren Umgebung ist die Auswanderungslust zum Theil durch die günstigen Nachrichten, welche die Auswanderer von Bengen von Amerika aus nach ihrem früheren Heimatorth mitgetheilt haben und zum Theil durch die jüngst stattgefundene Anwesenheit eines jungen Mannes namens Gerhardy in Ringen, welcher vor etwa acht Jahren von Boelingen aus nach Amerika ausgewandert ist und die Verhältnisse in seiner neuen Heimat als durchaus günstig geschildert hat, hervorgerufen worden. Dem Vernehmen nach sollen sich mehrere Familien in Lantershoven, welche dort in günstigen (!) Verhältnissen leben, entschlossen haben, mit dem Frühjahr nach Amerika auszuwandern.“ Obwohl sich Schopp noch monatelang um eine Ausreise bemühte, wurde sie im nicht gestattet. Zwar hatte er seinen Militärdienst bereits abgeleistet, ohne den kein junger Mann außer Landes gelassen wurde, doch hatte er das Pech, daß kurz vorher, nämlich am 30. Dezember 1854, ein Ministerialerlaß auch diejenigen von der Auswanderung ausschloß, die zur Armee-Reserve gehörten.

Mit der gleichen Begründung wurde auch zuerst der Antrag von Caspar Joseph Bollig, einem 26jährigen Ackerer aus Lantershofen, im Januar 1855 zurückgewiesen, doch Ende Februar bot der Bürgermeister ihm an, den Antrag zu erneuern, da die Regierung inzwischen nachgegeben hätte und solchen Militärpflichtigen die Ausreise möglich machte, von denen anzunehmen sei, daß sie nicht in fremden Militärdienst träten oder sich dem hiesigen Militärdienst im Falle einer Mobilmachung entziehen wollten. Während von Caspar Joseph Bollig nicht überliefert ist, ob er seinen Antrag erneuerte, nahm der Handwerker Johann Bollig aus Karweiler die Gelegenheit wahr und erhielt im April 1855 die Genehmigung, mit seinem Vermögen von 70 Taler in die Ferne zu ziehen. Im selben Monat wurde auch der 30jährige Johann Joseph Schopp von Karweiler aus dem preußischen Untertanenverband entlassen. Zurückgewiesen wurde das Auswanderungsbegehren des jungen Reservisten Heinrich Hubert Deuster, Rotgerber in Gelsdorf, ebenso dasjenige von Johann Joseph Rieck aus Karweiler, da er vom Militär zurückgestellt worden war, um seinen Vater in der Landwirtschaft zu unterstützen. Polizeilich gesucht wurden 1855 Mathias Brustkern mit Frau und Kind aus Kalenborn, die verschuldet waren und sich offensichtlich ohne Papiere nach Amerika absetzen wollten. Ob sie gefunden wurden, ist nicht bekannt.

Vor dem 30. Juni 1855 wanderten Nicolaus Wirz (44 Jahre) und Anna Catharina geb. Merten (42) aus Birresdorf mit ihren sechs Kindern über Antwerpen nach Boston in Amerika aus. Die Beförderung besorgte die Auswandereragentur von Johann Anton Leroy in Koblenz. Mit demselben Ziel und derselben Agentur zogen am 10. Juli 1855 Johann Krupp, seine Ehefrau Christina geb. Rieck und sieben Kinder ebenfalls aus Birresdorf weg. An Vermögen besaßen sie 200 Taler, mit denen ein neuer Start in Amerika gelingen sollte. Nachkommen dieser Familie leben heute in Kalifornien.12)

Im Jahre 1855 erhielten auch die in Ringen wohnende Witwe Magaretha Assenmacher mit ihrer 18jährigen Tochter Anna Maria Barbara, ferner der Schneider Chrisant Joseph Jungen, ebenfalls aus Ringen, mit seiner Ehefrau Anna Catharina geb. Bong und den Kindern Johann Wilhelm und Maria Anna die Genehmigung zur Abreise nach Amerika.

Am 12. Juni 1856 reisten die Eheleute Christian Joseph Offergeid und Gertrud geb. Werth sowie die Kinder Maria, Phillip, Clemens, Agnes, Anton und Catharina Antonia von Bentgerhof bei Birresdorf über Hamburg nach New York ab. Im selben Jahr zog auch Stephan Joseph Krupp mit seiner Frau Catharina geb. Cremer und den beiden Töchtern Anna Eva und Sibilla von Bengen weg.

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Haus von Peter Schmidt aus Birresdorf, das er 1870 bei West-Salem/Wisconsin erbaute. 
Vorne Peter Henseler, Heppingen, mit Jeanette Hammes geb. Schmidt, Enkelin des Auswanderers Peter Schmidt (1978)

Im Jahre 1858 wanderte Lehrer Johann Jeup aus Leimersdorf nach Amerika aus. Er hatte dort sechs Jahre lang als Lehrer gewirkt und während dieser Zeit sich vergeblich um eine annehmbare Wohnung bemüht.13) Warum er aber gleich nach Amerika auswanderte, bleibt unklar.

1859 reiste der Ackerer Engelbert Scherer aus Gelsdorf mit seiner Frau Catharina geb. Nachts-heimer und den Kindern Catharina, Clemens sowie seiner Mutter Catharina Scherer geb. Schmitz über Bremen nach New York.

1860 folgten Mathias Bleffert und seine Schwester Christina ihren etwa 1855 von Bölingen ausgewanderten Eltern nach Amerika. Die 19jährige Schwester, die in Gelsdorf als Magd arbeitete, wollte allerdings vorerst nur ihre Eltern besuchen und wahrscheinlich wieder zurückkehren. Das Reisegeld für beide in Höhe von 100 Taler hatten die Eltern ihnen zugeschickt. Im folgenden Jahr 1861 machte sich der 42jährige Händler Johann Joseph Müller aus Bölingen, der aber seit 1858 in Koblenz wohnte, via Hamburg auf den Weg nach New York.

In einem kleine Haus nahe der Rischmühle, unterhalb von Nierendorf, wohnte der Tierarzt Johann Andreas August Gottschalk, der 1826 in Leimersdorf Maria Margarethe Müller geheiratet hatte. Am 27. März 1862 bot er in der Zeitung sein Haus „Die Sachsenburg“ (so benannt, weil Gottschalk aus Sachsen stammte) mit über einem Morgen Garten zum Verkauf an. Am 28. September desselben Jahres wiederholte er sein Angebot und kündigte gleichzeitig an, daß er am 1. Februar kommenden Jahres nach Amerika auswandern werde. Er scheint als Protestant in der rein katholischen Bevölkerung und auch als Tierarzt auf große Schwierigkeiten gestoßen zu sein.14) Sein Haus steht heute noch und trägt sogar den Namen „Sachsenburg“. Es liegt idyllisch unter einer alten Linde, umgeben von einer großen Baumwiese, wie zur Zeit des Erbauers Gottschalk.

Im Februar 1866 machte sich der 25jährige Johann Peter Schmitt, Tagelöhner aus Birres-dorf, auf den Weg nach Amerika, um bei seinem bereits dort lebenden Oheim besseres wirtschaftliches Fortkommen zu finden. Johann Peter Schmitt erbaute sich 1870 in Wisconsin eine Farm und starb dort 1923. Sein Bruder Johann Joseph (*1842) soll schon 1858 aus dem Elternhaus, Im Ort 7, ausgewandert sein. Dieses Haus hatte ein nach Wien verzogener Anton Schmitt (*1807) für seine Nichte Agnes erbauen lassen.15)

Am 24. April 1867 erschienen auf dem Bürgermeisteramt der 71jährige Johann Joseph Latz und sein Sohn Heinrich Joseph aus Kaienborn und erklärten, nach Amerika auswandern zu wollen. Der Vater wollte mit der Familie seines Sohnes mitreisen, nachdem ein anderer Sohn bereits früher dorthin gezogen war und weitere Verwandte und Bekannte dort wohnten. Im Mai erhielten sie ihre Erlaubnisscheine ausgehändigt. Zur Familie des Sohnes gehörten die Ehefrau Anna Gertrud geb. Koch (28 Jahre) und die Kinder Johann Joseph (7), Anna Barbara (5), Johann Joseph (!) (3), Gertrud (2) und Heinrich Joseph (1 Jahr).

1869 wanderten nach Amerika aus: Johann Martin Schneider von Lantershofen und aus Birresdorf Margarethe Weber, Tochter von Johann Weber, ferner der 19jährige Christian Arenz, der 30jährige Student Heinrich Joseph Wirz, sodann die Witwe von Johann Schäfer mit ihren zwei Kindern und schließlich die Ehefrau von Heinrich Joseph Schmitt, die sich jetzt noch entschlossen hatte, mit ihren drei Kindern ihrem bereits früher ausgewanderten Mann nachzufolgen. Unter den Amerikafahrern war auch der 33jährige Carl Schüller aus Gelsdorf, der als Musketier in Andernach diente und einen zweijährigen Urlaub mit Dispensation von allen Übungen erhalten hatte. Ob er jemals zurückgekehrt ist? Nachdem der Steuereinnehmer festgestellt hatte, daß Zachäus Schleich und Witwe Peter Schleich aus Holzweiler an die Kasse der Bürgermeisterei nichts mehr zu zahlen hätten, war auch für sie der Weg zur Aussiedlung frei.

Im folgenden Jahr 1870 zog Peter Haeger aus Vettelhoven, der im Feldzug 1870 Leutnant im 29. Infanterie Regiment gewesen war, ins Ausland. Knapp 20 Jahre später erklärte sein Bruder, kein Mensch habe mehr etwas von ihm gehört. Auch im Jahre 1870 zog wieder eine Familie von Birresdorf nach Amerika. Es war der Ackerer Johann Arenz (48) mit seiner Frau Gertrud geb. Wirtz (42) und den Kindern Jakob (16), Gottfried (13), Johann Hubert (11), Margaretha (8), Stephan Joseph (4) und Agnes (2). Mit dem ältesten Sohn Hubert, der als Bäcker in Köln arbeitete, war verabredet worden, daß er hier wohnen bleiben sollte, solange die Eltern von Johann Arenz in Hölzern noch lebten. Der Zweitälteste Sohn Christian war bereits 1869 ausgewandert und lebte jetzt beim Bruder seiner Mutter, Nikolaus Wirz. Aus der Familie Wirz (auch Wirtz) bestieg der 25jährige Andreas zusammen mit Familie Arenz in Hamburg ein Schiff, das sie nach New York bringen sollte. 1871 wanderte nur der unverheiratete Tagelöhner Johann Joseph Krämer aus Beller aus. Er erklärte, daß er wegen seiner „vielfachen Bestrafungen“ in hiesiger Gegend und überhaupt in seinem Vaterland kein Fortkommen mehr sehe und deshalb seinem Bruder nach Nordamerika folge wolle. Dieser werde auch die Reise bezahlen.16)1871 lebte in Chicago Bernhard Weber (*1807) aus Birresdorf, ein Schwager des oben genannten Nicolaus Wirz. In einem Brief an seinen Vetter Liers berichtete Weber vom großen Brand in Chicago, bei dem zwei Drittel der Stadt eingeäschert wurden, seine Wohnung aber glücklicherweise verschont blieb,17)

1873 wanderte der 65jährige Tagelöhner Johann Weber von Birresdorf nach Amerika aus. Als Grund nennt der Bürgermeister, daß Weber fast ohne Vermögen sei, hier keine Verwandten mehr besäße und in Amerika bei seinen Angehörigen hoffe, verpflegt zu werden.18)

Im Juli 1874 verließ der Ackerer Andreas Wirz (*1844) sein Heimatdorf Birresdorf, um zu seinem Bruder nach Nordamerika auszuwandern. Dem Alter nach könnte er mit dem bereits 1870 ausgewanderten Andreas Wirz identisch sein, von dem jedoch eine Bescheinigung der Agentur vorliegt, daß er ihre Vermittlung zur Beförderung nach New York in Anspruch genommen hat. Im Juli beantragte auch Johann Peter Bongard von Gelsdorf eine Auswanderungsgenehmigung. Er hatte bereits zwei Gefängnisstrafen abgesessen, darunter eine wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Am 13. Dezember verließ er das Dorf. Einige behaupteten danach, er sei nicht nach Amerika, sondern nach Spanien zu den Carlisten gereist.19)

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Heinrich Joseph Schaaf (mit Bart), der 1878 von Oeverich auswanderte, im Kreis seiner Familie im Staate Idaho

Im Jahre 1878 verließ Heinrich Joseph Schaaf (*1847) seinen Heimatort Oeverich. Im selben Jahr noch heiratete er in Amerika eine Frau aus Trier. Die Eheleute hatten acht Töchter und vier Söhne. Im Staate Idaho führte die Familie eine Farm. 1892 kehrte Heinrich Joseph Schaaf noch einmal in seinen Heimatort zurück. Er starb am 11. Juni 1931.20)

Ein seltenes Reiseziel hatte sich Carl August Wawer aus Gelsdorf ausgesucht, indem er sich 1881 auf den Weg zu den niederländischen Kolonien in Indien machte, um dort in den Militärdienst einzutreten. Er war der Sohn des kurz zuvor verstorbenen Bürgermeisterei-Sekretärs, weshalb der Bürgermeister an seinem weiteren Schicksal interessiert war und ihn bat, gelegentlich etwas von sich hören zu lassen. Im August desselben Jahres erklärte der Kalenborner Lehrer Wilhelm Kaufmann dem Bürgermeister, er sei mit der Auswanderung seines 26jährigen Sohnes Jacob nach Amerika einverstanden. Er würde zu seinen beiden verheirateten Söhnen reisen, die als Schmiede in guten Verhältnissen lebten und Jacob in New York abholen würden. Auch den vierten Sohn Joseph, der den Beruf des Mechanikers erlernt hatte, hielt es nicht in der Heimat. 1895 erwarb er in Basel die Schweizer Staatsangehörigkeit.

Im Jahre 1882 lebten Anton Joseph Beissel und seine aus Birresdorf gebürtige Frau Maria Anna Krein in Alma County Buffalo (Bundesstaat Wisconsin).21) Sie müssen also irgendwann vorher ausgewandert sein.

1889 beabsichtigte Barthel Wißkirchen von Nierendorf auzuwandern. Ob er ausgewandert ist, ließ sich bislang nicht ermitteln. Hiernach reißen die Nachrichten über Auswanderungen bis in die 20er Jahre dieses Jahrhunderts gänzlich ab. Nach mündlicher Überlieferung sollen ferner ausgewandert sein: Aus Beller ein Metzger namens Schäfer, aus Bengen zwei Brüder namens Schmitz, aus Birresdorf Peter Joseph Schmilz, der nach einer vorhandenen Inschrift 1803 die bekannte „Hubertusjagd“ in der Birresdorfer Kapelle schnitzte, aus Gelsdorf ein Mann mit Namen Wilbert, aus Karweiler ein Lehrer, ferner Johann Michael Mombaur, von Nierendorf ein Bollig, aus Oeverich Familie Adam, deren Häuschen am Ende der Raiffeisenstraße gestanden hatte, ferner Apollinar Breuer und einer namens Hüllen und schließlich aus Ringen jemand namens Schrägen.

Anmerkungen:

  1. Hanns Egon Freund. Emigration records from the German Eifel region. 1834-1911, Crystal Lake (Illinois) 1991. Das Material stammt aus der Sammlung Scheben im Institut für Geschichtliche Landeskunde der Universität Bonn
  2. Als Quelle diente, soweit nichts anderes genannt ist, die Akte „Auswanderung“ (Nr. 9/2) im Gemeindearchiv Grafschaft
  3. A. v. Daniels (Hrsg.), Handbuch der für die Königl. Preuß. Rheinprovinzen verkündigten Gesetze… aus der Zeit der Fremdherrschaft. Bd. 6. Köln 1841. S. 51 Of.
  4. Gemeindearchiv Grafschaft. Akte 28 13.
  5. Ostermann, Auswanderer nach Amerika aus dem Kreise Ahrweiler in; Heimat-Jahrbuch f. d. Kreis Ahrweiler 1961. S, 72f. – R, Graafen. Die Aus- und Abwanderung aus der Eifel in den Jahren 1815 bis 1955. Bad Godesberg 1961, S. 43f. – Hammerschlag, Chronik von Eckendorf, Maschinenschrift. Koblenz 1936. S. 27-32 (= Auszüge aus den Zeitungsberichten der Regierung zu Koblenz).
  6. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Landratsamt Bonn. Nr 349, fol. 109f.
  7. Schulchronik Eckendorf.
  8. Gemeindearchiv Grafschaft, Akte 9/2.
  9. Festrede von Josef Harzern anläßlich einer Feier zum hundertjährigen Bestehen der Gastwirtschaft Harzern zu Birresdorf am 29. Juni 1967 (Kopie des Manuskriptes im Besitz des Verfassers).
  10. Gemeindearchiv Grafschaft. Akte 26/4. Diese Bemerkung strich er allerdings wieder durch, wohl weil sie für die Meldung der Statistik nicht erforderlich war.
  11. Carl Bertram Hommen, Als der Bürgermeister von Niederbreisig 1853 zu den Cowboys nach Texas auswanderte, in: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 1992, S. 60-64.
  12. Ergänzt durch Angaben aus einem Brief von Kevin J. Scully, Tesoro Ct., San Jose, Kalifornien, 1988.
  13. Ottmar Prothmann, 375 Jahre Schule in Leimersdorf, in: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1985. S 64.
  14. Rhein-und Ahrbote v. 27. März, 13 Juni und 28. September 1862.
  15. Gemeindearchiv Grafschaft, Akte 9/2. ergänzt durch Unterlagen von Peter Henseler in Heppingen, der 1978 die Nachkommen besucht hatte, und Briefe von Oberbürgermeister Siegmann aus Wien, 24. Mai und 27, Juni 1938 an das Pfarramt in Leimersdorf.
  16. Ostermann, S. 73 u. Landeshauptarchiv KobI . Best. 441, 24066.
  17. Brief im Annolationsbuch von Ludwig Liers. im Besitz von Familie Esch, Birresdorf.
  18. Gemeindearchiv Grafschaft. Akte 27/4.
  19. Gemeindearchiv Grafschaft. Akte 9/2. Bei Ostermann, S. 74, das falsche Jahr 1873.
  20. Unterlagen (Briefe, Fotos und so weiter) bei Maria Joist, Oevench 1982. Inzwischen vernichtet.
  21. Urkunde des Notars Hess zu Ahrweiier, Rep. 4968 vom 28. Februar 1882. Ausfertigung bei Familie Müller. Oeverich.

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