Episoden aus der frühen Nachkriegszeit in Adenau
Episoden aus der frühen Nachkriegszeit in Adenau
Karlheinz Korden
Viel wurde gerade in den letzten Monaten geschrieben und veröffentlicht über das Kriegsende vor 50 Jahren. Viele bittere Szenen, Ängste und Schrecken wurden wieder heraufbeschworen und leidvolle Schicksale in die Erinnerung zurückgerufen.
Verklungen war im Frühjahr 1945 das Dröhnen der Bomber und das Rasseln der Panzerketten, aber vom echten Frieden war man noch weit entfernt. – Vielleicht sollte man gerade deshalb auch einmal die andere Seite aufzeichnen, sich daran erinnern, daß neben den angstvollen Erinnerungen auch Begebenheiten wach werden, die oft ein befreiendes Lächeln, oft aber auch lautes Lachen hervorriefen.
Sah man zunächst in den einmarschierenden fremden Truppen nur Feinde, denen man mehr oder weniger ausgeliefert war, so stellte man doch dann häufig auch fest, daß die fremden Soldaten letztlich auch Menschen waren.
Zeichnungen: Uli Görtz
Rumpelnde Panzer mit dröhnenden Ketten rollten am 9. März 1945 durch die verschlammte Hauptstraße von Adenau und erreichten auch den Buttermarkt. Ob die jungen Burschen nun besonders mutig oder nur neugierig waren, bleibt dahingestellt. Einige standen scheu am Straßenrand und betrachteten das Schauspiel, das für sie gänzlich neu war. Warum, weshalb und wieso plötzlich einer der Jungen einen Zylinderhut auf dem Kopf hatte, läßt sich nicht mehr nachvollziehen, ein Zeichen der Ehrerbietung für die Gegner war es bestimmt nicht. Aber nun stellte sich sehr schnell heraus, daß amerikanische Soldaten, möglicherweise in Erinnerung an den legendären „UNCLE SAM“ eine besondere Vorliebe für jene Kopfbedeckung zeigten. Eiligst vom Panzer gestiegen, wurde ein Tauschgeschäft abgewickelt. Schokolade und Kekse, längst nur noch Erinnerung und der bis dato unbekannte Kaugummi ließen den Handel schnell perfekt werden. Der Soldat, der nun auf dem Panzer sitzend, seinen „knitterfreien Hut“ -auch Helm genannt, gegen den Zylindertauschte, sah bei weitem nicht mehr so schreckerregend aus. Die Nachbarburschen erkannten das Gebot der Stunde. Vater war noch nicht aus dem Kriege zurück und trug bestenfalls den Zylinder an Fronleichnam oder bei einer Hochzeit und so blühte gleich das Geschäft. Vorwiegend farbige Soldaten strahlten mit den Kindern um die Wette, und jeder war zufrieden mit seinem Tausch. Daß die fremden Soldaten über wahre Schätze an Süßigkeiten und nahrhaften Konserven verfügten, sprach sich sehr schnell rund, ebenso, daß ein stibitztes Hühnerei leicht gegen Kaugummi zu tauschen war. – Mir, als Schreiberling, ist noch gut in Erinnerung, daß ein riesenhafter“Neger“miteinem wahren „Zahnpasta-Reklame-Gebiß“ (Schwarze kannte ich nur aus dem Bilderbuch) zu mir kam, nicht etwa um mich aufzufressen, sondern um mir eine Orange zu schenken.
In die mir bis dahin unbekannte Frucht herzhaft hineinbeißen war eins, und das andere war der furchtbare Geschmack, bis ich gelernt hatte, die Frucht zunächst einmal zu schälen.
Obwohl Adenau bald zur französischen Zone gehörte, sah man selten einmal Soldaten aus jenem Land, abgesehen von dem in die Adenauer Geschichte eingegangene und oft gefürchtete Bois-Lambertauch schnell „Böser Lambert“ genannt.
In der früheren Jugendherberge quartierte sich eine Truppe der Royal Air Force, der englischen Luftwaffe ein und schnell gehörten die blauen Uniformen zum Straßenbild. Da man den Engländern nachsagte, daß sie den Fußball erfunden hätten, dauerte es auch nicht lange, bis das erste „Länderspiel, England gegen Adenau“ auf dem alten Sportplatz auf dem Hirzenstein stattfand und fortan jeden Sonntag wiederholt wurde. Kurzentschlossen nahmen die englischen Soldaten ihre deutschen Gegner auf ihrem LKWmit zum Sportplatz. Wer letztlich siegte, war nicht von so großer Bedeutung, man hatte seinen Spaß und kehrte danach gerne in das damalige Gasthaus „Zum wilden Mann“ ein, wo deutscher Gerstensaft schnell gute Freunde schuf. Überliefert ist auch die Tatsache, daß gerade die angeheiterten Adenauer Sportfreunde oft das „England-Lied“ anstimmten. Da die Melodie ein ausgesprochener „Ohrwurm“ war, sangen die britischen Soldaten den weitgehend unbekannten Text …denn wir fahren gegen England…mit. Meinungsverschiedenheiten gab es selten und gerne besuchte man mit den Soldaten von der Insel Kirmesveranstaltungen auf den Nachbardörfern, weil die „Tommy’s“ja über einen LKW verfügten. So ist es nicht verwunderlich, daß einige Briten junge Frauen aus Adenau heirateten und mit nach England nahmen; andererseits sind auch englische Soldaten in Adenau geblieben, die heute genau so „Addene Platt“ beherrschen und sich als Bürger der Johanniterstadt verstehen.