Die Muschel – Eine Eifler Auswanderergeschichte

Die Muschel

Eine Eifler Auswanderergeschichte 

Johannes Friedrich Luxem

Die Vitrine

In einer dunklen Ecke der guten Stube des Ahreifler Bauernhauses steht eine alte Vitrine aus Buchenholz; die Türen verzogen, geschmückt mit Rankenwerk und Mäandermuster, vor langer Zeit geschnitzt von ungelenker Hand.

Auf plumpem Schrankkasten ein Aufsatz mit zwei Glastüren, die stets sorgfältig verschlossen bleiben. Den Schlüssel verwahrt seit vielen Jahren Patt Klaes. Niemand außer ihm darf die Tür der Vitrine öffnen. Auf den Regalen befinden sich beileibe keine Kostbarkeiten; einige Gläser, eine Schale mit dem vergoldeten Abbild des Kölner Domes, zwei zähnefletschende Porzellanlöwen und ein Relief der Muttergottes von Kevelaer.

In der Mitte des oberen Regals liegt ein seltsames Gebilde: eine große, bizarr geformte Muschel mit zackenartigen Auswüchsen und einer ovalen, dunklen Öffnung, die fast die Hälfte der orangefarbenen Unterseite des exotischen Gebildes einnimmt.

Danach befragt gibt Patt Klaes nur ungern Fremden Auskunft. Nur soviel erfahren Neugierige, daß die große Muschel aus den Tiefen des Pazifischen Ozeans stammt, und daß der Bruder des Ururgroßvaters – er wanderte in den Hungerjahren um 1835 aus der Heimat nach Amerika aus die Muschel eines Tages in einem großen Paket aus Kalifornien ins kleine Eifeldörfchen schickte.

Schließlich vermerkt Patt noch, daß der Auswanderer seine Heimat nie wiedersah, nur selten schrieb, insgeheim jedoch an einem verzehrenden Heinweh litt. –

Doch als Patt Klaes an einem langen Winterabend mit seinen Enkelkindern in der warmen Stube saß, bettelte die muntere Schar so lange und mit kindlich zähem Festhalten am einmal geäußerten Wunsch, bis er ihnen die Geschichte der Muschel, die Geschichte des Auswanderers Jakob, den man im Dorf „et Jaköbche“ rief, erzählte.

Und wir, die wir dies lesen, hören ihm, der ganz langsam und oft mit stockender Stimme spricht, neugierig geworden, zu! 

Zwei Briefe aus Amerika

„Vor über 150 Jahren“, so begann Patt Klaes, „herrschten schlimme Zustand bei uns in der Eitel; eine Notzeit wie nie zuvor mit großer Armut, Entbehrungen, Mißernten und Hungersnot.

An einem bitterkalten Winterabend saßen hier in der Stuft acht Bauern mit dem Dorfpastor und redeten über das Elend, das kein Ende nehmen wollte.“

„Krieg, Armut und Hunger, all dat han mirjehatt“, sagte einer, „et fehlt nur noch de Pest!“. „Ja“, meinte der Pastor, „wir leben in Zeiten schwerer Prüfung“, und er sah im Geiste die Gestalten der apokalyptischen Reiter, wie sie geißelschwingend über die Eifeldörfer galoppierten, in ihrem Gefolge Elend, Hunger, Mangel am Nötigsten. „Et letzte mol hann mir Fleesch jegesse op Kirmes; und dat es atöwer et Joohr“, antwortete Nachbars Weilern.

Im offenen Herd flackerte das Feuer, erfüllte die niedrige Stube mit Rauch, ließ die geborstene Takenplatte, auf der David triumphierend das Haupt des besiegten Goliath hochhielt, in Flackerlicht und tiefen Schatten lebendig werden. Um den alten Tisch hockten die Männer, rauchten Buchenlaub in tönernen Stummelpfeifen, sahen dem Mühmchen und der Tant zu, die in der Backmol aus Haferschrot, Kartoffelbrei und Baumrinde einen Brotteig anrührten. So weit war es gekommen, dachten die Bauern, daß man mit Baumrinde sein Brot backen mußte. In der Stube herrschte eine unbeschreibliche Atmosphäre, eine Mischung aus Not und Verzweiflung, geheimem Aufbegehren und demütiger Ergebenheit in das Unabänderliche.

„Fort von hier, eraus aus dem Elend müßten wir“, rief Jaköbchen plötzlich in die lastende Stille, „auswandern wie die ändern öwer den Ozean, fort no Amerika“. –

„Da muß ich euch warnen“, antwortete der Pastor und zog ein zerknittertes Schreiben aus der Soutane. „Hier hab ich einen Brief aus Amerika“ sagte er, hielt das Papier hoch, schwenkte es hin und her, setzte seinen Kneifer auf und begann zu lesen. Er tat dies in bedächtigerweise, so, als hielte er seinen Eifelbauern eine Predigt. An wichtigen Stellen hob er seine Stimme, legte Pausen der Besinnung ein. Kurz, er versuchte alles, um etwa zur Auswanderung Entschlossene gehörig zu warnen.

„Es ist ein Brief vom Schöffepittersch Franz, der, wie ihr wißt, vor drei Jahren fortging nach Amerika“ erklärte er und las vor:

Liebe Eltern und Schwester! 
Ja, jetzt schreib ich Euch aus der Feme, aus Amerika. Es geht mir so recht und schlecht, aber ich muß nicht Hunger leiden. Das hier ist ein großes Land, da ist alles anders wie zuhause und ist anders wie wir uns gedacht haben. Ich habe an vielen S feilen Arbeit gefunden, bin aber oft weggegangen, weil es so hart war und so wenig an Lohn. Auch ist hier alles zu haben was wir in der Eifel nicht kennen, aber alles sehr teuer, auch für Kost und Logis. Jetzt bin ich beim Eisenbahnbau. Sie führt immer stracks nach Westen über Indianerland und Gebirge bis an den Ozean. Die Sommer sind so heiß, schwere Arbeit von früh bis spät und wenig Rast. Hier denkt jedermann nur an sich selbst, will nur die Dollars haben und träumt vom Wohlstand. Aber nur ganz wenig haben Glück, kommen weiter.

Einer, der aus Herschbach stammt, sagte zu mir: „Ja, jetzt sind wir im Land der Freiheit. Aber wir leben in den Baracken wie die Sklaven, hier zählt nur der Dollar, aber wir bringens zu nichts, bleiben arm, führen ein Hundeleben.“ Liebe Eltern, ich kam so gerne wieder zu Euch zurück. Aber das Geld fehlt mir für die lange Reise. Da muß ich nur klagen und Euch die schöne Hoffnung auf ein besseres Leben hierin Amerika nehmen.

Ja, hätt man früher das alles gewußt! War ich nur wieder daheim, was gab ich wohl dafür! Nun vergeßt mich nicht, bleibet alle gesund und soll es Euch dort auch besser gehen.

Es sendet Euch allen viele Grüße aus Amerika Euer getreuer Sohn Franz.

Der Vorleser machte eine lange Pause; die Bauern schwiegen. Jaköbchen hatte aufmerksamzugehört, rührte sich nicht vom Fleck, starrte ins Herdfeuer, dacht widerstrebend: „Ech hann och ene Breef us Amerika in der Tösch, der öss vom Knähchte Jusef. Der schreiwt Jet janz anderes, dem jeht et jut, da well net mieh zoröck!“

Jaköbchen erhob sich, ging zur Tür, schlurfte die schmale Stiege empor in seine Kammer. Er entzündete ein Öllicht und las die bereits verwaschenen Schriftzüge des Briefes aus Amerika zum hundertstenmal. In schönster Schrift stand dort geschrieben:

Lieber Bruder!

Nun will ich Euch schreiben, was Amerika für ein Land ist für Leute, die strebsam bedacht sind auf Arbeit. Und Leute, die sparsam bleiben und es zu etwas bringen wollen und ohne zu jammern und klagen.

Ich habe auf großen Farmen gearbeitet und so wie es schon steht in der Schrift: Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen. Schwere Schufterei von morgens 5 bis in die Dunkelheit und wenig Rast, nur kurz Mittag. Aber jeden Tag gab es Weißbrot, Schmalz und Fleisch, wie daheim nur am Kirmestag. Habe auch am Kanalbau gegraben für 12 Dollar die Woche, war danach bei der Eisenbahn, durch die weite Prärie immer nach Westen bis zu den hohen Mountains.

Habe dann Glück gehabt und eine kleine Schmiede gepachtet und habe selbständig Arbeit gemacht. Eggen, Pflugschar, Hacken und Pferde beschlagen wie zuhause gelernt. Habe auch immer gespart, nichts verschwendet und habe mir an den Mountains 240 Hektar Weideland geclaimt, dazu über hundert Rinder, auch Maultiere. Baue nun mein Farmhaus. Stall, Scheune und Windrad für Wasserpumpe.

Ja, lieber Bruder, das ist fürwahr das Land der Freiheit. Hier kann man gehen wohin man will, kann treiben was ihr wollt, Handel, eine Schän-ke aufmachen, verkaufen, alles wie man will ohne Papiere. In der Landwirtschaft haben wir hier Maschinen, alles anders als daheim. Nur die Sprache ist schwer für meine Eitler Zunge, aber ich verstehe bald alles. Mein Farmhand,

das ist wie daheim ein Knecht, kommt aus St. Louis, war ein Goldgräber, hatalles verspielt. Er sagt zu mir:„Learn English first, Mister!“ und das will ich auch tun.

Oft denke 7ch an Euch, auch an das Bachmüllersch Gretchen, Ihr sollt ihr sagen, wie es mir hier geht. Ich lebe in Freiheit, bin mein eigener Herr.

Nun Gott befohlen Ihr alle, aber fragt mich nicht, ob ich Heimweh habe. Sonntags fahre ich in die Kirche mit Pferd und Wagen nach Little Creek, das sind über 20 Meilen wie zuhaus von Sierscheid nach Adenau.

Nun mit vielen Grüßen bleibe ich Euer Josef

Wie oft schon hatte Jakob diesen Brief gelesen, sich alles lebhaft vorgestellt. Manchmal war ihm, als sei er schon da, im gelobten Land Amerika. Er dachte daran, daß aus den Nachbardörfern derAhreifel ganze Familien, Bauern und kleine Handwerker ausgewandert waren, aus Adenau, Dankerath, Wiesemscheid, aus Barweiler, Müsch und Harscheid. Hätte er nur Geld zur Überfahrt! „Das Geld“, dacht er, „ja, das elende Geld!“ Mit seinen wenigen ersparten Talern käme er nicht einmal von Köln bis Hamburg oder Amsterdam zum Schiff.

„Mir könne net alles verkoofe“, hatte der Großvater gesagt, „Mir mösse hei ooch läwwe un de eenzig Kuh mösse mer behaale.“

Unruhige Träume quälten das Jaköbche in dieser Nacht. Auf einem Rappen ritt er über die endlosen Weiten der Prärie, über Indianerterritorium, immer auf der Suche nach fruchtbarem Ackerland, das ihm, ihm allein gehören würde.-

Heimlich

In einer stürmischen Nacht, gegen Ende des langen Winters war Jakob aus dem Ahrtal zurückgekommen auf die karge Hochebene, über die ein eisiger Wind jagte. Durch Schneeverwehungen stapfte er dem väterlichen Gehöft zu, ging hinüber zum Stall, nach der Blaß, der einzigen Kuh zu schauen – kostbarster Besitz seiner Familie.

Er drehte sich um und sah durch einen Bretterspalt in der Scheune des Nachbarn, des wohlhabenden Viehhändlers, einen schwachen Lichtschein. Neugierig schlich er näher, preßte sein Gesicht gegen die rauhen Bretter-und für einen Augenblick stockte sein Herzschlag. Er sah den Viehhändler auf der Erde knieend vor einer Grube, wie er im Flackerschein eines Öllämp-chens mit großer Sorgfalt eine Kiste ins Erdreich legte, sie mit Stroh und Erde bedeckte, alles feststampfte, Bretter und altes Ackergerät darüber stellte. 

Jakob atmete schwer; in der Herzgegend spürte er ein Stechen. Er begann zu zittern. In einem einzigen Augenblick lösten sich alle Beklemmungen, seine Zweifel, alles Niederschmetternde der vergangenen Elendszeit. Hier war er plötzlich, der ersehnte Fingerzeig des Schicksals, hier öffneten sich ihm die Tore zum Glück, gaben endlich den Weg frei hin zu seinen Wünschen und zum Traumland der unbegrenzten Möglichkeiten – Amerika! Vergessen in einem einzigen Augenblick, was er gelernt in der Katechismusstunde, das eherne Gebot „Du sollt nicht stehlen“ und „Nicht begehren sollst du deines Nächsten Hab und Gut!“ 

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Vergessen das Drohwort des Großvaters: „Unrecht Gut gedeihet nicht!“ Jakobs Entschluß war gefaßt im gleichen Augenblick, da er erkannte, daß der Nachbar heimlich mitten in der Nacht seine Ersparnisse, seinen Schatz in der Scheuer vergrub. 

Und so schlich er eine Stunde später zur Scheune durch die Remise, löste einige Bretter und zwängte sich durch die Öffnung in den düsteren Raum. Hin zum Versteck tastete er sich, grub die Kiste aus, fand ein Stück Eisen, öffnete den vernagelten Kasten und entnahm ihm einen prall mit Talern gefüllten Lederbeutel. 

Dann verschloß er die Kiste, scharrte Erde darüber, bedeckte das Versteck mit Stroh und Gerät. Alles vollzog sich im Finstern, geräuschlos mit listiger Sorgfalt; heimlich verließ er den Ort des Frevels. 

In seiner Kammer packte er seine ärmlichen Habseligkeiten zusammen, schnürte ein Bündel, öffnete den Lederbeutel, das Diebsgut. Schneller schlug sein Herz, als er auf dem Tisch die Taler zählte über vierhundert waren es, ein Vermögen, seine Rettung, sein Schlüssel, ihm die Tore endlich zu öffnen hin ins gelobte Land. Auf die Rückseite eines Druckes aus der Napoleonzeit schrieb er seine kurzen Abschiedsworte – welch schreckliche Botschaft für die Seinen: 

– „Nun bin ich fort nach Amerika. Macht Euch um mich keine Sorg. Ich laß von mir hören, wenn ich da drüben bin und Gott behüt Euch, Euer Jaköbche.“ 

Flucht

Jakob kannte sein Ziel. Er fürchtete nicht die Dunkelheit, Hohlwege, Walddickicht, blieb unempfindlich gegen die Unbilden der Witterung. Pausenlos strebte er weiter, getrieben von dem einen mächtigen Gefühl: fort, nur fort von Enge, Hunger, Armut, von demütiger Ergebenheit, hin zum großen Hafen, aufs Schiff, übers weite Meer zum Land seiner Sehnsucht – fort nach Amerika!

Ereilte in langen, gleichmäßigen Schritten nach Norden durch Nacht und Schneesturm, durchquerte ein weites Tal, umging Münstereifel und strebte nach kurzer Rast weiter über die große Ebene hin zum billigen Köln.

In einem dunklen Winkel des Domes kauerte er nieder, opferte eine Kerze. Erst als sie zu brennen begann durchfuhr ihn heiß wie Feuer ein Schmerz von Reue und Verdammnis; es quälte ihn der Gedanke, daß dies eine Opfergabe sei von gestohlenem Gut.-

Mühsam war seine Reise bis Amsterdam. Dort schloß er sich einer Gruppe Auswanderer aus dem Hotzenwald an, löste eine Schiffskarte auf einem Seelenverkäufer nach Philadelphia. Er erlebte eine furchtbare Überfahrt mit Stürmen, Seekrankheit, einer Havarie.

In einer entsetzlichen Sturmnacht – gewaltige Brecher schäumten über das Schiffsdeck – hockte er unter jammernden und betenden Auswanderern, Odenwäldern, Ukrainern, Polen und Pfäl-zern stumm und teilnahmslos im Unterdeck.

Alles Elend und Geschrei, dramatisches Geschehen um ihn herum nahm er wie aus weiter Ferne, wie ein Trugbild wahr. Nur eines blieb in der schrecklichen Scenerie für ihn faßbar, war Trost und Wirklichkeit: Kurs Philadelphia – es ging Amerika entgegen!

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Im gelobten Land

Für lange Zeit verlor sich Jakobs Spur. Erst Jahre später erhielt seine Familie Nachricht. Es war ihm gegangen wie vielen Auswanderern vor ihm. Ach, wie viele Träume und Illusionen zehrte die rauhe Wirklichkeit auf im ersehnten Land der Freiheit!

Alle Stufen der schmalen Leiter zum Erfolg mußte das Jaköbchen aus der Eifel mühsam bewältigen. Lange blieb er ganz unten, schuftete in Häfen. In einem Schlachthof befiel ihn das Grausen; es trieb den Unruhigen in die Weiten des Westens. Go west young man stand in dicken Lettern in den Gazetten. Er folgte dem Ruf, arbeitete am Eisenbahnbau, sparte jeden Cent, legte Dollar um Dollar zu den Talern in lederner Geldkatze.

Man machte ihn zum Boß der Feldschmiede; er wollte dem Beispiel folgen wie es im Brief vom Josef aus Harscheid stand. Land kaufen, Vieh züchten, unabhängig sein, sein eigener Herr auf Grund und Boden. In einem kleinen Gebirgstal erwarb er Land, baute eine Rinderfarm auf, wurde Züchter, schuftete von früh bis spät. Wie betäubt war er für alles, was das Dasein an Schönem bot. Nur für eines lebte er, die Verwirklichung seines Traumes, Wunsch von hunderttausenden armer Auswanderer: ein Platz an der Sonne.

Doch in vielen Nächten lag er schlaflos; Bilder drängten sich in sein Bewußtsein, die ihn quälten, peinigten, wie Feuer brannten. Er sah vor sich die verhärmten Gesichter seiner Angehörigen, sah das versteinerte Antlitz von Wallenbachs Kathrinche – nicht einmal Adieu hatte er ihr gesagt.

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Zeichnungen: Johannes Friedrich Luxem 

Oft stieg zwanghaft vor seinem inneren Auge jene nächtliche Scene in der Scheune des Viehhändlers auf. Er sah sich, Erde wegkratzend, eine Kiste aufbrechen. Sah, wie er das Diebsgut an sich riß, fortlief in die Nacht.

Er konnte nicht wissen – Ironie des Schicksals -daß den Viehhändler der Schlag getroffen hatte und daß er das Geheimnis seines vergrabenen Vermögens mit ins Grab nahm.

Zurückkehren wollte Jakob nicht mehr, aber er setzte alles daran, seine schlimme Tat wieder gutzumachen. Den Seinen schickte er von Zeit zu Zeit Geld und Geschenke und er sandte dem Pfarrer seines Heimatdorfes eines Tages einen namhaften Betrag exakt in Höhe der gestohlenen Taler.

Sein Wunsch war, von diesem Geld dort, wo vom Heimatdorf der Weg steil hinabführte ins Ahrtal, eine Kapelle zu Ehren des heiligen Anto-nius zu errichten; und so geschah es auch.

Das Kapellchen stand noch bis nach dem ersten Weltkrieg, doch es zerfiel und wurde eines Tages abgerissen. –

Alles dies ist schon lange her und wie es im Leben so geht: langsam riß sie ab, die Verbindung zwischen Amerika und Eifeldorf und so blieben nur die Andenken aus dem fernen Land übrig, auch die seltsame Muschel in der Vitrine.

Epilog

„Großvater, hol uns die Muschel!“, riefen die Kinder, als Patt Kleas seine lange Geschichte beendet hatt, „stell sie uns hier auf den Tisch!“ Patt saß gebeugt im geschnitzten Großvatersessel, sog an seiner Tonpfeife und schwieg. Endlich erhob er sich, ging hinüber zur Vitrine und schloß die Glastür auf. Er nahm das Andenken behutsam in beide Hände, stellte es in die Mitte des Tisches. Die Kinder drängten sich vor, umstanden die Muschel im Kreis, schauten das fremde Gebilde lange an. In ihrer Phantasie erblickten sie das ferne Amerika, seine Prärien, mächtige Flüsse, endlose Wälder, die schneebedeckte Kette der Rocky Mountains und die Küsten des Stillen Ozeans, aus dessen Tiefen die Muschel stammte.

„Laß uns das Meer hören“, bat Trinchen den Alten. Patt nahm das mattschimmernde Gebilde, setzte sich, hielt die Muschel mit ihrer schmalen Öffnung in Richtung der Kinder, ein Ritual, das er nur zweimal im Jahr zuließ. Die Kinder kamen, eines nach dem ändern, stellten sich vor den Großvater, preßten ihr Ohr an die Muschelöffnung, lauschten mit offenem Mund.

Und wirklich – man konnte es hören, das große Meer! Erst ertönte ein leises Geräusch wie Windsausen, wurde stärker und stärker. Es waren tatsächlich die Wogen des Ozeans, es war die Brandung, die mitglänzendweißer Gischt gegen die Felsen prallte.

Die Lauschenden schlössen ihre Augen und für einen wunderbaren Augenblick verwandelte sich die enge Stube in die unendliche Weite des Meeres. Aus den Wogen sprangen Delphine und in der Azurbläue des Firmaments segelten Albatrosse, Tölpel und Fregattvögel fernen Inseln entgegen. Seltsamerweise sprach keines der Kinder über das Sch