„Arbeidverzeichnis und verbrauchter Metergal“ – Aus dem Tagebuch eines Schreiners aus Antweiler/Ahr (1913-1921)
Bei der Durchsicht meiner handschriftlichen Bestände entdeckte ich ein schmales, langes Notizbuch mit braunem Umschlag und dem Titel „Arbeidverzeichnis und verbrauchter Me-tergal“. „Metergal“ soll wohl Material heißen. Dieses Wort bereitet aber nicht die einzige Schwierigkeit bei der Deutung der Notizen. Nach vielen Vergleichen an anderen Stellen des Textes kommt man endlich darauf, was mit der ein oder anderen Eintragung gemeint ist. Die Aufzeichnungen umfassen den Zeitraum von 1913 bis 1921. Für das Jahr 1918 fehlen die Eintragungen. Es ist möglich, daß der Schreiner in diesem Jahre Soldat wurde und der Schreinereibetrieb aus diesem Grunde ruhte.
Aus den Aufzeichnungen ist heute noch ersichtlich, welche Gegenstände und Dienstleistungen erstellt oder erbracht wurden und was für das Material und als Arbeitslohn zu bezahlen war. Da der erfaßte Zeitraum von der Zeit der Goldmark bis in die beginnende Inflation reicht, sind die Veränderungen der Preise und Löhne besonders aufschlußreich. Übersicht über die vielfältigen Einzelleistungen:
Abortanlagen für die Kompanie, Aushängekasten für die Gemeinde, Ausstellungsschränke für Geschäftsleute, Backmulden, Betten, Bienenhaus, Bienenladen, Bilderrahmen, Blumenkästen, Bücherkisten, Bock an der Bandsäge, Drechselbank, Fensterläden, Fenster verkitten, Feuerwehrturm, Fleischständer, Fliegen-schränkchen, Flurabschluß, Fußboden, Gartenbänke, Gartenlaube, Gartentor, Gartenzaun, Glasabschlüsse, Grabgitter, Haustür, Hundehütte, Kasten um die Waage am Bahnhof, Kellerverschlag, Kellertür, Kinderbank, Kinderbett, Kindersarg, Kleiderregal, Küchenschrank, Kulissen für Theaterbühne, Lampen, Laufwagen an der Bandsäge, Leitern, Regale, Särge, Schiebetür, Schlafzimmereinrichtung, Schlitten, Schränkchen für Spülstein, Schreibtisch, Schubkarre, Sockel anschlagen, Spülbrett, Stalltür, Stehleiter, Stühle, Tisch, Tischplatte, Treppe, Treppchen, Türen, Verschalungen fürdieCom-pagnie, Wagen (Handwagen), Wandbekleidung, Wandbretter für den Daken (Taken), Wandschränkchen, Werkzeugkasten, Zimmertür.
Einzelheiten aus verschiedenen Jahren vermitteln uns nun ein Bild über Leistungen und Preise.
Beginnen wir mit der Zeit, da die Goldmark bei uns eine stabile Währung verkörperte. Zur Herstellung einer zweiflügeligen Tür brauchte der Schreiner im Jahre 1913 70 Stunden und berechnete dafür 24,50 Mark. Das war ein Stundenlohn von 35 Pfennig für einen Fachmann. Das benötigte Material für die Tür wurde mit 25,64 Mark in Rechnung gestellt. Die handwerklich angefertigte Tür kostete damals insgesamt 50,14 DM. Eine einflügelige Tür, die für Herrn Mies angefertigt wurde, kostete bei vierzig Stunden Arbeitsaufwand insgesamt 28,07 Mark. Josef Mechlinski zahlte für eine Wasserbank aus Tannenholz 1,80 an Material und vier mal 35 Pfennig an Arbeitslohn, also 3,20 Mark. Sogenannte Wasserbänke dienten in der Küche dazu, Töpfe, Tongefäße, Öl- und Essigflaschen und Rahmbehälter aufzunehmen, Behältnisse, die man nicht im Küchenschrank aufbewahrte. Meistens waren die Bänke (stehende Regale) mit einem Vorhang versehen, so daß man die abgestellten Gefäße nicht sehen konnte. Im gleichen Jahr ließ der Pfarrereine Gartenlaube herstellen. Das Material dafür kostete 51,15 Mark. Bei aufgewandten 86 Arbeitsstunden betrug der Gesamtpreis 83,25 Mark. Ein Fleichständer für Wilhelm Pitzen kostete 15,05 Mark. Für Herrn Scheibler (Villa am Ortsausgang nach Müsch) wurden Glasabschlüsse angefertigt und dafür 295 Arbeitsstunden aufgewandt. Neben Neuanfertigungen und Reparaturen übernahm der Schreiner auch das Verkitten von Fenstern an der Bahnmeisterei. Das Glas wurde wahrscheinlich von der Bahnverwaltung direkt von einer Großhandlung bezogen. Es wurde eine Menge Kitt verbraucht,
nämlich 61 Pfund, die 18,30 Mark kosteten. Lehrer Feldges ließ sich Fensterläden machen. Diesmal berechnete der Schreiner für die Arbeitsstunde fünfzig Pfennig, also war der Stundenlohn gestiegen. Der Gesamtpreis betrug 117,47 Mark. Da in vielen Fällen nur die Stundenzahl und die Materialkosten angegeben sind, aber nicht der Gesamtpreis, kann nicht in jedem Falle der Stundenlohn ermittelt werden. Das Material für einen Küchenschrank in Kiefernholz, viertürig, 190 x100 x 90 groß, kostete mit allen Beschlägen und Intarsien 34,90 Mark. Der Stundenlohn wurde mit 0,40 Mark angegeben, bei 101 Stunden 40,40 Mark zuzüglich 6 Mark für Maschinenkosten, je Stunde zwei Mark. Weitere Preise im Jahre 1913. Materialkosten für einen Tisch in Kiefernholz 10,05 Mark, für sechs Stühle in Buchenholz 35,90 Mark. Ein Schränkchen für unter den Spülstein kostete insgesamt 13,05 Mark. Pfarrer Geier (Geuer) ließ sich ein Spülbrett anfertigen, wofür das Material 2 Mark kostete und 10 Stunden Handarbeit erforderlich waren. Im Jahre 1914 ließ sich Bäcker Klein eine Backmulde anfertigen, für die er 20,30 Mark bezahlte. Für einen Bilderrahmen in Eichenholz kostete das Material 1,15 Mark. Es wurden dreieinhalb Arbeitsstunden für die Herstellung aufgewandt. Es sind in Jahre 1914 auch die Arbeitsstunden für die Herrichtung der Hobelmaschine und die Materialkosten aufgeführt. Ein Fenster in Eichenholz für Philipp Neubusch, in lichtem Maß von 119 1/2 x 78 1/2, kostete an Material und Strom 5,80 Mark. Es wurden 20 Arbeitsstunden zur Herstellung benötigt. Auch hier ist kein Gesamtpreis angegeben, so daß der Stundenlohn nicht ermittelt werden kann. Ein dreistufiges Treppchen kostete an Material (Tannenholz) 80, an Strom 70 Pfennig und 11 Arbeitsstunden. Am 4. März 1914 berechnete der Schreiner dem Karl Hürth die Arbeitsstunde mit 77 Pfennig. Das bedeutete fast eine 50prozentige Steigerung gegenüber dem Jahre 1913. Es scheint keine festen Stundenlöhne gegeben zu haben, denn am 19. des gleichen Monats berechnete er für 6 Stunden nur 3 Mark und am 28. März für 120 Stunden, die zum Umbau einer Kreissäge als Langlochbohrer aufgewendet wurden, 48 Mark, das sind 40 Pfennig je Stunde. Für Herrn Scheibler berechnete er 50 Pfennig Stundenlohn im April 1914. Bei Peter Hilterscheid wurde der Stundenlohn im gleichen Monat sogar auf 83 Pfennig hochgeschraubt. Möglicherweise spielte bei der Berechnung des Lohnes auch die Art des herzustellenden Gegenstandes oder der Stand des Auftraggebers eine Rolle. Wie aus den Aufzeichnungen ersichtlich ist, schwanken die Stundenlöhne laufend, auch bei gleichem Auftrag. Der Sarg für Michel Reichartz kostete am 11. Juli 1914 an Material 6,20 Mark und 5 1/2 Arbeitsstunden, deren Preis nicht angegeben ist. Zwei Wandbretter für den Taken(schrank) kosteten 1915 insgesamt 4,35 Mark. Das Rad für eine Schubkarre, die an den Bahnhof in Antweiler zu liefern war, ließ der Schreiner von einem Wagenbauer für 4,50 Mark herstellen. Insgesamt kostete die Schubkarre aus Eichenholz 23,45 Mark. Eine Tischplate für Pfarrer Geuer kostete 1917 24,50 Mark. Als Stundenlohn wurden 50 Pfennig eingesetzt. In Antweiler und Schuld wurden im gleichen Jahr auch Reparaturen an Bahngebäuden ausgeführt. Im Jahre 1919 zogen bereits die Preise an. Der Schreiner rechnete für sich 1,20 Mark und für einen Helfer 1 Mark Stundenlohn. Eine Hundehütte für den Bürgermeister kostete 59,96 Mark und eine Stehleiter mit je 2 Sprossen für Herrn Scheibler 33 Mark. ImJahre 1920 wurde in Köln ein Benzinmotor für 2500 Mark gekauft. Zehn Liter „Besol“, das soll wohl Benzol heißen, kosteten 130 Mark. Dagegen kostete damals eine in Köln gekaufte Transmission 60 Mark, ein (Treib)Riemen 330 Mark.
Für die Jahre 1920 und 1921 ist unter anderem eine Zusammenstellung vorhanden, welche die Arbeitsstunden für die Aufstellung einer „Werkstelle“ (Werkstatt) angibt, aber keinerlei Löhne, obwohl mehrere Arbeiter eingesetzt waren. Mit 2 Mark wurde die Arbeitsstunde im Jahre 1920 berechnet. Zur Herstellung eines Tisches für Matthias Meurer waren 6 Handarbeitssstunden und 2 Maschinenstunden notwendig. Im gleichen Jahr stieg der Stundenlohn für den Schreiner auf 10 und für den Helfer auf 7 Mark. Eine Treppe für Hubert Klein kostete 3048,55 Mark. Da für den gleichen Kunden auch mehrere Fenster angefertigt wurden, kann man davon ausgehen, daß es sich um Arbeiten für einen Neubau handelte. Am 24. Februar 1921 berechnete der Schreiner für Rolladenkasten an Arbeitsaufwand für sich 6 Stunden a 10 Mark und 8 1/2 Stunden für den Helfer a 6 Mark. Die Maschinenstunde wurde mit 40 Mark berechnet. Für einen „Sarch für Grohse Person“ wurden 1921 folgende Maße angegeben:
„Boden 185 lang oben 55 unten 40 cm, Seiten 195 lang oben 23 unten 17 cm, Deckel 197 lang oben 40 unten 30 cm oben 20 schräg“. Im gleichen Jahr wurden für den Feuerwehrturm 159 1/2 Arbeitsstunden und 48 Maschinenstunden aufgewendet.
Anfertigungen beziehungsweise Arbeitsleistungen wurden erbracht für Bewohner und Einrichtungen in Antweiler, Eicherscheid, Fuchshofen, Müsch und Schuld.
Antweiler um 1910