„Ein fetternbeth mit bühl und zwey küssen“ – Aus dem Anschreibebuch des Matthias Giesen zu Bodendorf
Das Merkbuch des Matthias Giesen wurde im Heimatjahrbuch 1997 vorgestellt. Geführt wurde es von 1752 -1816, wobei er selbst Eintragungen bis 1798 vornimmt. Spätere und wenige Notizen – in einer anderen Handschrift – stammen von seinem Sohn und Hoferben. Dieser huldigt 1772 als Matthias Giesen minor dem Landesherren und wird als Bodendorfer Bürger vereidigt. Vater und Sohn werden gemeinsam 1791 als senior und minor in einer Liste der Bodendorfer Einsaßen aufgeführt. Matthias Giesen senior ist in diesem Jahr Schultheiß. Sohn Matthias wird im darauffolgenden Jahr zum Bürgermeister gewählt.
Das Anschreibebuch beleuchtet mit seinen Vermerken über Kreditgaben, Zinszahlungen, Fruchtausleihen und An- und Verkäufen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen gut die wirtschaftliche Situation Bodendorfs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Landwirtschaft mit Ackerbau, Viehzucht und Wein dominieren den bäuerlich geprägten Ort.
Neben den genannten Aufzeichnungen finden sich auch andere Notizen, die für uns heute noch von Interesse sind. So macht Giesen Angaben über die Auslagen und Mitgift bei der Hochzeit seines nachgeborenen Sohnes Hu-bertus, notiert Rezepte für die Behandlung von erkranktem Vieh oder berichtet über Truppen-durchzüge. Berufe seiner Klienten werden bei Einträgen in seiner Merkkladde nur ab und an erwähnt, in einigen Fällen lassen sie sich aus dem Kontext ableiten.Hochzeit und Mitgift
Auf einer Doppelseite seines Buches (S. 109) hält Matthias Giesen senior Ausgaben und Ausstattung fest, die er anläßlich der Hochzeit für das Brautpaar macht und diesem zukommen läßt. Die undatierte Liste ist für einen Zeitpunkt nach 1772 anzusetzen. Dies läßt sich aus der Aufnahme des erstgeborenen Matthias als mündigem Bürger von Bodendorf ableiten. Specivication wegen meineß Sohneß Hubertus waß Ehr ahn gelt empfangen.Erstlich vor Bürgergelt 12 rthl und 1 ducat noch verner von castenhoitz dass setzhoitz zahlt Thut 7 rthl 52 alb zu andernach zahlt 2 rthl wegen deß schanckß noch geben Ihnen zwey carlinen und 2 cronstück Summa 43 rthl 60 alb 4 fl / waß gerriden michbel ahn geht.Erstlich ein fetternbeth mit buhl und zwey Kü-sen, mit einer kudanien Theckh 5 bahr wircken und ein Bahr newen flasen Lacken, 4 newen Köstzirgen, 3 Tüschdücher 1 Tage, 1 gebildet 2 zer fettern, 4 handdaüger, ein halb dotzertzinn Delleren, 2 Zinnschüselen, 12 Zinn loffelen, 2 Kupfern Keselen. Noch verner ein Eisern Dopen 1 Eysern Keselgen, einen Eysern lüchter 1 Baüchtuch, 1 newen Tisch mit einer newen Banckh, einen grosenlenenstuhl 1 weisen Korp, 1 schrenpf eg, 1 Bandmesser mit einem Bestückh 1 reudhacke und sonsten Kleinzeug, 1 Kist und einen newen Eymer. 1 stein flachs. 1 Koh mit einem hnd im Dreyden Jahr den Trawringh Kost 8 rthl, 2 maider Korn, 1 maider gerst, 1 sester Erbsen ein New schwatz Kleid von Haupt biß zu den Füsen, ein Vracken, ahn Traugelt, 1 Carlein, 1 ducat 2 cronen dhl auf’der Hochzeit zahlt ahn fleisch 4 cronen den Spielleuten 2 cronen dhl der Kochenß 5 copstück, 2 Schlucken 2 Brust keren. Hier 1 cronen dhl dem Herrn Pastor, wie auch zu Breysig einen cronen dhl.
Die Aufzählung verzeichnet die unmittelbaren Ausgaben, die Ausstattung für das junge Paar und die Kosten der Hochzeitsfeier. Die unmittelbaren Ausgaben sind hier die Zahlung des Bürgergeldes und des Schanks. Beides wird offensichtlich in Andernach geleistet, wo Hubertus einheiratet. Schank ist dabei der trockene oder nasse Weinkauf. Dies ist eine Art Gebühr, die früher bei Abschluß eines Rechtsgeschäftes, Kaufs oder Ähnlichem gebräuchlich war. Der nasse Weinkauf wird unmittelbar nach Abschluß eines Vertrages getätigt, wobei Wein aus dem Keller des siegelnden Landesherrn oder der Stadt getrunken wird. Beim trockenen Weinkauf dagegen wird der Wein nicht konsumiert, sondern eine entsprechende Summe als Ablöse gezahlt. In unserem Falle ist der Rechtsakt die Zahlung des Bürgergeldes für die Aufnahme des Sohnes in die Bürgerschaft des neuen Gemeinwesens.
Die Ausstattung des Brautpaares besteht aus Bettzeug und anderen Wirkwaren, aus Gegenständen für Küche und Haus sowie aus Gerätschaften für einen bäuerlichen Betrieb. Erstlich gibt der Schwiegervater ein Federbett mit „Bühl“(?) und zwei Kissen. Hinzu kommt eine „kudanien Theckh“ (?) möglicherweise ist dies eine Decke aus Baumwollgewebe, aus Kattun, abgeleitet vom arabischen Kuttun. Fünf Rollen Wirkentuch (Werg), ein grobes Gewebe aus FlachsfürArbeitskleidung, 1 Rolle Leinen (fläch-senes Lacken), vier neue „Köstzirgen“(?). Damastleinen (Gebild) mit eingewebten Bildern von Menschen, Tieren oder Blumen vervollständigen die Brautgabe. Dazu kommen noch drei Tischtücher, eine „Täge“(?), zwei ,,zer“(?) -Federn und vier Handtücher. Ungeklärt bleibt die Bedeutung von Bühl, Köstzirgen, Tage und zer-Federn, mit Sicherheit aber auch Stoffwaren.
Für die Küche schenkt Matthias Giesen Zinnteller, -schusseln und Töpfe aus Kupfer und Eisen sowie ein eiserner Leuchter und ein Bauchtuch. Dies ist möglicherweise eine Schürze. An Möbeln erhält das Brautpaar einen Tisch, eine Bank und einen Lehnstuhl. Ein weißer Korb aus geschälten Weiden, eine „Schrenpf leg“(?), ein Bandmesser mit „Bestücke?), eine Rodehacke und anderes Kleinzeug gehören dazu. Eine Kiste und ein Eimer ergänzen die Mitgift.
Eine Kuh mit einem dreijährigen Rind und Saatgut von Roggen, Gerste und Erbsen sowie ein Stein Flachs vervollständigen die Hochzeitsgaben. Stein ist ein damals gebräuchliches Flachsgewicht von fünf Pfund. Eine wertvolle Schenkung des Vaters sind die Setzreben aus Kastenholz in der Nähe von Flamersheim. Dieser Ort wie auch andere in der Rheinbacher Gegend sind in jener Zeit im ganzen Rheinland für die Anzucht guter Rebsetzlinge bekannt. Matthias Giesen notiert 1774 an anderer Stelle „auf dem Jang (Gang, Weg) nach Castenhoitz noch 2 brodt daß brodt 11 stbr“ gekauft. Vermutlich fand in jenem Jahr der Kauf der Reben und die Hochzeit statt.
Seiner Schwiegertochter GeridMichbel läßt Matthias Giesen ein langes schwarzes Kleid schneidern, dem Bräutigam einen Frack. Er kauft den oder die Trauringe und bezahlt das Traugeld wie auch den Herrn Pastor. Für die Hochzeitsfeier kauft Giesen – neben den Produkten aus der eigenen Hofhaltung – zusätzlich für vier Kronentaler Fleisch und entlohnt die Spielleute, die bei dem Fest zum Tanze aufspielen. Die Köchin des Festmahls erhält neben Barem zwei Schinken und Fleisch von der Rinderbrust.
Alle in der Spezifikation genannten Münzen -Dukaten, Karolinen, Kopfstücke, Kronentaler, Reichtstaler-sind Goldmünzen mit unterschiedlich hohem Wert. Der Albus ist ein Silbergroschen, von denen 80 Albus kölnisch auf einen Reichstaler gehen.Rezepte
Vor einem kranken vie | Für krankes Vieh |
Vor 2 alb Boluß | Für 2 Albus Tonerde |
Vor 1 alb Roßschorbel | Für 1 Albus Roßkümmel |
Vor 1 alb roder Bartonigen | Für 1 Albus roten . . ? . . |
Vor 2 alb virnemcretum | Für 2 Albus . . ? . . |
Vor 1 alb Lorbelen Körner | Für 1 Albus Lorberbeeren |
durcheinandergestoßen und in ein kleine Baum muß direkt eingeben | in einem hölzernen Mörser zerstoßen und direkt eingeben |
oder | oder |
Boli armeni – 2 alb | Armenische Tonerde |
Suiphuris cyni – 1 alb | 2 Albus Schwefelblüte für 1 Albus |
Beninig korner – 7 alb | . . ? . . Körner für 1 Albus |
Foenu graecum – 2 alb | Bockshornsamen für 2 Albus |
Banae laun – 1 alb | Lorberblätter für 1 Albus |
Vor krankh Vie | Für krankes Vieh |
Erstlich ein Maaß Weinessig | Erstlich ein Maß Weinessig |
und Kraglauff und | und . . ? . . und |
ein Bückhßgen Drirach | ein Büchschen Tierasche |
Vor zu kohlen ahn den äugen | Für die Augen zu kühlen |
Spitzweg Eb miit | Spitzwegerichtblätter mit. . ? . . zer- |
saviron gedrucket | drückt auf die Augen auftragen |
auff die äugen geschlagen | |
in die Augen zu blasen | in die Augen zu blasen |
Pefer und Saltz in den | Pfeffer und Satz in den Mund neh- |
Mund zu nehmen gekäut | men, kauen und einspeien |
eingespiehen | |
Aidr monim Eb Vor 3 stbr | . . ? . . Blätter für 3 Stüber |
und scheidwaser 2 stbr | und Scheidewasser (Salpetersäure) |
zu brauchen vor ein Vie | für 2 Stüber. dies nimmt man für ein |
daß einen naget Im fuß hat | Vieh das einen Nagel In den Fuß ein- |
getreten hat | |
Vor ein Mensch daß | Für einen Menschen, der Wasser hat, |
Wasser geladen hat | der nehme von einem verendeten |
der nim von einem krepierten | (Vieh) eine Rippe und brenne diese zu |
ein rip und brendt | Asche und nehme das mit Korn- |
die zu ösch und nim daß | branntwein ein so viel er trinken |
mit Korn Brandwein ein | kann je öfter, desto besser, |
so viel er drincken mag | wird gewiß helfen. |
wie öfter wie beßer | |
wird gewiß helfen |
Die Rezepte sind am Ende des Buches auf einer nichtpaginierten Seite festgehalten. Auf der Rückseite sind Pachtzahlungen an die Sinziger Kirchengemeinde quittiert. Die Zahlungen erfolgen für die Eselswiesen, heute (Am Schwanenteich) in der Sinziger Gemarkung. Sie datieren aus den Jahren 1773 – 1779 und werden von verschiedenen Kirchenmeistern bestätigt. Auf der vorstehenden Seite sind Geldleihen zwischen 1759 – 1773 vermerkt. Die Niederschrift der Rezepte ist daher gleichfalls für diese Zeitspanne anzunehmen.
Schriftprobe aus dem Anschreibebuch des Matthias Giesen
Die Rezepte sind sowohl Teil der Volksmedien als auch der Schulmedizin. Die Verordnungen mit lateinischen Fachausdrücken und Preisangaben in Albus und Stüber sind letzterer zuzuordnen. Hier hat Matthias Giesen offensichtlich Verschreibungen eines Tierarztes oder Apothekers aufgeschrieben. Zur Volksmedizin zählen die Rezepte, die Tierasche, Pfeffer und Salz sowie Essig und Branntwein verwenden.
Alle Rezepte sind in der Reihenfolge ihrer Niederschrift wiedergegeben. Einige Substanzen konnten auch von Apothekern nicht bestimmt werden. Angaben zu Risiken und Nebenwirkungen werden daher nicht übernommen.Soldaten
Im ganzen 18. Jahrhundert wird die Bevölkerung der Rheinlande durch Truppendurchzüge und Einquartierungen drangsaliert. Vor allem Verpflegungs- und Fourrageforderungen der
aufgezwungenen Gäste sind eine schwere und oft nicht leicht zu erfüllende Last. Grund für die Truppenbewegungen sind die zahlreichen Kriege in diesem Jahrhundert wie z. B. die verschiedenen Erbfolgekriege oder die schlesischen Kriege Friedrich des Großen. Immer sind die großen europäischen Nationen Frankreich, Österreich, England, Rußland und Preußen, aber auch kleine wie Sachsen beteiligt, die Truppen zur Unterstützung wechselnder Koalitionen hin- und herschicken. Das ganze Rheintal und die dort verlaufenden überregionalen Straßen sind dabei Hauptachsen dieser Bewegungen. Im Landeshauptarchiv Koblenz gibt es dazu eine umfangreiche Akte über „Truppen-durchzüge durch Landskroner Gebiet (1705 -1792)“, die noch auszuwerten ist.
In unserem Anschreibebuch werden Soldaten und Truppendurchzüge für das 6. und 7. Jahrzehnt des 18. Jahrhundert erwähnt. Sie spiegeln Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges (3. schles. Krieg, 1756 -1763) wider. In diesem Zeitraum werden Heu- und Haferlieferungen, aber auch andere Dienstleistungen festgehalten. Er vermerkt:1757: den 8. Augusty haben ich mit meinem nachbahren Soldaten von Bon biß Andernach unten (geführt)1758: Heuth dato den 16 Märtz haben ich und Hubertus Welsch die Kayserlichen ver-föhrt biß ahn den weisen dorn (Sinziger Flur beidseits der Ahrmündung) den 26 9br (September) nach breysig geschickt worden bey den Ritter Sindius wegen Soldaten (im Auftrag der Gemeinde)1759: 16 ratzionen Hew gefiebert1763: den 22 (January) für die Soldaten ein Maaß Wein 12 alb
Im Jahre 1767 schließlich stellt er 2 Reichstaler in Rechnung „wegen der Furth (Fahrt) der Soldaten“. Zuvor notiert er „noch den 20 Apryl (1767) an desen Vendrich (Fähnrich) pferd an hew und haber geben thut zusamen 40 alb«.Berufe
Berufe werden bei den Notierungen im Anschreibebuch selten genannt. Bei Reparaturen an Wohnhäusern und der Zehntscheune werden Handwerker aufgeführt, nicht jedoch ihre Namen. Vermerkt werden Materialkosten und gezahlte Löhne.
Es werden erwähnt:
– Zimmermann
1763: Außgaab wegen meines Haus zu dekken. Erstlich zwey hundert bordt (Bretter) 28 rthl. Zwey dannen bäumen 12 rthl noch ver-nerahn holtz 6 rthl dem Zimmer Meister 6 rthl ahn negel 11 rthl an leyen (Dachschiefer) 44 rthl noch verner ein Viertel bord 3 1/2 rthl dem Meister zum lohn 11 1/2 rthl.
– Dachdecker
1767: Erstlich haben die Zehnschäur flicken lassen kostet zu decken ahn stroh 38 bauschen die bausch 4 alb thut dem closter 19 blaffert ahn lohn zu ihrem theil 52 alb, zu oben 24 alb
1774: Außgaab wegen des Closter Engelen Thai den 3 Mertz 1774 ahn der Zehn Scha-wer die Banen wieder auff henken laßen welche durch den Wind abgejagt seind dem Meister zum Lohn 3 Kopstück geben.
– Schreiner und Schmied
1760: Heuth dato den 16 Augusty habe ich den Schreiner und Schmit zahlt wegen der Zehn schewer 2 gl zur halbheit des closters Engelen thal.
– Maurer
1766: Heuth dato den 30 9br (September) 1766 habe ich mit meinem Nachbar Matthias Koch gerechnet ….den 13 Juny ihm den meurer veranodiert vor 9 rthl…. noch die bordt zait mit 4 gl… die sigelstein zahlt mit 2 rthl 20 alb
Mit Namen und Beruf aufgeführt werden
– den 2. May 1787 Johann Höll Schomacher 13 rogenschanzen gedahn kosten 52 alb
– Beym Bawmeister Noiden ahn genohmen 16 rthl 45 alb 4 fl im Beiyseinß seiner selbnst (Anno 1771, den 29 January)
– Anton antwerben Bondorfer Müller (1775);
Anno 1761 den 9 January haben ich anton anwerben unserem Müller zwey pistohlen ahn golt wie auch zwey ducaten ahn golt welche sich belaufen 18 rthl 65 alb 4 fl drauff ein ducat gleich empfangen.
– auff das jähr 67..von unserem Müller Engel-berth an roder wirtz empfangen 1 ohm 3 viertel ist verrechnet (Engelbert Untersee war der Nachfolger des 1765 verstorbenen Anton Antwerpen).
– Hendrichuß Kran von Sintzig (1758) dem Zimmermann geben auf den acord in Bey-seinß seiner Frawen 20 rthl curandt noch verner den 9 März 59 dem Zimmermann geben 5 cronen dhl.
Handwerker, deren Beruf sich aus ihren Werkstücken erkennen lassen, sind
– Böttcher
1757: Bezahlt von Johanneß Unkelbach wegen deß Faß empfangen haltet 4 ohmen 5 Viertel
– Schreiner
1772: den 29 Januray dem Meister Hendrichuß Effelsberg die Totenlath mit 30 gl