Die Osterspey aus Antweiler an der Ahr – Bilderschnitzer – Maler – Tüftler

Die Osterspey, auch Osterspai und Osterspei, sind eine Familie, die fast dreihundert Jahre in Antweiler an der Ahr sess­haft gewesen ist. Zahlreiche Angehörige der Familie aber verließen auch zu den verschiedensten Zeiten ihre Geburtsheimat an der Ahr, um andernorts, zielgerichtet oder zufällig, ihren Lebensunterhalt zu gewinnen. Ein Vorfahre dieser Osterspey muss irgendwann, wahrscheinlich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, den Ort Osterspai im heutigen Rhein-Lahn-Kreis, am rechten Rheinufer in der Rheinschleife gegenüber Boppard, verlassen haben. Und weil er von dort kam, erhielt er an dem Ort seiner Niederlassung als unterscheidenden Namen den seines Herkunftsortes. Der wurde dann erblich. Ob sich der Urahn der Osterspey sogleich nach Antweiler wandte, oder irgendwo auf dem Weg dahin Station machte, ist nicht bekannt. Ebenso ist nicht überliefert, welche Umstände jenen ersten Namensträger dorthin führten und ihn dort zur Niederlassung bewogen.

Heinrich Georg

Als erster Osterspey ist in Antweiler ein Heinrich Georg feststellbar; er soll dort 1713 im Alter von 81 Jahren gestorben sein1). Gesichert ist auch nicht, ob er 1632 in Antweiler zur Welt kam. Möglich ist es daher, dass er der erste Osterspey war, der in Antweiler lebte. Von seiner Ehefrau sind weder Vor- noch Familienname bekannt. Nach Heinrich Georg erscheinen in Antweiler drei weitere Namens-träger Osterspey, nämlich Georg, Eva und Rudolph. Ihre Existenz ist nicht aus Taufeinträgen in den Kirchenbüchern der Pfarrei Antweiler bekannt, denn ihre Geburt lag zeitlich vor dem Beginn der überlieferten Taufbücher. Sie erscheinen aber als Väter von Kindern, die sie taufen ließen, als Taufpaten der Geschwisterkinder und in Sterbeeinträgen.

Nach den in den Sterbeeinträgen mitgeteilten, jedoch nicht immer zutreffenden Angaben über das Sterbealter, können sie zwischen 1668 und 1672 in Antweiler geboren worden sein. Daraus lässt sich folgern, dass sie Kinder des Heinrich Georg und seiner unbekannten Ehefrau waren.

Die Künstlerfamilie

Von den Osterspey sagt P. Neu2), sie seien eine Künstlerfamilie gewesen, die nicht nur Model für Takenplatten schnitzte. Ein „Meister Georg Osterspey“ habe in den Jahren 1694 und 1697 zwei Nebenaltäre für die Kirche in Dümpelfeld hergestellt3). Das muss der vorgenannte Heinrich Georg gewesen sein, der um diese Zeit schon im vorgeschrittenen Alter stand.

Ein Rudolph Osterspey, so schreibt P. Neu weiter, werde in Quellen des Herzoglich Arembergischen Archivs in Edingen 1727 als „maler in Antweiler“, wie auch als „schreinermeister in Antweiler“ erwähnt4). Dieser Rudolph war der um 1670 geborene Sohn des Heinrich Georg, der am 27.12.1737 in Antweiler starb. Er war verheiratet mit Johanna Francisca Hild, die ihn um einige Jahre überlebte. Ein Sohn des Rudolph, Johann Theodor Osterspey, wurde am 28. September 1710 in Antweiler getauft. In arenbergischen Quellen, so schreibt P. Neu, werde er 1784 als Kunstmaler bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt sei er Schöffe des Gerichts gewesen. Doch schon in den Jahren 1740 und 1741 war dort von ihm als Maler die Rede5). Er starb am 12.9.1789 in Antweiler.

Der Hauptaltar und die Nebenaltäre in der Kirche von Schaven

P. Neu stellte fest6), aus den Werkstätten dieser „Malerfamilie“ habe sich kein „Bildnis“ überliefert, auch nenne kein Künstlerlexikon ihre Namen. Wie nun der Zufall zuweilen spielt, konnte dennoch eine Arbeit eines Angehörigen dieser Künstlerfamilie entdeckt werden, und zwar an einem Ort, wo man sie kaum erwarten konnte.

Werke

Ein erster Hinweis fand sich in einem alten Buch der Kirche in Schaven (Kreis Euskirchen)7). Es mag erstaunen, sie in einem für einen Einwohner aus Antweiler an der Ahr sehr entlegenen Dörfchen am Eifelrand zu finden. Doch kann sich eine Beziehung aus der Nähe des Dörfchens zu Kommern ergeben haben. Denn ebenso wie Antweiler war Kommern herzoglich arenbergisches Herrschaftsgebiet.

In dem erwähnten Buch notierte der damalige „pastor loci“ Joannes Engelbertus Reck recht willkürlich, wie es scheint, Ausgaben, die der Kirchenrechner leistete. Am Ende der Seite 294 heißt es: „Anno 1729 hatt Werner Fünffzig – das war der Kirchenrechner – ……zahlt wegen deß St. Rochus Bilt an Rudolph Osterspey Von antweiler an der ahr ad 3 g(u)l(den) 10 alb(us), womitten alle obige schuldigkeit ex caßa hat bezahlt“.

Die Kirche in Schaven war eine Annexkirche der Mutterkirche in Mechernich. Die Gemeinde hatte sich jedoch im Laufe der Jahrhunderte eine weitreichende Selbständigkeit erstritten. Sie zählte um 1729 etwa 14 Hausväter, die, vielleicht von einer Ausnahme abgesehen, in sehr bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten. Das wird offenkundig an dem Umstand, dass das Honorar für das „St. Rochus Bilt“ vom Kirchenrechner in mehreren Raten sozusagen abgestottert werden muss­te. Die verfügbaren Mittel der Kirchenkasse ließen eine andere Zahlungsweise wohl nicht zu. Nur so lässt sich der geringe Betrag und der Zusatz, „womitten alle obige schuldigkeit…bezahlt“, erklären.

Rochus-Statue

Bei dem „St. Rochus Bilt“ handelt es sich jedoch nicht um ein Gemälde, sondern um eine Statue. „Bild“ war im Sprachgebrauch der Zeit ein Synonym für eine plastische figürliche Darstellung.

Die Überlieferung, Rudolph Osterspey sei sowohl „maler“ als auch „schreinermeister“ gewesen8), zeigte schon an, dass ihm der Umgang mit Holz durchaus vertraut war. Er war also auch ein Bildschnitzer, dem neben der zweidimensionalen auch die dreidimensionale figurative Darstellung möglich war. Die mag ihn der Vater Heinrich Georg gelehrt haben.

Die Statue weist alle Attribute auf, die die Legende dem Pestheiligen St. Rochus zulegte. Es sind dies das Pilgergewand, der Pilgerstab, die Pestbeule am Bein und der Hund, der dem Heiligen etwas nicht deutlich Bestimmbares zuträgt.

„Rochus-Bilt“ in der Kirche in Schaven

Diese Rochus-Figur ist zweifelsfrei das im Kirchenbuch erwähnte „St. Rochus-Bilt“.

Statuen der hl. Agatha und des hl. Sebastianus

Die Schutzpatronin der Kirche in Schaven war und ist die heilige Agatha. Zweiter Patron der Kirche ist heute St. Sebastian. Er nahm ausgangs des 17. oder seit Beginn des 18. Jahrhundertes allmählich die Stelle ein, die der hl. Rochus bis dahin und seit langem innehatte. Ihm war, wie der Hauptpatronin, eine Glocke geweiht, die 1743 zerbrach.

Die Gründe für den Patrozinienwechsel sind unbekannt. Heute stehen Statuen der hl. Agatha und des hl. Sebastianus in den beiden Nebenaltären der Kirche in Schaven.

Betrachtet man die Gesichter, so zeigen die drei Figuren starke Ähnlichkeiten. Doch erheblich deutlichere Übereinstimmungen zeigen die Hände der Rochus- und der Agatha-Figur; sie sind an beiden etwas unbeholfen gestaltet. Diese Details, so will es scheinen, deuten auf ein und den selben Urheber hin.

Die Sebastianus-Figur zeigt nur den Daumen und Zeigefinger der rechten herunterhängenden Hand. Sie erlaubt keinen Vergleich mit der Gestaltung der Finger an den greifenden Händen der beiden anderen Figuren. Doch die Beinproportionen der beiden männlichen Figuren gleichen sich sehr.

Die sichtbar werdenden Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen lassen vermuten, dass die Agatha-Figur mit ziemlicher Sicherheit und die Sebastianus-Figur wahrscheinlich ebenfalls von Rudolph Osterspey geschaffen worden sind. Ein schriftlicher Beleg darüber hat sich bisher nicht gefundnen.

„Eifeler Bauern-Barock“ nannten Kunstverständige das Ensemble in der Kirche in Schaven. Die „Kunstdenkmäler der Kreise Euskirchen und Rheinbach“9) hielten sie nicht der Erwähnung wert. –

Weil nun die „Hausväter“ in Schaven in der ferneren Vergangenheit mit irdischen Gütern nicht allzu reichlich versehen waren, die Pfarrei während der Franzosenzeit „unterdrückt“ und ihr Sprengel mit der der Kirche in Kommern vereinigt wurde, blieben der Kirchenausstattung Modernisierungen erspart.

Zwar mussten die Figuren vorübergehend „Korrekturen“ hinnehmen, weil empfindsame Zelebranten an den Attributen oder der Präsentation überhaupt Anstoß nahmen. So wurde der hl. Agatha der Teller mit den prallen Brüsten aus der Hand genommen, die Sebastianus-Figur gar ausgetauscht und durch eine andere ersetzt, der ein Gewand den geschundenen Körper verhüllte.

Vererbte Talente

Ein Urenkel des Heinrich Georg Osterspery, (Johann) Joseph Osterspey, muss wahrhaft ein Tausendsassa gewesen sein. In der Einwohnerliste von Antweiler von 1783/8410) ist gesagt, er sei „uhrmacher, schreiner, drechsler, fuhrmann und bauer“. Er wurde am 10.4.1738 in Antweiler getauft. 1764 schloß er in Antweiler die erste Ehe mit Maria Catharina Keßel, die 1790 starb. Mit Catharina Hoffmann ging er 1791 eine zweite Ehe ein. Aus beiden Ehen gingen dreizehn Kinder hervor. Fünf Kinder starben im frühen Kindesalter.

Drei Söhnen des vielfach begabten Joseph Osterspey, dem jüngsten aus der ersten und den beiden jüngsten aus der zweiten Ehe, wurde die Welt in Antweiler zu klein. Es zogen Johann Joseph, 1783 geboren, Caspar, 1797 geboren, und Johann Michael, 1799 geboren, einzeln oder zugleich, das ist nicht bekannt, von Antweiler fort. Man begegnet ihnen später in Mechernich (Kreis Euskirchen), wo sie, sämtlich Schreiner von Beruf, 1823, 1824 und 1826 die Ehe schlossen. Möglicherweise hatte der dort umgehende Bleierzbergbau sie angezogen, von dem sie sich positive Wirkungen auch für ihr Handwerk erhofften. Sie lebten bis zu ihrem Tod als Schreiner in Mechernich. Ob sie eine gemeinsame Werkstätte betrieben, oder jeder für sich selbständig tätig war, ist unbekannt. Mit herausragenden Arbeiten traten sie nicht hervor.

St. Sebastian-Statue in der Kirche von Schaven

St. Sebastian-Statue in der Kirche von Schaven

Sie alle hatte mehrere Kinder. Die Söhne ergriffen teilweise den Beruf der Väter.

Dem jüngsten der aus Antweiler abgewanderten Brüder, Johann Michael, der seit 182611) mit Anna Gertrud Dahmen aus Mechernich verheiratet war, wurde am 5. April 183412) ein Sohn Johann Peter geboren, der Peter gerufen wurde. Dieser erbte, wie sich später zeigen sollte, die vielseitge technische Begabung seines Großvaters. Er erlernte bei seinem Vater das Schreinerhandwerk. Als er 1864 mit Christina Vitt in Mechernich die Ehe schloss13), ließ er, nicht ohne Stolz, als einen Beruf „Schreinermeister“ in die Heiratsurkunde eintragen. Dennoch blieb er als selbständiger Handwerksmeister nicht lange tätig.

Technische Begabung

Am 1. Juli 1861 war der von den Gebrüdern Kreuser gegründete Mechernicher Bergwerks-Actien-Verein nach landesherrlicher Genehmigung ins Leben getreten. Der setzte den schon seit Römerzeiten umgehenden Bleierzbergbau am Mechernicher Bleiberg nach einer Zeit der Stagnation im großindustriellen Rahmen fort. Peter Osterspey muß sich dem damaligen Generaldirektor des Bergwerkvereins, Hupertz, durch seine besondere technische14) Begabung und Fertigkeit empfohlen haben. Denn schon vom Jahre 1866 an erscheint er als „Werkmeister“ im Dienste dieses Unternehmens.

In den folgenden Jahren muss er sich für das Bergwerksunternehmen förmlich verzehrt haben, denn er starb bereits im Alter von 50 Jahren am 8.12.188415).

Die bedeutendste seiner Erfindungen war der „Osterspey’sche“ Strömungsapparat“, eine Heberwäsche zur Separation der Bleierze, die „wahrhaft Epoche machend“16) war.

Namenstragende Nachfahren des Heinrich Georg Osterspey wohnen nicht mehr in Antweiler an der Ahr, jedoch in dessen Umkreis, in Mechernich und Umgebung sowie in zahlreichen Orten im Rheinland und anderswo.

Anmerkungen:

  1. Nach dem Familienbuch Antweiler/Ahr Nr. 1 im Bistumsarchiv Trier; daraus alle Lebensdaten entnommen, soweit sie Personen aus Antweiler/Ahr betreffen
  2. P. Neu, Die Arenberger und das Arenberger Land, Bd. 3, Koblenz 1995, S. 137
  3. Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler, S. 239
  4. wie vor, Anm. 2
  5. wie vor, Anm. 2 und S. 593
  6. wie vor, Anm. 2
  7. Pfarrarchiv Kommern, Fach VIII, V, Lit. S
  8. wie vor, Anm. 2
  9. P. Clemen, Düsseldorf 1900, S. 63 f
  10. wir vor, Anm. 2
  11. Heiratsurkunde Standesamt (StA) Vussem Nr. 13/1826
  12. Geburtsurkunde StA. Vussem Nr. 23/1834
  13. Heiratsurkunde StA. Vussem Nr. 10/1864
  14. In der Geburtsurkunde einer Tochter, StA. Vussem Nr. 133/1866
  15. Sterbeurkunde StA. Vussem, Nr. 182/1884
  16. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preußischen Staate, Bd. 24 (1876), S. 178