Vor 100 Jahren begann Peter Weber aus Wershofen als Dorffotograf
Fotos aus vergangener Zeit sind heute sehr gefragt. Bilder von damals, als sich das Leben noch ganz anders abspielte als heute, sind interessant und aufschlussreich. Für die Menschen aus seinem Heimatort Wershofen und den Dörfern der Umgebung gab es durch ihn, den Dorffotografen, bereits vor hundert Jahren günstige Gelegenheiten, sich selbst, Feste und Feiern oder auch die heimische Landschaft im Bild festhalten zu lassen. Ein Bilderbogen in diesem Beitrag zeigt einige Beispiele aus dem Werk des Dorffotografen.
Aus der Familie des Fotografen
Peter Weber kam am 29. Oktober 1878 als ers-tes Kind von Hermann Josef Weber und Gertrud geborene Jaklen zur Welt. Es ist nicht bekannt, was Peter Weber, den Briefträger und Geschäftsmann, dazu bewogen hatte, sich der Fotografie zuzuwenden. Das war nach dem Tode seines im Jahre 1902 im Alter von 53 Jahren früh verstorbenen Vaters. Der war Nagelschmiedemeister, stammte aus Antweiler und beschäftigte zeitweise in Nohn Gesellen und Lehrlinge. In Wershofen, dem Heimatort seiner Frau, hatte er ein Haus gekauft und daran eine Nagelschmiede angebaut. Nach und nach hatte er dann einen Krämerladen betrieben, eine Glaserei mit Bilder- und Brautkranzeinrah-mung eingeführt und die Postagentur übernommen. Die Postkutsche diente auch dazu, Personen zum Arzt nach Adenau oder Münstereifel zu fahren, nach Dümpelfeld zum Bahnhof, später nach Fuchshofen oder in andere Orte, die angestrebt wurden. Da gab es viel zu tun und jeder in der Familie musste mit anpacken, obwohl immer Dienstpersonal und Hilfskräfte zu Verfügung standen. In seiner Jugend half er im elterlichen Betrieb. Ob bereits vor dem Tode seines Vaters die Einführung der Fotografie geplant war, ist nicht bekannt. Aus seiner fotografischen Hinterlassenschaft, es sind neben Kameras und Zubehör auch zweitausend-dreihundert Glasnegative, ist ersichtlich, dass die ersten Aufnahmen aus dem Jahre 1902 stammen. Dabei handelt es sich um Aufnahmen von Kommunionkindern.
Der fotografische Nachlass
Den fotografischen Nachlass meines Vaters erhielt ich von meinem Bruder Johann und meiner Schwägerin Margot. Dafür bin ich dankbar, weil es darum geht, diesen familiären Schatz zu erhalten und für die heutige und spätere Zeit auszuwerten. Wichtig ist eine Einrichtung zu finden, welche in der Lage ist, die Verwertbarkeit der Glasnegative für die Zukunft zu sichern, wozu ich selbst nicht in der Lage bin. Die Brom-Silberschichten sind heute bereits bei mehreren Glasplatten angegriffen. Abzüge sind von allen Negativen vorhanden, auf Karteikarten geklebt und nummeriert. Mein Sohn Peter hat ein Programm für den PC erstellt, so dass nach Eingabe eines Suchwortes schnellstens der Text zu dem Gewünschten zu lesen ist. Das erleichtert die Arbeit sehr.
Arbeitsweise des Dorffotografen
Weil Peter Weber nach dem Tode seines Vaters die Führung der vielseitigen Geschäfte leitend übernehmen musste, er war der Älteste von fünf Geschwistern und als Landbriefträger beschäftigt, konnte er der Fotografie nicht die Zeit widmen, die notwendig gewesen wäre, um daraus einen Beruf zu machen oder sich mit Aufnahmen aus dem Alltagsleben der Dorfbevölkerung intensiver zu beschäftigen. Bilder von damals wären heute eine Fundgrube für die Lebens- und Arbeitsweise aus vergangener Zeit. Er musste sich stattdessen darauf beschränken, an Sonn- und Feiertagen, bei
Festen und Feiern und nur gelegentlich nach Vereinbarung zu fotografieren. In einzelnen Fällen nahm er auch seine Fotoausrüstung mit, wenn er mit der Post auf Tour ging.
Neben seinen beruflichen und geschäftlichen Aktivitäten war er Akkordeonspieler im „Elite Orchester“ in Wershofen und seit 1904 Mitglied des Aufsichtsrates des Spar- und Darlehnskassenvereins in Antweiler. Am 30. Juni 1920 heiratete er Anna Hollender. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.
Anlässe, Orte und Umfang der Fotos
Ein besonderer Anlass, um sich fotografieren zu lassen war der Weiße Sonntag. Zweihundertfünfundfünfzig Aufnahmen von Kommunionkindern belegen das. Diese Bilder gaben mir die Möglichkeit, in der „Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde“ in den Jahren 1984 und 1985/86 über „Zum Wandel der Kommunionkinderkleidung“ und in „Von Kleidern und Menschen“ über „Kommunionkleidung in der Ahreifel“ (1999) zu berichten, was auch in Kalendern und Zeitschriften geschah. Viele Brautpaare (72) und Dorfhochzeiten (15) wurden von ihm im Bild festgehalten. An Schulfotos, Fotos von Kursmitgliedern, Lehrerinnen, Lehrern und dem Umfeld liegen 34 Aufnahmen vor und 60 Aufnahmen von amerikanischen Soldaten, die nach dem Ersten Weltkrieg in Laufenbach stationiert waren. Daneben fotografierte der Wershofener Dorffotograf auch in Adenau (6), Ahrdorf (13), Ahrtal (6), Ahrweiler (2), Antweiler (39), Aremberg (100), Berresheim (4), Blindert (1), Bröhlingen (13), Dümpelfeld (15), Eichenbach (30), Falkenberg (10), Freilingen (2), Fronhofen (11), Fuchshofen (48), Gierscheid (9), Hilterscheid (1), Hönningen (6), Hümmel (71), Insul (2), Kesseling (4), Laufenbach (66), Lommersdorf (18), Marthel (10), Mühlheim (2), Müsch (10), Mutscheid (1), Niederbaar (1), Ohlenhard (124), Pitscheid (40), Reetz (1), Reifferscheid (7), Sasserath (2), Schönau (2), Schuld (5), Stahlhütte (1), Weilerswist (2), Wirft (2) und Wershofen (1634). Die Anzahl der Aufnahmen sind in Klammern angegeben. Andere Aufnahmen entstanden als Porträtaufnahmen für Passbilder oder als Gruppenfotos mit Freunden und Bekannten. In vielen Fällen ließen sich zwei Personen auf eine Platte bannen, um Kosten zu sparen. Man teilte das Bild und hatte zwei Passbilder. Wie aus Befragungen hervorgeht, galten die Fotos, die der Dorffotograf anfertigte, als preiswert. Manche längst vergangene Einzelheiten aus dem Dorfbild von früher sind auf den Bildern zu sehen. Darunter sind Pfarrkirchen (14), Kapellen (3), Pfarrhäuser (23), Schulen (25) und Gastwirtschaften (14). Die gleichen Objekte wurden zu verschiedenen Zeiten und mehrmals fotografiert. Manchen Festzug und manche Feierlichkeit, zum Beispiel wenn der Bischof kam, hat er abgelichtet. Wenn man die Aufnahmen von Familien zusammenstellt, kommt man auf insgesamt 169 Fotos, die sich folgendermaßen aufteilen: Wershofen 93; Aremberg 10; Pitscheid 9; Antweiler 6; Ohlenhard 5; Fronhofen 4; Fuchshofen 4; Hümmel 4; Lommersdorf 4; Eichenbach 3; Laufenbach 3; Berresheim 2; Bröhlingen 2; Gierscheid 2; Kesseling 2; Marthel 2; Reifferscheid 2; Blindert 1; Dümpelfeld 1; Falkenberg 1; Niederbaar 1; Stahlhütte 1; Wirft 1. Sechs Fotos sind ohne Ortsangabe. Was wäre die Geschichte mancher Vereine, ohne die Fotos von damals, als man öffentlich auftrat oder ein Fest gab? So sind festgehalten Festzüge oder Veranstaltungen des Kriegervereins (die Fahnenweihe 1910), des Junggesellenvereins, des Tambourklubs, des Kirchenchors, des Musikorchesters, des Gesangvereins oder auch der Blick in den Tanzsaal. Einzelne Aufnahmen von Einwohnern auf der Dorfstraße oder Menschen im Alltag und hunderte Porträtfotos liegen vor. Leider hat, wie schon erwähnt, die Zeit dazu gefehlt, gezielt manchen Lebensgewohnheiten und Verhältnissen von damals nachzugehen, wie es z.B. Frau Pfefferkorn getan hat. Dagegen wurden viele Aufnahmen von Postkutschen in Laufenbach gemacht, dem Umschlagplatz für Postsendungen. Die Kutschen brachten Post und nahmen Postsendungen mit, beförderten aber auch Personen. Ein besonderer Blickfang für Fotos waren die Verwüstungen, die das Hochwasser im Jahre 1910 in Laufenbach und Fuchshofen anrichtete. Im Jahre 1982 begann eine offiziell genehmigte Ausstellung von Fotos aus dem Nachlass des Dorffotografen im Schalterraum der Poststelle Wershofen, die sehr großen Anklang fand. Viele junge Dorfbewohner kannten die Bilder von ihren Eltern oder Vorfahren bis dahin nicht.
Der Dorffotograf Peter Weber (1878-1969)
Besondere Begebenheiten beim Fotografieren
Gar manche Geschichte rankt sich um einzelne Aufnahmen des Postlers. Da man früher das Fotografiertwerden mit „abholen“ bezeichnete, kam es zu folgender Verwechslung. Der Fotograf war in Wershofen zu einer Familie bestellt und die beiden Töchter wurden herausgeputzt. Man sagte ihnen, sie würden „abgeholt“, womit fotografiert gemeint war. Als es nun so weit war, blieb eine der beiden Töchter verschwunden. Da sie nicht aufzufinden war, wurde die Aufnahme ohne sie gemacht. Als sie später wieder auftauchte, sagte sie, dass sie nicht „abgeholt“ werden wollte. Damit war der Grund für ihr Verschwinden gegeben, sie hatte das Abholen allzu wörtlich genommen und sich versteckt.
Die Ohlenharder Jungen und Mädchen hatten den Fotografen für eine Gruppenaufnahme bestellt. Nach seinem Eintreffen einigte man sich auf einen Fachwerkgiebel als Kulisse für die Aufnahme. Nach der Wahl begann dann vor dem Giebel die „Aufstellung“ der Gruppe, die einige Zeit in Anspruch nahm. Der Fotograf legte schließlich sein schwarzes Tuch über den Kopf und schaute durch die Mattscheibe, um zu kontrollieren, ob auch alle auf die Platte kamen. Dabei sah er die Gruppe kopfstehend. Dann schloss er die Optik, schob eine Kassette ein und öffnete sie. Nun nahm er den Auslöser in die Hand und gab das Kommando „Bitte, recht freundlich!“ Alle schauten zur Kamera und erwarteten das „Vögelchen“. Der Fotograf kam jedoch nicht mehr dazu den Auslöser zu betätigen, denn ein Knall hatte die Stille durchbrochen und der kam ganz eindeutig aus der Gruppe. Da gab es kein Halten mehr. Alle lachten aus vollem Halse. Nur der Fotograf nicht, der konnte unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Schließlich fand das Gelächter doch ein Ende, aber an das Fotografieren hatte keiner mehr gedacht. Man vergnügte sich anschließend im Wirtshaus Müller bei Bier und Wein. Natürlich gab es auch noch andere Gelegenheiten, die ein Foto verhinderten, zum Beispiel wenn das Wetter nicht mitspielte, weil es regnete oder früh dunkel wurde.
Familie Hermann Josef Weber, Wershofen, vor 1900
Geschäft und Postagentur Weber in Wershofen, 1908
Zweitkommunikantinnen in Wershofen, 1911
Schließlich wurde in den dreißiger Jahren dem Dorffotografen seine Tätigkeit untersagt. Das ist schade, denn er hatte sonst noch so manches Ereignis aus jener Zeit auf die Platte bannen können, an dem wir uns heute orientieren oder erfreuen könnten. Es liegen nur einige Aufnahmen von der Einweihung des Kriegerehrenmals in Wershofen und geschmückte Erntewagen aus Anlass des Erntedankfestes in den dreißiger Jahren aus Hümmel vor. Seinen Postkollegen Johann Holzem führte er zwischenzeitlich in die Geheimnisse des Fotografierens ein. Ich durfte als Kind manchmal in der Dunkelkammer zuschauen. Heute fungiert der Sohn des Berufskollegen meines Vaters, Michael Holzem, als Dorffotograf in Wershofen, wodurch die Tradition eines Dorffotografen im Eifeldorf fortgesetzt wird. Auch er schöpft heute aus dem fotografischen Nachlass seines Vaters, der ebenfalls Vieles aus der Vergangenheit, im Bild festgehalten hat.
Drei Postwagen am Laufenbacherhof, 1907
Pause bei der Getreideernte in Laufenbach, 1910
Kapellenweihe in Ohlenhard, 1912
Soldaten im Ersten Weltkrieg in WershofenSchulklasse in Wershofen, 1910