„Goethe“ vor Oberwinter versenkt – Die Salondampfer der KD im Zweiten Weltkrieg und ihr trauriges Schicksal am Mittelrhein

Kriegssituation

Als im Jahre 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, stellte sich für die „Köln-Düsseldorfer Rheindampfschifffahrt“ dieselbe Existenzfrage wie bereits im Ersten Weltkrieg: Wie soll man Einheimischen und Fremden, die auf dem Rhein Erholung und Entspannung suchen, den Strom mit seiner Landschaft, den Bergen, Burgen und Städten näherbringen, wenn der Krieg das Leben auf einen Minimalbedarf reduziert?

Zunächst kam es nicht zu der befürchteten Einstellung der Fahrgastschifffahrt auf dem Rhein. Staatlicherseits wurde der Rheinreiseverkehr noch zugelassen, was jedoch unter den Vorzeichen des Krieges zu schwierigsten Bedingungen er­folgte. Letztendlich stellte die wirtschaftliche Notwendigkeit, gesunkene Fahrgastzahlen durch vermehrten Gütertransport auszugleichen, die Kriegswichtigkeit der Rheinflotte in den Vordergrund.

Gleich nach Kriegsbeginn wurden die drei Motorschiffe der KD, „A. L. Schlageter“, „Gutenberg“ und „Beethoven“ wegen allgemeiner Treibstoffknappheit stillgelegt. Von 22 Dampfern hielt man von 1940 bis 1943 bis zu zehn Schiffe für den Güter- und Personentransport in Fahrt. Sie standen auch zur Durchführung von Sonderfahrten für Evakuierungsmaßnahmen und den Kriegsgefangenentransport zur Verfügung. Mit der Zunahme alliierter Bombenangriffe erwiesen sich viele Dampfer als bewegliche Verpflegungs-, Büro- und Lagerräume ganz nützlich und wurden ab 1943 an Firmen wie Krupp, die I. G. Farben, die Union Kraftstoff oder die Eisenbahndirektion Köln vermietet. Die Deutsche Arbeitsfront bediente sich des Motorschiffs „Gutenberg“ als Verpflegungsschiff und ließ es für den Katastrophenfall mit 15 großen Kochkesseln ausstatten. Die Dampfer „Vaterland“ und „Stahleck“ wurden später für den Dienst als Lazarettschiffe beschlagnahmt, und eine militärisch Stelle erwog sogar, den Dampfer „Ernst-Moritz Arndt“ und das Motorschiff „A. L. Schlageter“ als Flakboote zweckzuentfremden.

Im Zuge all dieser Maßnahmen erhielten die Schiffe ab 1941 einen blaugrauen Tarnanstrich. „Die weißen Schwäne des Rheins sind zu hässlichen Entlein geworden“, bemerkte manch empfindsamer Zeitgenosse, wohlwissend, welcher Kraftanstrengungen es bedurfte, selbst die „hässlichen Entlein“ am Schwimmen zu halten. Betriebsnotwendige Materialien wie Kohle, Eisen, Holz bis hin zu Glühbirnen und Putzlappen waren knapp. Immer mehr Personal wurde zum Militärdienst einberufen, auch die Versorgung der Fahrgäste auf den Schiffen wurde wegen der Lebensmittelzwangswirtschaft knapp. Vorbei waren die Zeiten, als man für 2,50 RM ein Fleischgericht mit Kartoffeln und Beilage erhielt.

Das Fahrgastaufkommen in jenen Jahren war unterschiedlich und richtete sich nach der jeweiligen Kriegslage. Wäh­rend 1940 bei der Westoffensive der Wehrmacht der Personenverkehr vorübergehend ganz zum Erliegen kam, weil feindliche Flugzeuge den Rhein vermint hatten, so konnte es vorkommen, dass nach langen Verdunklungsphasen oder gar nach Bombennächten eine große Zahl von Fahrgästen die Schiffe bevölkerte.

Am 29. Juli 1942 erfolgte aber wie befürchtet erstmalig ein Fliegerangriff auf ein voll besetztes Fahrgastschiff. Oberhalb von Koblenz wurde der Dampfer „Goethe“ beschädigt, 21 der 600 Passagiere wurden verletzt. Trotzdem ging die Fahrgastschifffahrt weiter, bis sich am 28. Mai 1944 die Situation für das Rhein-Ahr-Gebiet schlagartig änderte.

Angriff auf den Dampfer „Ostmark“

Es war am Pfingstsonntag. Der zu Tal fahrende Dampfer „Ostmark“ hatte am Steiger in Niederbreisig abgelegt und nahm Kurs auf die nächste Haltestelle in Linz. Während dieser Zeit hatten drei amerikanische Jagdbomber vom Typ P-38, auch „Lightnings“ genannt, einen Bomberverband über Köln-Deutz verlassen, den sie bis dahin begleitet hatten, um weitere Angriffe in sog. „freier Jagd“ auf Ziele nach eigener Wahl im Mittelrheingebiet durchzuführen. Sie kamen bis Brohl, wo sie mit ihren Bordwaffen einige Garben auf den dortigen Bahnhof abgaben, dann aber wieder nach Norden abdrehten. Im weiteren Verlauf schoss einer der Jäger in eine Gruppe indischer Kriegsgefangener, die sich in Dattenberg vor ihrer Baracke am Basaltsteinbruch aufhielten. Ein zweiter Pilot feuerte mitten ins Strandbad Sinzig, um dann den auf derselben Höhe auf dem Rhein fahrenden Dampfer „Ostmark“ in drei heftigen Feuerstößen mit MG und 2-cm Granaten anzugreifen. Das Schiff wurde nur leicht beschädigt, die Maschine blieb intakt. Auch der Kapitän auf dem Ruderstuhl blieb unversehrt und konnte die Fahrt fortsetzen. Unter den Fahrgästen jedoch waren 8 Tote, 14 Schwer- und 16 Leichtverletzte zu beklagen. Eine Zeitzeugin berichtete dem Verfasser später, dass sich unter den Toten eine Frau aus Tal Rheineck befunden haben soll. Da der Luftangriff von Land aus beobachtet worden war, standen an der Anlegestelle in Linz Feuerwehr und Sanitätsfahrzeuge bereit, um die Opfer und Verletzten zu übernehmen. Als das Schiff wieder ablegte, hatte keiner der Passagiere von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorzeitig von Bord zu gehen.

Nach diesem schweren Vorfall verfügte die Wasserstraßenverwaltung bis auf weiteres eine völlige Verkehrseinstellung aller Dampfer auf dem Rhein. Im August 1944 kam es überraschenderweise nochmal zu einer unerwarteten Fahrgastbelebung, bis am 8. September abermals ein Fahrgastschiff, diesmal traf es den Dampfer „Hindenburg“ auf der Höhe von Namedy, unter den Beschuss eines Jagdbombers geriet. Wieder gab es einen Toten und eine Schwerverletzte, der Personenverkehr auf dem Rhein wurde daraufhin endgültig eingestellt.

Der Salondampfer Mainz an der Anlegestelle in Remagen, 1930er Jahre

Gütertransporte

Bis Ende Januar 1945 übernahmen die Schiffe der KD nun ausschließlich noch Gütertransporte. Als Folge der Überlastung und Zerstörung der Gleisanlagen an den Rheinufern erledigten die Dampfer „Ernst Ludwig“ und „Hindenburg“ zweimal wöchentlich als Postschiffe im Auftrag der Reichspost die Strecke zwischen Köln und Mainz. Sie legten auch in Unkel, Remagen, Linz, Niederbreisig und Brohl an. Da seit Oktober 1944 die Rheinbrücken in Köln und Weißenthurm als Hindernisse im Strom lagen, konnte zuletzt nur noch die Strecke zwischen Porz und Neuwied mit einem Schiff befahren werden.

Hatte im Verlauf des Krieges der Flussabschnitt des Mittelrheins für die Köln-Düsseldorfer Personenschifffahrt bereits zunehmend an Bedeutung gewonnen, so wurde er zum Ende des Krieges hin überlebenswichtig. Schon 1941 hatte man die nicht in Fahrt befindlichen Schiffe auf die Mittelrheinhäfen an der Loreley, in Brohl und in Oberwinter verteilt. Als sich im Herbst 1944, die Luftangriffe auf Köln mehrten, beschloss man, die Verwaltung aus der zerstörten Stadt nach Schloss Arenfels oberhalb von Hönningen zu verlegen. Am 18. und 19. Oktober übernahm der Dampfer „Cecilie“ den Transport. Auch ein großer Teil des Verwaltungspersonals fand auf Arenfels eine Unterkunft, für jede Familie stand ein Zimmer zur Verfügung. Da die Nachrichtenmittel immer dürftiger wurden, meldeten sich die Kapitäne jedesmal, wenn ihre Schiffe in Niederbreisig anlegten. Mit dem Rückzug der deutschen Truppen und dem Vormarsch der Amerikaner ging aber der Kontakt selbst zu den in nächster Umgebung gelegenen Schiffe verloren.

„Goethe“ versenkt

Am 3. März 1945 wurde bei den letzten Tieffliegerangriffen der Dampfer „Goethe“ durch einen Bombenvolltreffer, der das Hinterschiff zerstörte und das Vorderschiff an der Galerie abbrechen ließ, im Rhein vor Oberwinter versenkt. Der Dampfer hatte neben vielen anderen hier ankernden Schiffen als Lazarett- und Unterkunftschiff für rund 1000 russische Kriegsgefangene gedient, die am linksrheinischen Ufer unter SA-Bewachung Stellungen ausheben mussten. Glücklicherweise, so berichtet ein Chronist aus Oberwinter, waren zu diesem Zeitpunkt die meisten Menschen nicht an Bord, doch soll es rund 20 Tote gegeben haben. Als die Front näher rückte, setzten sich die SA-Mannschaft und ihre Zwangsarbeiterkolonne mit dem ebenfalls in Oberwinter liegendem Schiff „Westmark“ ans andere Rheinufer nach Unkel ab, wo sie das Schiff nach Verlassen an der Anlegebrücke zum Sinken brachten.

Letzte Fahrten

Die letzten offiziell in Fahrt befindlichen Schiffe der KD waren die für den Dienst als Lazarettschiffe beschlagnahmten Dampfer „Vaterland“ und „Stahleck“. Am späten Nachmittag des 7. März, der Tag, an dem den Amerikanern die unzerstörte Eisenbahnbrücke bei Remagen in die Hände fiel, lag der mit grauer Tarnfarbe und rotem Kreuz versehene Dampfer „Stahleck“ am Ufer in Königswinter unter Dampf, um Verwundete nach Neuwied zu bringen.

Unter ihnen war der aus Hannover stammende Soldat G. Klatt, der berichtet, dass der eigentlich für den folgenden Tag geplante Transport vorverlegt worden war. Es dunkelte bereits bei der Abfahrt, das Schiff war während der Fahrt unbeleuchtet. In Godesberg wurden noch einmal Verwundete aufgenommen, bevor es weiter stromaufwärts ging. Kurz vor Remagen waren Schüsse zu hören und Klatt lief aufs Oberdeck. Vor und hinter dem Schiff zogen Leuchtspurgeschosse durch die Dunkelheit. Dann kam die Brücke von Remagen wie ein großer Koloss in Sicht. Sie stand noch. Auf der Brücke waren Truppenbewegungen zu erkennen. Erst später wurde Klatt klar, dass dies bereits amerikanische Einheiten waren, die das Schiff unbehelligt hatten passieren lassen.

Danach wurde der Dampfer noch in Niederbreisig, das kurz vor der Einnahme durch die Amerikaner stand, von Hönningen aus gesehen. Hier liefen in den frühen Abendstunden einige Jugendliche zu den in den Rheinwiesen stationierten Soldaten einer leichten Flakeinheit, um ihnen von der kaum glaubwürdigen Rhein­überquerung der Amerikaner zu berichten. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht verbreitet. Auch die Soldaten wollten es nicht glauben, denn soeben hatten sie noch den Ausflugsdampfer „Stahleck“ mit dem „Roten Kreuz“ rheinaufwärts vorbeifahren gesehen. Tatsächlich erreichte er noch Neuwied, wo die Verwundeten entladen werden konnten. Am 19. März wurde das Schiff schließlich in Brand geschossen, brach auseinander und sank. Dasselbe Schicksal ereilte den Dampfer „Vaterland“, der auch in Neuwied vor Anker lag.

Ebenfalls Mitte März wurden die Dampfer „Großherzog Ernst Ludwig“ und „Barbarossa“ am unteren Mittelrhein durch Artilleriebeschuss zerstört. Erstgenannter lief am Hammersteiner Werth vor Fornich auf Grund, der zweite hing schräg an der Kaimauer des Broh­ler Hafendamms, seine Aufbauten waren durch Sprengbomben stark beschädigt. Er wurde nach dem Krieg auf der Werft Hilgers wieder hergestellt.

Nur 6 von insgesamt 28 Schiffen der KD sollten den Krieg schwimmend überstehen, lediglich der Dampfer „Mainz“ war als einziger noch fahrfähig. Überhaupt war der Rhein am 8. Mai 1945, dem offiziellen Kriegsende, vollgestopft mit Schiffs- und Brückentrümmern. Die Ufer waren verödet, weit und breit kein Schiff in Fahrt. Wie seit 150 Jahren nicht mehr hatte der Strom eine spiegelglatte Oberfläche.

Doch bereits im Herbst wurde die Schifffahrt auf dem Rhein wieder aufgenommen, und zum 100-jährigen Jubiläum der Köln-Düsseldorfer Rheindampfschifffahrt im Jahre 1953, waren die meisten Dampfer wieder hergerichtet und Verluste durch modernere Schiffe ersetzt worden. Nun fuhren sie wieder auf dem Strom wie stolze Schwäne, denn was wäre ein Rheinpanorama ohne die großen, weißen Fahrgastschiffe.

Literatur:

– Prof. Dr. A. F. Napp-Zinn: 100 Jahre Köln-Düsseldorfer Rheindampfschifffahrt. Köln 1953.
– Hans Rindt:Die Schiffe der Köln-Düsseldorfer einst und jetzt. Stockstadt 1987.
– Lothar Brüne, Jakob Weiler: Remagen im März 1945. Remagen 1993.
– Rat und Verwaltung der Gemeinde Bad Hönningen (Hrsg.): Bad Hönningen – Chronik einer jungen Stadt. Bad Hönningen 1969.
– Oberwinterer Festkomitee (Hrsg.): 1100 Jahr Oberwinter 886 – 1986. Remagen-Rolandseck 1986.