Aus Kriegstrümmern der Ahrweiler Ahrhut entstand ein Traum – 1952 begnn der Wiederaufbau des 1945 zerstörten Ahrtores

Der Morgen des 20. Januar 1945 ist an der Ahr trüb und diesig. Der achtjährige Heinz Koll geht mit seiner dreijährigen Schwester und seiner Mutter über die Ahrweiler Schützbahn, um den vor Fliegerbomben Schutz bietenden Tunnel im Ahrweiler Silberberg – die „Stadt im Berg“ – aufzusuchen. Nur die nötigsten Habseligkeiten und wichtigen Papiere trägt Maria Koll in einem Koffer. Der steht in diesen Kriegstagen immer griffbereit an der Tür.

Auf der Schützbahn versucht sie ein Ahrweiler Bürger zur Rückkehr in die Wohnung in der Bachemer Straße 15 zu bewegen: „Geht ruhig zurück, es ist so diesig, heute kommen keine Flieger.“ Wenige Stunden später ist der Mann tot, unter Trümmern begraben. Denn die Ahrhut und das Ahrtor werden von einem Bombenteppich zerstört. Es wird eine Wunde in die Stadt gerissen, die Jahre braucht, um zu verheilen. Grund des Luftangriffs: Die Amerikaner vermuteten wohl einen deutschen Funkwagen im Torbogen des Ahrtors. Doch der war längstverlegt worden.

Wenn Heinz Koll heute im Durchgang des Ahrtors steht und sich die Liste der Spender und Helfer ansieht, die vor einem halben Jahrhundert mit dazu beigetragen haben, das Tor, das bis dahin nahezu 700 Jahre überstanden und vielen Anstürmen widerstanden hatte, wieder aufzubauen, werden bei ihm Emotionen geweckt. „Auch wenn ich ein kleiner Junge war,

vieles ist in Erinnerung geblieben von den furchtbaren Ereignissen, aber auch von den bewegenden Dingen“, sagt der heute 66-Jährige.

Auch die Gemeinschaft der Ahrhut erinnerte sich am 4. Dezember 2002 bei ihrem Patro- natsfest zu Ehren der Heiligen Barbara daran, wie vor 50 Jahren der Wiederaufbau des Ahrtors begann und wie „Phönix aus der Asche“ konkrete Formen annahm.

Erst zwei Tage nach dem verheerenden Angriff vom 29. Januar 1945 traut sich Maria Koll mit ihren Kindern aus dem Tunnel zurück in die Stadt.

Ihnen bietet sich ein Bild der Verwüstung. 85 Zivilpersonen, davon 35 Frauen und 18 Kinder unter 14 Jahren sowie mehrere Soldaten kommen bei dem Angriff ums Leben. 115 Häuser mit rund 250 Wohnungen sind zerstört.

„Die Schützbahn war verschüttet, der Weg zum Tor versperrt“, erzählt der „Ahrhöde“ Koll.

Sie kehren voller Angst um und gelangen über die „Bitz“ ans Tor. Dort treffen sie auf Menschen, die ihre Angehörigen verloren haben oder vermissen. „Das alles machte mir Angst.

Den Geruch der Trümmerlandschaft und den Anblick der vielen Toten werde ich nie vergessen“, sagt Koll.

Zu Hause in der Bachemer Straße angekommen, muss Familie Koll ebenfalls mit dem Aufräumen beginnen. Der Zugang zu ihrem Haus ist blockiert. Die Häuser rechts daneben und gegenüber sind zerbombt. Mit bloßen Händen suchen die Menschen nach ihren Habseligkeiten. „Um in die Stadt zu gelangen, überquerten wir auf einem Trampelpfad einen riesigen Schutthaufen im Ahrtorbogen.“

Doch schon bald sind die Straßen von Bewohnern und Helfern so geräumt, dass man wieder bis zum Marktplatz gehen kann.

„Es war bewundernswert, wie die Leute mit angefasst haben.

Da es in diesen Tagen nach wie vor wegen drohender Luftangriffe zu unsicher war, gingen wir wieder in den Tunnel, bis die Amerikaner Anfang März 1945 kamen, erinnert sich der Zeitzeuge.“

Das zerstörte Ahrtor in Ahrweiler nach dem Zweiten Weltkrieg

Aus Angst vor den Soldaten wurde Neugier: „Wir Kinder nahmen jede Gelegenheit wahr, mit den Amis in Kontakt zu kommen, um etwas Essbares zu ergattern.“

Erst nach Monaten beginnt im Herbst 1945 die Schule, die von der Zerstörung verschont geblieben war. Jetzt hängt in der Klasse das Kreuz wieder an seinem alten Platz, zu Unterrichtsbeginn wird gebetet.

„Für die Schulspeisung 1948/49 wurde bei Reuters gekocht, mit einem großen Handwagen ging‘s vom Rodderhof aus dorthin.“

Im Alltag drehte sich alles um die Grundversorgung: Essen, Kleidung, Heizmaterial.

In der Ahrhut werden die Häuser nach und nach aufgebaut: Reuter, Porz, Schragen und Schulte sind die ersten. Die Straßen der Stadt sind wieder begeh- und befahrbar, nur die Trümmergrundstücke, wo Steine aussortiert und behauen werden und Holzbalken aufgestapelt sind, erinnern an die Verwüstung. Gegen die Wohnungsnot werden in der Kalvarienbergstraße Baracken gebaut. Mit der Währungsreform ist wieder fast alles zu haben. Das Geld ist jedoch bei den Meisten knapp. Kolls Vater kehrt aus französischer Kriegsgefangenschaft zurück.

1949 wird der Heimatverein Alt-Ahrweiler gegründet, der Spenden sammelt, die zum Aufbau des Ahrtores dienen sollen. Zuerst einmal müssen die baufälligen Mauerstücke des Rundturmes abgerissen werden. Und es kann nicht in einem Stück aufgebaut werden, bis 1958 wird saniert.

1949 wird Christian Ulrich Bürgermeister von Ahrweiler. „Ihm verdanken wir heute unser schönes und gelungenes Stadtbild. Durch sein vorausschauendes Denken und seine Hartnäckigkeit ist Ahrweiler vor baulichen Todstünden bewahrt geblieben.

Die vielen Gäste sind der Beweis dafür, dass mit Engagement und Voraussicht aus Trümmern ein Traum entstanden ist, lobt Heinz Koll.“

„Was Krieg und Bomben am 29. Januar 1945 vernichtet, ließ Heimatliebe aufs Neue entstehen“, ist im Durchgang des Ahrtores auf einer Steintafel zu lesen.

Früher war nur die Passage durch den Torbogen möglich, Wehrgang und Fußgängerdurchgänge kamen nach dem Zweiten Weltkrieg hinzu. Namentlich genannte Spender wie Heinrich Kreuzberg aus Sao Paulo/Brasilien oder Eberhard Both aus New Jersey sind auf der Tafel verewigt, aber auch 346 weitere Bürger und Freunde, „die auch ihr Scherflein gaben“.

Beim Patronatsfest der Ahrhut 1958, die Weihe des Ahrtores stand im Mittelpunkt, übermittelte Bürgermeister Alfred Bloser aus Bad Neuenahr Grüße der Nachbarstadt. Es sei ein freudiger Anlass gewesen, einen Baustein zum Wiederaufbau beizusteuern. Durch diese Geste sei die angestrebte gegenseitige Annäherung um einen guten Schritt weiter gekommen.

Baulich wüchsen beide Städte zusammen und gerade die charakterliche Verschiedenheit sollte immer mehr Anlass zu harmonischer Zusammenarbeit sein. Die Bürger beider Städte sollen das Band der Einigkeit im beiderseitigen Interesse stärken. Es sei sein Wunsch, dass sich beide immer mehr in Freundschaft finden und verstehen mögen. –

Seit 1969 heißt die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Sie ist zusammengewachsen, wie Bloser es damals vorhergesehen hat.

Das Ahrtor heute, 2003

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