„Kommt der Herzog von Arenberg zurück in sein Herzogtum in die Eifel?“ 1815 wünschte der Herzog eine Rückgabe der Eifelbesitzungen
In den Schneefeldern Russlands war der Glanz Napoleons 1813 untergegangen. Hochfliegende Pläne fanden – wie so oft in der Geschichte – ein rascheres Ende, als man hatte erwarten können. Der junge Herzog Prosper Ludwig von Arenberg (* 1785) hatte um 1805 auf „die Karte Napoleon“ gesetzt. Er war dem Rheinbund beigetreten und hatte sogar 1808 in Paris eine Frau aus dem Umkreis Napoleons, Stephanie Tascher de la Pagerie, geheiratet. Napoleon persönlich war Gast während der Hochzeitsfeierlichkeiten und hatte durch einen Tanz mit der hübschen Braut den Ball angeführt. Als Offizier diente Prosper Ludwig in der Armee des Korsen, geriet aber schließlich in Spanien in englische Gefangenschaft. Er wurde seit 1811 in England als prominenter Gefangener festgehalten. Alles Unheil schien auf das Haus herabzustürzen, als sich herausstellte, dass die Ehe des jungen Paares zu zerbrechen drohte und als außerdem 1810 der Kaiser der Franzosen die Besitzungen Meppen und Recklinghausen dem Arenberger gegen das vage Versprechen einer Erbrente von rund 200.000 Franken entzog. Ein jüngerer Bruder des Herzogs, Pierre von Arenberg, war im Heer Napoleons bis Moskau gekommen und nur durch glückliche Umstände auf dem Rückzug dem Tod entronnen. Als sich 1814 die Diplomaten Europas in Wien zu einem Kongress trafen, um Mitteleuropa eine neue Ordnung zu geben, ging es natürlich auch um Interessen des Hauses Arenberg. Als Abgesandter des Hauses wurde ein alter, treuer Diener der Arenberger, der Diplomat Freiherr Karl Philipp Martin Schmaus de Livonegg, in die Donaustadt entsandt. Er hatte vor der Revolution und vor dem Einmarsch der Franzosen die Interessen des Herzogs beim Reichstag in Regensburg wahrgenommen. Der Freiherr weilte bereits vor der offiziellen Kongresseröffnung im Sommer 1814 in der Donaustadt. Hier traf er schon am 17. Juni mit hohen preußischen Beamten zusammen, wahrscheinlich auch mit dem Freiherrn vom Stein. Vor ihnen klagte er darüber, dass man den Herzog nicht als souveränen Herrscher auf den Kongress geladen habe, sondern dass man ihn „nur“ den „mediatisierten Fürsten und Grafen“ gleichstellen wolle. Daraufhin aber wies ein preußischer Diplomat schroff den Freiherrn zurecht: Dem Arenberger könne man mehr nicht zubilligen, denn
„der junge Herzog sei ein Erzfranzos, der sich überall schlecht betragen und in Spanien und England durch seine Äußerungen in den übelsten Ruf versetzt hätte“. Als der Freiherr mit diplomatischem Geschick das Urteil abmildern wollte, fuhr man ihm erneut in die Rede: „Er ist ein Franzos und sein Vater ein Niederländer. Warum solle man auch auf sie in Deutschland besondere Rücksicht nehmen.“
Konnte das Haus Arenberg bei solch feindseliger Haltung damit rechnen, seine Besitzungen Meppen und Recklinghausen zurück zu erhalten? Oder: Konnte das Haus vielleicht darauf bauen, wieder in die Besitzungen in der Eifel eingesetzt zu werden? Nach dem Fall Napoleons kümmerte sich der alte, blinde Herzog Ludwig Engelbert (1750 – 1820) um diese Fragen, denn der Sohn weilte noch in englischer Gefangenschaft. Im Mai 1814 wandte er sich an einen französischen Diplomaten. Der alte Herzog fragte nach, ob er damit rechnen könne, in sein Herzogtum in der Eifel zurückzukehren. Zwar seien zahlreiche Ländereien versteigert worden, aber seiner Meinung nach wäre es gerecht, wenn er die Souveränitätsrechte im Herzogtum, dem Stammland der Familie, zurückerhalte; als Entschädigung für die in der Eifel verkauften Domänen aber möge man ihm die Domänen in Recklinghausen und Meppen lassen. Im Juni 1814 berichtete der Arenberger Regierungsrat Landschütz, der früher einmal in der Eifel, später in Recklinghausen für das Haus Arenberg gewirkt hatte, dass man in der Eifel davon ausgehe, dass die „Grafen und Fürsten“ wieder ihre alten Besitzungen auf der linken Rheinseite zurückerhalten würden. Er wusste von Beamten der ehemaligen Manderscheid-Blankenheimer Regierung, die bereits in Blankenheim eingetroffen waren.
Unterschrift des jungen Herzogs Prosper Ludwig von Arenberg auf seinem Pass, den der Herzog für die Reise zum Wiener Kongress benutzte.
Landschütz hatte den Eindruck gewonnen, als ob diese Rückkehr mit den “Hohen Aliierten“ abgesprochen sei. Der alte blinde Herzog Ludwig Engelbert wandte sich auch jetzt wieder an einen französischen Beamten namens Roux und fragte bei diesem nach. Der äußerte sich, dass er keine Schwierigkeiten darin sehe, wenn die Arenberger ihre Besitzungen in der Eifel nun zurückerhielten. Im September 1814 reiste der junge Herzog Prosper, der erst kurze Zeit vorher aus englischer Gefangenschaft nach Hause entlassen worden war, persönlich nach Wien. Im Oktober 1814 richtete der Arenberger Gesandte Freiherr Schmaus eine „Note“ an den Kongress, nachdem er vorher eingehend mit Herzog Prosper beraten hatte. In dem Schriftstück stellte der Freiherr die betrübliche Lage des herzoglichen Hauses dar. Er schrieb: „Als ein reichsfürstliches Haus, das sich beim Herannahen der französischen Armeen in das Innere von Teutschland und in die kaiserlich königliche Hauptstadt zurückgezogen hatte, ward es (= Haus von Arenberg) überall feindselig behandelt, und nebenher, gleich anderen Güter-Besitzern in Belgien, mit Kriegssteuern belästiget, während die französische Regierung sich aller Einkünfte bemächtigte… Im Oktober 1794 ward ebenfalls das ganze Herzogthum Arenberg von feindlichen Truppen besetzt, und dem Herzog blieb von seinem ganzen Vermögen nichts übrig als ein Haus in der kaiserlich königlichen Residenzstadt Wien, und was er an Gold und Pretiosen gerettet hatte. Neun Jahre hindurch befand er sich mit den Seinigen in dieser äußerst bedrückenden Lage.“
Freiherr Schmaus von Livonegg folgerte, dass dem Hause Arenberg nach den vielen schlimmen Jahren die Landeshoheit über Recklinghausen und Meppen zurückgegeben werden müsse. Er fuhr fort: „Aber nichts scheint seiner Wiedereinsetzung in die Landeshoheit über das ehemalige Herzogthum Arenberg, unter Beibehaltung der in Meppen und Recklinghausen gelegenen Domänen, entgegenzustehen… Und die Wiedereinsetzung des herzoglichen Hauses, sey es in Meppen und Recklinghausen oder in das ehemalige Herzogthum Arenberg, als das gerechteste Mittel… von den allerhöchsten verbündeten Mächten werde anerkannt werden.“
Herzog Prosper Ludwig wurde in Wien im Herbst 1814 auch selbst aktiv. Er wandte sich in persönlichen Schreiben an Fürst Metternichund an Kaiser Franz I. von Österreich: „Die Vorwürfe, die man auf eine für mich unbegreifliche Weise seit einiger Zeit meinem Hause zu machen sucht, um hierin einen Vorwand zu seiner Vernichtung zu finden, waren der Beweggrund für mich, diese Gelegenheit nicht vorbeigehen zu lassen, um persönlich darauf zu antworten.“ Er stellte dar, dass sein Verhalten „nicht undeutscher“ gewesen sei als das Verhalten anderer Rheinbundfürsten. Als Fürsprecher versuchte er zwei bedeutende Persönlichkeiten des Kongresses zu gewinnen, den französischen Minister Talleyrand und den englischen Minister Lord Castlereagh.
Herzog Prosper Ludwig von Arenberg (1785 – 1861)
Im Dezember 1814 bedauerte der Arenberger Bevollmächtigte, Freiherr Schmaus von Livonegg, keine rechte Antwort auf seine Eingabe erhalten zu haben. Er reichte eine weitere Note am Kongress ein, um Arenberger Ansprüche anzumelden. Auch hier führte er aus, was der Herzog von den Diplomaten erwarte:
„Rechte der Landeshoheit über Meppen und Recklinghausen oder über das ehemalige Herzogthum Arenberg nebst den dazu gehörigen unmittelbaren Graf- und Herrschaften.“
Herzog Prosper Ludwig von Arenberg (1785 – 1861) wurde auf dem Wiener Kongress als Anhänger Napoleons und als „Erzfranzos“ nicht von allen Diplomaten freundlich behandelt. Am 15. Januar und 12. April 1815 folgten weitere Eingaben, wobei der Gesandte – wahrscheinlich auf höhere Weisung – die Ansprüche etwas zurückschraubte: „In sofern höhere Rücksichten seine Wiedereinsetzung in Meppen und Recklinghausen erschweren sollten, hat es (= das Haus Arenberg) förmlich erklärt, seine Ansprüche auf das alte Herzogthum Arenberg, das durch den Frieden von Lunéville an Frankreich abgetreten wurde, beschränken zu wollen.“
Gleichzeitig stellte der Freiherr erneut den Antrag, den Herzog als gleichberechtigten souveränen Herrn zu den Beratungen „über die künftige Verfassung Teutschlands“ hinzuzuziehen, zumal es bei den Beratungen auch um die Unabhängigkeit und Sicherheit des Reiches gehe. Der Freiherr reichte noch weitere Schriftstücke ein, und das zu einer Zeit, als die Würfel längst gefallen waren. Als Prosper Ludwig und der Arenberger Gesandte Schmaus von Livonegg im Sommer 1815 Wien verließen, waren sie sehr deprimiert. Erreicht hatten sie fast nichts. Der Herzog von Arenberg war in Deutschland hinfort nur noch ein „Standesherr“, kein souveräner Landesherr mehr. Über die Rückgabe des alten Herzogtums hatte man ihn offenbar bis zum Schluss im Unklaren gelassen. Das Herzogtum Arenberg verschwand endgültig von der politischen Landkarte Deutschlands, es wurde in die preußische Rheinprovinz eingegliedert. Weder ein Kreisname noch eine besondere Bezeichnung erinnerte daran, dass hier bis vor 20 Jahren ein souveräner, reichsunmittelbarer Staat existiert hatte.
Die Quellen zeigen sehr deutlich, dass der Herzog 1814/15 die Hoffnung hegte, in sein Stammland in der Eifel zurückkehren zu können. Dazu aber kam es nicht, wie allgemein bekannt ist. Die Gründe dafür liegen zunächst in der weltpolitischen Entwicklung. Das Römisch-Deutsche Reich wurde nicht wieder gegründet, der Deutsche Bund entstand. Der König von Preußen erhielt aus bekannten Gründen die Rheinlande zugewiesen. Vielleicht hätte man dem Herzog von Arenberg innerhalb dieses Gebietes eine kleine Enklave an der oberen Ahr zugebilligt, wie man sie auch anderen Fürsten gab. Aber dem Arenberger gaben die Mächte des Wiener Kongresses sein Stammland nicht zurück. Auch die Souveränitätsrechte gingen für immer verloren. Der Grund für die Versagung der Rechte mag mit im Verhalten des Herzogs zu suchen sein. Er stand nun einmal im Ruf, sich zu sehr auf die Seite Napoleons gestellt zu haben. So war es sicher auch nicht klug gewesen, sich vor Beginn des Kongresses in Fragen der Rückgabe des alten Herzogtums an französische Beamten zu wenden. Offenbar hatte der alte Herzog, als er dies im Sommer 1814 tat, noch nicht realisiert, wie die Würfel gefallen waren. Talleyrand als Fürsprecher auf dem Wiener Kongress zu suchen, ist zwar verständlich, weil es enge Verbindungen zwischen beiden Familien aus der Zeit Napoleons gab, aber der außerordentlich geschickte französische Diplomat hatte zweifellos in Wien ganz andere Sorgen und Probleme, als sich um die Anliegen des Herzogs von Arenberg zu kümmern.
Quellen:
AAE (Arenberger Archiv, Enghien), Biographie Herzog Prosper Ludwig, 29/13 und 35/30
AAE, Akte Wiener Kongress D 1426
Johannes Ludwig Klüber, Acten des Wiener Congresses in den Jahren 1814 und 1815, Bde. 1 – 6, Wien 1815