Spiegelbilder der Ahrweiler Seele
Sie ist vielbesungen, die alte Kreisstadt. Und es gibt sogar eine Ahrweiler Operette. Fast in Vergessenheit geraten, ging am 21. Januar 1951 die Uraufführung des „Weinteufel“ im Saal des Weinbauvereins über die Bühne. Michael Thelen war der geistige Vater des Bühnenwerks, das nur sechs Jahre nach Kriegsende für Furore sorgte. Die Musik zu dem Drei-Akter schrieb seinerzeit Hans Wolf, und 40 Akteure der damaligen Theatergesellschaft Ahrweiler setzten das Heimatepos in Szene.
„Bleibenden Wert“ attestierte Bürgermeister Christian Ulrich nach der Premiere der Operette, die in nur viereinhalb Monaten Probearbeit quasi aus dem Boden der Wingerte gestampft worden war. Lokalkolorit pur kennzeichnet das Werk, das genauso gut heute spielen könnte. Ein vielgeplagter Verkehrsdirektor hat seine liebe Mühe mit seinen Fremden, es geht um Liebe und Liebeleien, einen nicht ganz trinkfesten Heimkehrer, dafür aber einen trinkfesten Polizisten, Nettigkeiten in einer Bürgermeisterfamilie und einen Ami, der mit seiner Chewing Gum knatschenden Tochter nicht nur auf „keep smiling“ setzt, sondern Stadt und Bürger lieben lernt. Die Tochter hatte sich schon auf der Überfahrt verliebt, in den Heimkehrer. Das Happy End war programmiert. Chef der Theatergesellschaft war damals übrigens Werner Dittmann, heute 82 Jahre alt und Ehrenhauptmann der Ahrweiler Bürgerschützen. Ulrichs Zitat „bleibender Wert“ hat sich bewahrt. Gisbert Stenz hat die Operette überarbeitet und aus ihr ein Musical gemacht. Das feierte im August auf dem Marktplatz seine Premiere. Alle Vorstellungen des neuen „Weinteufels“ waren ausverkauft. Eine Wiederholung in jeder Saison stände dem Tourismusmagnet Ahrweiler gut zu Gesicht wie die Schützen.
Schützen ist übrigens das Stichwort, will man einen Blick in die breite Palette der Lieder über die 750-jährige Stadt werfen. Sie vereinen Heimatliebe und Ideale. Ideale, die übrigens auch auf die französische Revolution zurückgehen, denn der Gleichheitsgrundsatz zieht sich wie ein roter Faden durch das Bürgerlied: „Nichts gilt Arm und Reich, alle sind wir gleich, alle sind wir Kinder einer Stadt.“
Spielszene der „Weinteufel“ – Aufführung in Ahrweiler 2006: Das Open-Air-Musical war ein Riesenerfolg.
Das Bürgerlied ist so alt, dass niemand mehr weiß, aus wessen Feder es stammt. Bekannte Autoren von Ahrweiler Liedern sind hingegen „Viechdokta“ Franz-Werner „Bubi“ Josten sowie die Heimatdichter und Schriftsteller Erhard Strohe und Ernst K. Plachner. Verewigt in Liedern haben sich aber auch Hermann Josef Knieps, Margret Raths und Manfred Friedrich.
Einer der herausragenden Autoren ist der heute 82-jährige Josef Küls.
Vor 56 Jahren gehörte er zu denjenigen Ahrweiler Junggesellen, die sich bei dem damaligen französischen Stadtkommandanten Paul Begel für das Wiederaufleben des Ahrweiler Schützentums stark machten. Und Begel hatte seinerzeit keine Bedenken dagegen, weil: Was die Nazis verboten hatten, konnte in einem neuen Deutschland nicht falsch sein. Begel, der vor wenigen Jahren in Paris starb, war bis zu seinem Tod den Ahrweiler Schützen freundschaftlich verbunden und gerngesehener Gast bei deren Hochfesten. Doch zurück zu Josef Küls. In Kriegsgefangenschaft schrieb er das Lied, das heute noch die Hymne der Sankt-Laurentius-Junggesellen-Schützengesellschaft ist: „Grün wie die Heide“.
Küls ist aber auch Autor des Korpsliedes des Leutnantsgliedes der Bürgerschützen und des Ahrweiler Karnevalsliedes „Höck fängk dr Fastelovend an“. Und bei Karneval darf ein Name nicht vergessen werden: Lutz Schmitz. In den 60-er Jahren machte der Bänkelsänger aus Passion mit seinen Söhnen Walter und Udo nebst Gitarre auf den Bühnen der Kreisstadt Furore. Auch seine eher jecken Lieder spiegelten eins wider: die Ahrweiler Seele.