Rückblick auf fünfzig Jahre Evangelische Gemeinde Bad Neuenahr. Dank an Diakon Peter Besser

Zur Entwicklung der Evangelischen Gemeinde Bad Neuenahr

In den letzten fünfzig Jahren hat sich die Evangelische Gemeinde Bad Neuenahr so verändert, dass sie weder in ihren Arbeitsformen noch in ihrem Mitarbeiterbestand mit den Gemeindeverhältnissen der Vorkriegszeit und der frühen Nachkriegszeit verglichen werden kann. Denn durch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs kam es auch im Ahrtal und in der Eifel vermehrt zur Ansiedlung von Heimatvertriebenen, die zu einem großen Teil eben nicht der hier seit Jahrhunderten vorherrschenden katholischen Konfession angehörten, sondern evangelischen Glaubens waren. Was heute zu Recht als eine ungeheure Leistung anzusehen ist, nämlich die Integration dieser ‘Flüchtlinge’, hatte auch mit der Evangelischen Gemeinde Bad Neuenahr zu tun. 

Sie verstand sich seit ihrer Gründung in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts ganz bewusst als Kurortgemeinde. Ihr Zentrum war deshalb folgerichtig die aus dem Jahr 1872stammende Martin-Luther-Kirche an der Bad Neuenahrer Kurgartenbrücke und ihr 1905 errichtet es Gemeindehaus neben der Grundschule in der Wolfgang-Müller-Straße. Diese Ausrichtung auf den Kurort Bad Neuenahr aber war durch die Ansiedlung immer neuer evangelischer Gemeindeglieder in Ahrweiler, im Ahrtal und in der Grafschaft nach 1945 einfach nicht mehr aufrecht zu erhalten. 

Als Pfarrer Oskar Börner im Jahr 1936 in Bad Neuenahr gewählt wurde, gehörten 430 Evangelische zur Gemeinde. Im Jahre 1947 aber waren es 1200! Und der Zuzug hielt in den nächsten Jahren an, ja, ließ auch nach dem Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 nicht nach, weil die Nähe der Bundeshauptstadt Bonn und die Ansiedlung zweier großer Ämter der Bundeswehr in Bad Neuenahr die Zahl der Gemeindeglieder bis auf über 8000 ansteigen ließ. Der Bau der evangelischen Friedenskirche in Ahr-weiler im Jahr 1953 zeugt vom Bemühen der Gemeindeleitung, auf diese Herausforderung zu reagieren. Von den damals hier Wirkenden kann keiner mehr nach dieser Zeit befragt werden. Einer, der allerdings als ein aktiv Beteiligter fünf Jahr-zehnte in dieser Gemeinde mit gestaltete, ist Diakon Peter Besser. 

Die evangelische Kirche Bad Neuenahr, 2006

Diakon Peter Besser 

Auch wenn es bibelfesten Protestanten bis heute schwer fällt, ein Gemeindeglied öffentlich vor anderen herauszustellen und zu loben, weil wir als Christen zu deutlich vom Apostel Paulus vor dem ‘Rühmen’ gewarnt werden, will ich als ein alter Freund und Weggenosse von Peter Besser dennoch eine ‘Laudatio’, ein Loblied auf ihn anstimmen. Denn wo kommt es schon vor, dass ein Mann oder eine Frau fünfzig Jahre beim gleichen Arbeitgeber tätig sind? Derartige Zeiträume sind weder in einem Angestelltentarif noch in der freien Wirtschaft vorgesehen. Und genau das wird sich im Jahr2007 ereignen:

Als 27-jähriger Diakon kam er am 1. April1957 hier ins Ahrtal. Gerade hatte er seine Ausbildung in der Duisburger Diakonenanstalterfolgreich abgeschlossen. Was man hier von ihm erwartete, war ihm vom Presbyterium als dem Leitungsorgan der Kirchengemeinde Bad Neuenahr als Dienstanweisung schriftlich ausgehändigt worden:

Diakon Peter Besser

„Der neue Diakon soll jeden Sonntag in Ahrweiler und Bad Neuenahr die Gottesdienste auf der Orgel begleiten und in der Kurstadt den Kindergottesdienst gestalten. Außerdem obliegt ihm die Sammlung der Gemeindejugend und die Vorbereitung und Durchführung von Konfirmanden- und Jugendfreizeiten. “Der damals amtierende Pfarrer Oskar Börner ließ von Anfang an den jungen Diakon spüren, welche Hierarchie er zu beachten hatte. Das änderte sich erst, als zwei Jahre nach Peter Bessers Dienstantritt Vikare zur Entlastung des Pfarrers eingesetzt wurden und sich so im Laufe der Jahre auch für ihn eine Gelegenheit bot, sich mit jüngeren Theologen gleichberechtigt auszutauschen.

In der Kirchengemeinde 

Durch die vielen Kontakte mit Gemeindegliedern jeden Alters war es nicht verborgen geblieben, dass dieser aus den Gottesdiensten vom Orgelspiel her bekannte Mann auch noch andere musikalische Fähigkeiten besaß. Es ergab sich von daher wie von selbst, dass ihm nach einiger Zeit die Leitung des in Ahrweilerbestehenden Frauen- und auch des Posaunenchors übertragen wurde. Aus der Gruppe der sangesbegeisterten Damen wurde dann bald ein gemischter Singkreis, und der Leiter des Posaunenchors war froh, in Peter Besser einen jüngeren Nachfolger gefunden zu haben. In dieser Funktion hat er sich jahrzehntelang bewährt und dazu immer wieder jungen Bläsern die Freude an dieser Form evangelischer Kirchenmusik vermittelt. 

Lebensmittelpunkt Bad Neuenahr 

So wie er, der wie so viele andere hier lebende Gemeindeglieder durch den Krieg mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus dem brandenburgischen Sorau vertrieben worden war, hier in der Gemeinde immer mehr eine Heimat fand, so wurde die Stadt Bad Neuenahr für ihn auch zu einem ganz persönlich wichtigen Ort. Denn mit seiner Frau Friedel gründete er hier seine Familie. Die drei Kinder wurden hier geboren und die acht Enkel besuchen heute sehr gerne ihre Großeltern in der Wolfgang-Müller-Straße 7, die dort seit fünfzig Jahren ihr Zuhause haben. 

Gemeindearbeit 

Wegen der ständig wachsenden Gemeinde und den damit einhergehenden veränderten Formen gemeindlicher Arbeit mit Jugendlichen, Senioren, Frauen und Kurgästen entschloss sich das Presbyterium zum Bau eines neuen Gemeindehauses. Im Jahr 1964 wurde es eingeweiht. Bereits sechs Jahre vorher war die evangelische Martin-Luther-Kirche an der Kurgartenbrücke durch einen völligen Umbau auf das Doppelte ihrer Größe erweitert worden. Dieser Umbau wurde mit der Genehmigung der Landeskirche durchgeführt, damit alle Gottesdienstbesucher am Sonntag in einem Gottesdienst Platz fanden. 

Das neue Gemeindehaus wurde direkt neben der Besserschen Wohnung in der Wolfgang-Müller-Straße errichtet. Gerade in der von Peter Besser verantwortlich geleiteten Jugendarbeit eröffneten sich dort völlig neue Formen des Zusammenseins, die er fantasievoll mit gestaltete. Gleichzeitig traf er als Vierzigjähriger die Entscheidung, sich im Hinblick auf sein Altersukzessive aus der Jugendarbeit zurückzuziehen. Als neues Arbeitsfeld wuchs ihm wie selbstverständlich die gemeindliche Verwaltung zu. Bei der Planung und dem Bau des neuen Gemeindeamtes war er deshalb selbst-verständlich mit seinen Ideen maßgeblich beteiligt. Die Landeskirche ermöglichte ihm, sich auf diesem Gebiet mit der 1. und 2. kirchlichen Verwaltungsprüfung zu qualifizieren. Als Leiter des Gemeindeamtes hatte Peter Besser entscheidenden Anteil an der notwendigen Neustrukturierung der gemeindlichen Arbeit. 

Die evangelische Kirche Ahrweiler, 2006

Denn wo bei seinem Dienstantritt ein einziger Pfarrer arbeitete, waren jetzt wegen des ständigen Wachstums der Gemeinde fünf Theologen tätig: Drei Gemeindepfarrer, ein Kranken-haus- und Kurseelsorger und ein Schulpfarrer für den Religionsunterricht am ARE- und Peter-Joerres-Gymnasium.

Trotz seiner Verwaltungsarbeit blieb Peter Besser wie vorher in die Kirchenmusik eingebunden. Daneben entwickelte er mit der ihm eigenen Begabung Formen der Erwachsenenbildung, die es bis dahin in der Gemeinde nichtgegeben hatte: Familienwanderfreizeiten in den Herbstferien, Studien- und Begegnungsreisen nach Osteuropa, in die damals noch bestehende DDR zur Patengemeinde, den Balkan und nach Griechenland und seit 1977 den Folkloretanz. Sehr viele Gemeindeglieder unterschiedlicher Altersgruppen erinnern sich dankbar an die von Peter Besser geleiteten Reisen. Und der Folkloretanzkreis ist zu einem wirklichen Teil der Gemeindearbeit geworden und hat oft genug bei Festen und Feiern eine wichtige Rolle gespielt. Bereits die Aufzählung dieser verschiedenen Tätigkeitsfelder zeigt, welche Bedeutung die Mitarbeit von Peter Besser für den Gemeindeaufbau hatte. 

Der ehemalige Presbyter Dr. Manfred Wildecharakterisierte den in den Presbyteriumssitzungen als Protokollführer anwesenden Gemeindeamtsleiter folgendermaßen: „Herr Besser ist vielseitig begabt und multifaktoriell tätig“. Das bedarf im Rückblick auf seine Mitarbeit noch der Ergänzung: Vor mehr als fünfzig Jahren hatte er sich als junger Mann aus christlicher Überzeugung für den Beruf des Diakons entschieden. An dieser Grundeinstellung hat sich bei ihm während seiner Tätigkeit in der evangelischen Kirchengemeinde Bad Neuenahr nichts geändert. Deshalb gab es bei ihm keinen Dienst nach Vorschrift und kein Zurückziehen auf das Private. Seine Liebe zur Gemeinde hat ihre Wurzeln bis heute in seinem christlichen Glauben. Und deshalb hat er auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand am1. Januar 1994 sich nicht – wie man es bei einem Betrieb oder einer öffentlichen Verwaltung vielleicht tun mag – aus allem zurückgezogen. Er bläst immer noch im Posaunenchor mit, leitet sonntäglich den Folkloretanzkreis und lässt unterschiedliche Gruppen mit Lesungen an dem teilnehmen, was ihm aus seiner Kenntnis der großen deutschen satirischen Autoren des 20. Jahrhunderts wie etwa Tucholsky, Kästner, Ringelnatz u. a. wichtig geworden ist. Wer Peter Besser kennt, wird ihm für diese fünfzig Jahre danken.