Erinnerungen an den Oberbreisiger Tambourcorps/Spielmannszug

Werner Schäfer

Von meinem Haus im Elzenberg blicke ich auf mein Heimatdorf Oberbreisig und die St. Viktorkirche. Bilder aus längst vergangenen Zeiten steigen dabei oft vor mir auf. Manchmal kommt es mir so vor, als ob sich manche Begegnungen mit Menschen, Angehörigen, Freunden und Weggefährten, aber auch Begebenheiten, frohe Feste und auch traurige Erlebnisse erst vor kurzer Zeit ereignet hätten.

So musste ich unlängst an die Entstehung des Oberbreisiger Tambourcorps/Spielmannszugs in den 1950er-Jahren denken. Vor meinem geistigen Auge zog die Musikkapelle mit klingendem Spiel wieder durch Oberbreisig. Die jungen Mitglieder waren begeistert von der Musik und erfreuten rund 15 Jahre bei zahlreichen Festen viele Menschen im Dorf.

Schwierige Entstehung

Mitte der 1950er-Jahre hatten einige Jugendliche die Idee, in Oberbreisig ein Tambourcorps zu gründen. Unter ihnen war ich als 17-Jähriger der älteste. Unsere Begeisterung war groß, aber es fehlte an allem. Wir hatten kein Geld und keine Instrumente. Die meisten konnten außerdem keine Noten lesen. Wir wussten nicht, wer uns beim Aufbau eines Spielmannszugs helfen konnte. In Niederbreisig existierte zu dieser Zeit bereits ein Spielmannszug, der von dem Tambourmajor Josef Bremm ausgebildet und gefördert wurde. Dem wollten wir nacheifern, jedoch völlig unabhängig und eigenständig. Dabei kam uns eher der Zufall zur Hilfe: Werner Flink, dessen Mutter ein Oberbreisiger Mädchen war, zog aus Bonn in ihr Elternhaus ins Dorf zurück. Werner Flink war aktiv in einem Bonner Musikverein und als Flötist und Trommler bestens ausgebildet. Er gab uns erste Unterrichtsstunden und schuf so die Grundlage für unsere musikalische Ausbildung. Als wir zwei Flöten, Trommeln und Fanfaren geschenkt bekamen, war das der Anfang.

In den 1950er-Jahren mit voller Kapelle durch Oberbreisig: Werner Flink, Günter Ockenfels, Alfred Arf, Werner Schäfer, Reinhold Salscheider, Helmut Ockenfels, Werner Dühr, Alfons Schmidt, Josef Schäfer, Herbert Schäfer, Maternus Pötz, Paul Pötz, Alois Seul, Berthold Wolf, Franz Rohleder, Josef Degen, Karl-Heinz Manhillen und Franz-Josef Steffens

Wir benötigten aber weitere Instrumente. Eine Sammlung von Altmetall sollte zu deren Finanzierung beitragen. Mit Handwagen zogen wir durchs Dorf und erhielten hier eine verrostete Gießkanne, dort einen Blecheimer oder ein ausgedientes Ackergerät. Obwohl Pastor Blanckart, der selbst Gitarre spielte, von der Kanzel für uns und unsere Sammlung geworben hatte, zeigte diese Aktion wenig Erfolg. Vom Schrotthändler erhielten wir nur einige Mark für unsere Ausbeute. Unsere Familien hatten für solche Anschaffungen zu dieser Zeit kein Geld. Wir waren also völlig auf uns gestellt.

Die Schwestern der Franziskanerinnen von Waldbreitbach besaßen in Niederbreisig im Klösterchen (Josefshaus) eine Niederlassung. Wir erhielten auf die Fürsprache unseres Pastors Blanckart bei der Mutter Oberin das begehrte Alteisen, mit dessen Erlös wir nun weitere Instrumente kaufen konnten: sieben Flöten, vier Trommeln, eine dicke Trumm und den Tambourstab.

Ausbildung

Mühsam lernten wir das Spielen auf den Instrumenten. Von der legendären Breisiger Tanzkapelle Will Esch brachte uns ein Mitglied das Trommeln bei. Wir probten wöchentlich zwei Mal im Kolping-Jugendheim. Einige der rund 20 Mitglieder des jungen Vereins lernten nie richtig Noten zu lesen oder vom Blatt zu spielen. Das machte aber nichts. Sie konnten viele Stücke auswendig! Das Alter der Mitglieder lag bei unseren ersten Auftritten 1955 zwischen 15 und 25 Jahren.

Ein wertvoller Lehr- und Zuchtmeister war Josef Bremm aus Niederbreisig, den wir zeitweilig auch in Oberbreisig als Tambourmajor gewinnen konnten. Er trat als solcher zudem weiter im Niederbreisiger Spielmannszug auf. Der versierte Maurer der Firma Densing war in seiner Freizeit leidenschaftlicher Musiker und half unserem Verein nach Kräften in den Anfangsjahren.

Zusätzlich kamen noch vier Fanfaren-Spieler dazu, die von meinem Vater Jakob Schäfer ausgebildet wurden. Es waren Josef Degen, Josef Schäfer, Karl-Heinz Manhillen und Franz Rohleder. Eine besondere Bereicherung waren die beiden Flötisten Terni Pötz und Paul Pötz, die aus der Eifel zuzogen. Terni war Landwirt und Paul ging beim Schmiedemeister Johann Schmidgen in die Lehre.

Auftritte

Wir konnten schließlich zwei Märsche spielen, allerdings nur im Stehen. Also mussten wir noch das Marschieren lernen. Wir zogen mehr oder weniger im Marschtritt spielend auf der St. Viktorstraße hin und her. Wenige Tage später spielten wir mit der Blaskapelle Peter Seul bei dem Festumzug. Der Dorfschneider hatte uns zuvor weiße Hosen maßgeschneidert. Unsere Mütter nähten auf unsere weißen Hemden Achselklappen. Das war unsere Uniform.

Zum 1. Mai beim Maijelooch und sonstigen Bräuchen der Junggesellen waren wir ebenso zur Stelle wie bei der Oberbreisiger Kirmes. Im Festzug marschierten wir dann alljährlich durchs Dorf und waren stolz auf uns und unseren Verein. Wir sahen es als Auszeichnung unseres musikalischen Könnens an, dass es sogar gelegentlich zu „Engagements“ in umliegende Dörfer ging, etwa nach Gönnersdorf, Waldorf, Franken oder sogar ins Brohltal. Bei den internationalen Trachtenfesten in Niederbreisig zeigten wir bei den Umzügen von 1959 bis 1964 unser Können.

Unser „Honorar“ war durchweg bescheiden. Oft lief es auf Freibier, Würstchen, belegte Brötchen oder ein Stück Kirmeskuchen und ein kleines Handgeld raus, das zwischen 20 und 50 Mark lag – für den ganzen Verein versteht sich.

Auflösung

Etwa 15 Jahre hielt sich das Tambourcorps Oberbreisig. Obwohl wir uns untereinander gut verstanden, löste sich der Spielmannszug schleichend auf. Andere Interessen, Familiengründungen, berufliche Veränderungen der Mitglieder brachten schließlich das Aus. Dankbar und mit Schmunzeln erinnere ich mich heute an diesen Aspekt des Musiklebens in Oberbreisig. Geblieben sind einige Fotos von unseren Auftritten. Einige der alten Instrumente befinden sich vielleicht noch im Besitz ehemaliger Musiker.