In Gelsdorf werden alte Traditionen bewahrt und neue geboren

Verein „Zukunft und Geschichte Gelsdorf e.V.“ richtete Jubiläumsfest aus und pflegt Kreuzwegstationen

Hermann-Josef  Dahlhausen

Wenn man bei Wikipedia nach dem Begriff „Kultur“ sucht, erhält man viele wissenschaftliche und nüchterne Erklärungen, die unter anderem auf die lateinische Herkunft des Begriffs (cultura => „Bebauung, Bearbeitung, Bestellung, Pflege“) und die Bedeutung in der Vergangenheit und heute eingeht. Dort heißt es aber auch: „Menschliche Kultur erhält sich dadurch, dass sie weitergegeben wird. Dieser Moment der Tradition steht in engem Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung von Kulturen. …  Die Identitätsbildung einer Gruppe ist stark mit der in ihr lebendigen Tradition verknüpft. Die soziale Gruppe prägt dadurch auch die Kultur.“1)

Gelsdorf, das nach Einwohnern größte einzelne Dorf der Gemeinde Grafschaft, hat eine lange Geschichte hinter sich. Hier wurden alte Traditionen bewahrt oder neu belebt, im Laufe der letzten Jahrzehnte aber auch neue Traditionen geboren.

So entstanden z.B. 1996 die „Tage der offenen Höfe“. Am vorletzten Wochenende im Oktober jedes Jahres öffnen dann die Gelsdorfer Betriebe ihre Türen und präsentieren den Gästen ihre Produkte oder Dienstleistungen. Maßgeblichen Anteil am Entstehen dieses Straßenfestes, das jedes Jahr je nach Witterung über 1.000 Gäste nach Gelsdorf lockt, hatte der damalige Ortsvorsteher Hermann-Josef Linden († 2009) mitgeprägt.

Blickt auf eine lange Geschichte: Gelsdorf, das nach Einwohnern größte einzelne Dorf der Gemeinde Grafschaft

Sieben Kreuzwegstationen wieder aufgebaut

Er war es aber auch, der sich zur Aufgabe gesetzt hatte, den Anfang des 19. Jahrhunderts noch bestehenden aber mittlerweile verfallenen Kreuzweg in Gelsdorf wieder aufzubauen. Sieben dieser Kreuzwegstationen konnten, unterstützt durch Sponsoren, aber auch und besonders durch die tatkräftige Mithilfe einiger Gelsdorfer Bürger im Dorf verteilt, wieder aufgebaut werden.

Andreas Ackermann, seit 2010 Ortsvorsteher von Gelsdorf, wollte die Initiative von Hermann-Josef Linden aufgreifen und die kulturelle Ausrichtung seines Heimatdorfes, aber auch die Ortsgeschichte nicht in Vergessenheit geraten lassen. So lagen ihm zum einen die Wiederherstellung der fehlenden Kreuzwegstationen, aber auch die weiter zurückliegende Geschichte des Dorfes am Herzen.

Im Jahr 2018 stieß Ackermann beim Stöbern in alten Aufzeichnungen auf ein Duplikat einer Urkunde, in dem Gelsdorf im Jahre 1359 die Stadt- und Marktrechte übertragen wurden. Diese Tatsache wollte er nicht vergessen wissen und so entstand dann schnell die Idee, dieses Ereignis stattdessen gebührend zu feiern. Ihm war aber schnell klar, dass er so etwas nicht alleine bewerkstelligen konnte. So sprach er interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger an, ihn bei dieser Mammutaufgabe zu unterstützen. Gleichzeitig war aber auch die 8. Kreuzwegstation fertiggestellt worden und bereit für die Einsegnung. Andreas Ackermann sah aufgrund der Fülle von Aufgaben nur die Möglichkeit, diese Unternehmungen miteinander zu verbinden und unter einen Hut zu bringen.

Man einigte sich darauf, einen Verein zu gründen, der als Veranstalter für das Jubiläumsfest fungieren konnte, der sich gleichzeitig aber auch für den Erhalt und die Wiederherrichtung der noch fehlenden Kreuzwegstationen einsetzen würde. So trafen sich am 11.01.2019 zehn Gelsdorferinnen und Gelsdorfer zur Gründung des gemeinnützigen Vereins „Zukunft und Geschichte Gelsdorf e.V.“ (ZGG). In den Vorstand gewählt wurden Andreas Ackermann (1. Vorsitzender), Rainer Binz (2. Vorsitzender), Stefan Jöntgen (Schriftführer) und Hermann-Josef Dahlhausen (Kassierer).

Als erste „Amtshandlung“ wurde die Einsegnung der achten Kreuzwegtafel (6. Station: „Schweißtuch der Veronika“) am Meckenheimer Weg vorbereitet, die von Pfarrer Alexander Burg am 28.04.2019 unter Beteiligung einiger Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt wurde. Begleitet wurde diese kleine Feier vom Tambour- und Fanfarencorps Gelsdorf, der mit ein paar Liedern dem kühlen und regnerischen Wetter zu trotzen wusste. Einige Gelsdorferin- nen hatten für diesen Anlass Kuchen gespendet, der trotz Aprilwetters in gemütlicher Runde verzehrt wurde.

Das Team rund um das Fest „660 Jahre Markt- und Stadtrechte Gelsdorf“ (2019): Rainer Binz (von links), Regina Mertens, Andreas Ackermann, Hermann-Josef Dahlhausen, Monika Zocha und Stefan Jöntgen

660 Jahre Stadt- und Marktrechte

Um das geplante Dorffest „660 Jahre Stadt- und Marktrechte Gelsdorf“ im August 2019 durchführen zu können, blieb aber nicht mehr allzu viel Zeit. Also wurde besonders im Vorstand fieberhaft an der Planung gearbeitet. Um die Marktrechte von damals mit aufzugreifen, entstand die Idee eines Dorfflohmarktes, bei dem jeder Haushalt in seiner Einfahrt oder vor seinem Haus Trödel feilbieten konnte. Für die Koordinierung dieser Aktion war schnell Regina Mertens zu begeistern, die auch die Anlaufstelle für diejenigen war, die sich an dieser mittlerweile recht populären Form des regionalen Flohmarktes beteiligen wollten. Zum Fest wurden dann alle gemeldeten Stände im Dorf auf einem Plan markiert, um den Interessenten die Orientierung zu erleichtern.

Auf diesem Plan war auch eine Kinder-Disco vermerkt, aber auch ein kulinarisches Zentrum rund um den „Decke Steen“, dem heimlichen Wahrzeichen des Dorfes. Unter der Leitung des Vereins ZGG e.V. konnten im Vorfeld ein Großteil der weiteren Vereine motiviert werden, sich mit Verpflegungsständen am Fest zu beteiligen, übrigens wohl zum ersten Mal in dieser Zusammensetzung. Als weiteres Highlight konnte man im Pfarrheim auf alten Fotos und weiteren Dokumenten die jüngere Geschichte nachschauen. Monika Zocha hatte diese von alten Gelsdorfer Familien erhalten und sorgsam nach Alter und Themen sortiert und zusammengestellt. Für die Erstellung einer Festschrift musste der Autor dieses Beitrags und Vorstandsmitglied Hermann-Josef Dahlhausen nicht lange überredet werden. Unterstützt von Rainer Binz, der sich um die Werbung kümmerte, konnte er ein umfangreiches Heft zusammenstellen. Umrahmt von Grußworten und weiteren Berichten war darin eine Chronik zu lesen, in der Hermann-Josef Dahlhausen die wechselvolle und überaus interessante Geschichte des Dorfes zusammengefasst hat.

Das Heiligenhaus am Meckenheimer Weg wur- de 2019 eingeweiht.

Nach dem doch recht anstrengenden ersten Jahr des Vereins wollte man es in 2020 etwas ruhiger angehen lassen. Trotzdem standen zum einen die fehlenden Kreuzwegtafeln auf der Agenda. Zum anderen war der Verein vom Grafschafter Heimatforscher Ottmar Prothmann angesprochen worden, einen von ihm sorgfältig zusammengestellten Bildband zu verlegen. Er hat darin alte Fotos und Dokumente sowie eigene Fotos aus den 1970er- Jahren von jedem Haus des alten Gelsdorfer Ortskerns aktuellen Aufnahmen gegenübergestellt. Dieses Projekt konnte dann nach einigen Schwierigkeiten zum Jahresende realisiert und über 100 Bücher davon verkauft werden. Der Erlös der Bücher und der 660-Jahr-Feier konnten dann Anfang 2021 dazu verwendet werden, aus einer Auflösung einer Kirche alte Kreuzwegbilder ähnlich unserer zu erwerben. Als nächstes steht die Suche nach geeigneten Stellen an, auf denen die fehlenden Stationen neu entstehen können.

Anmerkung:

1) Seite „Kultur“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 26. April 2021, 10:42 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kultur&oldid=211328705 (Abgerufen: 16. Mai 2021, 15:59 UTC)