Denkmalschutz und Denkmalpflege sind Zukunftsaufgabe beim Wiederaufbau
Dr. Roswitha Kaiser
Im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler des Jahres 2016 wies Raymund Pfennig auf die reiche baukulturelle Überlieferung in der Ahrregion hin und stellte die Aufgaben von Denkmalschutz und Denkmalpflege in seiner Zuständigkeit als Untere Denkmalschutzbehörde umfassend dar. Er beschrieb sie als Zukunftsaufgabe: Denkmalpflege sei Teil der gelebten Geschichte, aber auch der reichhaltigen Kultur unseres Landes. Sie habe sich von der vergangenheitsorientierten Erhaltung der Altertümer und Bewahrung historischer Kulturzeugnisse hin entwickelt zu einer Wertschätzung der vielgestaltigen Baukultur und ihrer unser Leben bereichernden Vielfalt.
Durch das einschneidende Flutereignis im Juli 2021 haben sich die Lebensumstände der Menschen im Ahrtal dramatisch geändert und doch bleiben Denkmalschutz und Denkmalpflege im Tal der Ahr unverzichtbarer Teil der Zukunftsaufgabe im Rahmen des Wiederaufbaues.
Flutgeschädigte Kulturdenkmäler
Wenige Tage nach dem Flutereignis wurden der Direktion Landesdenkmalpflege seitens der Kreisverwaltung erste Zahlen geschädigter Kulturdenkmäler übermittelt. Die von der Verwaltung erstellte Aufstellung umfasste etwa 220 Schadensfälle der geschützten Baudenkmäler. Erst Anfang August konnte die Untere Denkmalschutzbehörde wegen der schwierigen Zugänglichkeit in Folge zerstörter Verkehrsverbindungen im Ahrtal die ersten Objekte in Augenschein nehmen. Eine intensivere Kontaktmöglichkeit zwischen dem Fachamt der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) in Mainz und den Unteren Denkmalschutzbehörden aller betroffenen Kreise war mit Hilfe von Videokonferenztechnik unter der Überschrift „Baudenkmäler im Flutgebiet“ zeitgleich möglich. Zahlreiche Fragen zu Themen des Schimmelpilzbefalls, der Kontamination von Bausubstanz oder einer Trocknung von durchfeuchteten Kellern und Wänden, die allgemeine Fragen des Umgangs mit den zerstörten und gefluteten Häusern betrafen, standen auf der Tagesordnung.
Zerstörte Hausecke und Freitreppe des Kulturdenkmals Felix-Rütten-Straße 2 im August 2021
Eine gegen Ende des Monats August durchgeführte gemeinsame Veranstaltung vom Institut für Steinkonservierung, Architekten- und Handwerkskammer Rheinland-Pfalz mit der Direktion Landesdenkmalpflege in der Reihe „Tatort Altbau“ vermittelte 350 Teilnehmern Antworten auf deren drängende Fragen. Fachkollegen aus Sachsen konnten von ihren Erfahrungen nach dortigen Flutereignisse berichten und Tipps für die Zuhörer bereithalten.
Auf der Grundlage der von der Kreisbehörde aufgelisteten Schadensobjekte stand die Organisation personeller fachlicher Unterstützung im Spätsommer 2021 an. Mit Hilfe eines Netzwerks erfahrener und denkmalversierter Fachleute sollte eine Ersteinschätzung der Schadenssituationen vor Ort recherchiert werden. Kolleginnen und Kollegen der o.g. Institutionen, ehrenamtliche Denkmalpfleger, freischaffende Restauratoren, Architekten und Ingenieure wurden angesprochen und fanden sich bereit, gemeinsam mit der Denkmalschutzbehörde des Kreises und der Denkmalfachbehörde des Landes in den folgenden Wochen und Monaten insgesamt 160 Kulturdenkmäler zu besuchen und eine Einschätzung zum Erhaltungszustand zu treffen. Nach einem Ampelsystem wurde die Dringlichkeit notwendiger Erstsicherungsmaßnahmen in eigens erstellten Formularen dokumentiert und priorisiert. In derselben Zeit fand in Absprache mit den Denkmalbehörden auch das von acht Hochschulen initiierte Wintersemester im Ahrtal unter der Koordinierung von Prof. Lessing von der Frankfurter Hochschule statt, an dem sich viele junge Studierende bei schwierigen Arbeitsbedingungen voller Engagement diversen Fragestellungen des historischen geschützten Bestands widmeten und als Semesterarbeiten u.a. Aufmaße von Kulturdenkmälern für zukünftige Maßnahmen des Wiederaufbaues erstellten.
Durch die Fluteinwirkung freigelegte bauzeitliche figürliche Skizze im Thermalbadehaus im August 2021
Ein Jahr nach der Flut sind Aufräumarbeiten beendet. Jetzt stehen nach der Entfernung der Schlamm- und Schmutzeinwirkungen Planungen für den Wiederaufbau und teils auch neue Nutzungen der Kulturdenkmäler mit den zuständigen Denkmalbehörden zur Diskussion. Erste denkmalrechtliche Genehmigungen sind erteilt, einzelne geschützte Gebäude haben dank des Engagements ihrer Eigentümer und vieler Helfer den Baustellencharakter bereits hinter sich gelassen und sind bewohnbar.
Von den durch Raymund Pfennig besonders erwähnten Kulturdenkmälern in Bad Neuenahr erlitten insbesondere die hochwertvollen zur Kuranlage gehörenden Bauten aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichteten Gebäude große Schäden. Die für den Badearzt Dr. Teschenmacher 1870 erbaute Villa an der Felix-Rütten-Straße 1 wurde durch die Flut komplett zerstört. Bei der ersten Begehung Anfang August 2021 war von der einst so beeindruckenden im Geiste des Spätklassizismus geplanten Bausubstanz nur noch ein Schutthaufen erkennbar.
Das denkmalgeschützte Nachbargebäude Nr. 2 im Stile des Klassizismus als Residenz des Generaldirektors errichtete Villengebäude büßte Hausecke und kompletten Freitreppenvorbau ein. Die Gründung des durch einen Brand in Mitleidenschaft gezogene Thermalbadehaus, das 1898/99 nach einem Wettbewerb durch die Kölner Architekten Emil Schreiterer und Bernhard Below entstanden ist, wurde durch die Flut so stark geschädigt, dass ein Teilabbruch der Badegänge unvermeidlich sein wird. Im Vestibül mit dem aufwändigen barockisierenden Stuckdekor und in den angrenzenden Räumen des Kurhotels aus dem Baujahr 1913/14 sind die kontaminierten Putzoberflächen der Ziegelwände bis zur Flutwasserhöhe abgeschlagen.
„Das Kurhaus gehört zu den prachtvollsten seiner Art in Deutschland“
Hier, wie auch im gegenüberliegenden prächtigen Kurhaus von Oskar Schütz an der Ahr, errichtet in den Jahren 1903 bis 1905, kamen unter den neuzeitlichen Verkleidungen bauzeitliche wertvolle wandfeste Dekorationen zum Vorschein. „Das Kurhaus gehört zu den prachtvollsten seiner Art in Deutschland und verkörpert den ambitionierten Anspruch des aufstrebenden Kurbades in der Belle Époque. Somit zeugt es von der Blütezeit des Kurbetriebes in Bad Neuenahr. Kunstgeschichtlich ist der Baukomplex darüber hinaus als überaus hochrangiger Vertreter eines malerischen Späthistorismus zu bewerten, der hier mit gelungenen Raumschöpfungen hervorsticht“, so die Beschreibung des Denkmalwertes dieses prägenden und identitätsstiftenden Gebäudes durch die Inventarisation der Direktion Landesdenkmalpflege.
Die Notwendigkeit, insbesondere den unverwechselbaren historischen Kern des Kurbadebetriebs in Bad Neuenahr wiederaufzubauen, ist von den Verantwortlichen erkannt und wird mit großem Engagement angegangen, so die aktuelle Einschätzung der Direktion Landesdenkmalpflege der GDKE in Rheinland-Pfalz.
Dr. Roswitha Kaiser ist Landeskonservatorin der Direktion Landesdenkmalpflege der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz.