Bundeswehr half im Ahrtal auf vielfältige Weise
Bis zu 1.100 Soldatinnen und Soldaten elf Wochen im Einsatz – 300 Fahrzeuge und Großgeräte wie Berge- und Pionierpanzer – 1.200 Tonnen Material per Kfz und 70 Tonnen aus der Luft transportiert
Stefan Weber
Menschen in Lebensgefahr, Überflutungen und Zerstörungen im gesamten Ahrtal, ein großer Verlust an Infrastruktur, die meisten Brücken waren weggerissen oder stark beschädigt – so stellte sich die Lage nach dem Starkregenereignis am 14. und 15. Juli 2021 dar. Der Landkreis Ahrweiler, aber auch die zivilen Hilfsorganisationen benötigten unverzüglich Unterstützung durch die Bundeswehr; zum Bewältigen der Katastrophenlage war personelle und materielle Hilfe, insbesondere mit schwerem Gerät und mit Spezialfähigkeiten unbedingt notwendig. Daher erfolgte gemäß Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes dringende Soforthilfe, kurzfristige Amtshilfe und technische Hilfeleistung durch die Streitkräfte. Zunächst leistete die Bundeswehr Soforthilfe zur Schadens- und Gefahrenabwehr: Im Vordergrund standen die Rettung und Bergung von Menschen aus Notlagen, die Versorgung der Bevölkerung in abgeschnittenen Ortschaften und das Gangbarmachen von Rettungs- und Versorgungswegen.
Es wurden Fahrzeuge benötigt, die abseits von festen Wegen und in überflutetem Gelände Personen aus Notlagen retten und Material transportieren konnten. In der Flutnacht wurden unter anderem mit watfähigen und geländegängigen Sanitätsfahrzeugen Personen in und um Bad Neuenahr in Sicherheit gebracht. Ab Donnerstagmorgen flogen Hubschrauber von der Bengener Heide aus in das Ahrtal, um Menschen von Dächern und Bäumen, auf denen sie die Nacht über ausgeharrt hatten, zu retten. Das Verteidigungsministerium rief am 15. Juli den militärischen Katastrophenalarm aus.
Damit wurden Teile der Bundeswehr für einen unmittelbaren Einsatz in den Überflutungsge- bieten in Bereitschaft versetzt.
In Rech wurde eine Panzerschnellbrücke über die Ahr errichtet.
Bergepanzer Büffel beim Bergen eines Autos nach der Ahrflut
Breites Aufgabenspektrum in der Amtshilfe
In der Folge leistete die Bundeswehr Amtshilfe, unter anderem durch schwere Räumfahrzeuge und Brückengerät, um Straßen und Wege auch für nichtgeländegängige Fahrzeuge passierbar zu machen, Übergänge über die Ahr zu schaffen und dadurch Transportverkehr zu ermöglichen. Damit konnte die durchgehende Versorgung der Bevölkerung, auch in abgeschnittenen Ortschaften, und der Abtransport von Schüttgut gewährleistet werden. Am Nürburgring richtete die Bundeswehr gemeinsam mit dem THW ein Logistikzentrum ein, um von dort aus die Versorgung im Schadensgebiet sicherzustellen. Gemeinsam mit zivilen Hilfsorganisationen, Behörden und Firmen arbeiteten die Soldatinnen und Soldaten kontinuierlich an der Wiederherstellung der Infrastruktur – sowohl des Straßen- und Wegenetzes als auch öffentlicher Gebäude.
Das Aufgabenspektrum für die Bundeswehr war breit gefächert und reichte vom Behelfsbrückenbau über Transportaufgaben, Betriebsstoffzuführung und -ausgabe an mobilen Tankstellen bis hin zu Wasseraufbereitung und „Feldduschen“. Mit Muskelkraft und einfachem Gerät sowie kleinen Baumaschinen befreiten die Soldatinnen und Soldaten Verwaltungsgebäude, Polizeiwachen, Feuerwehrgerätehäuser, Schulen und Kirchen von Schutt und Schlamm, richteten Friedhöfe her. Auch das Helfershuttle wurde für einen längeren Zeitraum administrativ unterstützt.
Soldaten helfen Einwohnern beim Übersetzen per Schlauchboot.
Ein Betriebsstoff-LKW überquert die Panzer- schnellbrücke.
Zusammenarbeit mit der zivilen Seite und Einsatz der Bundeswehr
Das Landeskommando Rheinland-Pfalz der Bundeswehr beriet während des gesamten Einsatzes die zivile technische Einsatzleitung, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion und die Landesregierung Rheinland-Pfalz und führte die militärischen Kräfte vor Ort.
Seit Beginn der Katastrophe war die Bundeswehr mit bis zu 1.100 Soldatinnen und Soldaten aus unterschiedlichen Truppenteilen und Dienststellen aus ganz Deutschland insgesamt elf Wochen im Ahrtal im Einsatz. Rund 300 Fahrzeuge und Großgerät (darunter geländegängige LKW, Berge- und Pionierpanzer, IT-Ausstattung), zehn Hubschrauber, Panzerschnellbrücken, Behelfsbrücken und ein Schützenwimmsteg stehen beispielhaft für den Materialeinsatz der Truppe. Dabei wurden circa 1.200 Tonnen Material per Kfz, knapp 70 Tonnen aus der Luft transportiert und rund 3 Millionen Liter Diesel für alle Helfer vertankt. Ende August kehrte ein Großteil der im Ahrtal eingesetzten Soldatinnen und Soldaten an die Heimatstandorte zurück. Die drei Behelfsbrücken in Insul, Liers und Rech wurden bis Ende Februar 2022 für den Zivilverkehr genutzt und dann durch Pioniere wieder zurückgebaut.
Muskelkraft und Teamarbeit: Aufbau einer transportablen Behelfsbrücke vom Typ Medi- um Girder Bridge
Oberst Stefan Weber, Kommandeur Landeskommando Rheinland-Pfalz, (Mitte) führte und koordinierte die Kräfte der Bundeswehr.
Zivil-Militärische Zusammenarbeit funktioniert
An den vielen Hilfeleistungen, die die Bundeswehr in der Ahr-Region erbracht hat, lässt sich das Spektrum der Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit erkennen. Der Einsatz der Bundeswehr hat gemeinsam mit Feuerwehr, THW, Polizei und weiteren Hilfsorganisationen sehr gut funktioniert.
Oberst Stefan Weber ist Kommandeur Landeskommando Rheinland-Pfalz. Er koordinierte den Einsatz der Bundeswehr im Ahrtal während und nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021.