Landesbetrieb Mobilität widmet sich gezielt dem langfristigen Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur
Projektbüro in Sinzig eingerichtet – 20-köpfiges Mitarbeiterteam konzentriert sich auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sowie Radwege
Birgit Küppers
Nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 standen zunächst Rettung und Bergung von Personen, Aufräumarbeiten sowie die provisorische Wiederherstellung des klassifizierten Streckennetzes (Straßen und Brücken) an vorderster Stelle. „Zerstörte Straßen und Brücken mussten wieder befahrbar gemacht werden; teilweise erfolgte der Aufbau der zerstörten Brücken im ersten Schritt durch Schnellbaubrücken der Bundeswehr“, schildert Stefan Schmitt, Leiter des Projektbüros Wiederaufbau Ahrtal.
Die verkehrssichere Wiederherstellung des Straßennetzes sowie der zerstörten Bauwerke stand sodann im Vordergrund, damit Straßen und Brücken dem allgemeinen Fahrzeugverkehr wieder freigegeben werden konnten. Der Aufbau der Radwegeinfrastruktur erfolgte sodann in einem nächsten Schritt.
Alle Brücken für den Straßenverkehr wurden entweder bereits baulich wiederhergestellt, nach Brückenprüfung wieder freigegeben oder es kamen Behelfsbrücken zum Einsatz. Es bestehen somit hinsichtlich der Brücken keine Lücken im Infrastrukturnetz.
Im Anschluss daran stand die Schadensermittlung ganz oben auf der Tagesordnung. Die Schäden am gesamten Streckennetz der Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sowie den Radwegen und den dazugehörigen Brückenbauwerken wurden vom Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) aufgenommen und dokumentiert.
Die zerstörte Landesstraße 76 zwischen Binzenbach und Kreuzberg im Sahrbachtal wurde auf einer Länge von rund 7 Kilometer wieder aufgebaut.
LBM-Projektbüro nimmt Arbeit auf
Für den langfristigen Wiederaufbau der Straßen und Brücken im Ahrtal wurde ein LBM- Projektbüro mit Sitz in Sinzig eingerichtet. Dieses Büro hat zum 1. Oktober 2021 seine Arbeit aufgenommen und widmet sich seither ganz gezielt dem langfristigen Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur im Ahrtal. Ziel des LBM ist es, ein leistungsfähiges übergeordnetes Straßennetz möglichst schnell wiederaufzubauen. Mit diesem neuen Projektbüro werden wir den Wiederaufbau der Straßen und Brücken so zügig und effizient wie nur möglich gestalten, direkt vor Ort bürgernah unter Beteiligung aller relevanten Akteure.
Während das Anfangsteam zunächst provisorisch in Containern auf dem Gelände der Straßenmeisterei Sinzig untergebracht war, wurden zwischenzeitlich mit Container-Einheiten räumliche Voraussetzungen geschaffen, damit das insgesamt vorgesehene 20-köpfige Mitarbeiterteam konzentriert und effizient die Bundes-, Landes- und Kreisstraßen wiederaufbauen kann.
Wiederaufbau kommt gut voran
Bis zum Jahresende 2021 wurde hier bereits viel erreicht. Während bereits sechs Wochen nach der Flut alle Ortschaften wieder über das klassifizierte Straßennetz provisorisch erreichbar waren, musste die Erreichbarkeit der Ortschaften auch im Winter gewährleistet werden. Daher hatte dies für den LBM in der kalten Jahreszeit oberste Priorität. „So waren wir im Dezember 2021 mit allen Kräften unterwegs und haben in Zusammenarbeit mit den beauftragten Baufirmen die klassifizierten Straßen zunächst einmal durchgängig befahrbar, verkehrssicher und mit Blick auf die kommende Jahreszeit winterfest gemacht“, sagte Schmitt. Hierzu wurde an einigen Stellen, an denen zunächst provisorisch wiederaufgebaut wurde, eine Asphaltschicht aufgetragen. Gerade die B 267 im Ahrtal war schwer beschädigt. In diesem Bereich musste als zentrale Verbindungsstrecke die Verkehrsfähigkeit wiederhergestellt werden.
Meilenstein im Mai 2022 in Sinzig: Zwölf Verbund-Fertigteil-Träger, jeder 35 Meter lang und 60 Tonnen schwer, bilden den tragenden Unterbau für die Fahrbahn und wurden mit zwei Autokränen auf die vorbereiteten Widerlager und Pfeiler der neuen Ahrbrücke eingehoben.
Die Ahrbrücke Sinzig im Verlauf der B 9 kurz nach der Flutkatastrophe
Zwischen Walporzheim und Reimerzhoven wurden die Fahrbahnoberflächen mit einer Asphaltschicht befestigt; für den Bereich zwischen Dernau und Reimerzhoven wurden neben vorgenannten Arbeiten am Asphaltoberbau noch einige Entwässerungsleitungen und Randeinfassungen sowie verschiedene Ver- und Entsorgungsleitungen erstellt. Auch die Fahrbahn in der Ortsdurchfahrt Rech (B 267) erhielt auf 400 Metern eine Asphalttragdeckschicht, damit auch hier der Winterdienst seine Arbeit verrichten kann, wie beispielsweise Schnee von der Straße zu räumen.
Auch die L 77 in den Ortsdurchfahrten Binzenbach und Kirchsahr wurde winterfest gemacht, so dass die Fahrbahn auch hier von den Bürgerinnen und Bürgern noch vor Weihnachten wieder uneingeschränkt befahren werden konnte.
Kurz vor Weihnachten 2021 wurde im Bereich der Gemeinde Schuld eine neu gebaute Notumfahrung (L 73neu) zwischen Schuld und Insul für den Verkehr freigegeben. Damit konnte eine wichtige und verkehrssichere Verbindungsstrecke in der Region wiederhergestellt werden. Die L 73 war von der Flut massiv zerstört worden.
Meilensteine im Jahr 2022
Baulich gesehen waren in 2022 die Fertigstellungen zunächst des Lückenschlusses beim Tunnel Altenahr im Zug der B 267 sowie der Brücke im Zuge der B 9 über die Ahr bei Sinzig die größten Meilensteine – beides Aufbaumaßnahmen an wichtigen Verkehrsadern, die wir direkt nach der Flut mit Hochdruck betrieben haben.
Beim Tunnel Altenahr hatte die Flut die Bundestraße auf einer Länge von mehr als 300 Metern komplett zerstört und einen Krater von acht bis zehn Metern gerissen. Neben der Straße waren auch angrenzende Häuser und ein Stützbauwerk betroffen.
Im Oktober 2021 liefen hier nach dem notwendigen Abriss der einsturzgefährdeten Häuser im Bereich des Tunnel Altenahr die Sicherungsmaßnahmen am Stützbauwerk und der Wiederaufbau des Straßenkörpers an. „Die Planung zur Rekonstruktion der Straße, die Abstimmungen mit den Ver- und Entsorgern, deren Leitungen und Kanäle ebenfalls in die Straße gelegt werden müssen, sowie die bauliche Umsetzung der künftig hochwasserfesten Straße gingen Hand in Hand, so dass die B 267 noch im Sommer 2022 wieder durchgängig befahrbar war“, erläutert Stefan Schmitt.
Aufräumarbeiten im Ahrtal: Zerstörte Straßen und Brücken mussten wieder befahrbar gemacht werden.
Nachdem die Arbeiten der Ver- und Entsorger auf der Ostseite (Richtung Reimerzhoven) Ende Mai ihren Abschluss fanden, erfolgte hier die Fertigstellung des Straßenbaus. Vor dem Tunnel, auf der Westseite (Richtung Ortslage Altenahr), konnten in Abstimmung mit den Ver- und Entsorgern deren noch weiter laufende Arbeiten ebenfalls soweit abgeschlossen werden, dass die alte B 267 (Tunnelstraße) provisorisch wieder hergestellt war und die unterbrochene Verbindung zwischen Reimerzhoven und Altenahr geschlossen und für den allgemeinen Verkehr freigeben wurde.
Zudem wurde der Ersatzneubau der Ahrbrücke Sinzig im Verlauf der B 9 noch im Dezember 2021 angegangen. Hier standen für den Neubau des eingestürzten Teils der Ahrbrücke Bohrpfahlarbeiten zum hochwassersicheren Wiederaufbau dieses Teilbauwerks für den LBM an vorderster Stelle. Im Vorfeld wurden bereits umfangreiche Vorarbeiten zur Herstellung der notwendigen Infrastruktur geleistet, die für einen Einsatz der im weiteren Verlauf der Baumaßnahme benötigten Großgeräte erforderlich waren.
Nächster Meilenstein war der Mitte Mai 2022 erfolgte Einhub von zwölf VFT-Träger (Verbund-Fertigteil-Träger). Die VFT-Träger, im Einzelnen ca. 35 m lang und ca. 60 t schwer, bilden den tragenden Unterbau für die Fahrbahn und wurden mit zwei Autokränen je 500 t auf die vorbereiteten Widerlager und Pfeiler der neuen Ahrbrücke eingehoben. Nachdem die VFT-Träger innerhalb nur eines Wochenendes erfolgreich eingehoben werden konnten, begannen anschließend die weiteren Arbeiten für die Herstellung der späteren Fahrbahn.
Die Ahrbrücke in Sinzig in Fahrtrichtung Süden wurde in der Flutkatastrophe durch die Unterspülung eines Pfeilerfundaments zerstört. Die Pfeiler der neuen Brücke wurden auf 15 Meter tiefen Großbohrpfählen errichtet, um die Wiederholung eines derartigen Schadens sicher zu verhindern. Alle Arbeiten lagen im Zeitplan. Das Teilbauwerk ging im Spätsommer 2022 wieder unter Verkehr.
Am 7. März 2022 begannen die Arbeiten zum Wiederaufbau der L 76 zwischen Kreuzberg und Binzenbach auf einer Länge von rund 7 km. Hier wurde die Fahrbahn aufgrund der Flutkatastrophe teilweise völlig zerstört. Die L 76 wird von Kreuzberg bis Binzenbach in vier Bauabschnitten wiederaufgebaut. Die Maßnahme kommt Ende 2022 zum Abschluss. Darüber hinaus wurden in der Zwischenzeit eine Vielzahl an kleineren Maßnahmen angegangen und umgesetzt; diese sind insbesondere die Instandsetzung von kleineren Bauwerks- und Fahrbahnschäden, um zum einen eine entsprechende Verkehrssicherheit zu gewährleisten und andererseits noch vorhandene Bausubstanz nicht weiter zu schädigen.
Auch für den Ahr-Radweg, der bei der Flutkatastrophe nahezu komplett zerstört wurde, wurde ein erstes Konzept erstellt. Das Konzept lag im Sommer 2022 vor und soll als Grundlage für den Austausch mit Vertretern der Kommunen und des Tourismus vor Ort dienen. Gemeinsam soll die bestmögliche Route für den neuen Ahr-Radweg gefunden werden.
Darüber hinaus galt es, für den Zeitraum bis zur Wiederherstellung des Ahrradweges Zwischenlösungen in Form alternativer Routen zu finden, um insbesondere dem Radfahr-Tourismus im Ahrtal Rechnung zu tragen.
Besondere Herausforderungen
Eine besondere Herausforderung beim Wiederaufbau der Straße war und ist weiterhin insbesondere der zeitliche Aspekt. So müssen die zerstörten Straßen in einer sehr kurzen Zeitspanne entwurfstechnisch komplett neu rekonstruiert und entsprechend dem aktuellen Stand der Technik geplant werden.
Eine entscheidende Rolle spielen dabei auch die erhöhten bautechnischen Anforderungen an die Straße aufgrund der künftigen Hochwassersicherheit/-standfestigkeit. Und nicht zu vergessen die Ver- und Entsorger, deren Netze derzeit ebenfalls mit Hochdruck wiederaufgebaut werden und deren Leitungen zumeist in den Straßen liegen.
Gleichzeitig gilt es, die enormen Schäden zu beheben. „Hier sind wir auf einem guten Weg. Der bevorstehende reguläre und langfrisige Wiederaufbau ist und bleibt eine Mammutaufgabe, die dann auch den Vorlauf von Planungen und zahlreichen Abstimmungen u.a. mit den Behörden, den Gemeinden und Versorgungsträgern benötigt. Der Wiederaufbau braucht seine Zeit; es kann nicht alles gleichzeitig aufgebaut werden. Bei der Vielzahl der Baumaßnahmen muss einerseits der Verkehr teilweise umgeleitet und gleichzeitig die Erreichbarkeit der Ortschaften auch mit Blick auf den vielerorts privaten und kommunalen Aufbau gewährleistet werden. Wichtig ist hierbei auch eine entsprechende Priorisierung der jeweiligen Bauarbeiten“, so Schmitt.
Künftige Bauwerksgestaltung
Vor dem Hintergrund des baukulturellen Aspekts der zahlreichen Brückenbauwerke im Ahrtal (rd. 50 % davon sind/waren Bogenbrücken) wurde seitens des Projektbüros auch die Thematik „Bauwerksgestaltung“ aufgegriffen, um eine möglichst einheitliche Gestaltung aller neuen Brücken im Ahrtal zu erreichen. Unter Beteiligung der Architekten- und der Ingenieurkammer wurde in Kooperation mit der Bahn, der Aufbaugesellschaft der Stadt Bad Neuenahr- Ahrweiler, der Stadt Sinzig und der Verbandsgemeinde Altenahr dazu ein Gestaltungskonzept auf den Weg gebracht.
Der Wiederaufbau in Zahlen
Seit Beginn der Wiederaufbauarbeiten wurden seitens des LBM rund 180 Aufträge an Firmen vergeben. Hier sprechen wir von einem Auftragsvolumen von über 26 Mio. Euro, wobei davon rund die Hälfte bereits für den dauerhaften und endgültigen Wiederaufbau ist (Stand Ende Mai 2022).