Die Flutkatastrophe bietet neue Chancen für die Trinkwasserversorgung
Zweckverband Wasserversorgung Eifel-Ahr: Tallinie zwischen Schuld und Dernau fast vollständig zu erneuern – Biogas künftig für ökologische Wärme- und Stromversorgung nutzbar
Theo Waerder
Der Zweckverband Wasserversorgung Eifel-Ahr ist der Wasserversorger der beiden Verbandsgemeinden Adenau und Altenahr. Er versorgt somit auch die Menschen entlang der Ahr von Dorsel bis Marienthal mit Trinkwasser.
Dies sind rund 40 km Flusslänge und somit rund die Hälfte des gesamten Flusslaufes der Ahr. Der Zweckverband hatte in den letzten Jahren sein Wassertransportsystem und seine Wasser- bezugsquellen stark ausgebaut und sich damit eine sichere Ersatzwasserversorgung aufgebaut, um bei Ausfällen einzelner Bezugsquellen die Wasserversorgung schnell umstellen zu können, damit seine Bürger immer ausreichend mit Trinkwasser versorgt sind. Dieses Sicherungssystem funktioniert aber natürlich nur dann, wenn auch entsprechende Wassertransportleitungen zu Verfügung stehen.
Auf großen Streckenabschnitten werden auch Abwasserdruckrohre für das Abwasserwerk der Verbandsgemeinde Altenahr im Grabenprofil verbaut. Mit der Verlegung anderer Gewerke wird ein Höchstmaß an Synergie erreicht. Das minimiert die Anzahl der Baumaßnahmen und die Eingriffe in die Landschaft. Dies insbesondere dann, wenn diese Infrastrukturtrassen später als Rad- oder Verkehrswege genutzt werden.
Aufgrund der enormen Beschädigungen im Altenahrer Tunnel war auch die Wassertransportleitung zur Unteren Ahr irreparabel beschädigt und teilweise nicht mehr vorhanden. Somit waren die Orte Reimerzhoven, Laach, Mayschoß, Rech, Dernau und Marienthal ohne jedwede Anbindung an ein Versorgungssystem.
Plötzlich 26 von 49 Orten ohne Trinkwasserversorgung
Nach der Flutkatastrophe am 14./15. Juli 2021 waren plötzlich 26 von 49 versorgten Orten ohne Trinkwasserversorgung. Die Ursache war unter anderem eine massive Beschädigung der sogenannten Tallinie – dies ist die Wasser-Transportleitung vom Hochbehälter Nohn nach Dorsel und dann der Ahr entlang bis Marienthal. Aber auch im Sahrbachtal wurde eine zentrale Transportleitung in großen Abschnitten zerstört und fortgespült und führte zu einer massiven Versorgungsstörung im dortigen Versorgungsbereich.
Insbesondere im Bereich Schuld bis Dernau der Tallinie wurde diese auf vielen Abschnitten erheblich oder irreparabel beschädigt bzw. von der Flut vollständig zerstört. Verbliebene Reststücke sind teilweise verschlammt und/ oder mit belastetem Flusswasser gefüllt oder kontaminiert worden und waren somit für eine Trinkwasserversorgung nicht mehr nutzbar.
Zum Teil war auch Heizöl bzw. Heizölgemische in die Leitungen, Anlagen und Systeme eingedrungen, so dass auch diese Kontaminationen das Trinkwasser ungenießbar machten. Aufgrund weiterer einzelner punktueller Schäden an dem Rohrsystem der Tallinie waren aber auch die Ortschaften von Dorsel bis Schuld ohne Trinkwasser.
Schlimmer noch, selbst von der Flut nicht betroffene Höhenorte wie z.B. Aremberg, Reifferscheid, Wershofen, Hümmel oder Hoffeld waren von der Trinkwasserversorgung abgetrennt, da diese über die zentrale Tallinie und entsprechende Pumpwerke in Dorsel und in Antweiler normalerweise beliefert werden.
Auch zahlreiche Ortnetzleitungen und Hausanschlüsse waren in vielen Orten zerstört oder beschädigt. Übergabegebäude, Brückenquerungen und Düker waren ebenfalls in erheblichem Umfange zerstört oder irreparabel beschädigt worden.
In den ersten Tagen nach der Flut waren von den rund 10.800 versorgten Haushalten etwa 5.000 Haushalte vom Versorgungsnetz und damit der Trinkwasserversorgung abgeschnitten.
Erste Maßnahmen
Durch eine Vielzahl temporärer Maßnahmen, Notversorgungen und zahlreiche Provisorien wurde nach der Katastrophe versucht, wieder Brauchwasser – eine leitungsgebundene Trinkwasserversorgung war unter den damaligen Bedingungen überhaupt nicht möglich – in Orte und Häuser zu bringen.
Hierzu wurden zwei Brunnen neu gebohrt, vier Wasseraufbereitungsanlagen installiert, fünf Wasserhochbehälter dauerhaft mit Trinkwasserfahrzeugen beschickt und gleichzeitig mit Hochdruck versucht, Leitungsabschnitte wieder in Betrieb zu nehmen. Die Mitarbeitenden haben hierbei Enormes geleistet, ihren Urlaub verschoben und unzählige Überstunden, teils sieben Tage die Woche, erbracht. In dieser Not war teilweise das Arbeitszeitgesetz außer Kraft gesetzt. Unterstützt wurde der Verband aber auch von externen Unternehmen. Insbesondere andere Versorgungsunternehmen und fachkundige Helfer haben hier wirkungsvoll geholfen.
Aufgrund der enormen Beschädigungen im Altenahrer Tunnel war auch die Wassertransportleitung zur Unteren Ahr irreparabel beschädigt und teilweise nicht mehr vorhanden. Somit waren die Orte Reimerzhoven, Laach, Mayschoß, Rech, Dernau und Marienthal ohne jedwede Anbindung an ein Versorgungssystem. Hier wurden die Hochbehälter Mayschoß und Dernau mit speziellen Transportfahrzeugen stetig mit Wasser befüllt und gleichzeitig eine neue Transportleitung über mehr als 4 km von Kalenborn zu den beiden Hochbehältern gebaut.
Bei Gebäuden und Querungen wurden Notlösungen, Provisorien (Ahrquerung an Pontonbrücke) aber auch dauerhafte Lösungen zum Teil auch mit Horizontalbohrungen zeitnah geschaffen.
Alle Maßnahmen wurden immer wieder an die lokalen Organisationsstäbe von Orts- und Verbandsgemeinden weitergegeben, damit dies in Einklang mit den Bedarfen lag.
Ziel war es, alle Ortschaften wieder leitungsgebunden mit Trinkwasser zu versorgen und die vom Gesundheitsamt erlassenen Abkochgebote wieder vollständig aufzuheben. Dies wurde dann für alle Orte auch nach knapp einem halben Jahr erreicht.
Statt der Provisorien mussten dann dauerhafte, langfristige aber vor allem auch wieder leistungsfähige Systeme installiert werden, da die ersten umgesetzten Maßnahmen in der Regel nicht die Bedarfe der Zukunft decken und auch oft betriebswirtschaftlich unwirtschaftlich betrieben werden mussten und müssen. Gleichzeitig waren und sind erhebliche Reparaturen und Erneuerungen an einzelnen Ortsnetzleitungen, Hausanschlüsse, Armaturen, Schieber, Hy- dranten usw. oder Anlagen auszuführen. Auf- grund begrenzter personeller und/oder externer Kapazitäten eine enorme Herausforderung.
Im Januar 2022 bei Reimerzhoven: Theo Waerder (von links) mit der damaligen Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand, und dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau, Guido Nisius. Der Zweckverband baut hochwasserresilient eine neue Infrastrukturtrasse. Dies bedeutet, dass neben der Trinkwasser-Transportleitung auch weitere Gewerke wie z.B. Trinkwasser-Ortsnetzleitung, Leerrohre für Steuerkabel und Glasfaser, Abwasserleitungen und Gashoch- und Mitteldruckleitungen mitverlegt werden.
Aus der endgültigen Schadensanalyse ergab sich eindeutig, dass die Tallinie nahezu vollständig zwischen Schuld und Dernau zu erneuern war, um wieder geeignete Trinkwassertransportleitungen wie vor der Flut, jedoch in hochwasserresilienten Trassen, zu erhalten. Damit wäre das in vielen Jahren aufgebaute Ersatzwassersystem auch in Zukunft wieder im vollen Umfang nutzbar. Das heißt, auf einer Länge von rund 30 km muss die Wassertransportleitung vollständig, durchgängig und hochwassersicher neu verlegt werden.
Chancen beim Neuaufbau
Eine Neuverlegung kann erfolgen, indem man das ehemalige System wieder so aufbaut, oder aber auch die Chance für Region und Menschen nutzt. Der Zweckverband hat sich für den zweiten Weg entschieden und baut hochwasserresilient eine neue sogenannte Infrastrukturtrasse. Dies bedeutet, dass neben der Trinkwassertransportleitung teils auch eine Trinkwasserortsnetzleitung mitverlegt wird. Weiterhin werden Leerrohre für Steuerleitungen und Glasfaser (der Zweckverband besitzt hierfür seit Jahren eine Annex-Genehmigung der Landesregierung) in demselben Graben verlegt. Auf großen Streckenabschnitten (Altenahr-Dümpelfeld und Mayschoß-Rech) werden Abwasserdruckrohre für das Abwasserwerk der Verbandsgemeinde Altenahr ebenfalls im Grabenprofil verbaut. Mit dieser generellen Vorgehensweise auf allen Bauabschnitten und der Verlegung anderer Gewerke wird ein Höchstmaß an Synergie erreicht. Weiterhin werden hiermit die Anzahl der Baumaßnahmen und die anthropogenen Eingriffe in die Landschaft minimiert. Dies insbesondere dann, wenn diese Infrastrukturtrassen (wie vorgesehen) später als Rad- oder Verkehrswege genutzt werden.
Soweit keine alternativen hochwassersicheren Trassen zur Verfügung stehen, werden geeignete bodenverbessernde Bauverfahren eingesetzt. Der Bau der Infrastrukturtrasse wird auch von der Landesregierung befürwortet. Insbesondere die Zusammenführung diverser Gewerke, die Schnelligkeit und der geringe Eingriff finden dort große Unterstützung.
Aufbau einer Biogasversorgung
Neben den genannten Verlegungen in der Infrastrukturtrasse hat sich der Zweckverband Wasserversorgung Eifel-Ahr auch entschieden, Leitungen für den Aufbau einer Biogasversorgung mitzulegen. So werden auf der gesamten Länge von Dernau bis Schuld je eine Gashochdruck- und -mitteldruckleitung ebenfalls in der Infrastrukturtrasse verlegt. Grundlage dieser Vorgehensweise sind die enormen Schäden, die durch die überwiegende Heizölbenutzung im gesamten Ahrtal entstanden sind und die es zukünftig zu vermeiden gilt, sowie die Überlegungen, die Energieversorgung im Versorgungsgebiet auf eine nachhaltige und regenerative Versorgung umzustellen. Die beiden Leitungen bilden somit das Rückgrat dieser Energieversorgung. Jeder Ort entlang der Trasse kann somit in Zukunft Biogas für eine ökologische Wärme- und Stromversorgung z.B. in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) nutzen.
Gewonnen und erzeugt werden soll dieses Biogas in der zu erweiternden Kläranlage Dümpelfeld, die in Kürze eine Klärgasfaulung erhalten wird (Stand August 2022). Weiterhin soll in unmittelbarer Nähe eine Biogasanlage entstehen, die ausschließlich aus Rest- und Abfallstoffen (Bioabfälle, Landschaftsschnitt, Grünabfälle, Gärreste Weinbau usw.) Biogas erzeugt. Mit einem Wasserstoff-Elektrolyseur soll ergänzend aus Überschussstrommengen Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt werden, wobei der Wasserstoff zur Methanisierung des CO² im Biogas und der Sauerstoff zur Optierung der Kläranlagenprozesse eingesetzt werden soll.
Eine Machbarkeitsstudie hat die Planungen bestätigt. Der Zweckverband ist aktuell dabei, mit den lokalen Energieversorgern Westenergie, Westnetz und EVM die weitere Planung zu konkretisieren und Fördermöglichkeiten bei Bund und Land zu eruieren, damit eine zeitnahe Umsetzung erreicht werden kann.
Theo Waerder ist Werkleiter des Zweckverbandes Wasserversorgung Eifel-Ahr mit Sitz in Adenau