Neues Leben auf totem Land

Kreuzberg
Photo: Landesbildstelle Rheinland-Pfalz

„Wir leben in einer großen und daher harten Zeit. Es ist müßig, sich in wehmütigen Betrachtungen zu ergehen, wenn ab und zu das Einzelschicksal, selbst das Schicksal einer ganzen Dorfgemeinschaft zurücktreten muß hinter die Anforderungen der großen Gemeinschaft des deutschen Volkes.“ So kommentierte ein Kreisleiter das Schicksal der Dorfgemeinschaften, die 1938 ihre Dörfer opfern mußten.

Dörfer wurden geopfert, um der neuen Luftwaffe einen Übungsplatz zu schaffen, auf dem der gezielte Bombenwurf geübt wurde. Nach der Räumung der Dörfer im September 1938 war zunächst das Gebiet ausgeweidet worden, Großunternehmer waren erschienen, brachen ab, nahmen mit, was ihnen wert erschien, denn sie hatten für jedes Haus 1000 Mark bezahlt.

Dann fielen mitten im Frieden die Bomben auf die Reste der Dörfer, die sehr bald aussahen, als sei der Krieg bereits über sie hinweggegangen. Aber bald hatte die Luftwaffe andere Ziele, der Platz wurde im Augenblick nicht mehr so dringend benötigt. Da wurden nun die Felder der toten Dörfer mit Fichten bepflanzt, und wo nicht aufgeforstet wurde, siegte die Wildnis. Brombeersträucher und Wacholder wuchsen da, wo früher fleißige Bauernhände Kartoffeln gesetzt hatten; Wildschweine sahen das Gebiet als ihre Heimat an, sie vermehrten sich unheimlich und bereiteten die Plage vor, die später das Land überfallen sollte.

Dann kam das Kriegsende. Deutschland war kleiner geworden, Millionen Menschen riefen nach Brot. Manche der ehemaligen Bewohner wollten zurück in ihre alte Heimat. Aber man hatte sie einst abgefunden und der Boden gehörte nicht mehr ihnen. Man wußte auch noch keineswegs, was aus dem ganzen Gelände werden sollte. Zum Teil war es Jagdgebiet der Besatzungstruppen, denen es nun als ehemaliges Wehrmachteigentum unterstand. Man munkelte von neuen Übungsplätzen der Besatzung, und Unklarheit herrschte überall.

Dann begannen die ersten der alten Bewohner sich wieder zwischen den Trümmerstätten der ehemaligen Heimat, die für sie Heimat geblieben war, anzusiedeln. Inzwischen waren aber die Millionen Menschen, die im Osten ihre Heimat verloren hatten, auf der Suche nach neuen Lebensmöglichkeiten. Hier schien sich ihnen eine solche zu bieten.

Aber vorerst war noch alles unbestimmt. Zunächst nahmen die Länder der französisch besetzten Zone noch „keine Flüchtlinge auf. Das Schicksal des Platzes war überhaupt noch unbestimmt. Dann aber begann die planmäßige Ansiedlung und bald zog Leben in die toten Dörfer ein.

Die ersten Vorarbeiten begannen. Es wurde geplant und vermessen. So konnte der Siedlungsverband Ahrbrück dann 1952 folgenden Bericht über die Arbeit des Jahres 1951 abgeben:

Das Siedlungswerk Ahrbrück konnte im Jahre 1951 zwar noch nicht zu Ende geführt, aber doch in erfreulichem Umfange weiter gefördert werden. Die Gesamtzahl der Siedlerstellen beträgt 168. Hiervon entfallen auf Rücksiedler 78 und auf Flüchtlinge 90. Von den 168 Stellen konnten im letzten Jahr 127 fertiggestellt und bezogen werden, und zwar 44 von Rücksiedkrn und 83 von Flüchtlingen. Die Wiederbesiedlung von Fronrath wurde von der Landesregierung grundsätzlich gebilligt, so daß in dem Räume Heckenbach sechs weitere Bauernstellen geschaffen werden können. Dadurch wird sich die Gesamtzahl der Siedlerstellen auf 174 erhöhen.

Nach der Größe der Stellen verteilen sich dieselben auf 41 Bauernstellen, 14 Landwirtsstellen, 27 nichtständige Waldarbeiterstellen, 20 Handwerker und Gewerbetreibende und 53 Arbeiter- und sonstige Stellen. Die Arbeiterstellen befinden sich in dem früheren Ort Denn, wo heute zwei leistungsfähige Industrieunternehmen arbeiten, die zusammen weit über hundert Arbeitskräfte beschäftigen.

Im Jahre 1951 wurde auch die Regelung der öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Siedlungsgebietes in Angriff genommen. Die Bildung der neuen Gemeinden wurde vorbereitet und entsprechende Vorschläge dem Innenministerium unterbreitet. Es sind folgende Gemeinden vorgesehen: Kaltenborn, Herschbach mit „Weidenbach, Blasweiler und Heckenbach mit Cassel. Lederbach soll zur Gemeinde Hohenleimbach und Denn zur Gemeinde Brück kommen.

An öffentlichen Gebäuden wurde im Jahre 1951 die Schule in Cassel fertiggestellt und die Kirchen in Kaltenborn und Blasweiler instand gesetzt und eingeweiht. Der Bau der übrigen Schulen in Kaltenborn, Herschbach und Blasweiler ist im Jahre 1952 vorgesehen.

Mit elektrischem Strom wurden Blasweiler, Lederbach, Denn und Cassel versorgt. Die übrigen Orte werden in diesem Jahre an das Stromnetz angeschlossen. Wasserleitungen wurden gebaut bzw. instand gesetzt in Cassel, Blasweiler, Lederbach, Kaltenborn, Weidenbach und Denn.

Auch die Durchführung der übrigen Arbeiten wie Rodungen, Wegebau, Meliorationen, Wildschutzeinrichtungen usw. wurde im Jahre 1951 tatkräftig weitergeführt. Die Siedler konnten im letzten Jahre die erste Ernte einbringen, die infolge günstiger Witterung im allgemeinen gut ausgefallen ist. In diesem Jahre konnten im Siedlungsgebiet ca. 20 000 Zentner Getreide geerntet werden. Auch die Ausstattung der Betriebe mit lebendem und totem Inventar machte gute Fortschritte.

Soweit der Bericht des Siedlungsverbandes. Inzwischen ist auch die große Sorge von den Siedlern genommen worden, daß der Platz wieder für militärische Anlagen benutzt werden könnte. Der Chef der Staatskanzlei, Minister a. D. Dr. Haberer, berichtete darüber in der Staatszeitung vom 26. Oktober 1952:

„Als im Frühjahr 1951 die Verteidigungsbauten und -anlagen in unserem Lande anzulaufen begannen, kam das Gebiet in die Gefahr, wieder eine Rolle im großen europäischen Verteidigungsplan zu spielen, und es tauchte die bange Frage auf, ob nicht auf den ehemaligen Luftwaffenübungsplatz zurückgegriffen und dort neue militärische Anlagen entstehen würden.

Die Furcht vor dieser Frage für die bisherige und weitere Besiedlung war nicht unberechtigt, denn wo einmal militärische Anlagen bestanden, konnten neue errichtet werden. Lange gingen die Verhandlungen hin und her. In Bonn setzte sich der Ministerpräsident energisch dafür ein, daß das Gebiet militärfrei bleiben und der weiteren Besiedlung überlassen werde.

Nun endlich, am 16. Oktober, traf die Nachricht ein, daß nach nochmaliger Überprüfung und Besichtigung des Gebietes und seiner bisherigen Besiedlung in Bonn die Auffassung zum Durchbruch gekommen ist, daß mit einer künftigen militärischen Wiederverwendung des Geländes voraussichtlich nicht zu rechnen ist. Gegen die weitere Besiedlung bestehen keine Bedenken.

Die Landesregierung wird nicht zögern, die Konsequenzen aus dieser offiziellen Mitteilung zu ziehen. Die Siedler werden von einer lähmenden Furcht frei sein, und jener Eifelboden wird wieder zur heimatlichen Scholle für sie und weitere Siedler werden. Daß die Bemühungen der Landesregierung sich nach langem Wanken und Schwanken durchgesetzt haben, darf als ein grundlegender Erfolg gebucht werden. Die grundlegenden Arbeiten werden ohne Verzug anlaufen.“

So kann nun wieder neues Leben auf dem ehemals toten Land blühen.

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