Unschuldig Verfolgte
VON LEHRER HERBER
Schau mit offnen Augen nur
in die lebende Natur!
Findest Stoff für alle Zeit
und du lernst: Bescheidenheit.
„Nur frisch zu Steinen und Knütteln gegriffen und wacker losgeschlagen auf das Gezücht, wie es auch drohend sich hebt und mit schwellendem Halse zischt“, so schreibt Virgil, der größte römische Dichter (70 vor bis 19 nach Chr.). Damit ruft er seine Zeitgenossen in poetischer Sprache auf zu einem unerbittlichen Kampf gegen die Schlangen, insbesondere gegen die Giftschlangen. Wir mögen ihm recht geben, denn auch heute noch sterben in tropischen Ländern jährlich tausende Menschen durch Schlangengift oder sind infolge von Schlangenbissen einem qualvollen Siechtum verfallen.
Aber dann erscheint es doch geradezu paradox, wenn in jenen Ländern mit häufigstem Schlangenvorkommen, in Indien, Malaien, Südchina usw., diesem Gezücht göttliche Verehrung dargebracht wird, noch mehr: allerorts sind ihnen Tempel errichtet, in denen Bonzen sie behutsam hegen und pflegen und ihnen auf Altären die Opferspenden der „Gläubigen“, meist Hühnereier, als Futter reichen. Dieser Kult fußt auf dem Dämonischen, das viele Religionen den Schlangen zuschreiben. Es ist also gleichsam eine Beschwörung der Dämonie, eine Religion der Angst. Abgesehen von den -Schlangen als Sinnbild der Klugheit, der Weisheit, der Fruchtbarkeit, sogar der Ewigkeit, gelten sie besonders in Erinnerung an die Verführung Evas im Paradies als Symbol der Falschheit, des Bösen schlechthin, des Teufels. Letzteres vorwiegend in der christlichen Symbolik. Durch phantastische Ausmalung entstand aus der Schlange der Drache. Gottes Fluch traf sie bei der Ausweisung aus dem Garten Eden. Er lastet auf ihr heute noch unabwendbar, gewandelt in einen unerbittlichen Haß. Verständlich ist, wenn jener Haß die Giftschlangen trifft, nicht zu entschuldigen jedoch ist sein Ausfluß auf die harmlosen Vertreter ihrer und verwandter Sippen. Beklagenswerter Unwissenheit und unverzeihlichem Übermut, abgeschmackten Vorurteilen und böswilligen Verleumdungen, herzloser Rohheit und unbegreiflicher Mordlust sind diese unschuldig Verfolgten ausgesetzt. Man schlägt sie, wo man sie trifft, wenn man nicht vorzieht, in lächerlicher Angst zu fliehen.
Im Sommer dieses Jahres verbreitete eine Tageszeitung unseres Heimatgebietes nach Aussagen von Waldarbeitern aus einem Nachbardorfe von Ahrweiler die Nachricht vom Funde einer fast einen Meter langen Kreuzotter. Angriffslustig habe das Tier sich auf die Schwanzspitze erhoben, um seine Gegner anzugehen. Wohlgezielte Stockhiebe streckten die wütende Schlange nieder. Unter dem 24. 9. 54 brachte die gleiche Zeitung folgende Neuigkeit: „Hilberath. Kreuzotter verursachte Schrecken. Bei der Einfuhr der letzten Getreidehaufen in der Nähe des Ortes sahen sich einige Frauen plötzlich einer Kreuzotter gegenüber. Der Schrecken fuhr ihnen tüchtig in die Beine, zumal die Viper sich angriffslustig hören ließ. Als sie sich später wieder an diesen Ort zurücktrauten, war die Schlange fort. Dies war die erste Kreuzotter, die seit mehr als 25 Jahren um Hilberath gesehen wurde.“ Das sind zwei Beispiele für viele, denen „Helden“ irgend eine Schlange als Kreuzotter totschlugen oder vor ihnen flüchteten. Die Zeitungen melden die Gefahr — bekanntlich ist das wahr, es hat jai n der Zeitung gestanden — und nun werden gemordet:
Kreuzotter
Ringelnattern, Glatte Nattern und die als Schlangen angesprochenen beinlosen Eidechsen, die Blindschleichen. Nach fachkundlicher Prüfung der Zeitungsberichte stellt sich immer wieder heraus, daß es sich in der gebrachten Meldung irrtümlicherweise nicht um eine Kreuzotter, sondern um eine Glatte Natter handele. Dann erfolgen berichtigende Widerrufe, oft unscheinbar gedruckt, von vielen Lesern übersehen. Was hängen bleibt: Es wurde mal wieder eine Kreuzotter erschlagen!
Die Kreuzotter (Vipera berus), die einzige deutsche Giftschlange, erreicht eine Länge von etwa 60 cm. Ihre Nahrung sind vor allem Mäuse, die sie durch einen Biß mit ihren sich etwa alle sechs Wochen erneuernden Giftzähnen tötet. Damit leistet sie einen nicht zu unterschätzenden Dienst im Haushalt der Natur. Das sicherste Kennzeichen der Otter ist ein stets über den Rücken laufendes dunkles Zickzack-Band. Einer ebenfalls dunklen Kopfzeichnung verdankt sie ihren Namen. Ihre Jagdgebiete innerhalb unseres Vaterlandes sind vorwiegend moorige und heidige Landstriche in Süd- und Norddeutschland. Nach einwandfreien Feststellungen der zuständigen Fachwissenschaftler beim Forschungsinstitut, Museum Koenig, Bonn, kommt die Kreuzotter in den linksrheinischen Gebieten nicht vor. Die Gefährlichkeit der Kreuzotter wird bei weitem übertrieben. Gewiß, jedes Tier wehrt sich gegen seine Feinde, darum stößt sie gegen alles, was in ihre Reichweite kommt. Der Biß der Kreuzotter dringt nicht einmal durch Tuchschuhe, geschweige durch Lederschuhe. Es ist bezeichnend, daß in den Kreuzottergebieten die Furcht vor ihnen viel geringer ist als dort, wo sie nicht vorkommt.
Die Schlange, die in unserer Heimat zwar nicht häufig, aber auch nicht allzu selten ist und immer als Kreuzotter angesprochen wird, ist die Glatte Natter, auch Schling-, Kupfer- oder Haselnatter genannt (Coronella austrica). Sie ist größer als die Kreuzotter, erreicht die Länge von etwa dreiviertel Meter, trägt aber als Zeichnung nie ein Zickzackband, sondern eine Doppelreihe dunkler Punkte auf dem Rücken. Eben dadurch gelangt sie in den Verruf ihrer giftigen Artgenossin. Als Hauptnahrung dienen ihr Eidechsen. Zwar ist die Glatte Natter äußerst angriffslustig, richtet sich sofort auf und beißt zu, hat niemals Giftzähne, wird aber als Kreuzotter totgeschlagen.
Haselnatter
In ihrer Lebensweise ähnelt die Glatte Natter, obschon sie vorwiegend ein Ge-birgstier ist, in manchen Punkten unserer häufigst vorkommenden, aber harmlosesten Schlange, der Ringelnatter (Tropidonotus natrix). Sie ist die größte ihrer heimischen Artgenossinnen und erreicht eine Länge bis zu 1,50 m. Aus ihrer meist dunkleren Färbung des Rumpfes stechen die typischen, gelben Mondflecken am Hinterkopf leuchtend ab. Sie begegnet uns in Wäldern und auf der Heide, in Weinbergen und Steinbrüchen, mitunter in unmittelbar Nähe menschlicher Behausungen. Mit Vorliebe hält sie sich in der Nähe kleiner Gewässer auf, versteckt sich zusammengeringelt unter Wurzelwerk, in Dornengestrüpp, in Mauerlöcher oder in seichtem Wasser. Oberaus scheu, flieht sie lautlos vor ihren Feinden, indem sie die Bauchschilder hebt, gegen Bodenunebenheiten stemmt und senkt, die dazu kommende schlängelnde Bewegung erhöht die Geschwindigkeit. Nicht selten enteilt sie schwimmend, dabei den Kopf stets über Wasser tragend. Fortwährend züngelt sie mit der gespaltenen Zunge, die als Antenne wirkt und die Nähe eines Feindes anzeigt. Gelingt es ihr aber nicht, zu entkommen, dann stellt sie sich zur Abwehr, hebt sich oft über die Hälfte ihrer Länge aufrecht, bläst zischend einen widerlich stinkenden Dunst von sich und stößt nach dem Gegner. Dabei scheidet sie meist ihre unbeschreiblich stinkenden Exkremente aus, wodurch selbst der zäheste Angreifer zur Flucht gezwungen wird. Ihr Tisch ist reichhaltig gedeckt. Mäuse, Frösche, Kaulquappen, Molche, kleine Fische und mitunter junge Vögel bilden die Nahrung. Die Beutetiere, die oftmals größer sind als ihr Kopf, werden nicht wie bei den Raubsäugern oder -vögeln zerrissen, sondern unzerstückelt in den Magen gewürgt. Das ist den Schlagen deswegen möglich, weil die Gesichtsknochen nicht verwachsen, sondern durch weit dehnbare Bänder verbunden sind. Abwechselnd die rechte und linke Unterkieferhälfte vorschiebend und mit den leichten Zähnchen festgehalten, gleitet das Futtertier, bald von einer schlüpfrigen Speichelschicht umhüllt, seiner Verdauung entgegen. Der gibt sich die Ringelnatter dann auch behäbig hin und kann dann wochenlang ohne weitere Nahrungsaufnahme leben.
Die Fortpflanzung geschieht durch weichschalige Eier von der Größe- einer dicken Haselnuß, die das weibliche Tier nach vorhergegangener Paarung an geschützte Stellen ablegt, bis zu 30 Stück. Nach der Eierablage kümmert sich die Mutter nicht mehr um ihre Brut. Feuchtigkeit und Wärme vollenden die Entwicklung, und aus dem Ei mitgebrachte Nährstoffe garantieren eine selbständige Lebensweise der jungen, bis zu 15 cm langen Schlängelchen. Während ihres weiteren Wachstums streift die Ringelnatter ihre Haut, die aus toter Chitinmasse besteht, ab; sie „kriecht aus der Haut“. Wir finden dieses „Natternhemd“ dann im rauhen Gestrüpp, zwischen Steinen und Dornen, und erkennen deutlich alle Einzelheiten der Körperumrisse, selbst die durchsichtigen, ungeteilten Augenlider. Die Häutung soll nach Ansicht der Forscher ein recht schmerzlicher Vorgang sein.
Von November bis März hält die Ringelnatter ihren Winterschlaf. Durch das Reichsnaturschutzgesetz von 1935, das auch heute noch volle Gültigkeit besitzt, ist die Ringelnatter unter Schutz gestellt.
„Keine Tierfamilie hat von alters her bis zum heutigen Tag mehr unter der allgemeinen Abscheu der Menschen zu leiden gehabt, keine ist unerbittlicher und mit größerem Unrecht verfolgt worden, als die Kröten. „In der Abscheu vor ihnen, in der blinden Wut, sie zu verfolgen und zu töten, kommen die Gebildeten und Ungebildeten, die Europäer und die Amerikaner, die weißen und die schwarzen oder braunen Menschen vollständig überein. Keiner von ihnen, die mit einem gewissen Selbstbewußtsein ihre Afterweisheit an den Mann zu bringen pflegen, hat sich jemals die Mühe gegeben, das zu untersuchen, von dem er faselt. Gerade die Kröten sind ein überzeugendes Beispiel, was es mit unserer Bildung, der gerühmten, insbesondere mit der Kenntnis der Natur und ihren Erzeugnissen, auf sich hat.“ So schreibt Brehm in seinem „Tierleben“.
Köstlich zu lesen, was der berühmte Schweizer Arzt und Naturforscher Konrad Gesner (1516—1565, Zürich), nach dessen Namen eine große Pflanzenfamilie benannt ist, zu der auch unsere beliebte Zimmerblume, die Gloxinie, gehört, über die Kröten berichtet: „Dises thier ist ein überauß kälts und füchtes thier, gantz vergifft, erschrockenlich häßlich und schädlich.
Junge Ringelnatter
So dises thier gekestiget, wird es zu zorn bewgt, also, daß es den menschen, so es möchte, beseichte, oder sunst mit einem gifftigen schädlichen athem vergifftete. Dise thier sind gantz schädlich und verletzlich mit jrem gibbt: dann so yemants mit jrem seich berürt, so sol solches ort faulen: und nit on große arbeit widerumb heilen. Innerthalb dem leyb ist sy tödlich. Jr ankuchen und gesiebt ist schädlich, dauon di menschen auch gantz bleych und ungestalt werden sollend. Sy vergifftend auch das kraut und laub darab sy frässend. In Britanien ist der brauch, daß man die luftkammern mit bintzen besprengt, die luft zu külen. Als nun ein Münch auff ein zeyt etliche bürdele bintzen mit jm häryn getragen, in die kammer gelegt, dz er den boden damit besprengte, so er wolle, und er nach dem essen sich in den Saal, auff den boden auff den ruggen gelegt zu schlaffen und ruwen, ist eine große Krott auß den bintzen krochen, welche dem München sein maul übersetzt, also, daß sy mit den zweyen vorderen fußen die ober läfftzen mit den anderen die underen läfftzen brgriffen und starck eyngeheckt hat. Die Krotten abreyßen, warr der gäch tod, oder lassen bleyben war grausamer dann der tod. Do habend etlich den radt geben, Man solle den München tragen rügglingen zu dem fänster, ob welchem ein große Spinn jr wupp und näst hat. Das beschach. Sobald die Spinn den feind ersähen, hat sy sich an den faden abhär gelassen auff die Krott, und jren ein stich geben, von welchem sy sehr aufgeblasen, aber nit hinweg gefallen ist. Die Spinn wider zum anderen mal hat den feynd betroffen, welche noch weyter aufgeblassen, aber bliben ist: zum drittenmal hat ’sy sich herabgelassen, die Thaaschen abermal gestochen, von welchem sy abgefallen und gestorben ist. Solche gutthaat und danck hat die Spinn seinem haußwirt erzeiget. Es geschieht auch zu zeyten, daß die menschen unsichtbarlicher weyß etwan eyer von den Krotten oder Fröschen sampt dem wasser oder tranck in den leyb trinkend, welche eyer nachwerts in dem menschen zu Fröschen oder Krotten außge-brütet werdend, welches gantz grausam ist. Solche müssen durch starcke artzney eint-weders oben durch das Unwillen, oder durch den stülgang von den Menschen ge.triben werden.“
Ringelnatter
Blindschleiche
Dazu bemerkt Brehm: „Man begreift in der Tat nicht, wie es möglich gewesen, daß vernünftige Menschen solchen Unsinn erdacht haben können, man begreift noch viel weniger, daß es heute noch Tausende gibt, welche nur zu sehr geneigt sind, derartige abgeschmackte, auf nichts fußende Lügen für wahr zu halten.“ Das schrieb Brehm vor genau 90 Jahren, 1864. Er hätte es aber gerade so gut für die heutigen Zeitgenossen schreiben können, denn 1930, also vor knapp 25 Jahren, brachte die damals in unserem Gebiet verbreitete „Koblenzer Volkszeitung“ folgende sensationelle Nachricht:
„Kind erbrach eine Kröte! Ein elfjähriges Mädchen aus X erbrach, nachdem es schon mehrere Tage über Leibschmerzen zu klagen hatte, eine Kröte. Wahrscheinlich hat das Kind beim Wassertrinken am Bach ein Krötenei mitverschluckt. Die daraus gewordene Kröte suchte auf diesem natürlichen Wege ihre Freiheit. Also sei größte Vorsicht beim Trinken von Bachwasser am Platze.“
Wie sagte noch der alte Glesner?: „Es geschieht auch zu zeyten, daß die menschen unsichtbarlicher weyß etwan eyer von den Krotten oder Fröschen sampt dem wasser oder tranck in den leyb trinkend, welche eyer nachwerts in dem menschen zu Fröschen oder Krotten außgebrütet werdend, welches gantz grausam ist. Solche müssend durch starcke artzney eintweders oben durch das Unwillen, oder durch den stülgang von den menschen getriben werden.“ — — Da erübrigt sich jedes weitere Wort zur Erklärung einer solchen Zeitungsente. Hinzu gefügt sei aber folgendes: In der Roggenernte — es sind zehn Jahre her — glaubte ein Landwirt mir mitteilen zu müssen: „Fand ichjdoch in meinem Kornfeld einen langen, schmalen Streifen abgebissener Halme. Ihre Ähren waren entkörnt, und überall lag die Kaff in kleinen Häufchen umher. Dicht daneben, geduckt auf einem Mauseloch, hielt sich eine „Krat“ versteckt.“ Na, und?“ frug ich. Die Antwort war so, wie sie nicht anders sein konnte: „Dem Biest habe ich es heimgezahlt, mir die Halme abzubeißen und die Körner auszustreifen. Mit der Sensenspitze habe ich ihm den Garaus gemacht.“ Ein Lachen über solchen bornierten Unsinn mußte ich unterdrücken von Mitleid mit dem Manne, mehr aber noch mit dem harmlosen, auf grausamste Art zerstückelten Tier.
Erdkröte
Hier der Steckbrief dieses „überauß kalts und füchtes thiers, gantz vergifft, erschrockenlich häßlich und schädlich“:
Die Kröte (Bufo vulgaris) und die Wechselkröte (Bufo viridis), beide bei uns häufig vorkommend, gehören zu den Froschlurchen, einer Untergruppe der Amphibien. Amphibien wörtlich übersetzt heißt: doppellebig, sie sind also Wasser- und Landtiere gleichzeitig. Im Gegensatz zu den Reptilien oder Kriechtieren, zu welch letzteren auch die Schlangen gehören, machen die Amphibien oder Lurche ihre Entwicklung vom Ei bis zum vollentwickelten Tier im Wasser durch. In diesem Zustand als Larve geschieht die Aufnahme des Sauerstoffes durch Kiemen. Vollentwickelt sind Landtiere, die durch Lungen atmen. Nur zur Ablage ihres Laiches suchen sie das Wasser auf, nehmen dann den Sauerstoff mit der Haut auf und schnappen öfter an der Wasseroberfläche Luft.
Die Erdkröte, im Volke Krat oder Hödsch genannt, ist von plumpem, gedrungenem Körperbau; hinzu kommen dicke, unförmliche Beine. Dadurch werden ihre Bewegungen schwerfällig und reichen höchstens zu unbeholfenen Sprüngen. Ihre Oberseite ist erdfarbig braun; die Unterseite zeigt etwas hellere, ins Graue übergehende Tönungen. Wegen seiner grobwarzigen Haut gleicht das ruhende Tier einem Klumpen Erde. Doch aus dem eintönigen Erdbraun leuchten die goldglänzenden Augen. Lieber Leser, werfe bei Gelegenheit einmal deine Scheu von dir und schaue •in die Krötenaugen! Es scheint, als habe der Schöpfer alle Farben, mit denen er sonst so sparsam bei dem Tier umging, in seinen Augen zu herrlichster Pracht gesteigert.
Das große, tiefgespaltene Maul ist vollständig zahnlos und weichhäutig und die Beutetiere werden mit Hilfe der rasch vorschießenden, etwas klebrigen Zunge gepackt und verschluckt. Vorwiegend kleine Nacktschnecken, Würmer, Spinnen und sonstige kleine Kerfen aller Art bestreiten ihre Speisekarte. Über Tage ruht die Kröte irgendwo versteckt unter Steinen, Schollen, in von ihr erbreiterten Zugängen zu Mauselöchern, in Ackerfurchen und ähnlichen Plätzen. Und nur zur Nachtzeit, wenn wir Menschen ruhen, geht die Kröte auf Futtersuche. Dann fallen Unmengen unserer heimtückischen Schädlinge ihrer kaum beschreiblichen Gefräßigkeit zum Opfer. Dadurch kann ihr
Nutzen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Einsichtsvolle Gärtner in England, die den Wert einer biologischen Schädlingsbekämpfung richtig einzuschätzen verstehen kaufen in großer Zahl die Kröten für ihre Treibhäuser, wohl wissend, daß diese fleißigen Tiere ihre Pfleglinge vor schädlichem Geziefer behüten.
Zu ihrem Schütze vermag die sonst vollständig hilflose Kröte als einziges Abwehrmittel an verschiedenen Körperste’llen durch Drüsen ein wie das Gift des Fingerhutes wirkendes Sekret abzusondern, das auf die Schleimhäute der Angreifer ätzend wirkt. Dazu entleert sie bei unmittelbarer Gefahr ihre Harnblase, wodurch der Feind von ihr ablassen soll.
Bereits Mitte März, sofort nach dem Erwachen aus einem ausgiebigen Winterschlaf, regt sich der Fortpflanzungstrieb. Ein unwiderstehlicher Drang zieht sie hin zum Wasser. Dann finden wir sie oft in großer Gesellschaft mit ihresgleichen sowie mit Fröschen und Molchen in Bächen, Tümpeln, Weihern und Seen, gehorchend jenem Urgesetz der Natur, dem jedes lebendige Geschöpf instinktiv sich unterwirft. Im turbulenten Kampf der Partner entwickeln die auf dem Lande so schwerfälligen Tiere hier im Wasser eine staunenswerte Behendigkeit. Im Gegensatz zu den Fröschen, deren Laich zur Paarungszeit in gallertigen Klumpen am Ufer liegt, sowie den Molchweibchen, die ihre Eier einzeln versteckt zwischen zusammengefalteten Blättchen der Wasserpflanzen verbergen, laicht das Krötenweibchen in langen Schnüren. Ei neben Ei, mehrere Hundert an der Zahl, gut stecknadelkopfgroß, umgeben von einer fast glasklaren Gallerte, werden aneinandergereiht wie die Ferien eines Rosenkranzes. Sich um ihre Nachkommen nicht weiter kümmernd, verlassen die Elterntiere bald wieder ihre Brutstätte. Der Sauerstoff des Wassers bringt die Keimlinge zur Entwicklung. Diese ist in einigen Monaten abgeschlossen. Dann sind aus den Kaulquappen, wie die Larven der Lurche bekanntlich genannt werden, kleine, 1—2 cm große Kröten geworden, die nun als Landtiere einige Jahre bis zur Geschlechtsreife benötigen. Auch die Kröten stehen unter Naturschutz.
„Unter dem Haß, den die Kriechtiere mit Recht oder Unrecht erregten, haben auch die Lurchen zu leiden. Aber kein einziger von ihnen ist schädlich, kein einziger imstande, Unheil anzurichten. Gleichwohl verfolgt und tötet sie Unkenntnis in unverantwortlicher Weise.“ Darum:
Schau mit off’nen Augen nur.
in die lebende Natur!
Findest Stoff für alle Zeit
und du lernet: Bescheidenheit.