der adenauer Viehmarkt
VON DR. HERMANN OTTO PENZ
Wer unser Städtchen besucht, der trifft, ganz gleich aus welcher Richtung er kommt, auf den natürlichen Mittelpunkt von Adenau: den Marktplatz mit seinen bunten Häusern und einem geschäftigen Getriebe, das den Fremden deshalb immer wieder so überrascht, weil er es am Fuße der Hohen Eifel nicht erwartet. Und tatsächlich, mit dem Markt ist unser Städtchen das geworden, was es heute ist. Sicherlich, schon 922 wird sein Name urkundlich erwähnt, aber doch nur im Zusammenhang mit den Grenzangaben für einen kaiserlichen Bannforst, also nur als Waldbauerndorf ohne irgendwelche Bedeutung. Und auch das muß gesagt werden: Die Johanniterritter, die für unsere Gegend in geistig-religiöser Beziehung und als Organisatoren und Lehrmeister in Land- und Forstwirtschaft als Herren der Kommende Adenau gewiß eine große Rolle gespielt haben, gaben nur indirekt den Anstoß zum Entstehen einer neben ihrer Kirche und Kommende wachsenden bürgerlichen Siedlung, den „Flecken“ Adenau. Die Ausstattung dieser Ansiedlung mit gewerblichen Vorrechten, die Verleihung von Marktrechten und Zunftprivilegien verdankt der Ort einzig der kurkölnischen Territorialverwaltung, also dem Landesherrn und seinen auf der Nürburg residierenden ritterlichen Beamten, die von der windigen, rauhen, siedlungsfeindlichen Hochfläche an der Grenze gegen kurtrierisches Land ihr Amt Nürburg verwalteten. Jahrhunderte, bevor die Verwaltung „zu Tal steigt“, d. h. lange vor der Verlegung der Amtsverwaltung von der einsamen Burg in den Talort Adenau, lebt der Marktflecken als wichtiger Handelsplatz sein stadtbürgerliches Leben als bedeutender Nahmarktort, vor allem als Umschlagplatz für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Aber über diese Aufgabe als Austauschplatz für ein großes, rein bäuerlich bestimmtes Umland hinaus, ist er zum Sitz eines in Zünften organisierten, spezialisierten Handwerkertums geworden, das vor allen Dingen Wolltuch aus heimischer Schafwolle und Leder aus heimischen Häuten mit Hilfe heimischer Eichenlohe für den Fernmarkt lieferte.
Diese Entwicklung verdankt der Ort einmal der günstigen Verkehrslage am Fernverkehrsweg nach Trier, am Fuße der Hohen Eifel, die ihn prädestiniert zur Mittlerrolle zwischen Ahrtal, Grafschaft, Rhein und „niederem Land“ einerseits und den un-erschlosseneren Teilen des weiten Hinterlandes der Hochflächen andererseits. Aus der Tatsache der Umbenennung des Amtes Nürburg in „Amt Adenau“ ersieht man nur das Ende einer allmählich gewordenen Entwicklung: Der Marktort in Tallage, der auch geistig-religiöser Mittelpunkt und landwirtschaftlicher Muster- und Lehrbetrieb durch die Johanniterritter geworden ist, zieht die Verwaltung notwendigerweise nach. Aus ursprünglich vier Jahrmärkten und „gewissen Wochenmärkten“, wie es in der Marktrechtsverleihung heißt, sind heute 24 Kram-, Vieh- und Pferdemärkte geworden, die jeweils am 1. und 3. Mittwoch jeden Monats abgehalten werden. Über die rein örtliche Bedeutung hinaus erhielt der Markt von Adenau bald eine Wichtigkeit für andere rheinische und außerrheinische Landesteile als Lieferant für Eifeler Zugochsen und Jungvieh. Die Eifeler Zugochsen waren besonders in den vornehmlich ackerbautreibenden Landschaften des Niederrheins, ja, bis hinunter nach Holland, ein begehrter Handelsartikel, weil sie als stark, widerstandsfähig und genügsam galten, auch das Eifeler Jungvieh, das meist unter dürftigen Verhältnissen und unter rauhen klimatischen Bedingungen heranwuchs, war stets gefragt, und besonders seit Einrichtung des „Fettweidebetriebs“ um 1900 war zum Frühjahr die Nachfrage nach solchem Jungvieh sehr stark. Daneben spielte der Markt mit dem ständigen Anwachsen der Großstädte und ihrer Bevölkerung mehr und mehr eine Rolle als Fleischviehmarkt. Es ist erstaunlich, wie zäh sich die Markttradition in Adenau hält, sicherlich, die Nachfrage nach Ochsen als Zugkraft hat im Zeitalter des Traktors merklich nachgelassen und wird mehr und mehr nur noch eine örtliche Bedeutung haben, aber bei den relativ hohen Preisen, die heute auch für Schlachtvieh gezahlt werden, wandert mancher Eifelochse von Adenau in die Schlachthäuser der Städte; so erklärt es sich, daß immer noch die Auftriebszahlen für Ochsen recht erfreulich hoch sind, was auch vom Jungvieh gesagt werden kann. Relativ gering ist der Auftrieb an Milch- und Fahrkühen, noch geringer der an Pferden, während der Schweine- und Ferkelmarkt an Bedeutung noch ständig zunimmt.
Wer unsere kleine Stadt richtig kennenlernen will, der sollte an einem Markttag zu uns kommen, um zu sehen, wie sich die Aufgaben von Adenau als Markt- und Einkaufsort bis heute erhalten haben.
Er sollte unter die handelnden Bauern und Viehhändler treten und einem Handel, in dem es um ein Joch Zugochsen geht, folgen, er sollte zwischen dem Gequieke auf dem Ferkelmarkt und dem Brüllen der Kälber im Schatten der Marktbäume das „Handeln“ und das Feilschen, das prüfende, das ermunternde Zurufen der Umstehenden oder das mißbilligende Stirnrunzeln oder Böse-Sichabwenden eines Enttäuschten miterleben, nirgendwo wäre er den Wurzeln Eifeler Art näher als hier, und sicherlich würde er nach Beendigung seines Rundganges durch das „Freiluftwarenhaus“ des Krammarktes und die „Tierleistungsschau“ des Gebietes um Adenau erkennen, daß neben den wirtschaftlichen Vorteilen für Stadt und Umland der Markt auch eine mindestens ebenso große Bedeutung als Hort alter Traditionen und Handelspraktiken besitzt, gelten doch hier immer noch das Ehrenwort und der Handschlag mehr unter freien Bauern als alle modernen „Sicherheiten“. Und dies scheint mir das Geheimnis der zähen Langlebigkeit des Adenauer Marktes bis in unsere Tage hinein zu sein: Der Eifeler Bauer sieht nicht nur die Handelsware an, er schließt vielmehr von der Person des Verkäufers auf die Glaubwürdigkeit der Angaben über die Ware und macht sich aus dieser kritischen Prüfung von Ware und Anbietendem sein Bild. So können Leute mit verwerflichen Handelspraktiken nie groß werden auf dem Markt, der Markt aber ist und bleibt das, was er von jeher war: die Stelle, an der alles Tun nach den ungeschriebenen Ehrgesetzen des Volkes unserer Berge abläuft.
Nehmt hin das Brot, doch eh‘ ihr eßt,
Denkt noch der Mühsal, die uns band.
Wer sich auf andere nur verläßt,
Dem gibt Gott nie ein Erntefest!
Nun schließt ums Brot die schwere Hand.