WAHRHEIT UND SAGE UM Schloß Ahrenthal
Von Karl Bruchhäuser
Sinzig, das Sentiacum der Römer, die villa regia der Frankenkönige, die Kaiserpfalz der Hochenstaufen und Direktorialstadt der Herzöge von Jülich, war auch die Wiegenstadt des rheinischen Adels in der Zeit von 1200 bis ins 16. Jahrhundert.
In die genannten Jahrhunderte zurückversetzt, machen wir einen Spaziergang durch das Harbachtal, das Tor zur Eifel, aufwärts. Ausgangspunkt ist die Einmündung der Rheinstraße in die Lindenstraße. Wir bewegen uns auf altgeschichtlichem Boden. Am Laufe des Har-baches siedelten sich die meisten der Sinziger Ritter an. Reste ihrer Wohnsitze oder aber Nachfolgebauten zeugen von der Lage rechts und links des Bachlaufes. Gleich hinter dem unteren Wighaus (gegenüber Haus Bieler) lag der Hammersteiner Hof (Haus Faßbender), links der Manderscheider Hof (Photohaus), an der Straßenkreuzung Koblenzer- Rheinstraße begegnen wir dem Einenberger Hof (Haus Dors) und etwas weiter aufwärts dem Vohlenhof (Haus Kronenberg). An der Einmündung der Tuchergasse in die Rheinstraße steht noch ein Nebenbau der Weiherburg, auch Plettenberger Hof genannt, der nach dem Plettenberger an die Freiherrn von Hillesheim auf Schloß Ahrenthal überging und damit auch an die Familie der Grafen von Spee kam. Weiter aufwärts lagen sich am Bache zwei Höfe gegenüber, nach Westen ein ebenfalls den Hammersteinern gehöriger Hof, der 1417 an den Kurfürsten von Trier fiel. Seitdem hieß er Trierer Hof. Gegenüber lag, in Hufeisenform erbaut, die Martelsburg, auch Thurnburg genannt. Diese Bezeichnungen stammen von zeitweiligen Besitzern der Burg her. Ursprünglich trug sie den Namen „vom Turm“, einem Stadtmauerturm.
Hier wohnten die Ritter vom Turm, die in der Folgezeit den Namen Rollmann trugen.
Die Zahl der Rittergeschlechter in Sinzig war noch größer. Das Grundbuch von 1334 weist wenigstens zehn adelige Familien auf, die in der Sinziger Gemarkung berechtigt waren.
An erster Stelle stand das Geschlecht der „Gerhard von Sinzig“, aus dem die Burggrafen von Landskron hervorgingen. Von gleicher Bedeutung war das Geschlecht, welches seinen Namen der Stadt Sinzig entlehnte und sich „von Sinzig“ oder auch „Ritter vom Turm“ nannte. Diese Ritter führen vom Anfang des 13. Jahrhunderts an auch den Namen Rollmann.
Rollmann L, der Schwiegersohn des schon vor den Rollmännern in Sinzig genannten Ritters Heinrich de Gude, Besitzer des Gudenhauses, besaß am Oberlauf des Harbachs ein Gut Boevendorf, in dem Distrikt Boevenberg gelegen. Dort erbaute er 1330 eine Wasserburg, die er nach Vollendung dem Erzbischof Heinrich von Virneburg von Köln zu Lehen auftrug. Dafür wurde Rollmann vom Erzbischof aus Dankbarkeit mit der Dadenburg (bei Dattenberg) nebst den zugehörigen Weingärten belehnt. Rollmann I. ist wahrscheinlich im Jahre 1336 auf der Boevenburg gestorben.
Sein Nachfolger im Besitz der Burg war der älteste Sohn Heinrich I. von Sinzig, ein Ritter von hohem Ansehen. Im Jahre 1336 noch gestattete der Kaiser seinem Getreuen die Erweiterung der Burg durch Erbauung eines Wehrumganges, Anlage einer Zugbrücke und eines Vorhofes. Eine nochmalige Erweiterung gestattete König Karl IV. zu Mainz auf die Bitte des Erzbischofs von Köln dem Ritter Heinrich.
Das Gebiet der Boevenburg war „allodialer“, d. h. freier, vererblicher Besitz. Ritter Heinrich und seine Gemahlin Agnes setzten 1349 schon fest, daß der älteste Sohn Rollmann nach ihrem Tode-Ahrenthal mit allem zugehörigen Grundbesitz bis nach ‚Franken hin, das Gericht und die Herrschaft Franken, den Hof zu Coisidorf und noch weitere Güter zu Sinzig, Königsfeld, Andernach, Frohnrath, Unkelbach und Kassel erben sollte. Heinrich, der als der eigentliche Gründer des Hauses Ahrenthal zu betrachten ist, starb vermutlich 1362. 1350 wurde die Burg von Boebenburg in Arendal umbenannt. Arendal mit Franken ging über an den Sohn Rollmann II. (1362—1380). In Sinzig erhielt er noch den Gudenhof..
Das Ehepaar Rollmann II./Christine Mirlaer ließ sich vom Papst ein Privileg erteilen zur Aufstellung eines Altares in der Kapelle zu Arendal. Es wurde dadurch neben dem Hauptaltar ein weiterer Altar errichtet.
Rollmann II. fand ein tragisches Ende. Der Erzbischof Friedrich von Köln feierte in Godesberg auf seiner Burg das Weihnachtsfest. Der benachbarte Adel war zugegen. Während des Essens kam es zu einem Wortwechsel zwischen Rollmann und dem Burggrafen Johann von Rheineck. Dieser erstach im Jähzorn den Rollmann in Gegenwart des Erzbischofs. Johann von Rheineck wurde sofort zum Tode verurteilt und schon am nächsten Morgen hingerichtet.
Besitzer der Burg Arendal wurde Heinrich II. (1380—1428). Er war dreimal verheiratet. Erst aus der letzten Ehe hinterließ er eine Tochter, namens Margarete. Heinrich teilte mit seinem Bruder Salentin das Burggebiet und schloß auch einen Burgfrieden mit diesem ab. Salentin überlebte den Bruder Heinrich und mußte sich nun mit Margarete, der Tochter Heinrichs, auseinandersetzen, die ja Erbin war.
Margarete vermählte sich mit Heinrich von Wildberg, dessen Stammburg bei Simmern lag.
Salentin und Heinrich von Wildberg vereinbarten auch einen Burgfrieden, in dem beide Teile für sich und ihre Nachkommen gelobten, die festgelegten Grenzen zu achten, Ruhe und Frieden zu wahren und die Burg, Pforten und Brücken gemeinsam in gutem Zustande zu halten. Damals weilte schon ein Burgkaplan zu Ahrenthal, der lt. Burgfrieden von beiden Parteien Kost und Lohn erhielt.
Die männliche Linie fand ihre Fortsetzung durch Rollmann III. (1444 bis 1470). Seit der Teilung des großen Ahrenthalschen Besitzes bestand bei der männlichen Linie nur noch wenig Interesse an den auswärtigen, insbesondere den rechtsrheinischen Besitzungen. Sie wurden verkauft. Damit ließ dann auch der Einfluß und die Bedeutung der Rollmänner von Ahrenthal nach.
Die Mühle am Wege nach ‚Koisdorf (allgemein Harbachsmühle genannt) wurde vom Nachfolger und Sohn Rollmanns III. namens Salentin II. (1470 bis 1508) schon 1502 veräußert. Mit dem weiteren Verkauf auch der Güter auf der linksrheinischen Seite zu Frohnrath, Kassel und Auel nahm der Einfluß Ahrenthals unter Salentin immer weiter ab. Salentin hinterließ nur einen unmündigen Sohn — Kunibert —, der unter Vormundschaft stand und schon 1512 starb. Damit erlosch die männliche Linie der Rollmanns.
Der ganze Besitz von Ahrenthal fiel an die weibliche Linie, an die Familie Heinrich II. von Wildberg. Diese Linie suchte wieder mehr an Bedeutung zu erlangen. Es folgten sich Hugo von Wildberg (1519—1544), Edmund von Wildberg (1544—1580) und Adolf von Wildberg (1580—1621), der unerwartet starb. So war auch diese Linie erloschen.
Der Kaiser griff ein und belehnte Wilhelm von Eiferen mit dem Besitz von Ahrenthal. Nach kurzer Zeit trat an dessen Stelle Graf Wilhelm von Hillesheim bis 1658. Ihm folgte der Enkel aus erster Ehe Franz Wilhelm Kasper, als Herr zu Ahrenthal und Franken. Dessen Schwester Anna Elisabeth Auguste Marie vermählte sich mit Graf Ambrosius Franz Karl von Spee, 1785 Herr zu Ahrenthal. Seitdem verblieb Ahrenthal im Besitz der Speeschen Familie.
Zur Herrschaft Ahrenthal gehörte im 18. Jahrhundert auch der Ort Franken im heutigen Amte Sinzig und das Dorf Kalenborn im Amte Ringen.
Die Reihenfolge der Herren zu Ahrenthal bis heute ist:
Graf Ambrosius Franz Karl von Spee,
Graf Karl Wilhelm von Spee, + 1810,
Graf Franz Josef Anton von Spee, + 1839,
Graf August Wilhelm Constantin Hubert von Spee, + 1882,
Graf Franz von Spee bis 1888, ging nach Heltdorf, starb ohne Erben,
Graf Wilhelm von Spee, von 1888 bis 1921 in Ahrenthal, danach in Heltorf,
Graf Josef von Spee, ab 1921,
Graf Hubertus von Spee, ab 1925 Herr zu Ahrenthal.
Über das Aussehen der Boevenburg haben wir Kunde erhalten durch den zwischen Heinrich von Wildberg und Salentin geschlossenen Burgfrieden: „Die Oberburg hatte über dem Kellergeschoß fünf Stockwerke, von denen die beiden obersten als Wohnung der Burgwächter und als Kornspeicher dienten. Die „von Ahrenthal “ hatten in dem links von der Haupttüre gelegenen Teil des Burggebäudes eine „Spynde“, eine Stube, und die Küche im untersten Stockwerk sowie drei Räume in den höher gelegenen Geschossen. Ferner werden genannt der Gefangenenturm, das Backhaus, ein vor diesem stehendes Türmchen sowie die mit Fischen besetzten Wassergräben. Ahrenthal hatte ferner eine Vorburg, die nach einer Nachricht vom Jahre 1433 von einem Weiher umgeben war.“
Auf den ersten Bau, die Boevenburg, folgte zu Anfang des 17. Jahrhunderts ein Schloß in regelmäßiger quadratischer Form mit vier runden Ecktürmen. Der Innenhof der alten Burg fiel fort. Alte Teile wurden in den zweiten Bau einbezogen. Es entstand ein hufeisenförmiger Bau, dessen quergelagerter Südflügel zwei Drittel des gesamten Schlosses umfaßte. Die vorgezogenen Flügelbauten waren nur schmal. Nach Norden hin schloß eine starke Mauer den Hofraum ab.
Die Wirtschaftsgebäude lagen innerhalb der Vorburg auf der Nordostecke der Schloßanlage, wo sie sich auch heute noch größtenteils befinden. Die ganze Anlage war von Wassergräben umzogen.
Die erste Burg wurde überdauert von einem Turm, der sich erhielt bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Er mußte dem heutigen, dem dritten Bau an dieser Stelle, weichen. Eine Sage gibt noch Kunde von ihm: Die Sage vom Schloß Ahrenthal.
Als die Freiherrn von Hillesheim Herren zu Ahrenthal waren, im Anfang des 18. Jahrhunderts, wurde an einen Neubau und die Umgestaltung ider weiteren Gebäude und Anlagen gedacht. Der Architekt Breunig, Kurpfälzischer Hofbaumeister, errichtete zuerst statt der bisher unregelmäßigen Vorburg einen regelmäßigen barocken Bau, eine nach Süden, zum Schlosse offene Hufeisenanlage. Vor dem Eingang, in der Achse der Vorburg, entstand am Fuße des Bergabhanges ein fünfteiliger Schuppen. Diesem folgte später ein dreiteiliger Schuppen, der heute zerfallen ist. Die gräfliche Familie bezog die neu entstandenen Hofgebäude als Wohnung. Der Neubau des Schlosses in seiner heutigen Form verzögerte sich noch bis 1880.
Die Schreibweise Arendal wurde im Laufe der Zeit in Ahrenthal geändert.
Martelsburg – erster Wohnsitz von Rollmann