ABSCHIED VON KÖNIGSBERG

Es forderte zum Fackeltanze dich,
Gekrönte Vaterstadt, der grimme Tod.
Wir sahn von seinem Mantel dich umloht
und hörten, wie bei deiner Türme Neigen
Die Glocken sangen deinen Todesreigen,
Und sahen, wie dein Angesicht erblich.

Und sahen schauerlich
Den Pregel schwarz an den verkohlten Pfählen
Vorbei an leeren Hafenstraßen schleichen,
Und sahn, wie Opferrauch am Grab, die reichen
Schätze gesunk’ner Speicher qualmend schwelen,
Und sahen deinen furchtbaren Freier Tod
Aus deiner Gassen leeren Masken starren
Und durch den grauen Rauch stromabwärts fahren
Mit zuckender Beute auf verglühendem Boot.

So sahn wir dich. Und sahn, was uns gehört,
Wie Mutter ihrem Kind, in stummer Klage,
Vom Schnee bestäubt, durch kalte Wintertage
Fremd um uns stehn, gespenstisch und zerstört.
Doch immer noch bedroht von Haß und Neid
Und immer noch in deinem Witwenkleid
Von deinem Feind mit Schwert und Sturm begehrt!

O Angesicht, so bleich und so verstört,
O Stadt, umtobt vom Kampf, durchwühlt von Leid —
Wir wandern fort aus den zerstörten Gassen,
Doch wissen wir, die weinend dich verlassen:

Wenn uns’re Augen dich nie wiedersehn,
Wenn wir vergehn
Mit unserm Blut, mit unserm Hab und Gut —
Daß noch in dir, o Mutter, Leben ist,
Und daß du, Königsberg, nicht sterblich bist!

AGNES MIEGEL