FREUT EUCH DES LEBENS

VON ELISABETH ROSENBAUM

Mag man am Fronleichnamsmorgen von den Kirmesvorbereitungen noch so müde sein, ärgert sich auch ein wenig, aus süßem Morgenschlummer jäh geweckt zu werden, sobald die Musik vorbeizieht, steht man doch hinter der Gardine und — freut sich des Lebens, so wie die Musik es fordert. Von uns Deutschen wird gesagt, daß wir in frohen Stunden traurige Lieder sängen. Umgekehrt kann es auch einmal kommen, und das will ich erzählen. In der Niederhut lebte bei ihrem Bruder, dem Hauderer Nikela Fink, seine unverheiratete Schwester Katrin. Klein von Gestalt, mütterlich besorgt, ging sie resolut durch ihr Dasein. Sie hielt Bruder und Neffen „in der Reih“ und spannte die Pferde ein und aus, wenn ihr Nikela eine eilige Fahrt hatte. War er unauffindbar, so hielt sie ihre Hände trichterförmig vor den Mund und tutete die Niederhutstraße hinauf und herab: „Nikela“, worauf dieser gewöhnlich auf der Bildfläche erschien. An Sonn= und Feiertagen setzte sie sich, der besseren Übersicht wegen, mit ihrem Stuhl an „Sonndags Poez“ (heutiges Schuhhaus Alpen). Sie saß dann regelrecht auf der Straße. Pferdegewohnt, wie sie war, fochten sie die vorbeifahrenden Kutschwagen wenig an. Ein Auto war damals noch eine vielbestaunte und seltene Sehenswürdigkeit. Katrin liebte das Leben und die Abwechslung. Ihr gutes, mütterliches Herz trieb sie allabendlich, dem Ohm und dein Neffen die Bettdecke festzustecken und ihnen Weihwasser zu geben. In ihrer energischen Art malte sie aber zuweilen ihrem Bruder Nikela in den schwärzesten Farben aus, welche Tiere ihn fräßen, wenn sie nicht mehr da sei, um Ordnung zu halten. Sie forderte ihn dann auf, zu beten, daß sie ihn überlebe. Als er dann wirklich vor ihr starb, war ihr Mut gebrochen; das Dasein schien ihr keine Freude mehr zu machen, sie kränkelte. Immerhin stiftete ihr jung gebliebenes Herz testamentarisch für die Jungen, die ihren Sarg tragen würden, „e god Fröhstöck, en Flasche Weng on en Botteramm met Gehacks“. Als sie dann das Zeitliche segnete, wurde dieses Frühstück in einem Hotel wunschgemäß gegeben. Die „Jonge“ ließen es sich gut schmecken. Da man aber nicht auf einem Bein stehen soll, kam zu der Flasche Wein noch etwas hinzu. Zur selben Zeit war in einem hinteren Saale des Gasthofes ein Zuschneidekursus für junge Mädchen. Als bei den Jungen die Stimmung den Höhepunkt erreicht hatte, entsannen sie sich der Worte, daß es nicht gut wäre, wenn der Mensch allein sei. Sie luden die Mädchen ein, ein wenig „mitzutrauern“. Man soll sogar (Bewegung ist gesund), etwas getanzt haben. Weil man aber nicht immer an einem Ort bleiben kann, reifte der Entschluß und kam auch zur Ausführung, ein wenig in die Nachbarschaft zu fahren. Wagen wurden gemietet, und die Gesellschaft fuhr nach Bachern. Dort hat man dann weiter getrauert, und die Sage berichtet, man habe gesungen, wie es einem echten Ahrweiler ansteht: „Freut Euch des Lebens!“ Wer Katrinchen Fink und ihr jung gebliebenes Herz gekannt hat, weiß, daß sie mitgesungen hätte.