Strukturprobleme des Amtes Antweiler

Von Dr. agr. Eugen Kaufmann

Ein beachtlicher Teil agrarischer Gebiete Westdeutschlands ist dadurch gekennzeichnet, daß die wirtschaftliche Tragfähigkeit für die vorhandene Bevölkerung nicht ausreicht. Zu diesen Gebieten gehören auch Teile unseres Kreises Ahrweiler. Wie es sich allgemein um Mittelgebirgslagen handelt, so sind auch bei uns die Höhenlagen des Kreises von dieser Tatsache betroffen. Was hier also vom Amt Antweiler gesagt wird, kann in analoger Weise auf die übrigen Höhengebiete des Kreises Anwendung finden, jedoch hat das Amt Antweiler am meisten unter den Folgen dieser Erscheinung zu leiden.

Zu der Ungunst der natürlichen landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen kommt noch eine unglückliche Struktur der Betriebsgrößen. Die herrschende Erbsitte der Realteilung, die die kleinbetriebliche Struktur verursacht, hat zum Überfluß auch nach einer Flurbereinigung in früheren Jahren die Parzellierung der Flur immer wieder gefördert. Da gewerbliche Arbeitsplätze nur in ganz geringem Umfang vorhanden sind und die schlechte Verkehrserschließung eine Pendelwanderung nach außergebietlichen Arbeitsplätzen erschwert, bleibt die Bevölkerung im wesentlichen für ihren Lebensunterhalt auf die Landwirtschaft angewiesen. Die Produktivität der landwirtschaftlichen Nutzfläche reicht jedoch nicht aus, um dem höheren Anteil der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen ein ausreichendes Einkommen zu gewährleisten. Die kleinen Betriebseinheiten stellen unter den gegebenen natürlichen Verhältnissen keine Ackernahrung dar1). Ohne sich der Übertreibung schuldig zu machen oder mit Phrasen um sich werfen zu wollen, kann gesagt werden:

Es handelt sich in dem besagten Gebiet um einen strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Notstand, der durch Rationalisierung der Landbewirtschaftung allein oder durch Maßnahmen der Agrarpolitik im engeren Sinn nicht beseitigt werden kann. Das Kernproblem besteht im Überbesatz der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und ist nur zu lösen, wenn ihre Zahl wirksam reduziert wird. Die ganze Theorie der Landflucht dürfte damit hier ad absurdum geführt sein. Die sogenannte Landflucht war nämlich nie eine Landflucht, sondern eine Landvertreibung. Sowohl fremde wie familieneigene Arbeitskräfte wurden vom Lande und vor allem aus der Landarbeit vertrieben, weil die Landwirtschaft ihnen auf die Dauer keine befriedigende Existenz bieten konnte. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet ist es kein Fehler, wenn die Landwirtschaft ihre Arbeitskräfte verringert, denn sie ist schließlich auch ein Gewerbe und muß in der gegenwärtigen und künftigen Konkurrenz vor allem unter Wirtschaftlichen Prinzipien ihre Existenz behaupten. Es taucht daher zuerst die Frage nach der zweckmäßigen Wirtschaftsform eines landwirtschaftlichen Betriebes auf. Der Förderung dieser Betriebsform soll nicht zuletzt durch diese Untersuchung gedient werden.

Das Ziel: der gesunde Familienbetrieb

Das Beispiel unserer europäischen Nachbarn mit blühenden Agrarwirtschaften zeigt, daß die wirtschaftlichste Form eines landwirtschaftlichen Betriebes der Familienbetrieb ist. Das Endziel der AgrarStrukturverbesserung muß also die Schaffung von echten Familienbetrieben sein, d. h. Betrieben, die nach Größe und Organisation so geschaffen sind, daß die anfallende Arbeit von den Arbeitskräften einer Familie (2—3 Vollarbeitskräfte) bewältigt werden kann und daraus ein entsprechendes Einkommen als Existenzgrundlage der Familie resultiert.

1) Für den Begriff Ackernahrung, wie er in der Landwirtschaftswissenschaft üblich ist, wird Im folgenden der Begriff Familiennahrung gebraucht, weil m. E. damit verständlicher gesagt wird, daß die Fläche oder der Betrieb zur Ernährung einer Familie ausreicht bezw. nicht ausreicht.

Diese Zielsetzung bedingt eine Verringerung der landwirtschaftlichen Betriebseinheiten. Es leuchtet ein, daß die freiwerdenden Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft ausscheiden müssen.

Mit dem Schlepper beim Streuen von Handelsdünger; beides Sinnbild modernen Landbaues
Foto: H. ESCH

 Daraus ergibt sich, daß eine wirksame Verbesserung der Agrarstruktur nur dann erreicht werden kann, wenn gleichzeitig Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft geschah fen werden. Erst von dem Zeitpunkt an, da im ländlichen Gebiet selbst Industriearbeitsplätze errichtet sind, kommt die Agrarstruktur in Bewegung. Erst dann ist eine wirksame Aufstockung der verbleibenden landwirtschaftlichen Betriebseinheiten möglich. Bei dem derzeitigen Zustand ist jeder Landbesitzer auf die paar wenigen Landstücke angewiesen, weil sie allein ein sicheres, wenn auch kärgliches Einkommen für ihn garantieren. Die nachfolgenden Untersuchungen, die in Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie e.V., Bonn, entstanden sind und mit deren freundlicher Genehmigung hier ausgewertet werden, können einen Eindruck der gegenwärtigen Strukturverhältnisse vermitteln. Die Einsicht in die gegebene Situation dürfte ohne Schwierigkeit die Notwendigkeit zur Anbahnung der angedeuteten Entwicklung erkenntlich machen.

Die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung

Die 20 Gemeinden des Amtes Antweiler haben eine Gesamtbevölkerung von 4 578 Personen. Von diesen sind 2 552 Erwerbspersonen unter 65 Jahren und 498 selbständige Beruflose.

Auf den Wirtschaftszweig Landwirtschaft entfallen i 384 Erwerbstätige, und zwar 464 Männer und 920 Frauen. Da die Frauen sowohl in der Landwirtschaft als auch in den Haushalten der landwirtschaftlichen Betriebe tätig sind, sind je Haushalt und Betrieb 0,8 Personen=Arbeitskräfte abzuziehen. Demnach verbleiben bei 838 landwirtschaftlichen Betrieben 250 voll in der Landwirtschaft tätige weibliche Personen. In der übrigen Wirtschaft sind 908 Männer und 260 Frauen beschäftigt. In Verhältniszahlen ausgedrückt, ergibt sich folgendes Bild: In der Landwirtschaft sind tätig:

54 v.H. aller Erwerbstätigen,
43 v.H. der Männer,
78 v.H. der Frauen.

Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, daß der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung im Bundesgebiet rd. 12 v.H. beträgt. Wenn auch diese Zahlen ein Urteil darüber gestatten, daß es sich um einen überwiegend ländlichen Bezirk handelt, so ist jedoch damit noch nicht auf die Gesundheit der Wirtschaftsstruktur zu schließen. Zieht man jedoch Angaben über die landwirtschaftliche Betriebsgrößenstruktur hinzu, so ist darin ein Einblick zu gewinnen.

Mit dem Holzpflug haben wohl vor 100 Jahren schon unsere Väter den Boden der Heimat bestellt. Die -kleinen Parzellen machen aber den Einsatz eines anderen Gespannes oft unmöglich. Foto: H. ESCH

Die landwirtschaftlichen Betriebsgrößen

Mit der Aussage über die Betriebsgröße allein ist noch nichts über den möglichen Wirtschaftserfolg des Betriebes erklärt. Die natürlichen Voraussetzungen von Boden und Klima beeinflussen entscheidend den Erfolg. Es ist also zunächst zu beachten, unter welchen natürlichen Verhältnissen die Betriebe mit der näher zu untersuchenden Betriebsgröße zu wirtschaften haben. Im ganzen gesehen sind die Böden im Amt Antweiler mit Recht als karge Gebirgsböden zu bezeichnen, die unter den wenig günstigen Klimaverhältnissen bei einem hohen Aufwand von Arbeit und Dünger nur geringe und oft unsichere Ernten ergeben. Die magere und seichte Ackerkrume läßt im Verein mit einer verhältnismäßig niedrigen Jahresdurchschnittstemperatur und einer ungünstigen Regenverteilung während der Wachstumsperiode den Ackerbau oft unrentabel erscheinen, während für eine ausgesprochene Grünlandwirtschaft zu wenig Niederschläge fallen. Man kann im Vergleich mit der übrigen Eifel den betrachteten Bezirk mit den angrenzenden Gebieten als Trockeneifel bezeichnen.

Unter Berücksichtigung der geschilderten natürlichen Verhältnisse ist als volle Acker= oder Familiennahrung ein Betrieb zu betrachten, der wenigstens 10 ha landwirtschaftliche Nutzfläche umfaßt. Die obere Grenze von Nebenerwerbsbetrieben ist mit 2. ha landwirtschaftlicher Nutzfläche anzusetzen. Betriebe, die zwischen dieser Größenordnung liegen, sind als ausgesprochene Quälbetriebe anzusprechen; sie sind zu klein und zugleich zu groß. Sie sind zu groß, als daß sie neben einer anderen Erwerbstätigkeit nach Feierabend noch rentabel bewirtschaftet werden könnten. Auf ihnen quälen sich Frauen und Kinder erfolglos ab, während die Männer anderorts das Bargeld verdienen müssen. Die Betriebe sind aber auch zu klein, als daß eine Familie ausschließlich davon existieren könnte. Sie sind ihren Besitzern nur zur Qual.

Wenn man nach dieser Vorbetrachtung die Betriebsgrößen im einzelnen untersucht, dann ist über die Gesundheit der AgrarStruktur und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bauernfamilien schon genug ausgesagt. Es dürfte interessant sein, die landwirtschaftlichen Betriebsgrößen jeder Gemeinde im einzelnen aufzuführen:

Von den 838 landwirtschaftlichen Betrieben im Amt Antweiler sind also 113 echte Nebenerwerbsbetriebe und nur 62 Betriebe oder 7,4 v.H. haben mehr als 10 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und stellen damit eine volle Familiennahrung dar2). Die übrigen 663 oder 72 v.H. der Betriebe liegen größenmäßig zwischen 2 und 10 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und sind als strukturell ungesund zu bezeichnen, weil sie weder die Forderung einer vollen Familiennahrung erfüllen noch echte Nebenerwerbsbetriebe sind. Nur eine Entwicklung der Betriebsgrößen zum gesunden Familienbetrieb hin kann eine Änderung dieser Strukturmängel und des landwirtschaftlichen Notstandes beseitigen.

2) Von manchen Fachleuten werden als untere Grenze der Familiennahrung für die Eifel 15 ha landwirtschaftliche Nutzfläche angegeben. Dies würde bedeuten, daß keine 2 Prozent der Betriebe eine Familiennahrung bieten.

Stillstand in der Entwicklung zum Familienbetrieb

In vielen anderen Gebieten der Bundesrepublik finden wir ähnliche Strukturprobleme der Landwirtschaft vor. Während aber in den meisten Fällen durch die Ansiedlung von geeigneten Industrien auf dem Land oder durch günstige Pendelwanderung der Sanierungsprozeß in Fluß gekommen ist, muß für das betrachtete Gebiet eine Stagnation festgestellt werden. In der Gemeinde Antweiler waren vor einer Genera-Sion noch drei gesunde Familienbetriebe; heute ist unter 56 landwirtschaftlichen Betrieben nicht e i n echter Bauernbetrieb mit ausreichendem Eigenbesitz. Noch schlechter sind die Verhältnisse z. B. in den Gemeinden Barweiler und Wershofen. Gegenüber Antweiler zeigen sie noch einen ausgeprägten bäuerlichen Charakter, und doch sind nur 1bzw. 4 bäuerliche Familienbetriebe vorzufinden, während vor ein paar Jahrzehnten auch dort noch mehr gesunde Bauernbetriebe existierten. Diese Entwicklung ist demnach gerade gegenläufig zu dem, was man die natürliche Betriebsgrößenentwicklung nennt. Ohne staatliche Einflußnahme haben in den letzten Jahrzehnten die echten Nebenerwerbsbetriebe und die gesunden Familienbetriebe zugenommen, während die Zahl der Grenzbetriebe oberhalb und unterhalb des Familienbetriebes beachtlich abgenommen hat. Die angeführte Darstellung zeigt diese Entwicklung.

Auf die Frage, warum gerade in dem betrachteten Gebiet eine umgekehrte Entwicklung sich zeigt, lassen sich zwei AntWorten finden:

Wer nicht die Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten des Pendeins auf sich nehmen kann, findet in den wenigen Landstücken sein einziges gesichertes Einkornmen, da außer Gelegenheitsarbeiten keine gewerblichen Arbeitsplätze vorzufinden sind. Wenn diese Kümmerbetriebe auch kein bares Einkommen abwerfen, so stellen sie ihren Bearbeitern doch das tägliche Brot.

Außerdem wird diese wirtschaftlich und sozial ungesunde Entwicklung hier aufrechterhalten und begünstigt durch die Realteilung. Doch diese ist keineswegs die angestammte Erbsitte, wenngleich sie die heute herrschende ist. Ohne Schwierigkeiten läßt sich nachweisen, daß ursprünglich in der Eifel das Stockerbentum heimisch war (ein Stock blieb beim Erbgang immer als Betrieb erhalten). Erst durch die Einführung des französischen und damit des romanischen Rechtes durch den Code civil nach der französischen Revolution wurde dieses strenge Anerbenrecht verdrängt. Die Unerschlossenheit des Gebietes und der Charakter als bedrohtes Grenzland während der letzten 150 Jahre als ungünstige Voraussetzung für eine Entwicklung gewerblicher oder gar industrieller Arbeitsplatze einerseits und andererseits die hemmungslose Freiteilbarkeit auf den ertragsschwachen Böden bei einer natürlichen Zunähme der Bevölkerung können als Ursache des gegenwärtigen Zustandes der Agrarstruktur betrachtet werden. So unerfreulich und ausweglos die augenblickliche Situation auch dem erscheint, der sich ernsthaft damit auseinandersetzt oder der unter diesen Bedingungen leben muß, so kann doch gesagt werden, daß die Bevölkerung in bewundernswerter Heimatverbundenheit der heimischen Scholle die Treue hält und dafür auf die Dauer unzumutbare PendelWanderungen auf sich nimmt. Neben dieser lobenswerten Treue zur angestammten, schönen Heimat sollte allerdings auch die Erkenntnis Platz greifen, daß diese unhaltbaren Zustände nicht naturgegeben sind, sondern durch irrige Maßnahmen der Menschen eingeleitet wurden und daß sie daher auch durch menschliches Eingreifen wieder abgeändert werden können. Daß eine solche Maßnahme zur Sanierung der Landwirtschaft in der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu sehen ist, kam wiederholt zum Ausdruck. Eine unabdingbare Forderung der Industrie bei einer Neuansiedlung stellt das Angebot von Arbeitskräften dar. Im folgenden ist zu zeigen, welcher Überschuß an landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Arbeitskräften besteht, begründet im Strukturproblem des Gebietes.

Der Übersatz mit landwirtschaftlichen Arbeitskräften

In der genannten Untersuchung wird ein Sollbesatz an landwirtschaftlichen Arbeitskräften ermittelt und diesem der tatsächliche Besatz jedes einzelnen Betriebes gegenübergestellt.

Danach ergibt sich ein Überbesatz an Arbeitskräften in der Landwirtschaft von 190 Männern und 208 Frauen. Das bedeutet, daß bei den Männern 41 v.H. und bei den Frauen 22,6 v.H. in einem anderen Haupterwerb untergebracht werden müßten, da die Landwirtschaft keine ausreichende Erwerbsgrundlage für sie bietet. Es sind also weit mehr Personen in der Landwirtschaft tätig, als bei einer nur andeutungsweise vorhandenen Rationalisierung beschäftigt sein dürften. Der Arbeitsertrag aller in der Landwirtschaft Tätigen ist demnach so gering, daß sie aus diesem Ertrag ihrer Arbeit nie ihr Brot kaufen könnten. Für den Verbraucher würde das bedeuten, daß er sein Brot nicht mehr zahlen könnte, wenn er all denen, die an dieser Produktion mitgewirkt haben, einen vollen Arbeitsertrag zahlen müßte. Da aber dieser Zustand nur in einem Teilbereich der Landwirtschaft, z. B. hier in der Eifel, herrscht, könnten die Bauern dieses Gebietes entweder nie mehr etwas verkaufen, wenn der Verkaufserlös ihren Arbeitsertrag beinhalten soll, oder aber sie müssen ständig auf den Arbeitslohn verzichten. Weder das eine noch das andere ist auf die Dauer durchzuhalten. Es muß also die Lösung über die Minderung des Überbesatzes wohl oder übel gesucht werden.

Der Überbesatz wird zwar arbeitsmäßig noch in Anspruch genommen, obwohl er, vom Wirtschaftserfolg betrachtet, untragbar ist. Die Hauptursache für den erhöhten Arbeitsaufwand dürfte in der Zersplitterung der Flur und .den arbeitstechnisch unzweckmäßigen Wirtschaftsgebäuden zu suchen sein. Die Bilder zeigen ohne Kommentar sehr deutlich die Richtigkeit dieser Auffassung.

Der Stand der Flurbereinigung und Umlegung

In 15 von den insgesamt 20 Gemeinden wurde eine Flurbereinigung in den, Jahren zwischen 1895 und 1955 durchgeführt. Die gegenwärtige Parzellengröße beträgt im Durchschnitt in diesen Gemeinden weniger als i bzw. 1,5 Morgen. Die Gemeinden Blindert, Hummel und Pitscheid wurden 1939 flurbereinigt. Die Parzellen sind dort im Mittel 4 Morgen groß. Trierscheid und Wiesemscheid schließlich haben im Jahre 1957/58 neue Flurpläne in einer durchschnittlichen Größe zwischen 2 und 4 Morgen erhalten.

Die Flurbereinigungsmaßnahmen sind in den Gemeinden, die vor dem Krieg bereinigt wurden, durch die Realteilung leider wieder weitgehend zunichte gemacht. In vielen Gemarkungen sind noch beträchtliche Wegebauten notwendig. Aufstockungen und Aussiedlungen sind in einzelnen Fällen erfolgt, doch ist die Zahl dieser Maßnahmen noch gänzlich unbefriedigend. In noch wenigeren Beispielen ist die Eintragung in die Höferolle erfolgt (nach unseren Feststellungen haben sich höchstens fünf Betriebe bis jetzt eintragen lassen). Wiederum muß die unerfreuliche Beobachtung gemacht werden, daß das untersuchte Gebiet hinter anderen Gegenden des Bundesgebietes zurückbleibt. Eine Flurbereinigung in einem Dorf der Eifel, dessen Betriebsgrößen im Schnitt zwischen 4—6 ha liegen, ist zwar bitter notwendig, aber für sich allein nicht sehr sinnvoll. Sie bietet den Bauern in erster Linie für einige Jahre eine willkommene Gelegenheitsarbeit. Da die Betriebe aber zu klein sind, können sie nicht in die Höferolle eingetragen werden; sie stellen ja keine Familien= oder Ackernahrung dar. Die Betriebsinhaber werden also auch künftig ihre Betriebe teilen, wie es die Väter getan haben, da die Realteilung geltende Erbsitte ist und jeder Erbe auf ein paar Ackerstücke neben seiner Gelegenheitsarbeit angewiesen ist. Die Gelder zur Aufstockung können nicht in Anspruch genommen werden, da kein Land aus den oben gezeigten Gründen frei wird. Und selbst wenn Land zur Aufstockung zur Verfügung steht, können diese Betriebe nicht in den Genuß der verbilligten Darlehen kommen, da durch den Aufstockungsprozeß noch keine Ackernahrung erreicht wird. Wenn aber soviel Land dazu gewonnen werden könnte, daß eine Familien= oder Ackernahrung entsteht, so kann wiederum nicht die Förderung der Aufstockung einsetzen, da die Belastung für den Besitz zu hoch ist, so: daß die Höhe des Schuldendienstes nach den Richtlinien des Aufstockungsprogrammes nicht tragbar ist. Bei dieser Überlegung kommt man zu dem Ergebnis, weil Land und Leute dieser Gegend arm sind, darum müssen sie arm bleiben. Eine Maßnahme zur Sanierung muß also immer versuchen, die Ursache der Armut zu ergründen und zu beseitigen.

Der Grüne Plan hat bei objektiver Beurteilung auch den Landwirten der Eifel schon viel Gutes gebracht. Das muß jeder ehrlich Denkende bekennen. Aber die Maßnahmen zur Strukturverbesserung der Landwirtschaft können ohne parallel laufende Industrieansiedlung hier nicht wirksam werden, da die Bauern, denen sie helfen sollen, gar nicht vorhanden sind. Zur Genüge wurde herausgestellt, daß die Ursache der schlechten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse die kleinen landwirtschaftlichen Betriebsgrößen und die Realteilung sind, die wiederum durch den gänzlichen Mangel an einer außerhalb der Landwirtschaft liegenden Erwerbsmöglichkeit verursacht sind und hartnäckig fortbestehen. Nur durch die Existenzsicherung eines Teiles der Bevölkerung außerhalb der Landwirtschaft können rentable Betriebsgrößen und gesunde Familienbetriebe entstehen.

Neben den Kleinlandwirten steht aber noch ein beachtlicher Teil der Einwohner des Amtes in nichtlandwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit. Um unseren Entwurf des Strukturbildes abzuschließen, muß zum Schluß diesem Bevölkerungsteil unsere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Die Zusammensetzung der nichtlandwirtschaftlichen Erwerbstätigen

Die Aufgliederung der nichtlandwirtschaftlichen Erwerbstätigen in am Ort tätige Personen, Tagespendler und Wochenpendler ist von hohem Aussagewert für die gesamte Wirtschaftsstruktur. Das Wochenpendeln ist aus soziologischer und wirtschaftlicher Sicht der Pendler selbst, der Familien und der Gemeinden als ungesund anzusehen und sollte unbedingt vermieden werden. Das Tagespendeln erscheint dagegen zunächst als der erstrebenswertere Weg. Bei näherer Beobachtung aber ist festzustellen, daß das Tagespendeln in vielen Fällen eine unzumutbare Belastung darstellt. In nur zwei Gemeinden des Amtes besteht Bahnanschluß. Von den anderen Gemeinden aus muß zuerst die Strecke bis zum Ahrtal überwunden werden. Von dort fahren dann die Tagespendler im Sommer und Winter um 5.00 bzw. um 7.00 Uhr weg und kommen um 19.30 bzw. 20.50 Uhr zurück, um irgendwo an der Unterahr oder am Rhein 8 Stunden zu arbeiten. Der Arbeitsplatz am Ort oder im Nachbardorf ist zwar die optimale, aber in den wenigsten Fällen mögliche Lösung. Unter diesen Kriterien sind die nachfolgenden Zahlen über die Zusammensetzung der nichtlandwirtschaftlichen Erwerbstätigen zu sehen und zu werten.

Aufgliederung der nichtlandwirtschaftlichen Erwerbspersonen im Amt Antweiler

In den untersuchten Gemeinden sind rund 900 männliche nichtlandwirtschaftliche Erwerbspersonen vorhanden. Ein Drittel davon ist am Orte tätig, ein Drittel sind Tagespendier und ein Drittel sind Wochenpendler. Wenn man bedenkt, daß doch der größte Teil der Wochenpendler Familienväter sind, so ist ohne viel Worte klar, daß es sich hier nicht nur um einen Notstand der Wirtschaftsstruktur handelt, sondern daß auch viele soziale Spannungen, unnötige Belastungen und Gefahren für die Famllie auftreten. Unter den Tagespendlern sind die Jugendlichen in der Überzahl. So unerfreulich und sicher nicht Jugendfördernd das lange Fahren ist, so ist bestimmt das lange Tagewerk auch gesundheitlich schädigend.

Wenn in der Zeichnung dieses Strukturbildes ein unerfreulicher Zustand klar herausgearbeitet wird, dann ist es auch sinnvoll, auf Möglichkeiten zur Behebung dieses ungesunden Zustandes hinzuweisen. Dies geschah wiederholt, indem angedeutet wurde, daß der Mangel an Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft die Ursache für den landwirtschaftlichen, allgemein wirtschaftlichen und den sozialen Notstand ist. Dies kann mit letzter Deutlichkeit gezeigt werden, wenn man den Gesamtmangel an Arbeitsplätzen feststellt.

Der Gesamtmangel an industriellgewerblichen Arbeitsplätzen

Als erste Gruppe der Personen, denen die Heimat keinen Arbeitsplatz bieten kann, sind in ihrer Gesamtheit die Wochenpendler zu nennen. Hinzu kommt der überwiegende Teil der Tagespendler. Selbst wenn die Bezahlung außerhalb des Heimatbereiches besser ist, so bedeutet das Pendeln einen Mehraufwand an Geld, an Kraft, an Zeit und unangenehmen Umständen und Folgeerscheinungen, der in keiner Weise durch einen höheren Stundenlohn ausgeglichen werden kann.

Die zweite Gruppe der Personen, denen ein echter Arbeitsplatz fehlt, sind jene, die als sogenannter Überbesatz in der Landwirtschaft tätig sind. In der Untersuchung der Forschungsgesellschaft wurde die Zahl dieser männlichen Arbeitskräfte mit 190 und die der weiblichen Arbeitskräfte mit 208 festgestellt.

Faßt man die Zahlen beider Gruppen, die der Wochenpendler und die des landwirtschaftlichen Überbesatzes zusammen, so erhält man die Gesamtarbeitsreserve eines Bezirkes oder, negativ ausgedrückt, den Gesamtmangel an Arbeitsplätzen in demselben. Die Tagespendler sollen in der Zahl nicht erfaßt werden, weil man darüber streiten kann, ob ihr Arbeitsplatz außerhalb einer zumutbaren Entfernung liegt, solange er sich noch im Kreisgebiet befindet, wenngleich viele Stunden Anmarschweg erforderlich sind. Faßt man nur die beiden genannten Gruppen im Amt Antweiler zusammen, dann fehlen insgesamt Arbeitsplätze für 483 Männer und 317 Frauen. Diese Zahlen gewinnen an Bedeutung, wenn man sie ins Verhältnis setzt zur Gesamtzahl der männlichen bzw. weiblichen Erwerbspersonen. So betrachtet, haben 35 unter 1oo Männern und 27 unter 100 Frauen keinen Arbeitsplatz im heimatlichen Gebiet. Für die einzelnen Gemeinden sind die absoluten Zahlen und die Verhältniszahlen in der folgenden Übersicht erfaßt.

Die tatsächliche Arbeitslosigkeit im Amt Antweiler zu einer Zeit der schon jahrelang anhaltenden Vollbeschäftigung im Bundesgebiet beweist, daß der Mangel an Arbeitsplätzen im Heimatgebiet immer wieder zur Arbeitslosigkeit überhaupt führen muß. Bei einer Einwohnerzahl von rd. 5000 Personen flössen in den letzten Jahren jährlich 450 ooo,— DM Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorge in den Amtsbezirk. Wenn man diese Zahl zerlegt, ergibt sich, daß bei einer Arbeitslosenunterstützung von 60,— DM je Woche und Arbeitslosen die Hälfte des Jahres (25 Wochen) 300 Arbeitskräfte arbeitslos sind. Faßt man alle Erwerbstätigen zusammen, so bedeutet dies, daß ein Fünftel der Erwerbstätigen in» und außerhalb der Landwirtschaft das halbe Jahr Arbeitslosenunterstützung bezieht. Es wäre falsch und ungerecht und würde von vollkommener Ahnungslosigkeit der wirklichen Gegebenheiten zeugen, wollte man das Vorhandensein dieser Arbeitslosen mit Arbeitsscheu begründen. Die Verhältnisse verdammen oft den fleißigsten Familienvater zur Arbeitslosigkeit.

Schluß

Vielleicht ist durch das Zusammentragen dieses umfangreichen Stoffes der Nachweis gelungen, daß es sich in dem besagten Gebiet „um einen strukturellen, Wirtschaftlichen und sozialen Notstand“ handelt. Diesem aufgezeigten, vorab wirtschaftlichem Strukturbild, sollte eigentlich noch ein Entwurf der religiösen, kulturellen und zivilisatorischen Situation folgen. Es erscheint jedoch nicht angemessen, diese Fragen unter dem gestellten Thema zu behandeln.

Wir alle wissen, daß die Entscheidung über die Freiheit des Westens und die Erhaltung der abendländischen Kultur in den Notstandsgebieten der unterentwickelten Länder fallen wird. Es ist das Gebot der Stunde, dort die uns heiligen Güter zu verteidigen. Dies geschieht nicht durch Almosen, sondern durch Maßnahmen, die die Ursache der Armut dort beseitigen helfen. Dies brauchte uns aber nicht zu hindern, durch geeignete Maßnahmen und Anstrengungen auch die Notstandsgebiete der Heimat zu sanieren.

Foto: H. ESCH
Eine moderne Hofanlage: arbeitssparend und wirtschafllich und doch schön. Hier ist es eine Freude Bauer zu sein, auch in der Eifel.