Die Schweppenburg im Brohltal
Nach einer Zeichnung von Traut
Wandert man von Brohl her ins liebliche Tal des Brohlbachs hinein, so erblickt man an der steil aufragenden Nordflanke des sich verengenden Tales bald ein zierliches Barockschlößchen, dessen helle Wände sich vom waldigen Hintergrund abheben: die Schweppenburg. Bei näherem Zusehen erkennen wir in der Talwand hier und da zerbröckelnde Weinbergsmauern, jedoch keine Spur mehr von Weinreben, wie denn im ganzen Brohltalbereich der Weinbau seit einem halben Jahrhundert gänzlich zum Erliegen kam. Talaufwärts, unmittelbar hinter dem Schloß, zeigen sich bizarre Traßhorste und =höhlen. Der Abbau dieses vulkanischen Auswurfprodukts, den hier schon die Römer betrieben, ist seit Jahrzehnten fast ganz eingestellt. Die zahlreichen Traßmühlen, deren Gepolter einst das Tal erfüllte, sind zu Ruinen geworden. Wir betrachten das Schloß mit seinen Volutengiebeln und den von welschen Hauben gekrönten Ecktürmchen. Seine heutige Gestalt erhielt es durch einen Umbau im Jahre 1639 unter Bertram von Metternich. Dadurch verlor es den Charakter einer Wehrburg, den es vordem besaß. Der alte Teil der Burg, dessen Fundamente fünf Fuß dicke Mauern aufwiesen, lag talaufwärts und war mit vier gotischen Flankierungstürmchen geziert, Nach dem Umbau diente er als Wirtschaftsgebäude. Er wurde 1785 niedergelegt und später durch die jetzt vorhandenen unschönen Bauten ersetzt unter Graf Rudolf Constanz, Freiherrn von Schweppenburg. Jene erste Schweppenburg wird zwar in der Mitte des 14. Jahrhunderts erstmals in Urkünden erwähnt, dürfte jedoch schon viel früher bestanden haben. Sie beherrschte den hier vorhandenen Engpaß des Brohl“ tales. Der eigenartige Name der Burg gibt uns Rätsel auf. Den Ortsnamen „Schweppenhausen“ (bei Windesheim, Kr. Kreuznach) glaubt Fr. Seuser (Rheinische Namenskunde) auf den germanischen Volksstamm der Sueben (Schwaben) zurückführen zu dürfen. Bekanntlich besiegte Julius Caesar die Sueben unter Ariovist bei Mühlhausen im Elsaß. So könnte die Benennung der örtlichkeit in die Zeit der Völkerwanderung zurückreichen. Als ersten Adeligen, der sich „von Schweppenburg“ nannte, finden wir einen Arnold von Schweppenburg, Schöffen in Andernach, im Jahre 1366 erwähnt. Dieser empfing dieses kurkölnische Lehen im Jahre 1377 mit der Mühle, die heute noch unmittelbar am Fuße der Burg existiert, einem Weinberg und Garten hinter der Burg und einem Burglehen zu Andernach von dem Erzbischof von Köln, Friedrich von Saarwerden. Es ist jener Kirchenfürst, der wenige Jahre zuvor (1372) die Burg Neuenahr hatte zerstören lassen. 1420 war es wiederum ein Arnold von Schweppenburg, der dieses Lehen empfing. Ihm folgte 1439 sein Sohn Arnold im Lehensbesitz. Dieser dritte Arnold empfing von Erzbischof Theoderich außerdem ein Burglehen zu Rheineck, das 6 Mark eintrug und die „Kircheugift“ und den Zehnten zu Niederlützingen. Wir finden seinen Namen auch in Verbindung mit dem Kloster Buchholz bei Burgbrohl im Jahre 1447, wo der dortige Propst ihm eine Schuld seines Vorgängers in Höhe von 14-Gulden zurückerstattete. Bei seinem Sohn Friedrich, genannt von Smetberg, der das Lehen 1465 unter Erzbischof Ruprecht von der Pfalz übernahm, lautete die Aufzählung des Lehensbesitzes; „. . . mit dem Schloß Schweppenburg, mit einer Moelen, darunter angelegen, mit einem Wyngart, genannt der Moelenwyngart, mit einem Burglehen zu Andernach, als wine Amt von Schweppenburg, sein Vatter, dat von Unseren Vorfahren zu Lehen empfangen . . .“ Zwei Jahre später wurden dem Friedrich von Schmidberg=Schweppenburg vom selben Erzbischof „seiner sonderlichen getreuen Dienste willen“ auch der Turm, d. i. das Burghaus, der Kolb zu Ahrweiler und außerdem Güter zu Vettelhoven übertragen. Im selben Umfange wurde Friedrichs Sohn Clas von Schweppenburg im Jahre 1468 belehnt. Des Clas einzige Tochter und Erbin Elisabeth heiratete in erster Ehe den Gotthard Kolb von Vettelhonen und in zweiter Ehe einen Peter von Lahnstein. Aus der ersten Ehe ging ein Sohn mit Namen Emmerich hervor, der die Burg zu Lehen erhielt. Dieser Emmerich von Schweppenburg heiratete die Apollonia von Blankart-Ahrweiler. Nach Emmerichs Tode erhielt beider Sohn Thomas das Schweppenburger Lehen im Jahre 1564. Dieser Thomas Kolb zu Schweppenburg ehelichte die Tochter Dorothea des Anton Husmann, Burgherrn zu Namedy. Aus dieser Ehe ging nur eine Tochter, Anna Maria, hervor. Nach dem frühen Tode des Vaters empfing für diese Erbin deren Vormund Hans Dietrich von Metternich das Lehen Schweppenburg im Jahre 1590 durch den Kölner Kurfürsten Ernst von Bayern. Anna Maria heiratete den Sohn ihres Vormundes, den Degenhard von Metternich zu Brohl (Rhein), und brachte diesem die Schweppenburg zu.
Der aus dieser Ehe hervorgegangene Sohn Bertram trat zunächst das Erbe der Schweppenburg an. Er war es, der um 1638/39 die alte Wehrburg teilweise niederlegen und durch ein Schloß im Zeitgeschmack ersetzen ließ, wie schon eingangs erwähnt. Der Erneuerer der Schweppenburg starb ohne Erben. Seine Grabplatte befindet sich heute auf Schloß Brohleck in Brohl. Sein Erbe fiel an den Bruder seines Vaters Degenhard, den unvermählten Wilhelm von Metternich, dessen Grabplatte an der Kirche zu Niederlützingen besagt: „Anno 1661, den 4. August, ist der wohlgeborene Herr Wilhelm von Metternich, Herr zu Schweppenburg, Herr zu Hüls und Roth, Kurfürstlicher Durchlaucht zu Cöln Cämmerer und Fürstlich Essenscher Amtmann zu Breysich, in Gott selig verstorben.“ Von den drei Töchtern Degenhards, die nunmehr erbberechtigt waren, erhielt die jüngste, Maria Amalia, die Schweppenburg und brachte sie ihrem Gemahl Albrecht von Loen zu. Beider Sohn, Johann Albert von Loen, Herr zu Rahde (Rath) bei Düren, Olpe und Ahr, Miterbe zu Hüls und Schweppenburg, ging die Ehe ein mit Christine Agnes von Asbeck. Dem einzigen aus dieser Ehe entsprossenen Sohn Johann Werner, der sich mit Maria Agathe, Tochter des Johann Edmund Freiherrn Walpot von Bassenheim zu Königsfeld, verheiratete und später noch eine Ehe mit einer Tochter des Hauses Vorst=Lombeck einging, blieb der Erbe versagt. Dieser Johann Werner von Loen verkaufte am 5. Juni 1716 die Schweppenburg. Ehe wir die Geschichte der Schweppenburg unter der neuen Herrschaf t beleuchten, wollert wir den Besucher noch auf einige Einzelheiten hinweisen, die am Baukörper der Burg sichtbar sind und an die Zeit vor 1716 erinnern: Über dem Türsturz zum Eingang, ins Hauptgebäude lesen wir:
„MISSFELTS • DIER
SO • GEFELST • MIER“
In das südliche Edktürmchen ist ein Wappenstein eingemauert, der aus der Ruine Olbrück im Brohltal stammt und die Inschrift trägt:
J(ohann) S(chweikard) W(albot) V(on)
B(assenheim) H(err) Z(u) O(lbrück)
DOM(herr) ZV MENTZ (Mainz) 1641″
Unter dem Glöckchen sagt ein anderer Wappenstein:
„B(ertram) V(on) B(rohl) H(err) Z(u)
H(üls) RJ(ittmeister) 1637″
Ein großes Wappen in der Mitte zeigt drei Muschelschalen der von Metternich, ein kleineres weist drei Hämmer und ein Herz auf, das Wappen von Kolb=Vettelhoven, rechts unten das Johanniterkreuz der Husmann von Namedy.
Käufer war der Kölner Patrizier Rudolf Adolf von Geyr. Er erlegte die Summe von 8000 Reichstalern spec. a 80 Albus und 100 Pistolen in Gold. Er entstammt einem westfälischen Geschlecht. 1717 erreichte er seine Erhebung in den Reichsritterstand und 1743 sogar in den erblichen Reichsfreiherrnstand. Dem Namen seines Geschlechts fügte er die Bezeichnung „Schweppenburg“ zu. Das Geschlecht der von Geyr zu Schweppenburg besteht noch heute und die Burg ist im Besitz eines seiner Glieder. Über dem Torbogen, der in den Burghof führt, sehen wir das Wappen der Geyr zu Schweppenburg: einen schwarzen, nach links schauenden Geierkopf auf goldenem Grunde, darüber eine goldene Krone, deren fünf Zacken in Perlen endigen, dabei die Jahreszahl 1750.
Auf Grenzsteinen in den nahegelegenen Waldungen begegnen wir häufig dem Schweppenburgischen Geierkopf. In ihrer heutigen Gestalt bildet die Schweppenburg einen Schmuck des an sich schon malerischen Brohltales. Unverkennbare Zerfallserscheinungen bedrohen das historische Kleinod. Zu bedauern ist der im Jahre 1785 erfolgte Abbruch des westlichen Burgteils.
Eine heitere Episode, die sich an die Burg knüpft und sich in der Franzosenzeit zutrug, möge den Schluß unseres heimatgeschichtlichen Beitrages bilden: Als die Heere der französischen Revolution im Jahre 1794 an den Rhein vordrangen, waren die Bewohner der Schweppenburg auf die andere Rheinseite geflohen. Nur der etwas wunderliche Burgkaplan, Sackmann mit Namen, blieb dort. Er verbarrikadierte sich in der Burg, zog die Zugbrücke hoch und legte neben einigen alten Vorderladern aus der Sammlung des Schloßherrn auch etliche handliche Steine als Wurfgeschosse zurecht. Als eine Horde betrunkener „Sanscoulotten“ sich der Burg näherte, wurden sie mit Schüssen und Steinwürfen empfangen. Zunächst wichen die Angreifer zurück. Sobald sie indes inne wurden, daß die Besatzung der Burg aus nur einem Mann bestand, drang man in t sie ein, nahm den tapferen Schwarzrock gefangen und führte ihn nach Koblenz. Der dortige Kommandant, General Lefebre, wollte den Gefangenen kurzerhand erschießen lassen und hielt ihm mit barschen Worten das Rechtswidrige seines Verhaltens vor. Der Burgkaplan aber, indem er sich in Positur zu setzen versuchte, sagte: „Mon general! Un bon commandant defend sä forteresse!“ (Ein guter Kommandant verteidigt seine Festung!) Nun merk
te der General, welchen Vogel er gefangen hatte und begnadigte lachend den armen Schelm, der dafür jedoch zur Belustigung der Zuschauer einige Runden um den Freiheitsbaum tanzen mußte, die allerdings kläglich genug ausfielen. Noch lange Zeit hauste Kaplan Sackmann meist allein auf der Schweppenburg. Er verwehrte später hin und wieder, wenn er schlechter Laune war, sogar dem Baron, seinem eigenen Herrn, den Eintritt zur Burg, so daß dieser wohl oder übel im benachbarten Brohl ein Unterkommen suchen mußte.