75 Jahre Brohltal-Eisenbahn
Walter Henseler
Anfang des Jahres 1895 beantragte ein Komitee, das sich zur Gründung einer Aktiengesellschaft unter der Firma: „Brohltal-Eisenbahn-Gesellschatt“ gebildet hatte, die Konzessionsurkunde für den Bau der Brohltal-Eisenbahn. Zunächst war daran gedacht, die Deutsche Reichsbahn für den Bau dieser Bahn zu gewinnen. Bei ihr bestand aber nur ein Interesse für die Strecke von Brohl bis Niederzissen, was für die Steinindustrie und auch für die Bevölkerung des oberen Brohltales eine unbefriedigende Lösung dargestellt hätte. Die ursprüngliche Trasse war über Oberzissen — Wollscheid nach Kempenich geplant. Damit wären aber die Phonolithlager in Brenk und die Tuffsteinbrüche in Weibern unerschlossen geblieben. So kam esdenn, daß „seine Majestät Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen“, am 19. August 1895 dem Komitee die Konzession zum Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Brohl über Niederzissen nach Weibern mit Fortsetzung nach Kempenich erteilte. Am 26. Februar 18$6 wurde die „Brohltal-Eisenbahn Aktien Gesellschaft“ mit ihrem Sitz in Köln gegründet. Das Stammkapital betrug 3,4 Mill. Mark, wurde aber schon kurze Zeit später wegen der schwierigen Trassenführung über Brenk auf 3,7 Millionen Mark erhöht. Hauptgesellschafter war die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft, die auch später die Betriebsführung der Eisenbahn übernahm. Die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft war aber auch damals Eigentümerin verschiedener Industrien, im Brohltal, so der Stein- & Ton-Industrie, Burgbrohl, des Phonolithsteinbruches in Brenk und verschiedener Tuffsteinbrüche in Weibern.
Im Jahre 1899 wurde mit dem Bau der Bahn begonnen. Das schwierige Gebirgsgelände stellte die Planer vor mancherlei technische Probleme. Der zu überwindende Höhenunterschied von rund 400 m auf der nur 17 Kilometer langen Strecke Brohl — Engeln gab der Bahn den Charakter einer Gebirgsbahn, mit Viadukten in Bad Tönisstein und Oberzissen, einem Tunnel vor Burgbrohl und mit Kurvenradien bis zu 80 m. Letzteres war ursächlich auch entscheidend dafür, daß die Bahn in 1000-mm-Spur und nicht normalspurig gebaut wurde. Auf der Strecke Brohl — Oberzissen, der sogenannten Adhäsionsstrecke, achtete man darauf, daß eine Steigung von 1 : 40 nicht überschritten wurde. Die Strecke Oberzissen — Engeln, die auch als Steilstrecke bezeichnet wird, erreichte eine gleichmäßige Steigung von 1 : 20 und mußte deshalb mit einer Zahnstange ausgerüstet werden. Man kann sich das Steigungsverhältnis leicht vor Augen führen, wenn man sich vorstellt, daß bei einem auf dieser Strecke fahrenden Triebwagen von 20 m Länge zwischen Fahrzeugspitze und Fahrzeugende ein Höhenunterschied von einem Meter besteht. Am 14. Januar 1901 wurde die Teilstrecke Brohl — Engeln eröffnet. Dieser Tag gilt als Geburtstag der Brohltal-Eisenbahn. Die Kölnische Volkszeitung leitete einen umfangreichen Artikel über die Eröffnung mit den Worten an:
Hochsilos zur Verladung beim Bahnhof Weiler von Herschenberg-Lava
Foto: Kreisbildstelle
„Mitten im Winter, für den Winterfahrplan zu spät und dem Sommerfahrplan um Monate voraus, ist still und bescheiden eine Eisenbahn im Rheinlande eröffnet worden, die als touristischer Faktor in den Reisebüchern sich bald einen Platz, ja eine verhältnismäßig ausführliche Beschreibung erzwingen wird. Es ist die Brohltalbahn, das so manches Jahr erwartete, ersehnte Schmerzenskind, dessen voller Entwicklung auch heute noch Schwierigkeiten entgegenstehen, aber hoffentlich nicht lange mehr.“ Die Inbetriebnahme des Streckenabschnittes Engeln — Weibern folgte am 1. Mai 1901 und schließlich des Abschnittes Weibern — Kempenich am 7. Januar 1902. Im gleichen Jahr wurde aber auch mit dem Bau der Anschlußbahn zum Brohler Hafen begonnen. Die hierzu erforderlichen Mittel In Höhe von 1,25 Millionen Mark wurden durch Ausgabe von 41/2 %igen Teilschuldverschreibungen beschafft.
Der Güter- und Personenverkehr wurde in gemischten Zügen abgewickelt, die mit entsprechenden Zahnradlokomotiven und mit vierzylindrischen Malletmaschinen bespannt waren.
Durch die Inbetriebnahme der Eisenbahn ging die Zahl der Pferdefuhrwerke, die bis dahin den Transport der Tuffsteine aus dem Räume Weibern zum Brohler Hafen besorgten, mehr und mehr zurück, weil sie keinen lohnenden Erwerb mehr boten.
Triebwagen VT 52
Foto: Firmenarchiv
Umschlagplatz Hafen Brohl
Foto: Kreisbildstelle
Die Art der Durchführung des Personenverkehrs gab Anlaß zu massiver Kritik. Wer sich der Brohltal-Eisenbahn bediente, um von Kempenich die Staatsbahn in Brohl zu erreichen, brauchte dazu immerhin eine Zeit von 2Va bis 3 Stunden, was seine Ursache darin hatte, daß die Züge zwischendurch auf den Bahnhöfen rangierten und die Höchstgeschwindigkeit auf der Steilstrecke ohnehin nur 10 km pro Stunde betrug. Erst im Jahre 1925 kam man von dem gemischten Zügebetrieb ab. Die Einstellung eines Benzol-Triebwagens, damals wohl als modernstes Verkehrsmittel auf Schienen anzusprechen, machte es möglich, einen fahrplanmäßigen und für damalige Verhältnisse komfortablen Personenverkehr einzurichten.
Im Jahre 1917, mitten im ersten Weltkrieg, wurde von den‘ Landräten der Kreise Adenau, Ahrweiler und Mayen sowie den Bürgermeistern und Industriellen des Brohltales eine Denkschrift verfaßt und an die zuständigen Behörden gerichtet, die den Bau einer Staatsbahn von Mayen über Weibern — Kempenich nach Brück (Ahr) fordert. Gleichzeitig sollte die schmalspurige Brohltalbahn auf Normalspur umgebaut und in Kempenich an die vorerwähnte Strecke angeschlossen werden. Der damalige Vorsitzende des Aufsichtsrates der Westdeutschen Eisenbahn Gesellschaft, Commerzienrat Heinemann, gleichzeitig stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Brohltal-Eisenbahn-Gesellschaft und Mitglied des Aufsichtsrates der Stein- und Tonindustriegesellschaft „Brohltal“, schrieb daraufhin einen acht Seiten langen Brief an das Kriegsministerium nach Berlin, in dem er erklärte, daß die Westdeutsche Eisenbahn, die im Besitze des gesamten Aktienkapital der Brohltal-Eisenbahn-Gesellschaft sei, die vorveranschlagten Kosten von 25 Millionen Mark für dieses Projekt nicht aufbringen könne. Durch den Umbau und den Anschluß an die zu bauende Strecke Mayen — Ahr erhalte die Brohltalbahn schließlich strategische Bedeutung. Es sei daher Sache des Staates, . dieses Vorhaben zu finanzieren. Der Antrag wurde jedoch abschlägig beschieden.
Nach dem verlorenen ersten Weltkrieg brach für die Brohltal-Eisenbahn eine schwere Zeit an. Hohe Bankschulden und der totale Zusammenbruch der Deutschen Wirtschaft drängten das Unternehmen in eine katastrophale Situation. 1920 war es so weit, daß die Bahn auf Antrag der Westdeutschen Eisenbahn Gesellschaft zum Erliegen kommen sollte. Die Interessenten-Vereinigung an der Brohltal-Eisenbahn in Gemeinschaft mit den Landräten der Kreise Adenau, Ahrweiler und Mayen schickten eine Verhandlungsdelegation nach Berlin, die beim zuständigen Ministerium erreichen konnte, daß ein Staatszuschuß für die Sanierung des Unternehmens in Höhe von 3,5 Millionen Mark bewilligt wurde, unter der Voraussetzung, daß auch die Industrie eine Million Mark beisteuere.
Am 1. April 1921 wurde der Sitz der Brohltal-Eisenbahn von Köln nach Brohl verlegt. Gleichzeitig wurde die Betriebsführung, die bis dahin in Händen der Westdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft lag, von der Brohltal-Eisenbahn-Gesellschaft in eigener Regie übernommen. Das Aktienkapital wurde auf 3,7 Millionen Mark festgesetzt. An diesem Aktienkapital wurden die Kreise Adenau, Ahrweiler und Mayen zusammen mit 55% und die industriellen Interessenten mit 45% beteiligt.
Nach einer anfangs auflebenden Entwicklung kam dann die Inflation. In einem Bericht des damaligen Geschäftsführers an den Aufsichtsrat ist zu lesen: „Das Reichsdarlehen und der Zuschuß der Industrie schwinden wie Butter in der Sonne.“
Als Anfang des Jahres 1923 französische Truppen das Rheinland besetzten, mußte die Brohltal-Eisenbahn stillgelegt werden. Ende des Jahres 1923 wurde der Verkehr wieder aufgenommen.
Auf dem Höhepunkt der Inflation betrug die -Bilanzsumme in Aktiva und Passiva 48 Billiarden 901 Billionen 880 Milliarden und 005 Millionen 321 Tausend 113,86 Papiermark. Nach der Stabilisierung durch Umstellung auf Renten- oder Goldmark kam eine Bilanzsumme von 938000,— Rentenmark zustande. Das Aktienkapital wurde unter Beibehaltung des vorherigen Beteiligungsverhältnisses auf 740000,— Mark festgesetzt.
Nun konnte wieder mit festen Werten gerechnet werden. Zwar stand das Unternehmen nach der sogenannten Rhein-Ruhr-Aktion wieder vor leeren Kassen, aber bald waren die Schwierigkeiten überwunden und die beachtlichen Investitionen der folgenden Jahre lassen erkennen, daß dem Unternehmen ein leichter Aufwind beschieden war. Es wurden für die Neubeschaffung von Betriebsmitteln, Ergänzung des Oberbaues, Errichtung einer neuen Werkstätte, dreischie-niger Ausbau der Hafenbahn, Stationsgebäude, Tankanlagen und anderes mehr bis zum Jahre 1940 1,5 Millionen RM investiert. Darüber hinaus konnte der Pflichtfonds auf 500000,’— RM aufgestockt werden.
Die erste Omnibuslinie wurde zu Ostern 1927 auf der Strecke Brohl — Maria Laach eingerichtet. 1931 erfolgte der dreischlenige Ausbau des Umladebahnhofs und der Hafenbahn und im Jahre 1937 kam mit der Errichtung eines Güternahverkehrs mit Lastkraftwagen ein neuer Betriebszweig hinzu, der einige Zeit danach auch auf den Fernverkehr ausgedehnt wurde.
1932 konnte erstmalig wieder seit 1919 eine 5%ige Dividende gezahlt werden. Als im gleichen Jahr der Kreis Adenau aufgelöst wurde übernahm der Kreis Ahrweiler die in dessen Besitz befindlichen Aktien. Daher resultiert auch das heute unterschiedliche Beteiligungsverhältnis zwischen dem Kreis Ahrweiler und dem Kreis Mayen — Koblenz. Mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 bekam die Bahn durch den Bau des Westwalles einen außgewöhn-lichen Auftrieb. Kies und Schotter kamen täglich in Mengen bis zu 2000 Tonnen auf dem Wasserweg in den Hafen Brohl. Von der Brohltaleisenbahn wurden diese Güter in Reichsbahnwagen umgeschlagen und auf dem Güterbahnhof Brohl in geschlossenen Zügen zusammengestellt. Die Betriebsergebnisse der Jahre 1939 — 1943 waren so gut, daß neben der regelmäßigen 6%igen Dividendenausschüttung noch bemerkenswerte Rückstellungen gemacht werden konnten.
Doch ab 1944, dem fünften Kriegsjahr, wirkten sich die negativen Kriegsfolgen auf das Unternehmen aus. Alle wehrfähigen Männer waren an der Front. Der Betrieb mußte überwiegend von Frauen und Kriegsgefangenen bewältigt werden. Die Transportmengen gingen zurück. Die Bahnstrecke wurde bombardiert und dabei an mehreren Stellen zeitweise unterbrochen. In Oberzissen wurde die Brücke über den Brohlbach getroffen und total vernichtet. Ab Februar 1945, kurz bevor die alliierten Truppen einmarschierten, kam der gesamte Personen- und Güterverkehr zum Erliegen. Erst im Juni konnte der Verkehr in ganz beschränktem Umfang wieder aufgenommen werden. Spitzenverkehrsleistungen im Eisenbahn-Personenverkehr wurden noch einmal erbracht in den Jahren 1946/47 und 1948, als der Hunger die Bevölkerung der nahegelegenen Städte auf das Land trieb, um mit Rucksäcken und Handtaschen Lebensmittel zu „hamstern“. Damit der Ansturm auf Fahrkarten für die einzelne Züge bewältigt werden konnte, mußte zu dieser Zeit in Brohl ein zusätzlicher Notschalter eingerichtet werden. Mit den Einnahmen konnten jedoch nur die Löhne und die Kosten für die kontingentierten Stoffe beglichen werden, ansonsten war das Geld wertlos, so daß damit keinerlei Investitionen finanziert werden konnten.
Ehemalige Dampflok Nr. l, im Hintergrund Schlepptender-Lok G 3
Foto: Firmenarchiv
Als am 20. Juni 1948 die Währung im Verhältnis 1 :10 auf Deutsche Mark umgestellt wurde, betrug die Bilanzsumme der DM-Eröffnungsbilanz 8200106,77 DM. Das Aktienkapital wurde wieder auf 740000,— DM umgestellt, wie es bereits 1924 nach der Inflation gestanden hatte, aber schon 1949 wurde es auf 1000000,— DM erhöht. 1953 erfolgte die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
In den Jahren 1950/51 begann die allgemeine Aufbauphase. Im Bahnbetrieb verfügte man über sechs Dampflokomotiven, mit denen 1951 eine Beförderungsleistung von annähernd 2500000 Tonnenkilometer erbracht wurde. Die Personenbeförderung mit Omnibussen nahm zu dieser Zeit durch Einrichtung neuer Linien einen enormen Aufschwung. 1950 wurden die Linien Kempenich — Ahrweiler und Kempenich — Adenau eröffnet. Die Linie Kempenich — Mayen wurde 1951 von der Bundespost übernommen. Die Linien Niederzissen — Ahrweiler, Schalkenbach — Sinzig und Bad Breisig — Neuenahr kamen 1953 hinzu, nachdem sie bis dahin ein Privatunternehmer aus Schalkenbach betrieben hatte. Durch die Anfang der fünfziger Jahre beginnende Bimsära stieg der Umschlag im Hafen von Jahr zu Jahr und erreichte 1958 fast eine Million Tonnen. Wegen des zunehmenden Hafenumschlages wurde 1954 die erste Förderanlage in Betrieb genommen. Zwei weitere folgten in den Jahren 1955 und 1959. Im Jahre 1970 erreichte der Hafenumschlag mit 1 426 300 t die absolute Rekordhöhe.
Durch den Ausbau der Bundesstraße 9 im Jahre 1959 mußte die bis dahin im Straßenbereich verlaufende dreischienige Hafenbahn über die Rheinwiesen trassiert werden. Damit verschwanden dann auch die für Radfahrer so verhängnisvollen Rillenschinen. Ein echter Rationalisierungserfolg war 1961 durch die Beschaffung von 12 neuen 30 t Selbstentladewagen für die Beförderung von Lava zu verzeichnen.
Zwei Jahre später entfielen für die Eisenbahn die gesamten Transporte der Stein- und Tonindustrie durch Produktionsverlagerung von Burgbrohl nach Urmitz. Glücklicherweise konnte stattdessen ein neuer Verfrachter gewonnen werden, der auf Bahnhof Weiler drei Hochsilos zur Verladung der Herschenberg-Lava errichten ließ.
Am 1. Oktober 1961 wurde der Personenverkehr auf der Schiene gänzlich eingestellt und auf Omnibusse verlagert. Im Zuge weiterer Rationalisierung wurden 1964 alle Bahnhöfe und damit auch die Fahrkartenausgabe geschlossen. Als Voraussetzung hierfür mußten zunächst alle Omnibusse mit Fahrscheindruckern ausgerüstet werden. Die Güterabfertigungen wurden durch eine Zentralabfertigung in Brohl ersetzt.
Spezialwagen befördern Phonollth und Lavalith
Die ersten zwei Diesellokomotiven konnten 1965 in Betrieb genommen werden, die dritte folgte 1967 und die vierte 1971. Damit war die Zeit der Dampflokomotiven endgültig besiegelt. Die letzte Dampflokomotive, eine 1906 von Humbold gebaute Malletlok, ging in den Besitz der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, Karlsruhe, über. Als die Deutsche Bundesbahn im Juni 1970 den Stückgutverkehr zentralisierte, fiel der Brohltaleisenbahn die Aufgabe der Flächenbedienung für den Bereich des Stückgutbahnhofes Andernach zu. Dieser umfaßt neben dem erweiterten Verkehrsgebiet Brohltal auch die gesamte Pellenz und die Orte Weißenthurm und Kettig. Zur Bewältigung dieser Aufgabe sind täglich vier bis fünf Lastkraftwagen im Einsatz.
Für den Umschlag des Brenker Phonoliths wurde 1972 im Hafen ein Silo mit fahrbarer Überdachung gebaut, das etwa 800 t dieses Materials aufnehmen kann. Zur Beschickung dieser Anlage dienen 12 Selbstentladewagen mit je 30 t Tragfähigkeit, die speziell für diesen Zweck beschafft und in eigener Werkstatt für den Steilstreckenbetrieb ausgerüstet wurden.
Der Eisenbahn-Streckenabschnitt Engeln — Kempenich hat leider den 75. Geburtstag nicht mehr erleben können. Nachdem die Beförderungsleistungen von Jahr zu Jahr zurückgingen, und mitunter innerhalb eines Monats nur noch ein einziger Zug auf diesem Abschnitt verkehrte, wurde er zum 1. Oktober 1974 stillgelegt und abgebaut. Engeln ist seither wieder Endstation, so wie es schon einmal nach der Eröffnung im‘ Jahre 1901 gewesen war. Von hier aus werden die per Bahn eintreffenden Güter für den Räum Kempenich — Weibern mit Lastkraftwagen abgefahren.
Heute wird der Bahnbetrieb überwiegend in geschlossenen Zügen abgewickelt. Phonolith von Brenk und Lavalith von Weiler sind die hauptsächlichen Beförderungsgüter. Die Phonolithzüge laufen überwiegend im Doppeltrakt, das heißt, mit zwei Lokomotiven, die von nur einem Lokführer bedient werden. Im Jahre 1975 lag die Beförderungsleistung bei 1 847 000 Tonnenkilometer. Für den Hafenumschlag, der im Jahre 1975 845708 Tonnen betrug, stehen zwei Portalkräne, ein Schaufellader und drei Förderbandanlagen zur Verfügung.
Das Personenverkehrsnetz erstreckt sich über neun Linien im Raum zwischen Ahr und Nette und vom Rhein bis zur Hohen Acht. Bei einem Fahrzeugstand von 25 Omnibussen wurden im Jahre 1975 1 400 000 Personen befördert. An Schultagen werden allein im Schülerverkehr rd. 4000 Beförderungsfälle registriert.
Im Stückgut-Hausverkehr, dem jüngsten Glied des Unternehmens, wurden Im vergangenen Jahr 25 287 Sendungen mit einem Gesamtgewicht von 3526 Tonnen befördert. Das Gesamtunternehmen beschäftigt zur Zeit 66 Leute, von denen 8 auf die Verwaltung, 22 auf Eisenbahn und Hafen und 36 auf den Kraftverkehr entfallen. Die anhaltende Rezession und der mit ihr verstärkt auftretende Wettbewerb haben weitere Rationalisierung, verbunden mit personellen Einsparungen, in allen Bereichen erforderlich werden lassen.
Der Wunsch und die Hoffnung des eingangs zitierten und sicher längst nicht mehr unter den Lebenden weilenden Reporters der Kölnischen Volkszeitung sollte leider nicht in Erfüllung gehen. Die Sorge um den Fortbestand unseres liebgewonnenen „Schmerzenskindes Brohltal-Eisenbahn“ ist geblieben bis auf den heutigen Tag. In gemeinsamer Anstrengungen wollen wir es jedoch als Bestandteil unseres Unternehmens halten; so lange es eine Aufgabe zu erfüllen hat und die Erhaltung wirtschaftlich und ökonomisch zu vertreten ist.