500 Jahre Calvarienberg Ahrweiler 1505 – 2005

„Unsere Wege ziehen wir als Gepäck hinter uns her -Mit einem Fetzen des Landes darin wir Rast hielten -“ 

so eröffnet Nelly Sachs den „Chor der Wandernden“ (4), S. 16. Während der erste Vers „Unsere Wege ziehen wir als Gepäck hinter uns her“ als Metapher für unser eigenes Unterwegssein und das vieler Menschen verstanden werden kann, die über 500 Jahre hindurch zum Calvarienberg-Ahrweiler gepilgert sind, steht die Metapher des zweiten Verses „Mit einem Fetzen des Landes darin wir Rast hielten“ für Ursprung und Heimat, für Herkunft und Wurzel (vgl. 4). Und welche Schätze finden sich im Gepäck der 500jährigen Geschichte des Calvarienberges, dessen Jubiläum wir am Fest Kreuzerhöhung, dem 14. September 2005, feiern? Was ziehen wir hier auf dem Calvarienberg in Ahrweiler bis heute „hinter uns her“ und warum? Es ist nicht in erster Linie ein „Fetzen des Landes, darin wir Rast hielten“, sondern es ist die Geschichte des Lebens vieler Menschen, es ist die Geschichte von Menschen, die gläubigen Herzens das Kreuz auf dem Calvarienberg verehrten und verehren. Welche Menschen  machen sich bis heute auf den Weg? Wir  Heutigen können wieder die Bedeutung des Weges verstehen, weil wir in einer großen Renaissance von Wallfahrten leben, seien es Marienwallfahrten, seien es Pilgerreisen zu den „Sacri monti“, zu denen auch der Calvarienberg seit 1996 gehört, Wallfahrten nach Santiago de Compostela oder zu anderen Wallfahrtsorten. Menschen auf Pilgerwegen sind vor allem Menschen mit einer großen Sehnsucht im Herzen, es sind Menschen, die durch ihr Unterwegssein auf die religiöse Dimension ihres Lebensweges aufmerksam machen. Sie zeigen, wie Menschen Gott finden möchten, wissend, dass sie dazu ausziehen müssen, wie Abraham aufgebrochen ist und so zum Urvater des Glaubens wurde. An allen wichtigen Stationen seines Glaubensweges errichtete Abraham Gott einen Altar, und immer hat er sich gefragt, ob er noch auf dem Weg sei, den Jahwe gewiesen hat. Auf  jedem Pilgerweg geht es um Gottesverehrung und um die Vergewisserung, selbst richtig zu gehen, es geht darum, sich auf die Verheißung des Glaubens im eigenen Leben auszustrecken. 

Die alte Kapelle auf dem Calvarienberg auf einer aquarellierten Zeichnung aus dem 17.Jahrhundert

Ausschnitt aus der Franziskanerchronik vom Calvarienberg von 1671. Der Wortlaut der Konsekrationsurkunde lautet auszugsweise in der Übersetzung: „Wir, Diederich, Bischof von Cyrene und Professor der Theologie, Generalvikar des Kölner Bistums, bekunden hiermit, dass wir im Jahre der Geburt des Herren 1505, am 14. September, dem Tag der Kreuzerhöhung, diese Kapelle mit ihrem einzigen Altar geweiht haben zu Ehren Gottes des Allmächtigen, der glorreichen Jungfrau Maria und seiner Heiligen, wie Kreuzerhöhung, (…) die heilige Ursula und ihre Gefährtinnen (…). Wir legen die Reliquien der Heiligen nieder, samt drei Körnchen Weihrauch und unserem Siegel.(…)“ 

Die Probe auf die Echtheit ist das Gehen selbst, ist das Wagnis des Weges. Aber  zum Pilgerweg gehört wesentlich die Erfahrung des Innehaltens, des Kräftesammelns. So halten es Pilger bis heute – auch bei uns auf dem Calvarienberg. Es sind wohl schon Pilger vor 1505 auf den Calvarienberg gekommen, später waren es Tausende. Wie begründet sich dieser Pilgerstrom? Die Chronik der Franziskaner berichtet davon. Zwei Bände dieser Chronik sind uns auf dem Calvarienberg erhalten (1440 – 1684 und 1685 – 1747). Sie belegen den geschichtlichen Hintergrund. Einem Chronogramm der Chronik ist zu entnehmen, dass der Chronist erst 20 Jahre nach der Besiedlung des Calvarienberges durch die Franziskaner (2), also ab 1650, das eigene Werk begann. Dabei hat er wohl auf ein Buch von Pater Jakob Polio aus dem Jahre 1642 zurückgegriffen und die Ereignisse auf dem Calvarienberg beschrieben. Den Chronisten interessiert vorrangig die Konsekrationsurkunde des Altars von 1505, die beim Öffnen des Sepulcrums im Hochaltar von den Franziskanern am 21.04.1671 gefunden wurde. Er hat den Text dieser Urkunde, die vermutlich in den neuen Altar eingelassen wurde, in die Chronik aufgenommen. Der lateinische Text, der bei  Eckertz eine leichte Änderung und Umstellung erfahren hat, ist den Annalen von 1862 (2, S. 3 u. 4) zu entnehmen. Die deutsche Übersetzung findet man in der Bearbeitung von Hans-Georg Klein5). Außerdem berichtet der Chronist von der Errichtung der Kreuzigungsgruppe, die wir heute noch im Chor der Kirche verehren (1, S. 14; 2, S. 2). 

Gesamtansicht des Klosters und der Schulen der Ursulinen auf dem Calvarienberg-Ahrweiler, 2003

Die Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein (3) berichten, dass in der Mitte des 17. Jahrhunderts aus 35 Ortschaften Pilger den Calvarienberg aufsuchten. Das waren: Adenau, Ahrweiler, Altenahr, Bachem, Bengen, Berkum, Beul, Blasweiler, Bodendorf, Bonn, Carweiler, Dernau, Eckendorf, Ersdorf, Fritzdorf, Gelsdorf, Heckenbach, Heimersheim, Hilberath, Holzweiler, Kesseling, Kirchdaun, Königsfeld, Leimersdorf, Löhndorf, Mayschoß, Meckenheim, Ramersbach,  Rheinbach, Ringen, Sinzig, Vilich, Vischel, Wittersschlick, Wormersdorf. Da die Pilger von Bornheim 2004 zum 268. Mal diesen Weg gegangen sind, zeigt sich, dass die Säkularisierung zwar die Franziskaner vertrieben hat, aber diese Pilgerbewegung nicht zu stoppen vermochte. Heute kommen regelmäßig Fußpilgergruppen aus Köln-Porz, Niederkassel, Menden, St.-Augustin, Wachtberg-Villip, Bornheim, Mendig, Bonn-Oberkassel, Bad Godesberg, Lammersdorf. Diese Tradition wird fortgesetzt, und zunehmend beteiligt sich die jüngere Generation. 

Die Ursulinen, die am 28. August 1838 mit elf Schwestern aus Monschau den Calvarienberg übernahmen, pflegen nicht nur das Erbe der Franziskaner, sondern sehen bis zum heutigen Tag ihre Aufgabe und ihren Auftrag in der Bildung und Erziehung junger Menschen in Schulen, im Internat oder Tagesinternat. Nach der Seligsprechung von Schwester Blandine Merten im Jahre 1987 erweiterte sich ihr Aufgabenbereich durch seelsorgliche Betreuung der Blandinenverehrer. Seit der Errichtung des geistlichen Zentrums 1996 leiten die Ursulinen in vielfältiger Weise Meditationsgruppen, Besinnungstage und Kursgruppen und sind in der Berufungspastoral tätig. 

Literatur:

  1. Franziskanerchronik im Archiv des Klosters Calvarienberg 
  2. Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, Köln 1862 
  3. Sonderdruck der Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein „Die Franziskanerchronik des Klosters Calvarienberg als Spiegel des religiösen Volkslebens“
  4. Margarete Niggemeyer: Durchkreuzte Lebenswege, Schwabenverlag 1994 
  5. Die Chronik des Franziskanerklosters Calvarienberg bei Ahrweiler 1440-1747, bearbeitet und herausgegeben von Hans Georg Klein, 1994