360 Jahre Wolffsches Haus in Ahrweiler
Josef Müller
Im Jahre 1981 wird das Wolffsche Haus in der Niederhutstraße (Fußgängerzone) 360 Jahre alt. Es ist wegen seines reichen Fachwerks, seines Erkers und der holzgeschnitzten Figuren und Ornamente eines der schönsten und am meisten fotografierten und gefilmten Häuser nicht nur der Niederhutstraße, sondern des gesamten mittelalterlichen Stadtteils Ahrweiler. Dieses Haus kann auf eine abwechslungsreiche Geschichte zurückblicken.
Das Wolffsche Haus wurde anno 1621, als der Dreißigjährige Krieg wütete, von dem Ehepaar Henricus Hartmann und Dorothea Wolffs gebaut. Damals floß noch der städtische Mühlenteich offen durch die Niederhutstraße, jedes Haus hatte einen eigenen Zugang zum Teich. Kinder, Hunde, Katzen, Hühner und Schweine liefen in der Straße frei herum und Fuhrwerke bewegten sich langsam und sicher durch die Straße.
Wolff’sches Haus
Henricus Hartmann war nicht nur ein angesehener Bürger im alten Ahrweiler, er übte auch das Amt eines Ratsherrn aus. Aus der Familie der Ehegattin Dorothea Wolffs wurden auch oft Mitglieder als Ratsherren und Bürgermeister gestellt. Hieran erinnert noch der Name „Wolffsgasse“.
Im Jahre 1666 brach die Pest in Ahrweiler aus. Auch aus dem Hause Wolff wurde ein Toter zum „Pestanger“ getragen, der nordöstlich der Stadt lag. Während der drei französischen Eroberungskriege des Sonnenkönigs Ludwig XIV. lag eine starke französische Besatzung in der kurkölnischen „Festung Ahrweiler“. Monatelang wohnte ein französischer Offizier im Hause Wolff wie in noch neun anderen Ahrweiler Häusern. Als die französischen Truppen am 1. Mai 1689 den Befehl erhielten, die Stadt zu verbrennen, beschützten die zehn Offiziere ihre Wohnquartiere vor der Feuersbrunst. Die gesamte Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt bis auf die zehn Häuser. Damit war auch das Wolffsche Haus gerettet.
John David Glennie: Ahrweiler, Niederhutstraße 1841
Während des Spanischen Erbfolgekrieges von 1701 bis 1714 kam wieder französische Besatzung nach Ahrweiler, diesmal jedoch als Verbündeter und Freund, da der Kölner Kurfürst nicht auf Seiten des deutschen Kaisers, sondern auf der Seite des französischen Königs stand. Vier Jahre lang diente nun das Wolffsche Haus den französischen Offizieren als Unterkunft und Kasino. Nach dem Friedensschluß 1714 gingen die Ahrweiler Bürger wieder an den Aufbau ihrer Stadt heran.
Als im Jahre 1794 die Franzosen das linke Rheinufer besetzten, es zu Frankreich schlugen und alle Kleinstaaten auflösten, wurde Ahrweiler Kantonstadt des Ahrgaues. Wieder bewohnten französische Offiziere und Beamte das gastliche Wolffsche Haus. Erst im Januar 1814 mußten sie den siegreichen Russen den Platz räumen. Durch den Wiener Kongreß kam dann unsere Heimat zu Preußen.
Anfang des 19. Jahrhunderts starb die Familie Hartmann, die an die 200 Jahre das Wolffsche Haus bewohnt hatte, aus. Neuer Besitzer wurde die Familie Hilger. Damals war das Haus mehr als doppelt so groß wie heute. Der östliche, nach dem Niedertore zu gelegene Flügel, war der größere Teil des Hauses. Der prächtige Erker stand in der Mitte des Gesamtgebäudes. Im oberen Stockwerk dieses Ostflügels, in dem heute eine Tageszeitung ihre Geschäftsräume hat, befand sich seit dem Jahre 1860 der Gerichtssaal, und im Zimmer mit dem Erker war die Gerichtsschreiberei. Zu diesen Gerichtsräumen gelangte man über eine alte Treppe, deren Geländer mit einem geschnitzten Löwenkopf mit Flügeln und dem Alt-Ahrweiler Stadtwappen verziert war. Heute schmückt dieser erhaltene Teil der alten Treppe das Erkerzimmer.
Unter dem Erker reiches Schnitzwerk
Johann Hilger verkaufte 1884 den östlichen Flügel des Hauses an den Uhrmacher August Plachner, der im Erdgeschoß ein Uhrmacherund Goldwarengeschäft einrichtete. Den westlichen Flügel erwarb der Schumachermeister Heinrich Eidam, der im Erdgeschoß eine Schumacherwerkstatt hatte. Als das Gericht aus dem Wolffschen Hause in ein eigenes Gebäude in der Wilhelmsstraße auszog, baute August Plachner den östlichen Flügel im modernen Stil, leider ohne Fachwerk, wieder auf. Im zweiten Weltkrieg wurde dann dieser Flügel durch Bomben restlos zerstört und erst 1956 wieder aufgebaut.
Alter Treppenknauf mit Ahrweiler Stadtwappen
Fotos: Kreisbildstelle
Den westlichen Flügel erwarb um 1900 der Bauunternehmer Stefan Schöneberg. Er ließ ihn sogleich wieder im alten Stil instandsetzen. Seitdem leuchtet das zweigeschossige Fachwerkhaus wieder in bunten Farben. Der aus dem Achteck konstruierte Erker erhielt auf seiner geschweiften Barockhaube ein neues Schieferdach. Die ausragenden Strebebalken mit altem, reich geschmücktem Schnitzwerk wurden farblich besonders hervorgehoben. Innen im Hause wurde die Diele vor dem Erker mit stuckierter Balkendecke ausgebessert.
Eine von Stefan Schöneberg zusammengestellte große Sammlung alter Gebrauchsgegenstände aus Zinn ziert heute noch diesen Raum und verleiht ihm eine besondere Note.
Stefan Schöneberg vermietete nun diesen westlichen Flügel an das Fotogeschäft Benz. Die Witwe Benz heiratete den Fotografen Hartmann. So wurde der rechte Flügel dieses ehrwürdigen Hauses wieder von einer Familie gleichen Namens mit den ersten Besitzern bewohnt. Die Firma Schöneberg verkaufte später das Haus an den Uhrmacher und Optiker Ludwig Wolff, so daß durch Zufall nunmehr wieder ein Hartmann und ein Wolff hier wohnten, Bürger des gleichen Namens wie die Erbauer!
Das Ehepaar Ludwig Wolff und Rosa Hubertina Sonntag wohnte zunächst in zwei anderen Häusern der Niederhutstraße, im Jahre 1919 zogen sie in das alte Wolffsche Haus. Heute wohnt der Sohn Ludwig mit seiner Familie hier. Er ließ im Jahre 1959 das Haus völlig im farbigen Glänze renovieren und ist mit seiner Frau Mechtild darauf bedacht, diese Zierde für die Fußgängerzone und die alte Stadt Ahrweiler pfleglich zu erhalten getreu dem Wahlspruch, der über der Haustüre zu lesen steht:
„Am guten Alten
in Treue halten“.