300 Jahre Dorfgeschichte von Bengen im Spiegel der Pfarrchronik
Ottmar Prothmann
In vielen Dörfern liegen Schul-, Pfarr- oder Gemeindechroniken vor, die oft bis ins letzte Jahrhundert zurückreichen, in einigen Fällen sogar noch darüber hinaus. Sie enthalten eine Fülle von Nachrichten über dörfliche Ereignisse und Zustände aus früheren Zeiten, die zum Teil nirgendwo sonst verzeichnet sind. Leider sind durch Kriegswirren, Brände und nicht zuletzt durch Unachtsamkeit schon manche dieser unersetzlichen Aufzeichnungen verlorengegangen. Die noch vorhandenen Chroniken zu sichern und eventuell durch eine auszugsweise Veröffentlichung den interessierten Bürgern zugänglich zu machen, ist deshalb überall eine wichtige Aufgabe. Dazu sollen die nachstehenden Ausführungen beitragen.
Für den Ort Bengen liegen heute noch zwei Chroniken vor. Neben der im Jahre 1897 beginnenden Schul- und Ortschronik ist es eine weit zurückreichende Pfarrchronik, die um das Jahr 1864 vom damaligen Pfarrer Jacob Hauth begonnen wurde. Aufgrund eigener Aufzeichnungen, die er seit seinem Amtsantritt im Jahre 1838 gemacht hatte, sowie an Hand von Nachrichten, die seine Vorgänger hinterlassen hatten, und schließlich mit Hilfe des bekannten Eifelforschers Georg Barsch, trug er auf den ersten Seiten seiner Chronik Ereignisse früherer Zeiten zusammen, beginnend mit einem Auszug aus einer Urkunde des Jahres 1289.
Damals erwarben Abt und Konvent des Klosters Steinfeld von dem Kapitel St. Dionysius in Lüttich verschiedene Güter und das Patronatsrecht (= das Recht, den Pfarrer vorzuschlagen bzw. zu ernennen) in Bengen. Aus späteren Quellen ist bekannt, daß Steinfeld hier auch einen großen Hof besaß, für den der Pächter im Jahre 1534 15 Malter Roggen (= 36 Zentner) und 15 Malter Hafer (= 221/2 Zentner) an Pacht zu liefern hatte. Außerdem war er verpflichtet, für das Dorf einen Zuchtstier zu halten. Durch das Patronatsrecht und den Besitz des Hofes spielte das Kloster Steinfeld über 500 Jahre lang für den Ort Bengen ein wichtige Rolle. Es stellte den jeweiligen Pastor und sorgte für Erbauung der Kirche und des Pfarrhauses.
Von den weiteren Ereignissen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, die Pastor Hauth in seiner Chronik aufführt, seien nur einige wichtige herausgegriffen, da sie weitgehend in der „Geschichte der Dekanate Adenau, Ahrwei-ler und Remagen“ von Peter Schug erwähnt sind.
1636 herrschte die Pest in Bengen, an der auch der damalige Pastor Werner Wreidel starb. Ebenso raffte in den Monaten Mai bis September des Jahres 1668 eine pestartige Krankheit viele Bewohner des Dorfes dahin. In einem alten Meßbuch fand Pastor Hauth die Eintragung, daß am Vormittag des 27. April 1644 gegen 10 Uhr Soldaten des Regiments von Hatzfeld fast die Hälfte des Dorfes zusammen mit dem Pfarrhaus einäscherten. Ein neues Pfarrhaus konnte erst im Jahre 1669 aus Mitteln des Klosters Steinfeld auf einem freien Platz aufgebaut werden, der von zwei Seiten an die Straße, von der Nordseite an den Kirchhof und von der Ostseite an den Junker Roist angrenzte. Den Platz des alten Pfarrhauses zwischen dem Bach und dem Kirchhof legte man zu einem Baumgarten an.
Im Jahre 1699 wurde eine Lambertus-Bruderschaft in Sengen errichtet.
Nicht in der Chronik erwähnt, jedoch aus anderen Quellen bekannt, ist die Einäscherung des Dorfes durch französische Soldaten im Januar des Jahres 1690. So ist es nicht verwunderlich, daß infolge der langen kriegerischen Zeiten auch die Kirche gelitten hatte und schließlich niedergelegt werden mußte. Zur Einweihung des Neubaues kam am 7. Mai 1724 Abt Michael Küel von Steinfeld nach Sengen. Aus Gründen, die Pastor Hauth nicht mehr erforschen konnte, mußten im Jahre 1752 an der Kirche schon wieder größere Reparaturen vorgenommen werden, wie ein Stein mit der Inschrift an der Südseite des Bauwerks bezeugte.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als das Dorf sich von den kriegerischen Ereignissen weitgehend erholt hatte, zerstörte ein verheerender Brand wieder einmal alles, was mühsam aufgebaut worden war: Am 26. Februar 1786 um ein Uhr nachmittags entstand im Hause des Theodor Zülichoven eine Feuersbrunst, die sich binnen einer halben Stunde über das ganze Dorf verbreitete und, da menschliche Hilfe bei dem starken Winde vergeblich war, alle Wohnungen und Scheunen mit Ausnahme von sieben Häusern und der Kirche einäscherte. Auch das Pfarrhaus wurde ein Raub der Flammen. Die meisten Möbel des Pfarrers verbrannten, ebenso wie alle Dokumente der Pfarrei. Der Pastor fand bis zum 6. Oktober desselben Jahres bei seinem Amtsbruder in Kirchdaun eine Unterkunft, ehe er in das inzwischen wiederhergestellte Backhaus einziehen konnte. Im nämlichen Jahr konnten die Stallungen und die Scheune wiedererrichtet werden. Das Pfarrhaus folgte im kommenden Jahr und wurde im Oktober 1787 vom Pfarrer wieder bezogen. Sämtliche Pfarrgebäude hatte die Abtei Steinfeld aus eigenen Mitteln aufbauen lassen.
Grabkreuz von Pastor Konrad Franz Kauhls + 1811
Wie rasch das Dorf wieder errichtet wurde, schreibt Pfarrer Hauth nicht, doch dürfte es nicht so schnell vonstatten gegangen sein, wie das der wohlhabenden Abtei Steinfeld mit der Erbauung der Pfarrgebäude möglich war. Wahrscheinlich standen noch nicht alle Gebäude, als 1794 französische Heere diese Gegend eroberten und das Gebiet bis zum Rhein etwa 20 Jahre lang besetzt hielten. Alle Klöster, darunter auch die Abtei Steinfeld, wurden aufgehoben und ihre Besitzungen zum Teil versteigert. 1805 ließ die französische Regierung die Besitzungen von Steinfeld im Dorfe Bengen meistbietend verkaufen. Es waren 12 Hektar Ackerland und 4 Parzellen (Größe ?) Wiesen.
Am 14. Mai 1811 starb Pastor Konrad Franz Kauhls. Er wurde auf dem hiesigen Kirchhof beerdigt. Ein steinernes Kreuz zierte noch lange sein Grab (Heute steht es hinter der Kirche, s. Abb.). Er konnte es nicht überwinden, daß sein Kloster aufgehoben war, und trug noch aus Anhänglichkeit zu ihm bis zuletzt seinen weißen Habit. Als letzter aus der langen Reihe der Pastöre von Steinfeld folgte danach Johann Andreas Krauth, der jedoch 1821 wegen unangenehmer Familienverhältnisse zurücktrat und zu seinem Freund Pastor Fey nach Bodendorf zog. Auf ihn folgte im Amt des Pastors der aus Unkelbach stammende Peter Anton Schäfer, und nach dessen Tod wurde am 7. Juli 1838 unser Chronist, Jacob Hauth, bisher Kaplan in Gelsdorf, zum Pfarrer von Bengen ernannt. Als er etwa eine Woche vor Amtsantritt das Pfarrhaus in Bengen besichtigte, stand in der Wohnung noch das Wasser, das von einer Überschwemmung des Baches am 25. Juni herrührte. Das war nicht das erste Mal und sollte auch nicht das letzte Mal sein, wie unten noch zu berichten sein wird, daß der zu normalen Zeiten nur unbedeutende Bengener Bach nach einem Unwetter Teile des Dorfes unter Wasser setzte.
Im kommenden Jahr ließ Pastor Hauth das reparaturbedürftige Pfarrhaus renovieren. Unter anderem wurden die Fußböden im Erdgeschoß neu gedielt und neue Fenster eingesetzt. Zu allem Unglück folgte am Margarethentag (13. Juli) desselben Jahres die nächste Überschwemmung des Baches.
1842 wurde die Kirche vollständig repariert. Aus dem ehemaligen Hochaltar wurde der Nebenaltar auf der Nordseite angefertigt, den anderen Nebenaltar stellte man wieder her, neue Fenster wurden eingesetzt, der Gang in der Kirche nebst dem Presbyterium (= Chorraum) neu geplattet und schließlich ein neuer Beichtstuhl und eine neue Kommunionbank angeschafft. Der neue Hochaltar, die beiden Nebenaltäre, die Kanzel usw.. wurden angestrichen und vergoldet.
1843 wurde die alte, nur wenige Menschen fassende Empore durch eine größere ersetzt. Durch diese Raumvergrößerung konnte endlich eine längst überfällige neue Kirchenordnung eingeführt werden, die der Kirchenrat am 19. Mai 1844 beschloß. Danach durften junge Männer, die das 20. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, sich nicht auf der Empore aufhalten. Sie mußten vielmehr in den ersten vier ,,Stühlen“ (gemeint ist wohl: Stuhlreihen) auf der rechten Seite Platz nehmen. Männer, die noch keine 50 Jahre alt waren, durften nicht an der Brüstung der Empore stehen, damit diese wegen ihrer Helligkeit und Bequemlichkeit für bejahrte Männer passenden Stellen auch von ihnen eingenommen werden konnten. Auf der Treppe zur Empore durften sich nur dann Männer aufhalten, sofern die Empore vollbesetzt war. und schließlich wurde es den Müttern verboten, Kinder unter fünf Jahren mit in die Kirche zu bringen, damit die anderen Gläubigen nicht in ihrer Andacht gestört wurden. Diese Ordnung sollte für alle Gottesdienste und auch für den täglichen Rosenkranz gelten.
So weit, so gut. Für uns Leser, die wir diese Verordnung 140 Jahre später lesen, klingt das Gesagte recht einleuchtend, zumal, wenn man weiß, daß die Pfarrer auf den Dörfern heute mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Doch lesen wir weiter, wie sich aus der Sicht von Pastor Hauth die Angelegenheit entwickelte: Nachdem die bischöfliche Behörde in Trier jene Regelung genehmigt hatte, erließ der Bürgermeister am 21. Juni 1844 eine diesbezügliche Polizeiverordnung, wonach Zuwiderhandlungen mit einer Geldbuße bis zu fünf Talern bestraft werden konnten. Der Landrat jedoch war gegen die neue Ordnung und wandte sich an das Friedensgericht. Die Gründe hierfür nennt der Chronist nicht. Schließlich griff am 22. September 1845 die Königliche Regierung zu Koblenz in den Streit ein und verfügte die Aufrechterhaltung der Kirchenordnung. Damit jedoch war die Auseinandersetzung noch nicht beendet, denn nun formierten sich eine Reihe Einwohner von Bengen zu einem Protestzug gegen Pfarrer und Kirchenrat. Bäume und Früchte des Pastors wurden beschädigt. Schließlich warf jemand abends gegen neun Uhr einen ..Wackenstein“ durch das Fenster in die Studierstube des Pfarrers. Eine öffentliche Untersuchung wurde durchgeführt und die Teilnehmer des Protestzuges bestraft. Den Steinwerfer konnte man nicht ausfindig machen.
Am 23. Juni 1844 wurde Bengen infolge eines schweren Gewitters durch eine Überschwemmung heimgesucht. Zwei Fuß hoch strömte das Wasser durch die Straßen und schwemmte aus den Gehöften Mist und Gerätschaften weg. Ein Haus wurde fast vollständig demoliert. In der Kirche stand das Wasser bis zum Hochaltar.
Vom 18. August bis zum 14. September 1844 pilgerten die Gläubigen der Pfarrei Bengen wie auch die des Dekanats Ahrweiler zu Fuß nach Trier zur Ausstellung des Heiligen Rocks.
1845, am Feste der Himmelfahrt Mariens (15. August) wurde die Bruderschaft des hl. und unbefleckten Herzens Mariens zur Bekehrung der Sünder eingerichtet. Im selben Jahr vergrößerte man den Kirchhof. Bis dahin befand sich auf der Nordseite der Kirche nur ein etwa 6 Fuß breiter Weg dicht an der Kirche vorbei, der als Prozessionsweg benutzt wurde.
1848, im Jahr der fehlgeschlagenen deutschen Revolution, zeigte sich auch in Bengen. wie der Pfarrer es nennt, „der Geist der Widersetzlichkeit und Auflehnung gegen die Obrigkeit“.
Am 15. August 1849 wurden 53 Kinder von Bengen durch Bischof Dr. Wilhelm Arnoldi in Leimersdorf gefirmt. Anschließend weilte der Bischof zu einem Festessen und zur Übernachtung in Bengen. Es war das erste Mal, daß ein Bischof hier übernachtete.
Am 17. Juni 1850 fand Christine Winter, Ehefrau des verstorbenen Stephan Rieck, in der Sandgrube den Tod.
Am 28. August 1851 starb die Geisteskranke A. C. G. im Alter von 22 Jahren eines Hungertodes. Sie hatte in dem Wahn gelebt, verdammt zu sein und hatte fast immer starr wie eine Säule am Fenster oder am Bett gestanden und jede Nahrung zurückgewiesen.
Im Monat Oktober des Jahres 1851 brach in einer Scheune, in die eine geisteskranke Frau brennenden Flachs gebracht hatte, ein Feuer aus. Durch die von allen Seiten herbeigeeilte Menschenmasse sowie durch vier aus der Nachbarschaft schleunigst herbeigeschaffte Spritzen gelang es. die Flammen zu unterdrücken, so daß nur die Scheune abbrannte, die angrenzenden Gebäude aber verschont blieben. Dieser Brand gab den Bewohnern Veranlassung, endlich auch für die Gemeinde Bengen eine eigene Spritze zu kaufen, denn bis dahin besaß sie noch keine.
1852 wurde das neue Schulhaus gebaut, nach Ansicht des Pastors „leider verbaut“.
Am Tage Mariae Himmelfahrt (15. August) des Jahres 1853 entlud sich über Bengen ein ..furchtbares“ Gewitter. Der Blitz schlug in den Kirchturm ein. entzündete ihn zwar nicht, beschädigte ihn aber stark. Den Schaden trug die Vaterländische Feuer-Versicherungsanstalt.
Am 25. September 1853 begann in Bengen eine einwöchige Volksmission, die drei Patres von der Kongregation des hl. Erlösers abhielten. Es war dies in neuerer Zeit die zweite Mission im Dekanat Ahrweiler. Die erste hatten einige Wochen zuvor Lazaristen in Dernau abgehalten. Die Mission in Bengen fand einen überwältigenden Widerhall in der Bevölkerung, wie die Zeitung ..Die deutsche Volkshalle“ am 8. Oktober zu berichten wußte. Trotz schlechten Wetters strömten die Gläubigen von weit her zusammen, und da die Kirche nicht alle Menschen fassen konnte, standen sie vor dem Eingangsportal und auf dem Friedhof unter den geöffneten Fenstern. Mehrmals mußten die Patres im Freien predigen. Ab zwei Uhr in der Nacht wurden die Beichtstühle umlagert. Bei den Predigten waren die Leute so gerührt, daß sie in Tränen ausbrachen, besonders nach einer Predigt über das Allerheiligste Altarssakrament. „Am Ende der Predigt lagen Alt und Jung weinend und schluchzend am Boden und konnten kaum die feierlichen Worte der Abbitte dem Prediger nachsprechen“. Die Tage endeten mit einer Abschlußprozession, an der mehrere tausend Menschen teilnahmen. Aus Dankbarkeit ehrten die Gläubigen danach die Patres und den Pastor mit einem Fackelzug.
1863 wurden die alten Kirchenbänke durch 16 neue ersetzt. Die Kosten hierfür und für das Dielen des Fußbodens in Höhe von 180 Talern bezahlte die Gemeinde.
Am 31. Januar 1864 wurden neue Kreuzwegstationen eingeweiht. Diese von Franziskanerpater Ellendorf hergestellten Stationsbilder kosteten mit Rahmen 70 Taler 17 Silbergroschen.
Am 21. Oktober 1866 feierte die Gemeinde Bengen ein Dankfest für die glückliche Heimkehr aller 26 zum Kriege eingezogenen Männer. Zur dankbaren Erinnerung beschlossen die jungen Leute, eine Marienstatue zu stiften. Sie fand ihren Platz auf dem Marienaltar, der übrigens schon ihm Jahre 1523 bestand, wie am Anfang der Chronik erwähnt wird.
Am 13. November 1868 wurde die seit vielen Jahren hier bestehende Bruderschaft von der christlichen Lehre (von Jesus, Maria, Joseph) wieder von neuem errichtet.
Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Deutschland (zunächst Preußen) den Krieg. 30 Männer aus Bengen wurden einberufen und alle kehrten später gesund zurück, bis auf einen, der infolge allzugroßer Anstrengung im Lazarett gestorben war. Anders als nach dem Kriege von 1866 hielt man jetzt keine kirchliche Dankfeier ab, sondern veranstaltete ein weltliches Fest mit Tanzmusik und Trinkgelage. Gleichzeitig gründete man einen Kriegerverein.
Die letzte Eintragung von Pfarrer Hauth, der die Chronik begonnen und bis hierher geführt hatte, ist ein Bericht über erfolgreich verlaufene Exerzitien vom 8. bis 11. Dezember 1871. Pfarrer Hauth starb am 1. Januar 1878.
Erst drei Jahrzehnte später, und zwar im Jahre 1902, erfolgte die nächste Eintragung: Aus freiwilligen Spenden konnte eine neue gotische Monstranz gekauft werden. Vom Neubau der Kirche berichten die folgenden Aufzeichnungen: Auf Veranlassung des Pfarrers Schmilz versammelten sich am 30. November 1902 die Bürger in der Schule, um über einen Neubau der Kirche zu beraten. Keiner der Anwesenden stimmte gegen einen Neubau. Die notwendige Summe sollte durch freiwillige Spenden angespart werden. Am 28. Mai 1908 starb Pfarrer Schmitz, doch sein Nachfolger Dr. Frings setzte die Bemühungen fort. Im Oktober 1908 hatte man knapp 24000 Mark gesammelt. Nun konnte man vom Architekten Friedrich Tasche aus Bonn die Bauzeichnungen anfertigen lassen. Im Frühjahr 1910 begann man mit dem Neubau, die Grundsteinlegung erfolgte am 26. Mai und die feierliche Einweihung schließlich am 8. November 1910. Von der alten Kirche blieb lediglich der Turm stehen. Fast die ganze Inneneinrichtung wurde neu angeschafft. Während dieser Zeit erhielt die Pfarrei vom Erzbischof von Freiburg eine Reliquie des hl. Lambertus, des Patrons der hiesigen Kirche.
Im Jahre 1913 wurden Pfarrhaus und Kirche an das Elektrizitätsnetz angeschlossen und erhielten eine elektrische Beleuchtung.
Der Junggesellenverein, der eine Zeitlang fast „eingeschlafen“ war, wurde wieder zum Leben erweckt. Am 12. Juli 1914 feierte man die Anschaffung einer neuen Fahne mit einem Junggesellenfest und dem üblichen Fähndel schwenken.
Zwei Wochen später begann der erste Weltkrieg. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Kriegen kehrten danach 14 Männer des Dorfes nicht mehr nach Hause zurück. Nachdem dieser unselige Krieg 1918 sein Ende gefunden hatte, erholte man sich bald von den Schrecken. Das Leben auf dem Dorf ging wieder seinen gewohnten Gang. Für die Gefallenen ließ man eine Ehrentafel herstellen.
Am Stephanustag (26. Dezember) 1919 ertönte in der Kirche zum ersten Mal die neue Orgel, gebaut von der Firma Klais in Bonn. Das Innere der Kirche wurde neu ausgemalt und neue Kreuzwegstationen angeschafft.
Pfarrkirche in Bengen
Fotos: Kreisbildstelle
1923 war eines der schwersten Jahre seit langem. Inflation und Teuerung machten sich auch hier stark bemerkbar. Doch wie in der Notzeit des Weltkrieges blühte auch jetzt das kirchliche Leben. Für die Armen wurde viel gespendet. Lange nicht mehr sah man so viele Bettler, die von Tür zu Tür zogen.
Am 3. Februar 1928 starb Pfarrer Frings, erst 51 Jahre alt. Als Erbauer der Kirche fand er seine letzte Ruhestätte in der Tauf kapelle der Kirche. Sein Nachfolger wurde am 28. April desselben Jahres Nicolaus Braun.
Am 3. Oktober 1930, nachts gegen 23.30 Uhr, brach bei H. Scherhag ein Brand aus, der jedoch Dank der Hilfe der Feuerwehr von Lantershofen gelöscht werden konnte, ehe das Feuer weiter um sich griff.
1931 wurde der Hochaltar durch Bildhauer August Bohle restauriert und reich vergoldet. Schreiner Peter Moog aus Bengen fertigte aus Birkenholz eine neue Weihnachtskrippe für die Kirche.
Mit dem 1. November 1941 trat Pfarrer Nicolaus Braun in den Ruhestand — im 73. Lebensjahr und im dritten Kriegsjahr. In dieser schweren Zeit folgte als Nachfolger Franz Matthias Schütz. Während im Ersten Weltkrieg keine Glocken von Bengen zum Einschmelzen eingezogen worden waren, da sie ein hohes Alter besaßen (1427, 1489, 1578 mußten am 1. 12. 1942 zwei von ihnen abgeliefert werden. Die Wintermonate Januar und Februar 1942 waren ungewöhnlich kalt, so daß die Weinrebe am Pfarrhaus wie auch die Pfirsiche und Kirschbäume im Pfarrhausgarten erfroren. Da viele Männer des Dorfes zum Wehrdienst eingezogen waren, wurde anstatt des bisherigen Männerchores ein gemischter Chor gegründet, damit der Kirchengesang nicht ganz verfiel.
1943: Die zum Kriegsdienst im Herbst dieses Jahres eingezogenen Männer wurden bedrängt, in eine der SS-Formationen einzutreten. Sie widerstanden jedoch dem Druck. Einer von ihnen wurde zwangsweise eingereiht.
1944: Wegen der zunehmenden Bombardierung rheinischer Städte fand eine Anzahl Familien aus Köln, Düsseldorf und Duisburg hier Zuflucht. Gegen Ende des Jahres nahmen mit dem Näherrücken der Front die Einquartierungen von Truppenteilen zu. Die Fliegerangriffe verstärkten sich jetzt auch über dem Ahrgebiet. Deshalb hatte die Bevölkerung von Bengen sich teilweise Erdbunker angelegt. Gleich nach Weihnachten bezog eine SS-Formation hier Quartier mit Menschen aus aller Herren Länder: Spaniern, Wallonen, Ruthenern, Volksdeutschen aus Siebenbürgen, Ungarn usw.
Am 1. Februarsonntag 1945 ging ein für den Ort bestimmter Bombenteppich nieder. Zum großen Glück fielen die meisten Bomben über den Ort hinaus auf die Felder Richtung Mühlberg. Drei Gehöfte am Dorfrand wurden jedoch getroffen und bei einem brannten die Wirtschaftsgebäude nieder. Der Luftdruck der Sprengbomben hatte die Kirchenfenster auf der Nordseite eingedrückt.
Am 6. März 1945 wälzte sich die deutsche Front auf ihrem Rückzug durch die Straßen des Ortes, dabei auch polnische und russische Arbeiter und Arbeiterinnen, Vieh, SA-Männer — ein Bild des Elends und der Auflösung. Der Stab einer Armee, der in den letzten Tagen hier Quartier genommen hatte, verließ nachts um 12 Uhr den Ort. Das waren die letzten deutschen Soldaten.
Am 7. März, morgens um 9.30 Uhr, fuhren die ersten amerikanischen Spähwagen durch das Dorf, und vom Nachmittag an dauerte ununterbrochen der Durchzug schwerer Panzer und Heeresfahrzeuge aller Art an. Diese strotzende Fülle von Kriegsmaterial mußte auch den gläubigsten Patrioten überzeugen, daß Deutschland den Krieg verlieren mußte. Bald war der Ort überschwemmt von amerikanischer Einquartierung. Wie anderenorts auch hatte die Bevölkerung manches zu erdulden. In diesen Tagen wurde der Dorflehrer von Bengen tot auf dem Leimersdorfer Friedhof gefunden. Die näheren Umstände seines Todes konnten nicht geklärt werden.
1946: Die Soldaten aus der Gemeinde kehrten nach und nach zurück, mehr jedoch als nach dem Ersten Weltkrieg galten als vermißt oder waren gefallen. Die Auflockerung der Moral, die jeder längere Krieg mit sich brachte, zeigte sich auch jetzt nach Kriegsende. Ein großer Mangel an Lebensmitteln und allem Lebensbedarf untergrub zusätzlich das moralische Verhalten der Menschen. Bei aller Not requirierte die französische Besatzung rücksichtslos. Einzelne Soldatentrupps drangen im Frühjahr zweimal in mehrere Gehöfte ein und raubten Geflügel. Der Aufbau der Wirtschaft ging nur langsam voran.
Das im Kriege und während der Nachkriegszeit vernachlässigte Schulleben wurde Ostern 1946 durch einen neuen Lehrer wieder geordnet. Die heranwachsende Jugend bildete Jugendgruppen für Jungmänner und Jungmädchen, die sich dem katholischen Diöze-sanverband anschlössen. Ein Jahr später lösten sie sich jedoch wieder auf, da kein geeigneter Versammlungsraum vorhanden war. Neu belebt wurde nach dem Kriege auch der Junggesellenverein.
Nach der Währungsreform im Jahre 1948 konnte endlich daran gedacht werden, die kriegsbeschädigten Kirchenfenster zu erneuern.
1949: Eine Versammlung der Familienvorstände beschloß, die seit 40 Jahren fällige Erhöhung und Erneuerung des Kirchturms in Angriff zu nehmen. Die Kosten in Höhe von 12000 DM sollten durch freiwillige Spenden zusammengebracht werden. Von Mitte Juni 1950 an wurden die Bauarbeiten dann durchgeführt.
1955: Da das Pfarrhaus starke Schäden am Dach und an der Westseite zeigte, mußten zur Erhaltung des Gebäudes das Dach neu mit Schiefer eingedeckt und die Giebelmauer samt den Fenstern erneuert werden.
Nach schwerer Krankheit starb am 2. Februar 1958 der langjährige Küster Peter Fischer. Am 29. Juni feierte der in Bengen geborene Pater Fortunatus Sturm, der seit 31 Jahren als Missionar in Brasilien wirkte, in seinem Heimatort sein 25jähriges Priesterjubiläum. Als Gast war auch der Abt von Maria Laach anwesend.
Im Jahre 1958 erhielt Bengen eine Wasserleitung. Bis dahin war das Wasser den verschiedenen Pumpen im Dorf entnommen worden.
1959: Zahlreiche Gläubige pilgerten zur Ausstellung des Heiligen Rockes nach Trier.
1961 wurden wieder Renovierungsarbeiten am Pfarrhaus durchgeführt, doch weitere Reparaturen waren dringend nötig. Am 23. Januar 1969 beschloß man schließlich, das baufällige Pfarrhaus niederzulegen. Um das Gelände für die Zukunft als Bauplatz zu erhalten, schuf man nach Abbruch des Gebäudes eine Grünanlage, denn wegen des immer größer werdenden Priestermangels mußte die Errichtung eines neuen Pfarrhauses hinausgeschoben werden. Seit 1952 gab es keine Pfarrer mehr in Bengen. Die Verwaltung der Pfarrei hatten die Pastöre aus der Nachbarschaft übernommen. Am 1. Januar 1970 übernahm Pastor Solbach auf Burg Lantershofen, der bereits Pfarrer von Karweiler war, auch die Pfarrei Bengen.
Im selben Jahr wurden umfangreiche Erneuerungsarbeiten an der Kirche begonnen. Eine neue Heizung wurde eingebaut, der Fußboden erneuert, eine Lautsprecheranlage installiert und ein Stahltabernakel aufgestellt. 1973 setzte man die Arbeiten fort mit Ausfugen des Mauerwerks, Neudecken des Daches, Anstrich des Innenraumes usw.
Am 9. 3. 1974 konnte Pfarrer Solbach die kirchliche Weihe einer neuen Mehrzweckhalle und eines Sportplatzes vollziehen. Diese Einweihung war die letzte gemeinsame Handlung von Kirchen- und Zivilgemeinde, denn wenig später am 16. 3. 1974 wurde die Zivilgemeinde aufgelöst und als Ortsbezirk in die neugebildete Gemeinde Grafschaft eingegliedert. Aufgelöst wurde bald auch die Schule in Bengen.
Herrn Pastor Solbach sei herzlich gedankt für die Erlaubnis zur Einsicht in die Pfarrchronik und die Genehmigung zur auszugsweisen Veröffentlichung.