Von falschen Vermessern und gescheiterten Bauplänen

Vor vielen Jahren wurde der Kesselinger Ortsteil Staffel Schauplatz eines amüsanten Streiches

Daniel Robbel

Die Preußen gelten in der historischen Rückschau als fleißiges Volk, insbesondere am Reißbrett. Denn vieles, was die Beamten zu Kaiser Wilhelms II. Zeiten planten, blieb nur eine Idee. Schuld an der mangelhaften Umsetzungsquote hatte meist der 1. Weltkrieg. Insbesondere die Eisenbahn hatte es den Planern angetan, war sie doch das seinerzeit potenteste Mittel zum Transport von Gerätschaften, Personal oder Rohstoffen. Und gerade in der Eifel gab es jede Menge logistische Aufgaben zu bewältigen.

Es war der Staatsbaumeister a.D. Eugen de Witt, der sich 1917 mit der Planung einer Bahn durch die Eifel mit Start in Mayen intensiv beschäftigte. Denn die Route führte an einigen Lagerstätten von Rohstoffen vorbei, Blei- oder Kupfererz zum Beispiel. Verbände eine Schiene die Steinbrüche und Minen, wäre der Abbau ganz besonders lukrativ. De Witt plante zwei Varianten, die sich im Zielpunkt unterschieden. Von Mayen ging es entweder nach (Ahr) Brück oder Kreuzberg, wo der Anschluss an die noch heute bestehende Ahrtalbahn erfolgen sollte. Immerhin wurde bereits über die Planungsphase hinaus gedacht, denn die Gleisbauarbeiten wurden in der Zeitung öffentlich ausgeschrieben.

Ein Aspekt ist hier besonders wichtig. Egal, ob der Endpunkt nun Brück oder Kreuzberg hießen möge: Ganz zwangsläufig musste die Trasse durch das Örtchen Staffel, dem heutigen Ortsteil Kesselings, führen. Angesichts der Herstellung der Öffentlichkeit durch die Ausschreibung witterten die Staffeler Morgenluft. Denn es sollte gar ein Bahnhof entstehen. Und mancher Landbesitzer des kleinen Örtchens wähnte sich bereits mit den Taschen voller Reichsmark. Es herrschte die Annahme, dass die Eisenbahngesellschaft Grund ankaufen oder pachten würde. Ein bombastisches Geschäft lag also in greifbarer Nähe.

So hätte es in Staffel aussehen können. Tat es aber nicht. Die Aufnahme entstand um 1911 beim Bau der Eisenbahnstrecke Dümpelfeld-Jünkerath.

Staffel im Juni 2021

Eine freche Idee

Von dem Bahnprojekt hörte auch eine Truppe pfiffiger, junger Männer aus Rech. Und die beschlossen, ihren Nachbarn – nur ein Spaziergang von etwa fünf Kilometern über die umliegenden Hügel trennt Rech und Staffel – einen formidablen Streich zu spielen. Irgendwann in der Zeit kurz nach der Veröffentlichung der de Witt´schen Pläne wanderten die Männer in den Nachbarort, um sich dort als amtliche Mitarbeiter der Eisenbahngesellschaft auszugeben. Sie hätten dort Vermessungsarbeiten durchzuführen, lautete der vermeintliche Auftrag. Ihre Ankunft wurde mit enormer Freude aufgenommen, kam doch endlich Schwung in das lang ersehnte Bauprojekt.

In der Rolle fühlten sich die Recher wohl. Und die Staffeler bedankten sich mit großen Gesten. Während die Recher Pseudoeisenbahner ihrer „Arbeit“ nachgingen, gab es seitens der Dorfbewohner Speis´ und Trank in rauen Mengen und auch eine trockene Unterkunft wurde gewährt. Denn der Aufwand, den die Betrüger veranstalteten, muss überzeugend und das Spektakel absolut amüsant gewesen sein. Um den Schein zu wahren und weiter Kost und Logis zu erhalten, schlüpften die Recher Spitzbuben nur allzu gerne in die Rolle. In großen Gesten schritten sie Felder ab, nahmen hier und dort Maß, markierten Parzellen und zeichneten Daten auf.

Dass sie von dieser Materie keinerlei Ahnung hatten, merkten die Staffeler nicht. Scheinbar machte die Aussicht auf ein lukratives Geschäft ein wenig blind.

Selbst als die Tage vergingen, schöpfte niemand Verdacht. Und die vergingen zahlreich. Manch einer behauptet heute, dass die Recher es ein wenig übertrieben hätten, als sie sich ganze acht Tage bei den Staffelern einquartierten und durch die Speisekammern futterten. Bemerkt hat den Schwindel aber niemand und schließlich zogen die vermeintlichen Bahnarbeiter wieder ab und kehrten nach Hause zurück: Satt, glücklich und sicherlich voller Schadenfreude anhand dieses Jahrhundertstreiches, der ihnen geglückt ist. Die Staffeler hingegen warteten nun sehnsüchtig auf eine Benachrichtigung der Bahngesellschaft, die ihnen exorbitante Summen für den Abkauf oder die Pacht der zuvor mühevoll vermessenen Areale versprach. Es kam: Nichts. Nicht nur auf eine Benachrichtigung wartete man vergebens, sondern auch die komplette Eisenbahnlinie wurde nie gebaut. Selbst dem gutgläubigsten Staffeler musste spätestens hier dämmern, dass etwas nicht stimmen konnte. Wohlmöglich schoben sie es dem kriegsgebeutelten Staat in die Schuhe. Dass die Recher hinter dem Streich steckten, flog nicht auf. Selbst dann nicht, als die freche Bande im nächsten Jahr zur traditionellen Staffeler Kirmes zur Stippvisite kam. Erkannt wurden sie auch beim Kirmesbier nicht und die Männer kamen ungeschoren davon. Heute ist den Rechern für ihren Streich zu danken, der wohl eine der witzigsten Anekdoten im Ahrkreis darstellt.