Pickel und seine prächtigen Bauwerke

Der Kapellenverein Dedenbach stieß auf bauliche Spuren des berühmten Architekten – Eine Reise durch den Kreis Ahrweiler

Manfred Rutkowski

Der Architekt Caspar Clemens Pickel, geboren 1847 in Kottenheim und verstorben 1939 in Düsseldorf, hinterließ vor allem im katholischen Kirchbau einen reichhaltigen Schatz. Auch im Kreis Ahrweiler. Da ist zunächst die Kapelle Sancta Maria Virgine in Dedenbach. Dieses schmucke Marien-Heiligtum überstand 1980 einen schlimmen Schwelbrand, der großen Sachschaden verursachte. Dabei verkohlte unter anderem ein Teil der Kirchenbänke aus Eiche. Die angeschafften Ersatzbänke waren nicht aus heller Eiche, sondern dunkel lackiert und überdeckten überdies den in der Kapelle gefliesten Mittelgang. Dieser wunderschöne, steinerne Gang sollte räumliche Tiefe schaffen und war von dem Erbauer des Kirchleins, dem Architekten Caspar Clemens Pickel, beim Neubau der Kapelle 1884/85 konzipiert worden.

Sancta Maria Virgine in Dedenbach

Es war eine der vordringlichsten Aufgaben des Dedenbacher Kapellenvereins, 2015 zur Erhaltung und Verschönerung der Kapelle gegründet, den alten Zustand von 1885 wieder herzustellen. Das geschah im Dezember 2019 durch die Kottenheimer Schreinerwerkstatt Nöthen, gerade noch rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest und der schon zur Tradition gewordenen und vielbesuchten Dedenbacher Weihnachtsmusik.

Zwei Vorstandsmitglieder des Kapellenvereins Dedenbach überzeugten sich im Dezember 2019 vom Fortschritt des Baus der Bänke in der Schreinerei bei Mayen. Dabei kam man auch auf den Erbauer der Dedenbacher Kapelle zu sprechen, den Architekten Pickel aus Düsseldorf. Herr Peter Nöthen entgegnete spontan, ein Architekt namens Pickel sei in Kottenheim geboren und Ehrenbürger dieser Eifelgemeinde.

Dedenbach: Es war eine der vordringlichsten Aufgaben des Dedenbacher Kapellenvereins, den alten Zustand von 1885 wieder herzustellen.

Welch ein Zufall! Die Verifizierung dieser Aussage war nun einfach und zudem Anlass, sich mit diesem bedeutenden Architekten näher zu befassen und zu ergründen, welche baulichen Spuren dieser Mann nicht nur in Dedenbach, sondern in mehreren Orten des heutigen Kreises Ahrweiler hinterlassen hat.

Pickels Werdegang

Caspar Clemens Pickel wurde am 8. April 1847 als zweites Kind von sechs Söhnen in Kottenheim bei Mayen geboren. Sein Vater war dort Basaltgrubenbesitzer und 21 Jahre lang Ortsvorsteher. Seine Mutter hieß Catharine, geb. Doll. Nach dem Besuch der Provinzialgewerbeschule in Koblenz von 1861 bis 1864, mit Schwerpunkt im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, und dem Studium an der Königlich-Preußischen Bauakademie Berlin ab 1865 trat Pickel 1867 in das Düsseldorfer Architektenbüro von August Rincklage ein. Von 1870 bis 1876 lebte und arbeitete er in Essen und führte dort mehrere Bauten von Rincklage aus. 1883/84 übernahm Pickel im Alter von 36 Jahren das renommierte Düsseldorfer Büro von Rincklage, der nach Braunschweig an die Technische Hochschule ging. Pickel führte das Geschäft erfolgreich weiter.

Die Jahre, in welcher Pickel sein größtes Schaffen hatte, lagen zwischen 1874 und 1914/15. Es waren die sog. Gründerjahre und die Zeit des „Wilhelminischen Historismus” zwischen der Reichsgründung 1870/71 und dem 1. Weltkrieg. In diesen Jahren festigte Pickel seinen Ruf als einer der fähigsten Baumeister seiner Zeit mit insgesamt 103 geschaffenen Monumentalbauten, darunter 55 Pfarrkirchen/Kapellen und 26 Ordenskirchen und Klostergebäuden, wobei sein Schwerpunkt im Sakralbau lag. Daneben schuf er eine Reihe profaner Bauten, wie Krankenhäuser, Rathäuser, Gerichtsgebäude, Wohnhäuser und Schulen. Er erhielt zahlreiche Ehrungen.

Die größte Schaffensperiode Pickels war mit dem 1. Weltkrieg beendet. Während bisher die Romanik und die niederländische Backsteingotik seinen Stil prägten, konnte er am Bauhaus und der damit verbundenen neuen Sachlichkeit wenig Gefallen finden. Sein Lebenswerk war geprägt und verhaftet von Vorbildern des Mittelalters, ganz im neogotischen oder neoromanischen Stil des Historismus. Begünstigt wurden seine Bauvorhaben durch die industrielle Expansion und durch das explosionsartige Wachsen der Städte, besonders an Rhein und Ruhr.1918 erlitt der 71-Jährige einen Unfall. Dazu kamen gesundheitliche Leiden. Er lebte später zurückgezogen im Haus seines Sohnes in Düsseldorf, wo der 92-Jährige, der bis zuletzt geistig rege war, am 7. November 1939 verstarb.

Sancta Maria Virgine in Dedenbach

Zu Pickels Bauten im Kreis Ahrweiler: Seine architektonischen Spuren im heutigen Kreis Ahrweiler lassen sich sich zeitlich zunächst im Bau der Marienkapelle Sancta Maria Virgine, also Mariä Geburt, in Dedenbach von 1884 bis 1885 finden. Zur Dedenbacher Kapelle liegt eine Chronik aus 1985 von Josef Arnold vor, der recherchiert hatte, dass die alte Kapelle, am 8. März 1509 vom Kölner Titularbischof Theoderich konsekriert, 1884 wegen Baufälligkeit niedergelegt worden war. Daran erinnert an dieser Stelle seit 3. Mai 1921 ein Basaltkreuz, an dessen 100. Jubiläum der Vorstand des Kapellenvereins und Gemeindevertreter von Dedenbach in einer würdigen Veranstaltung gedachten. Viele Dorfbewohner halfen durch Spenden und Mitarbeit am Bau des neuen Marien-Heiligtums, dessen Einweihung 1885 gefeiert wurde. Strahlender Mittelpunkt der jetzigen Kapelle ist der hölzerne Hochaltar, welcher nicht vernichtet, sondern aus der alten Kapelle übernommen worden war. Doch auch die Konzeption Pickels, nämlich die Schaffung räumlicher Tiefe, ist seit Dezember 2019 wieder nach der Anordnung des Kirchengestühls im kleinen Gotteshaus spürbar, besonders beim Blick vom hinteren Kapellenraum über den gefliesten Mittelgang auf den wunderschönen Marienaltar in der Apsis.

Grafschaft-Ringen: Für St. Dionysius erhielt Pickel am 21. Januar 1890 den Auftrag, einen Entwurf zu einem Neubau der Kirche zu erstellen.

St. Barbara in Weibern

Von 1888 bis 1890 arbeitete Pickel an der alten Pfarrkirche St. Barbara in Weibern. Der Saalbau ist aus Tuff-Quadersteinen im neugotischen Stil erbaut, der polygonale Kirchturm dominiert die ansehnliche Portal-Fassade. Die neue Kirche liegt unterhalb des alten Gotteshauses und ist mit einem Zwischentrakt verbunden. Sie wurde am 1. Juli 1973 geweiht, ebenfalls zu Ehren der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Steinmetze. Die Maßwerkfenster, der Taufstein und das Kriegerdenkmal in der Vorhalle wurden von einheimischen Steinmetzen gefertigt.

St. Johannes der Täufer in Brohl

Die Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Brohl wurde zwischen 1887 und 1891 von Pickel geschaffen und am 6. Mai 1891 durch den Trierer Bischof Korum feierlich geweiht. Am 8. Februar 1945 verlor die Kirche durch Fliegerbomben alle Fenster. Künstler und heimische Gruppen ersetzten sie in der Folgezeit. Sie sind jetzt eine Zierde des Gotteshauses, das von 1979 bis 1991 außen und innen renoviert wurde und nun schon seit über 100 Jahren das Wahrzeichen des Hafenortes ist.

St. Dionysius in Grafschaft-Ringen

Für St. Dionysius in Grafschaft-Ringen erhielt Pickel am 21. Januar 1890 den Auftrag, einen Entwurf zu einem Neubau der Kirche zu erstellen. Ab 15. Mai 1890 baute der Unternehmer H. Schmitz den Sakralbau, wobei der Turm der alten Kirche stehen blieb. Nach der gründlichen Sanierung im Innen- und Außenbereich in den Jahren 2018 bis 2019 weihte der Trierer Bischof Dr. Ackermann das Gotteshaus am 17. Februar 2019 in feierlicher Konzelebration ein.

Marienkapelle in Adenau

Von 1893 bis 1895 schuf Pickel mit der prächtigen, denkmalgeschützten Marienkapelle in Adenau ein Gesamtkunstwerk, denn er konnte die Planung, Durchführung und Gestaltung der kompletten Ausstattung selbst bestimmen. Beim Betreten der Kapelle fällt zunächst der Rundbau ins Auge; der Innenraum bildet ein gleichschenkeliges Sechseck; an dessen Portalseite befindet sich eine kleine Vorhalle mit darüber liegender Orgelbühne. Der Architekt hatte bereits von 1890 bis 1893 Portale, Kirchenbänke und die Kanzel der Pfarrkirche St. Johannes in Adenau entworfen. Offenbar wegen dieser guten Arbeit erhielt er auch den Auftrag, die Marienkapelle anstatt der zu klein gewordenen Kapelle zur schmerzhaften Mutter Maria, dem Vorgängerbau von 1735, zu errichten.

Adenau: Von 1893 bis 1895 schuf Pickel mit der prächtigen, denkmalgeschützten Marienkapelle ein Gesamtkunstwerk.

Vier Bauwerke in Remagen: St. Peter und Paul

Remagen bildet mit vier verwirklichten Bauwerken einen Schwerpunkt von C.C. Pickels architektonischen Schöpfungen im Kreis Ahrweiler. Wer hat nicht schon im Vorbeifahren auf der B 9 in Remagen die imposante, einem Dom gleichende Pfarrkirche St. Peter und Paul bewundert, deren Erweiterungsbau Pickel von 1900 bis 1904 im Stil der rheinischen Spätromanik geschaffen hat? Die Grundsteinlegung am 30. September 1900 nahm der Trierer Bischof M.F. Korum vor, und am 6. Juli 1903 wurde der Erweiterungsbau feierlich konsekriert. Dem unvoreingenommenen Betrachter stellt sich der Komplex heute so dar, als ob es sich um zwei unmittelbar nebeneinander stehende Kirchen handelt. Tatsächlich ist die alte Kirche samt Turm der westliche Vorbau der neuen Kirche von Pickel geworden. Das Gotteshaus erlitt im letzten Weltkrieg jedoch starke Beschädigungen.

St. Johannes Nepomuk in Kripp

Kripp ist einer der Stadtteile von Remagen. Deswegen kann die architektonische Schöpfung der Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk in Kripp von 1900 bis 1903 durch Pickel im neogotischen Stil zu seinen „Remagener Bauten” zählen. Das Gotteshaus ist ein zweischiffiger Hallenraum mit eingezogenem Chor. Am 7. Juli 1903 konsekrierte Weihbischof C.E. Schrod das Gotteshaus.

St. Anna-Kloster in Remagen

Das 1865 gegründete St. Anna-Kloster in Remagen diente als Haushaltungsschule und Pensionat. Von 1904 bis 1906 erweiterte Pickel den Bau um das Querhaus und den Chor und fügte die heute noch vorhandene Kapelle im neugotischen Baustil an. 1977 wurde der größte Teil der Gebäude abgebrochen, ausgenommen die Kapelle und der Flügel Marktstraße/Ecke Fährgasse. Die von den Franziskanerinnen aus Nonnenwerth am 19. März 2011 gekaufte Kapelle wurde in der Folgezeit aufwändig renoviert und am 5. Januar 2014 feierlich eingeweiht. Sie dient heute für Ausstellungen und Konzerte und ist zwar nicht mehr geweiht, ihr sakraler Charakter besteht noch.

Krankenhaus Maria Stern

Das Remagener Krankenhaus Maria Stern ist eine Stiftung des Remagener Arztes Dr. Bernhard Apollinar Harling und dessen Ehefrau Auguste, geb. Dumont. Das Gebäude wurde von Pickel zwischen 1904 und 1906 erbaut und 1963 durch einen Neubau ersetzt. Heute gilt dieses Krankenhaus, zusammen mit dem Verbundkrankenhaus Linz, als eines der Fundamente der medizinischen Versorgung in der Region.

St. Lambertus in Kirchdaun

In Kirchdaun, einem Stadtteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler, liegt die römisch-katholische Pfarrkirche St. Lambertus. Von der bereits 1131 urkundlich erwähnten Kirche ist der im 14. Jahrhundert erbaute Chor erhalten; er dient heute als Taufkapelle. Das Kirchenschiff wurde 1909 nach den Plänen Pickels durch einen neugotischen Bau ersetzt. Der alte Turm wurde 1921 wegen Baufälligkeit abgerissen. Von 2002 bis 2005 wurde das Gotteshaus saniert; es besitzt im Innenraum aber noch das ursprüngliche Aussehen von 1909 mit den originalen Bodenfliesen und der Wandbemalung. Die Rosette über dem Portal zeigt die Hl. Cäcilia als Organistin.

Weitere prächtige Beispiele der Pickelschen Baukunst liegen in der Nähe des Kreises Ahrweiler. Zu erwähnen sind Pickels erster Kirchenbau St. Paulinus in Welling, ferner Maria Himmelfahrt in Mülheim-Kärlich, die Dreifaltigkeitskirche in Weißenthurm und der Turm von St. Nikolaus in Kottenheim. Darüber hinaus hat der begabte Architekt u.a. in Holland, Köln, Düsseldorf (wo er sieben Kirchen baute), Hagen, Krefeld, Bochum, Oberhausen und Berlin gewirkt.

Der Kreis Ahrweiler und besonders die Dedenbacher Bürger können auf diesen Mann stolz sein, der 1884/85 in diesem Ort die wunderschöne Kapelle zu Ehren von Mariä Geburt geschaffen hat und dessen eindrucksvoller Bau, wie in den anderen Orten des Kreises Ahrweiler, die Zeiten überdauert hat.

Quellen:

  • Michael Schmitz,1989: Zum 50. Todestag des Baumeisters und Architekten (Pickel)
  • Lagerbuch der Pfarrei St. Nikolaus, Königsfeld
  • Wikipedia und AW-Wicki
  • Chronik Josef Arnold, 1985: Die Kapelle Dedenbach
  • Dr. Horst Schmitges, Promotionsarbeit 1969: C.C. Pickel – Beiträge zum Kirchenbau des 19. Jahrhunderts