Die kaiserliche Macht Ottos III.

Vor 30 Jahren beging die Stadt Adenau ihre 1000-Jahr-Feier (992-1992) – Wildbannprivileg verlieh Jagdrecht im heutigen Gebiet vom Adenauer Bach bei Dümpelfeld über Niederadenau, Hohe Acht, Blasweiler, Neuenahrer Berg und ahraufwärts

Richard Hammes

Die Bekanntgabe des „Kaiserjahres 2020“ durch die Generaldirektion „Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz“ und die Ankündigung der großen Landes-Ausstellung im Landesmuseum Mainz „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ veranlassten mich, eine eingehende Recherche über den damaligen Kaiser Otto III. vorzunehmen. Ein weiterer Grund ist, dass die 1000-Jahr-Feier der Stadt Adenau nunmehr 30 Jahre her ist. Denn das Wildbannprivileg des Königs und späteren Kaisers Otto III. aus dem Jahre 992 war der Anlass für dieses Jubiläum 1992.

Rückblick auf die 1000-Jahr-Feier 1992

Im Rückblick erinnere ich mich an ein umfangreiches Programm an den Jubiläumstagen im Mai und August 1992. Am 23. Mai 1992 fand anlässlich der 1000-Jahr-Feier in der Hocheifelhalle ein Festkommers statt. Der Historiker Dr. Peter Neu hielt den Festvortrag „1000 Jahre Adenau“. Neben die historischen Fakten stellte er immer wieder Anekdotisches vor, das die Zuhörer zum Schmunzeln verleitete. Er ließ vor allem die wirtschaftliche Entwicklung mit Mühlen und Märkten, Adenauer Tuch und handwerklichem Zunftwesen lebendig werden und berichtete auch von Kuriosem: von Marktständen auf dem Kirchhof (der Adenauer Friedhof lag damals noch um die Kirche), von den ehemals 22 Kneipen und nicht zuletzt von jenem Adenauer Bürger, dessen Gewerbe es war, Eber zu kastrieren und der sich „Schweinsschneider“ nannte, „ein Titel, der einmalig in ganz Deutschland war“, wie Neu anmerkte.

Im August 1992, an den Festtagen des Heimatfestes (28.8. – 31.8.1992) gab es weitere Höhepunkte im Festprogramm: Buchvorstellung „1000 Jahre Adenau“, Konrad Adenauer-Ausstellung in der Komturei, am Sonntag schließlich das absolute Hauptereignis: der historische Festzug anlässlich der 1000-Jahr-Feier.

Die Gerberzunft ist eine der drei historischen Adenauer Zünfte: Motivwagen beim Festzug zur 1000-Jahr-Feier 1992

Das Dokument

Die Urkunde aus dem Jahre 992 ist in ihrer äußeren Gestaltung geradezu ein klassisches Beispiel einer zeitgenössischen Königsurkunde. Im Monogramm ist der vom jungen König eingetragene Vollziehungsstrich als Querverbindung zwischen den beiden T gut erkennbar. Der Siegelabdruck ist von erlesener Qualität und zeigt den König mit Krone, das Zepter in der Rechten und den Reichsapfel in der Linken, umgeben von der Umschrift OTTO DeI GRA- TIA REX (Otto von Gottes Gnaden König). Das Dokument ist mit seinen klaren und schönen Schriftzügen noch gut lesbar. (HStAD Kurköln Urk. 2)

König Otto III. erlaubt auf Bitten der Kaiserin Adelheid und nach Fürsprache des Bischofs Hildebald von Worms und des Pfalzgrafen Hermann seinen Getreuen Sigebodo und dessen Bruder Richwin, einen Forst innerhalb der nachfolgend umschriebenen Grenzen einzurichten, und verleiht ihnen das Recht der Jagd auf Hirsch, Wildschweine und andere Tiere. Der Wildbann beginnt an der Mündung des Adenauer Baches in die Ahr (bei Dümpelfeld), folgt dem Bach bis Niederadenau, dann den Pfad hinauf bis zum Feld Vualderadaguielle (nicht identifiziert, vielleicht Waldrada-Quelle) über die Hohe Warte (in der Urkunde steht Hohenegga, was eher auf den Berg Hohnück deutet) bis zur Hohen Acht, von dort die ganze Straße hinab (die Kohlstraße ?) über die schwarze Sohle (nicht identifiziert, im Original steht Suarcensole) nach Blasweiler, von dort über die Höhe zwischen Königsfeld und Ramersbach bis zur Hohen Eiche (nicht identifiziert, das Orig. hat Hoheneichi) weiter über die Höhe zum Neuenahrer Berg, von dort bis zur Ahrbrücke in Wadenheim und dann ahraufwärts bis zur Mündung des Adenauer Baches.

Die oben erwähnten Brüder Sigebodo und Richwin gehören vermutlich in die Ahnenreihe der Grafen von Are. Grafenrechte hatten die Are indessen weder im Gebiet des Wildbanns noch überhaupt im Ahrgau, sondern nur im Eifelgau. Trotzdem hatte die Wildbannverleihung die Familie von Are-Hochstaden hier Wurzeln schlagen lassen. Hier baute sie die Burgen Altenahr (Are), Neuenahr und Nürburg.

Kaiser Otto III.

Kaiser Otto III. wurde am 15. Juli 980 (Ende Juni/Anfang Juli) in Kessel an der Maas geboren. Seine Eltern waren Kaiser Otto II. und Kaiserin Theophanu (eine Nichte des byzantinischen Kaisers Johannes I.). Nach dem Tod seines Vaters (Ende 983) wurde Otto am 25.12.983 in Aachen zum König gekrönt. Die Regierungsgeschäfte  übernahmen  für  den „Kindkönig“ zunächst seine Mutter Theophanu und seine Großmutter Adelheid. Otto III. war zum Zeitpunkt der Ausstellung der Urkunde 992 noch minderjährig und stand nach dem Tod der Mutter Theophanu († 991) unter der Vormundschaft seiner Großmutter, der schon über 60 Jahre alten Kaiserin Adelheid (der zweiten Gemahlin Kaiser Ottos des Großen). Als er 992 das „Adenauer Dokument“ unterzeichnete, war Otto also nur König, noch kein Kaiser. Auf dem Reichstag zu Sohlingen (bei Höxter) im September 994 wurde Otto III. für volljährig erklärt und übernahm die Regierung. 996 wurde er in Rom durch Papst Gregor V. zum Kaiser gekrönt. 1002 starb er in Paterno (nördlich von Rom), wurde aber im Aachener Dom beigesetzt. Otto III. blieb unverheiratet und kinderlos.

Das Reich im Mittelalter

In den Jahren von 919-1024 regierten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation die sächsischen Herrscher, die sogenannten Ottonen (Liudolfinger): Heinrich I. von 919- 936, Otto I. (der Große) 936-973, Otto II. (der Rote) 973-983, Otto III. 983-1002, Heinrich II. (der Heilige) 1002-1024.

Die Verhältnisse im Innern

Die überwiegende Zahl der Menschen lebte vom 9. bis 12. Jahrhundert in grundherrschaftlich organisierten Verbänden. Die weltlichen und geistlichen Fürsten und die Adligen lebten von den Abgaben und Dienstleistungen abhängiger Bauern. Diese Bauern bewirtschafteten in ihrer Mehrzahl eigene Höfe und lieferten einen Teil ihrer Erträge an den Grundherrn ab. Doch besaßen die Grundherren damals auch eigene Betriebe, auf denen die Arbeit teils von Bauern, die nur mit kleinen Landstücken ausgestattet waren, teils von Unfreien (den Sklaven der Antike ähnlich) geleistet wurde.

Das Monogramm (links) und der Siegelabdruck des Königs Otto

Zu diesen beiden Gruppen kamen, vor allem während der Zeit intensiver Arbeit, also während der Saat- und Ernteperioden, die von einem solchen Herrenhof abhängigen, normalerweise ihre eigenen Betriebe bewirtschaftenden Bauern hinzu. Sie waren über die erwähnten Abgaben hinaus zu Dienstleistungen (Hand- und Spanndiensten) verpflichtet. Das lässt sich ganz eindeutig nachlesen in der einschlägigen Literatur über die Nürburg, einem der lokalen Adelssitze in unserer Region. Alle Bewohner hatten für die Burg ihre Frondienste zu verrichten.

Das Reich nach außen

Ottos Politik war auf Rom fixiert: Im Jahre 996 reiste er nach Rom, um sich die Kaiserkrone zu holen. Papst Johannes XV. starb, bevor der König Rom erreichte. Otto zwang den Römern als Nachfolger seinen acht Jahre älteren Vetter, den Kapellan Bruno von Kärnten auf, der anschließend unter dem Namen Gregor V. den Heiligen Stuhl einnahm. Dieser krönte Otto am 21. Mai 996 zum Kaiser.

Otto III. thronend mit geistlichen und weltlichen Regenten. Buchmalerei aus einem vermutlich 998 in Bamberg entstandenen Evangeliar.

Die Stellung des deutschen Königs war im 10. und 11. Jahrhundert so stark, dass sich die nördlich und östlich angrenzenden Herrscher, die böhmischen, polnischen und dänischen Könige zeitweilig von ihm abhängig machten. Im Westen gelang es im 10. Jahrhundert, das Herzogtum Lothringen gegen Frankreich zu behaupten. Im Südwesten fiel 1033 das schon vorher dem Reich zugewandte Königreich Burgund, das heißt der Südteil des einstigen lotharingischen Zwischenreiches – also die heutige Westschweiz sowie das östlich der Rhone gelegene südliche Frankreich – an den deutschen König. Fortan bestand das Reich aus drei Königreichen: aus Deutschland, Italien (Norditalien) und Burgund. Im Nordosten gelang im 10. Jahrhundert die Unterwerfung der zwischen der Elbe bzw. der Saale und der Oder lebenden Slawen. Diese ottonischen Eroberungen hatten zur Folge, dass die Unterworfenen gleichzeitig für das Christentum gewonnen werden konnten und die kirchliche Organisation dort ausgebaut wurde.

An dieser Konzeption eines Imperium Christianum hatte Otto III. großen Anteil. In den wenigen Jahren seines kurzen Lebens hatte er die geistigen Weichen für eine überregionale Reichsidee gestellt. Er war sozusagen ein „Europäer auf dem Herrscherthron.“

Die Verherrlichung des Kaisers in der Herrscherdarstellung Ottos III.

„Möge Gott dein Herz mit diesem Buch umhüllen, erhabener Otto, und dich daran erinnern, dass du es von Liuthar empfangen hast!“ Mit diesen Worten überreicht der Mönch des Inselklosters Reichenau im Bodensee Liuthar Kaiser Otto III. das von ihm geschriebene und illustrierte Evangeliar, das heute im Aachener Münsterschatz aufbewahrt wird. Die sogenannte Widmungsseite dieses Evangeliars Kaiser Otto III. ist eine Herrscherdarstellung, die sich in der Verherrlichung des Kaisers besonders hervortut.

In dieser Herrscherdarstellung wird die Auffassung von Ottos Königtum erklärt: Der Kaiser thront in der Mandorla (mandelförmiger Heiligenschein), ein Platz, der in mittelalterlichen Miniaturen sonst nur Christus vorbehalten ist. Das Haupt des Kaisers dringt in die göttliche Sphäre vor. Von Gott – symbolisiert durch eine Hand – erhält der Kaiser die Krone. Die Schriftrolle, die des Kaisers Herz umhüllt, wird von den vier Evangelistensymbolen gehalten (der Engel für Matthäus, der Adler für Johannes, der Stier für Lukas, der Löwe für Markus). Lediglich mit den Füßen steht der Kaiser auf der Erde, symbolisiert hier mit der Figur der Terra. Zur Rechten und zur Linken des Thrones huldigen zwei Könige, die wohl die Oberhäupter der soeben christianisierten Ungarn und Polen verkörpern. Im unteren Bereich des Bildes befinden sich zwei Vertreter des Adels und zwei Vertreter der Geistlichkeit als Stützen der kaiserlichen Macht.

Verherrlichung des Kaisers: Das Thronbild aus dem Evangeliar Ottos III. im Aachener Münsterschatz, gefertigt um das Jahr 1000 von dem Mönch Liuthard in der Reichenauer Klosterschule.

Hier wird das „christozentrische“ Weltbild Ottos III. und der damaligen Welt deutlich. Der Kaiser leitet seinen Anspruch auf die Vorherrschaft in der christlichen Welt direkt von Gottes Gnade ab. Damit war er auch berechtigt, Päpste einzusetzen, wie er es mit der Einsetzung seiner Vertrauten Gregor V. und Sylvester II. bewiesen hat.

Die kühne Bildschöpfung des Reichenauer Mönchs von diesem „göttlichen“ Kaiser zeigt deutlich die enge Verflechtung von Kirche und Christentum mit Politik und Herrschaft im ottonischen Reich.

Die heilige Corona und Otto III.

Im Zuge der 2020 weltumspannenden Corona-Pandemie tritt plötzlich eine Heilige der katholischen Kirche auf den Plan, die nach fast 2000 Jahren hochaktuell wird, die hl. Corona. Sie, „die Gekrönte“, soll im Jahre 177 in Syrien für ihren Glauben nach der Hinrichtung ihres Mannes, des heiligen Victor, selbst den Märtyrertod erlitten haben. Ihr wird nachgesagt, von den Gläubigen bei Seuchen angerufen worden zu sein.

997 gelangten die Reliquien der heiligen Corona und die des heiligen Leopardus als Geschenk Kaiser Otto III. von Italien an das Aachener Münster. Beide wurden 1910 aus der Aachener Gruft erhoben und in einem Doppelschrein in Form einer Kreuzkuppelkirche, goldverziert und mit Edelsteinen geschmückt, beigesetzt.

Quellen und Literatur:

  1. Bernd Schiffarth und weitere Autoren: 1000 Jahre Adenau: Aus der Geschichte der Johanniterstadt; Herbrand & Friedrich, Adenau 1992
  2. Dr. Peter Neu: 1000 Jahre Adenau (Festvortrag) in „Heimatfest Adenau 1992“
  3. RVDL: Zeugnisse rheinischer Geschichte (Festschrift 150 Jahre staatliche Archive in Düsseldorf und Koblenz); Neuss 1982
  4. Gerhard Jaeckel: Die deutschen Kaiser: Eine illustrierte Geschichte der deutschen Herrscher von Karl dem Großen bis Wilhelm II.; Urbes-Verl., München o.Jz.
  5. Gerhard Hartmann: Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches; marixVerl., Wiesbaden 2010
  6. Autorengruppe: Mitten in Europa – Deutsche Geschichte; Siedler, Berlin 1992
  7. Winfried Schubert: Nürburg: Burg, Ort und Ring; Nürburg 1981
  8. Monika Spicker-Beck u. Theo Keller: Klosterinsel Reichenau – Kultur und Erbe; Stuttgart 2001
  9. Rüdiger Liedtke: 111 Heilige im Rheinland, die man kennen muss; emons, 2020