Die (fast) wunderbare Rettung der Matthiaskapelle in Leimbach

Aus religiösen, geschichtlichen und kulturhistorischen Gründen: Die Kirche bleibt im Dorf – 2.600 Arbeitsstunden in Eigenleistung erbracht

Norbert Löhr

Wie immer gut gelaunt, schloss am Tag nach einer Heiligen Messe im Dezember 2008 die Küsterin Maria Dix die Kapellentüre auf und traute ihren Augen nicht. Ein Teil der verputzten Kapellendecke war über Nacht eingestürzt. Es bot sich ihr ein Bild der Verwüstung. Sie ahnte nicht, dass die Instandsetzung sich bis zum Jahre 2021 hinziehen würde und sie sollte es aufgrund ihres hohen Alters auch leider nicht mehr erleben.

Doch halt, zum Verstehen der folgenden Geschichte ist zunächst ein kleiner, nicht minder spannender Rückblick über die Bedeutung der Matthiaskapelle in Leimbach erforderlich. Sie hat mit Sicherheit auch dazu beigetragen, dass die Renovierung erfolgreich durchgeführt werden konnte.

Seit 1642 läutet in dieser Kapelle eine kleine Glocke. Seit 2021 ist das Gotteshaus in Leim- bach renoviert.

Zur Geschichte

Der Ort begegnet uns urkundlich erstmals 1216 in einer Urkunde (unterzeichnet am 23.5.) des Grafen Gerhard von Are, eines Sohnes des Grafen Ulrich von Are1)3). Weiter begegnet uns der Ort im Güterverzeichnis der Abtei „St. Maximin“ in Trier im 13. Jahrhundert (MRUB.II, S.471)2)3)10). „Rechtzeitig“ entstand in Leimbach eine Kapelle. Ab dem Jahr 1642 läutete in dieser Kapelle eine kleine Glocke. Diese kam aus der „Peter Waller Kirche“ in Adenau3)4)5). Die „Peter Waller Kirche“ befand sich im Bereich des heutigen Friedhofes in Adenau.

Im Jahr der Zerstörung der Nürburg 1690 wurde die Kapelle als baufällig beschrieben.

Eine neue Kapelle wurde im Jahr 1707 fertiggestellt. Erschreckenderweise wurde für diese bereits rd. 46 Jahre später eine dringende Instandsetzung gefordert.

1833 war auch dieses Gotteshaus wieder baufällig3). Hierüber ist umfangreicher Schriftwechsel vorhanden6). Der damals über die Grenzen hinaus bekannte Bauinspektor Nebel plante den Neubau7). Die Kapelle wurde im Stil des Klassizismus als dreiachsiger Saalbau mit halbrundem Chorschluss errichtet2)4). Sie ist nach Osten ausgerichtet, hat eine Außenlänge von rd. 18 m, eine Breite von 9,5 m und eine Höhe von ca. 18,5 m incl. des Kirchturms. Die Wandstärke beträgt ca. 0,90 m. Bereits Ende 1835 wurde das neue Bauwerk vom Pfarrer aus Adenau eingeweiht. Hierbei handelt es sich um das heute bestehende Bauwerk.

Der Altar

Der Altaraufsatz (zweiteilige Architektur mit Akanthuswerk und Fruchtgehängen) stellt in der Mitte Maria mit dem Jesuskind dar. Darüber ist eine Figur des heiligen Matthias, dem Schutzpatron, zu sehen. In den Giebelecken befinden sich zwei schwebende Engel, seitlich auf den Türwänden Figuren von St. Petrus und St. Johannes der Täufer. Vermutlich stammt der Altaraufsatz aus der im Jahre 1707 abgerissenen Kapelle. Leider ist der Erbauer des Altars unbekannt2)4).

Die Glocken

Ab dem Februar 1941 wurden während der Zeit des Nationalsozialismus Glocken eingezogen und für die Waffenherstellung verwendet, so auch in Leimbach. Eine kleine Glocke konnte vermutlich erhalten werden.

Die Bevölkerung wusste sich aber zu helfen und es wurden, trotz der erheblichen Risiken, zwei neue Glocken geordert. Bezahlt wurde in Naturalien. Den Kauf der Glocken fädelten Anton Kasper und Matthias Zimmermann aus Leimbach in Brockscheid ein. Theo Kasper fuhr mit dem Pferdefuhrwerk unter Beisein eines weiteren, leider unbekannten Dorfbewohners dorthin und kam mit zwei neuen Glocken zurück, jedoch nicht ohne aufzufallen. Nur mit Hilfe des in Leimbach weilenden Paters Michael Theisen gingen die Betroffenen nach einigen Wirrungen straffrei aus6). Das dreimal tägliche Angelusläuten wurde bis zum Jahre 2007 noch händig per Glockenseil vorgenommen.

Diese  Glocken  mussten  aus  technischen Gründen abgebaut werden und wurden im Jahre 2007 durch neue ersetzt. Die größere der beiden Glocken ist mit einem Relief der St. Matthias-Insignien versehen, die kleinere ist mit dem Wappen der Ortsgemeinde Leimbach verziert. Die alten Glocken werden einen würdigen Ausstellungsort im Umfeld der Kapelle erhalten.

Die Fenster

Besondere Beachtung verdienen die jetzigen Fenster. Bei Bombenangriffen auf das Dorf, während des Zweiten Weltkrieges am 8. Oktober 1944 sowie am 22. und 29. Oktober 1944, blieb die Kapelle schadlos. Jedoch gingen sämtliche Fenster (Bleiverglasung) zu Bruch, als die Brücke der B 257 über den Adenauer Bach kurz vor Kriegsende durch deutsche Truppen gesprengt wurde. Die Erneuerung wurde damals durch den örtlichen Schreiner Jakob Rausch ausgeführt. Für Bleiverglasung gab es weder Geld noch Material. So wurden die Fensterrahmensprossen aus Kiefernholz gefertigt. Es stammt aus mit Bordwaffenbeschuss beschädigtem Holz des nahe liegenden Gemeindewaldes9). Dem Schreiber ist zumindest im weiten Umfeld keine Kapelle oder Kirche mit Holzsprossenfenster bekannt.

Maßarbeit der Zimmerer und des Kranführers: Dach und Dachstuhl wurden im Mai 2018 abgebaut, der Glockenturm auf dem Erdboden abgesetzt, das Mauerwerk erhielt einen Ringanker – dann konnte der neue Dachstuhl verzimmert und der Glockenturm wieder aufgesetzt werden.

Der Altarraum unter dem Halbrund der Holzdecke

Abriss oder Rettung?

Doch nun wieder zurück zum eigentlichen Geschehen. Im Auftrag des Bistums Trier wurden mehrere Gutachten erstellt. Hierdurch wurde klar, dass der gesamte Dachbereich durch Nässeeinwirkung marode und zudem der gesamte Innenraum mit Pilzsporen befallen war. Erste Kalkulationen für die nun notwendige Restaurierung ergaben eine Summe von 153.000 Euro. Das Bistum erklärte sich bereit, 60 % der Bausumme zu zahlen. Die Eigenleistung der Bewohner sollte mithin 40 %, also rd. 61.000 Euro betragen. Ein hoher Betrag, zumal erst die neuen Glocken mit rd. 20.000 Euro ganz in Eigenleistung aufgebracht wurden. Man brauchte Zeit. Die Diskussionen gingen hin und her.

Eine kleine Gruppe mutiger Damen und Herren fand sich zusammen und gründete im Jahre 2013 einen Förderverein zur Rettung der Matthiaskapelle. Eine der ersten Handlungen war die Anbringung eines überdimensionalen Schildes mit der vorgenannten Aufschrift „Abriss oder Rettung?“ auf die Außenwand der exponiert sichtbaren Kapelle.

Es wurden Fördermitglieder gewonnen, Veranstaltungen durchgeführt, Spenden gesammelt. So kam schon ein beachtlicher und Mut machender Betrag zusammen. Der Anfang war gemacht. Nun geschah etwas Ungewöhnliches. Ein im Jahr 2014 vorbeifahrender fremder Autofahrer sah das Schild an der Kapelle und erkundigte sich sehr interessiert nach der Sachlage beim Vorsitzenden des Fördervereins. Auf die Frage, wie hoch denn die noch fehlende Eigenleistung sei, wurde dem Fremden der damals fehlende Betrag von 43.000 Euro genannt. Er erklärte sich zum Erstaunen des Vorsitzenden sofort bereit, den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen.

Die Kapelle war gerettet

Zwischenzeitlich wurden seitens der vom Bistum beauftragten Architekten weitere bauliche Mängel festgestellt. Die erforderliche Summe wuchs an, somit auch die Höhe der zu erbringenden Eigenleistung. Der Förderverein erklärte sich bereit, sowohl die finanzielle als auch die tatsächliche Eigenleistung in noch größerem Umfang zu erbringen, ohne im Geringsten zu ahnen, was da auf ihn zukommen sollte.

Nachdem ein Innengerüst aufgestellt und der Altar eingepackt war, machte man sich ans Werk, die Fragmente der eingestürzten Decke zu beseitigen. Auch wurde ein Außengerüst errichtet. Eine Zimmerei baute das gesamte Dach und den Dachstuhl ab. Der Glockenturm wurde mittels eines Krans auf dem Erdboden abgesetzt.

Um das gesamte Mauerwerk wurde ein Ringanker zur Aufnahme der Fußpfetten in rd. 7,5 m Höhe erstellt. Jetzt konnte der neue Dachstuhl verzimmert und der Glockenturm wieder aufgesetzt werden. Eine neue Dacheindeckung ließ die Kapelle wieder besser aussehen. Das erste Erfolgserlebnis war nun von außen für jedermann sichtbar.

Eine Auflistung der vorgenommenen weiteren Außen- und Innenarbeiten, die größtenteils in Eigenleistung erbracht wurden, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Nur die wichtigsten Arbeiten sollen hier Erwähnung finden.

Die äußere Wandreinigung und der gesamte Außenanstrich einschließlich der Simse erforderten schon einen zeitlichen Aufwand.

Innen musste der Verputz im unteren Bereich wegen Salpeterbildung auf Höhe von zwei Metern abgeschlagen und erneuert werden, desgleichen im Bereich unterhalb des Ringankers. Nach Säuberung und Grundierung der Wände konnte der Innenanstrich zweifach durchgeführt werden. Alleine der Anstrich der Fenstersprossen außen und innen benötigte einen Zeitaufwand von über 350 Arbeitsstunden. Auch der gesamte Bereich der Empore wurde zweifach gestrichen, nachdem einige Reparaturarbeiten am Treppenaufgang erledigt waren und eine neue Holzdecke unter der Empore eingezogen war. Der Holzboden wurde abgeschliffen und durch Anstrich wieder in Fasson gebracht. Die vorhandenen Bänke wurden restauriert. Ein Teil konnte wegen starken Wurmbefalls nicht mehr verwendet werden. Daher wurde eine zusätzliche Bestuhlung kostengünstig aus einer Jugendherberge in Nähe des Bodensees beschafft.

Die Elektroinstallation wurde von einer Fachfirma ausgeführt, ebenso wie der Einbau der erforderlichen Lüftungsanlage. Die Montage der Beleuchtungseinrichtung erfolgte wiederum in Eigenleistung. Die Reinigung des gesamten Innenraums und des Altars schlossen die Arbeiten ab.

Durch viele, zunächst nicht sichtbare Mängel, wurde die Bausumme mehrfach auf endgültig 333.231 Euro erhöht, Die für die Berechnung der Eigenleistung maßgebenden Kosten ergaben 303.804 Euro und somit einen Eigenleistungsbetrag von 121.521 Euro. Sehr dankbar zeigt sich der Förderverein über bisher eingegangene Spenden und Mitgliedsbeiträge in stattlicher Höhe. Auch durch die sehr hohe anrechenbare Eigenleistung von ca. 2.600 Arbeitsstunden konnte der Schuldenstand bis auf Höhe von ca. 4.000 Euro reduziert werden. Der Betrag wird, falls erforderlich, durch die Pfarreiengemeinschaft Adenauer Land vorfinanziert. Der Förderverein hofft, dass dieser Betrag durch Spenden, Mitgliedsbeiträge oder auch Veranstaltungen gedeckt werden kann.

Auf Wunsch werden gerne Führungen in der Kapelle vorgenommen (Infos auf der Homepages der Ortsgemeinde www.leimbach-eifel. de). Der Vorstand des Fördervereins, dessen Mitglieder und wohl auch die Bewohner aller Ortsteile können froh und dankbar sein, dass die Kirche im Dorf bleibt. Dies nicht nur aus religiösen Gründen, sondern auch aus geschichtlicher und kulturhistorischer Betrachtung.

Quellen:

  1. Gesammelte Beiträge der Geschichte von Adenau Seite 22, Maria Lehmann
  2. Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz Seite 381, Paul Clemen (Die Kulturdenkmäler des Kreises Ahrweiler von 1938)
  3. Geschichte der zum ehemaligen kölnischen Eifeldekanate gehörenden Pfarreien der Dekanate Adenau, Daun, Gerolstein, Hillesheim, Kelberg; bearbeitet von Pastor Peter Schug (Pastor in Herschbach) Seite 41
  4. Die Kirche mitten im Dorf, Seite 76, 77, Karl Egon Siepmann
  5. Das Kloster Ölberg, Karl-Heinz Korden, Adenau
  6. Staatsarchiv Koblenz Abt. 441 Nr. 29388
  7. Pfarrbrief 38/1984, Alois Richter Wanderath
  8. mündliche Überlieferung Theo Kasper 2007, Leimbach
  9. mündliche Überlieferung Helmut Frings 2020, Leimbach/Gilgenbach
  10. Beiträge zur Geschichte der Hocheifel, Matthias Reuter