Die Bad Breisiger Künstler Elisabeth Preute geb. Schlig (1921 – 2009) und Hans Gulden (1919 – 2005)

Leonhard Janta

Für eine Reihe von Künstlern war Bad Breisig über viele Jahrzehnte Lebens- und Arbeitsmittelpunkt.1) Zu ihnen zählten die Maler Hans Gulden und Elisabeth Preute geb. Schlig, die in der Bachstraße 22/24 in Bad Breisig Nachbarn waren. Beide hatten eine künstlerische Ausbildung genossen, lebten jedoch nicht von ihrer Kunst. Während Elisabeth Preute geb. Schlig ihr Schuhgeschäft führte, betrieb Hans Gulden ein Farben-Fachgeschäft. Als Künstler zählten sie zu den Stillen im Lande, die mit Passion und Freude malten. Einer breiteren Öffentlichkeit sind sie nicht bekannt geworden. Grund genug, sie und ihren künstlerischen Werdegang zu würdigen.

Elisabeth Preute geb. Schlig

Elisabeth Schlig2) wurde am 6. Februar 1921 als Tochter des Schuhmachermeisters Josef Schlig und seiner Ehefrau Luzia Schlig in Niederbreisig geboren. Die Familie besaß zusätzlich zur Schuhmacherwerkstatt einen kleinen Schuhladen. Von 1927 bis 1935 besuchte Elisabeth Schlig die Volksschule Niederbreisig. Ihre Begabung im Zeichnen wurde schon damals erkannt, jedoch kaum gefördert. 1933 starb ihre Mutter. Bald darauf heiratete der Vater erneut. Nach dem Schulbesuch half Elisabeth im elterlichen Schuhgeschäft und absolvierte eine Lehre, die sie mit der Kaufmannsgehilfenprüfung abschloss. An eine künstlerische Ausbildung war aus finanziellen Gründen nicht zu denken. Zeichnen und Malen boten ihr aber „kleine Fluchten“ aus der Enge des Alltags im Elternhaus. Nach dem Zweiten Weltkrieg ergriff Elisabeth Schlig die Initiative, um sich als Künstlerin fortzubilden. Ihrer Familie ging es damals trotz allgemeiner Notzeit relativ gut, da viele Kunden des Schuhmachers mit Naturalien bezahlten, wodurch kein Mangel an Lebensmitteln herrschte und Tauschwaren vorhanden waren. Im Schuhgeschäft war fast nichts zu tun, denn es fehlte an Waren. So konnte die junge Frau ab 1946 Privatunterricht bei dem Maler Herm Dienz (1891 – 1980) in Bonn nehmen. Als früherer Lehrer an der pädagogischen Akademie Bonn war er zu dieser Zeit wegen des noch schwebenden Entnazifizierungsverfahrens vom Dienst suspendiert worden und hielt sich mit Privatunterricht und künstlerischen Arbeiten über Wasser. In seinem Atelier in Bonn zeichnete und malte die begabte Künstlerin. Auch schuf sie unter seiner Anleitung Holz- und Linolschnitte. Dr. Herm Dienz war von ihrem künstlerischen Talent überzeugt und ebnete den Weg zur Fortsetzung ihrer Studien an der Kölner Werkkunstschule am Ubierring. Von Ende 1946 bis zur Währungsreform 1948 studierte Elisabeth Schlig in Köln. In dieser Zeit konnte sie sich ganz der Kunst widmen. Es entstanden Stillleben, Landschaftsbilder, grafische Werke und Porträts.

Elisabeth Preute geb. Schlig: Blick auf Oberbreisig mit der Pfarrkirche St. Viktor, Holzschnitt von 1946

Elisabeth Preute geb. Schlig: Porträt des Vaters, Schuhmachermeister Josef Schlig, 1957

Elisabeth Preute geb. Schlig: Verkündigungsengel nach einem Fresko in der Oberbreisiger Kirche, Linolschnitt aus den 1970er-Jahren

Nach der Währungsreform konnte die Familie die künstlerische Ausbildung allerdings nicht mehr finanzieren, weil ihre Ersparnisse und damit die Altersversorgung entwertet waren. Deshalb musste Elisabeth Schlig ihr Studium abbrechen und fortan hauptsächlich im Schuhgeschäft arbeiten. Sie malte aber weiterhin mit Leidenschaft in ihrer eng bemessenen Freizeit, beschäftigte sich mit Kunstgeschichte, den alten Meistern, aber auch der zeitgenössischen Kunst.

Der Kontakt zu dem von ihr verehrten Lehrer Herm Dienz, inzwischen Professor, riss nie ab. Angeregt von ihm experimentierte Elisabeth Schlig ab Ende der 1960er-Jahre mit Monotypien, mit abstrakten Formen und Farbstudien.

Surreale Motive fanden Eingang in ihre Arbeiten. Diese Werke wurden 1970 auf Anregung von Herm Dienz in einer Verkaufsausstellung im Kurfürstlichen Gärtnerhaus in Bonn gezeigt. Alle Arbeiten wurden verkauft. Es blieb die einzige Ausstellung der Malerin. In ihrem Geschäft und dessen Schaufenstern präsentierte sie regelmäßig eigene Arbeiten.

1973 heiratete Elisabeth Schlig den pensionierten Dr. Ing. Willy Preute (1904 – 1989), dessen beide erwachsene Söhne aus erster Ehe bekannte Journalisten waren. Während Claus Preute als Korrespondent in den Vereinigten Staaten von Amerika arbeitete, schrieb Michael Preute als freier Journalist u.a. für Spiegel und Stern. Als erfolgreicher Autor von zahlreichen Eifelkrimis hat er sich unter dem Pseudonym Jacques Berndorf einen Namen gemacht. Dr. Preute war ein aufmerksamer und gebildeter Partner, von dem die Malerin viel lernte und der sich für ihre künstlerische Arbeit interessierte. Neben der Malerei widmete sich Elisabeth Preute mit Hingabe der Gartenarbeit und Einrichtung ihres Hauses, in dem man in allen Räumen die bewusste Gestaltungskraft und Freude der Künstlerin an schönen Dingen spürte. Bis zum Schlaganfall ihres Mannes verlebte das Paar glückliche und anregende Jahre mit Reisen sowie Ausstellungs- und Museumsbesuchen. Elisabeth Preute fand wieder mehr Zeit für ihre Kunst. Das Schuhgeschäft gab sie auf.

Elisabeth Preute geb.Schlig: „Stadtlandschaft“ – Farbkomposition

Zu ihren Werken

Elisabeth Preute war eine brillante Zeichnerin, das zeigen ihre mit leichter Hand ausgeführten Bleistift- und Federzeichnungen. Handwerkliches Können bildeten für sie die unverzichtbare Grundlage aller Arbeiten. Das schloss aber spielerisches Gestalten und abstrakte Studien nicht aus. Nach solchen Experimenten musste sie aber wieder diszipliniert ein Stillleben oder ein Porträt malen. Sie hatte Angst davor, diese Fähigkeit zu verlieren. Beherrschung der Form und Erfassen des Wesentlichen, bewusstes Komponieren und Arrangieren in differenzierten Farbabstufungen charakterisieren ihre Arbeitsweise. Bei aller Bewunderung für abstrakte Arbeiten schätzte sie gegenständliche Werke höher ein und war der Meinung, dass man für ungegenständliche Werke nur etwas Form- und Farbgefühl benötige, um respektable Ergebnisse zu erzielen.

Elisabeth Preute geb. Schlig: Blumenstillleben, Ölgemälde von 1977

Schon früh zeigte sich ihre besondere Begabung für ausdrucksstarke Porträts. 1957 entstand ein Porträt ihres Vaters bei der Arbeit in der Schusterwerkstatt. Ihren Porträts gingen stets detaillierte Zeichnungen voraus, die danach in Temperafarbe oder Öl ausgeführt wurden. Vor allem malte sie Menschen aus ihrem Umfeld. Auftragsarbeiten führte sie nicht aus. Auch bei ihren Linol- und Holzschnitten zeigte sich ihre Könnerschaft. Hierzu zählt beispielweise ihr Verkündigungsengel, als Linolschnitt ausgeführt, der eine moderne Interpretation des fragmentarisch erhaltenen Freskos in der Oberbreisiger Pfarrkirche St. Viktor darstellt. Als Postkarte erlangte diese Darstellung eine gewisse Popularität. Ihre Druckgrafiken vervielfältigte die Malerin stets nur in wenigen Handabzügen.

In vielen Variationen malte sie Clowns, aber auch Bilder der Heiligen Dreikönige, die tuschelnd die Köpfe zusammenstecken. Landschaften, beispielsweise vom Laacher See, reduzierte sie in Farben und Formen auf das Charakteristische. Das galt auch für ihre Stillleben. Beim konzentrierten Malen vergaß sie ihre Umwelt. Die Werke von Elisabeth Preute sind getragen von einem unerschütterlichen Glauben an die Sinnhaftigkeit der Schöpfung, die sie in ihrer Vielfalt darstellen wollte. Umgeben von ihren Werken, ist Elisabeth Preute am 20. Januar 2009 in ihrem Haus in der Bachstraße 24 in Bad Breisig verstorben. Bilder von ihrer Hand befinden sich im Besitz von Familienangehörigen, Bekannten und einem kleinen Freundeskreis.

Hans Gulden: Rheinuferstraße von Niederbrei- sig, Federzeichnung von 1946

Hans Gulden

Am 23. Dezember 1919 wurde Hans Gulden3) in Niederbreisig geboren. Schon während seiner Schulzeit gehörte Zeichnen zu seinen Lieblingsfächern. Die Faszination des Malens ließ ihn nicht mehr los. Im Sinziger Malergeschäft Maagh absolvierte er von 1935 – 1938 eine Malerlehre. Lehrmeister Peter Maagh erkannte sein Talent und förderte ihn schon bald durch anspruchsvolle Arbeiten. Hierzu zählte die Gestaltung von Decken in Sinziger Villen.

Hans Gulden: Die spätromanische Pfarrkirche St. Viktor Oberbreisig, Ölgemälde um 1960

1940 wurde Hans Gulden zur Wehrmacht eingezogen. Nach dem Frankreichfeldzug war er in der Normandie stationiert. In Russland wurde er 1941 schwer verwundet und war wegen seiner Beinverletzung nicht mehr wehrtauglich. Nach langem Lazarettaufenthalt und Genesungsurlaub konnte er 1942 – 1944 in Posen das Studium an der Staatlichen Meisterschule für Gestaltung aufnehmen und sich künstlerisch fortbilden. Vor der Gauwirtschaftskammer legte er seine Meisterprüfung ab. Aufgrund seiner großen Begabung wurde ihm von 1944 – Mai 1945 ein Grafik-Studium in Prag am dortigen Hochschulinstitut für Bildende Kunst ermöglicht.

In der Stadt an der Moldau erlebte er 1945 das Kriegsende. Unter großen Gefahren gelang es ihm, sich zu Fuß von Prag aus über Dresden, Würzburg, Frankfurt und Mainz nach Niederbreisig durchzuschlagen. Auf seiner beschwerlichen Wanderung skizzierte er Ansichten der zerstörten Städte und Landschaften. In der Heimat schuf er dann in den Jahren nach dem Krieg zahlreiche Tuschezeichnungen mit Motiven aus Breisig und Umgebung: Ansichten vom Rheinufer, der Nieder- und Oberbreisiger Kirche, Burg Rheineck sowie Straßenansichten. 1947 heiratete Hans Gulden Maria Bouhs. Aus der Ehe gingen ein Sohn und eine Tochter hervor. Wegen einer Lungenkrankheit, die 1949 in einem Sanatorium am Ammersee ausgeheilt wurde, konnte Hans Gulden eine bei der Firma Henkel in Düsseldorf schon zugesagte Stelle als Grafiker nicht antreten. In Niederbreisig gründete er darum als Malermeister 1953 sein Farben-Fachgeschäft, zunächst in der Zehnerstraße, ab 1961 dann in der Bachstraße 22 neben dem Schuhgeschäft von Elisabeth Schlig, Bachstraße 24. 1985 richtete er sich dort eine private Galerie ein.

Hans Gulden: „Schwarz zwischen Rot“, Mini- malistische Arbeit von 1996

Arbeiten des Künstlers

Hans Gulden erkannte ebenso wie seine Malerkollegin Elisabeth Schlig früh, dass er schwerlich von der Kunst würde leben können. Er entschied sich deshalb für einen Malerbetrieb. Seine künstlerische Arbeit blieb der Freizeit vorbehalten. Beruflich gestaltete er gelegentlich Werbeplakate. Gulden entwarf auch Karnevalswagen für die Breisiger Fastnachtsumzüge. Auf seinen Spaziergängen und Reisen skizzierte er Eindrücke, die er dann in seinem Atelier ausarbeitete.

In den 1960er-Jahren nahm er ein Fernstudium an einer Kunstakademie in Paris auf. Diese Fortbildung eröffnete ihm neue Perspektiven und führte ihn von der gegenständlichen Malerei über die abstrakte Malerei hin zu minimalistischen Bildern, Bleistift-, Tusche- und Federzeichnungen, Ölgemälde und Bilder in Acryl malte er in großer Zahl. Er besuchte viele Ausstellungen und Museen, um sich an den Werken der alten und neuen Meister zu erfreuen und zu schulen. Auch interessierte er sich für klassische und zeitgenössische Literatur. Als Weinliebhaber schätzte er den Roten von der Ahr, aber auch französische Weine. Reisen führten ihn vor allem durch Deutschland, Italien und immer wieder nach Frankreich.

Hans Gulden: Wintermotiv, Linolschnitt 1964

In seinem Farben-Fachgeschäft zeigte er in ständigem Wechsel eigene Arbeiten, verkaufte hin und wieder Werke, meistens verschenkte er jedoch seine Bilder. Neben dem gelegentlichen künstlerischen Austausch mit Elisabeth Schlig, die über 40 Jahre seine direkte Nachbarin war und mit der er mitunter auch sehr kontrovers über Gott und die Welt, aber vor allem über Kunst diskutierte, pflegte er lose Verbindungen zu Mitliedern der Are-Künstlergilde. Mit dem Malerkollegen Franz Ulrich in Ahrweiler war er befreundet.

1998 wurde in der Hauptgeschäftsstelle der Kreissparkasse Ahrweiler in Bad Breisig eine umfangreiche Retrospektive mit Werken von Hans Gulden einem breiten Publikum präsentiert. Viele Bürgerinnen und Bürger seiner Heimatstadt, aber auch auswärtige Besucher, staunten ob der großen Bandbreite und Vielseitigkeit des Künstlers, der in der Öffentlichkeit kein Aufheben von seinen künstlerischen Arbeiten machte. Kunst war für ihn aber Lebenselixier. Sie erschloss ihm eine von Konventionen freie Sicht auf die Welt.

2002 erlitt Hans Gulden einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb am 10. Oktober 2005. An seinen Werken aus allen Schaffensperioden erfreuen sich ihre Besitzer.

Die im Beitrag gezeigten Illustrationen können nur einen kleinen Eindruck von der Bandbreite und Qualität der Arbeiten beider Künstler bieten.

Anmerkungen:

  1. Es ist bemerkenswert, dass in Bad Breisig bergseitig hinter der Bahnlinie u. a. die Künstler Luzi Schmitz (Bildhauerin), August Kreyenkamp (Fotograf), Franz Hötterges (Kunstschreiner und Holzbildhauer), Erika von Roques (Malerin), Bum Diemers (Maler) und Max Barthel (Arbeiterdichter, Schriftsteller) sowie die in dem Beitrag gewürdigte Malerin Elisabeth Preute geb. Schlig und ihr Malerkollege und Nachbar Hans Gulden über viele Jahre nahe beieinander wohnten und unabhängig voneinander arbeiteten.
  2. Die Ausführungen zu Elisabeth Preute geb. Schlig basieren auf Gesprächen des Verfassers mit der Künstlerin. Daraus erwuchs eine umfangreiche Würdigung, die als Typoskript vorliegt: Leonhard Janta: Die Malerin Elisabeth Preute geb. Schlig (6. Februar 1921 – 20. Januar 2009). Bad Breisig 2009. – Für wertvolle Hinweise und Zugang zu Werken von ihrer Hand danke ich ganz herzlich dem Neffen der Malerin, Herrn Friedhelm Blumenthal in Bad Breisig.
  3. Zum Leben und Werk von Hans Gulden gab mir sein Sohn Wolfgang Gulden, Bad Breisig, freundlicherweise bereitwillig umfassend Auskunft, wofür ich ihm ganz herzlich Dank sage.