50 Jahre „Bad“ Bodendorf 1972-2022

Der unerfüllte Traum vom Badeort

Dr. Jürgen Haffke

Die „Bad“-Erhebung Bodendorfs 1972

„Bad Bodendorf – Ziel und Anfang“ (Rhein- Zeitung RZ 29./30. April 1972), „Neue Ära: Bad Bodendorf“ (RZ 31. April 1972), „Badwerdung: Ein Meilenstein einer zielstrebigen Arbeit“ (Bonner Rundschau BR 10. Mai 1972), so titelte damals die Lokalpresse ihre Sonderseiten im Vorfeld des Festaktes der Bad-Erhebung Bodendorfs am Freitag, den 12. Mai 1972. Und weiter hieß es: „Was versprechen sich die Bodendorfer selbst von der Titelverleihung für ihren Heimatort? Offenbar durchaus nicht alle ein plötzliches Wunderland. Bei einer Befragung von Hoteliers, Geschäftsleuten, Ärzten und anderen mit dem Fremdenverkehr Befassten ergab sich ein recht buntes Meinungsbild, das vom rosigen Zukunftsoptimismus bis zu einem beredten Achselzucken reichte. (…) Denn selbst bei den offiziellen Stellen ist man sich darüber klar, dass das Wörtchen ‚Bad‘ allein noch kein Sesam-öffne-Dich für einen blühenden Kur- und Fremdenverkehrsbetrieb ist. Wie ein roter Faden zog sich, um nur ein Beispiel herauszugreifen, durch fast alle Antworten die Forderung nach einem Hallenbad“ (RZ 29./30. Mai 1972).

Die Bodendorfer Kuranlagen ca. 1970: Das im Kern 1924 erbaute und 1957 umgebaute Kurhaus (nach Leerstand seit 1976 erst Ende 2010 abgerissen) thront über dem Kurpark. Neben dem Trakt mit den Badezellen und der Kohlensäureanlage aus den 1920er-Jahren rundet seit 1955 die Trinkhalle mit dem Wandelgang die noch heute erhaltene Gebäudezeile ab. Das Eingangsgebäude zum Kurpark entstand ebenfalls 1955/56. Im Hintergrund das 1937 eingeweihte und 1953 um ein Café erweiterte Schwimmbad.

Es gibt nicht mehr viele Mitmenschen, die vor 50 Jahren an jenem Freitagmorgen im Saal des Kurhauses dabei waren, als Bodendorf den offiziellen Titel „Bad“ erhielt. Rund 90 Festgäste hatten der feierlichen Übergabe der Verleihungsurkunde durch Landrat Heinz Korbach an Sinzigs Bürgermeister Heinrich Holstein beigewohnt. Denn 1969 war das Dorf aus dem Amt Remagen ausgeschieden und gehörte jetzt als Stadtteil zu Sinzig. Natürlich hatte man in einer Festschrift1) und Ansprachen auf den windungsreichen Weg vom Winzer- und Bauerndorf zum ersehnten Badeort zurückgeblickt.2)

Die Blüte des benachbarten Bad Neuenahr vor Augen, war die Erbohrung der Heilquellen 1900 und 1913 durch den Bodendorfer Landwirt Josef Hardt erfolgt. Rechts der Ahr befand sich damals in der Bodendorfer Gemarkung noch kein einziges Gebäude. Die Nutzung einer der Quellen für Kurzwecke begann erst 1925 durch den Bau von fünf Badezellen nahe bei dem im Jahr zuvor eröffneten Gasthaus, dem Ursprung des Kurhauses. Schon 1935 hatte man den Titel „Heilbad“ erlangt und 1937 ein Thermalfreischwimmbad eröffnet. Kriegs- und Nachkriegsjahre unterbrachen die Entwicklung. Der rasante Aufschwung der „Wirtschaftswunderzeit“ ab 1950 schlug sich dann auch in Bodendorf eindrucksvoll nieder. 1971 zählte man hier 52 Gastgeber, darunter 8 Hotels und 2 Sanatorien; 7.689 Gäste brachten 64.602 Übernachtungen. Erst Ende 1957 hatte Bodendorf die 1.000 Einwohner-Marke überschritten, 1972 waren es schon 1.831 Einwohner. Bodendorf war inzwischen das größte Dorf im Kreis Ahrweiler geworden (und ist es bis heute). Mit den benachbarten, bereits länger etablierten Badeorten Breisig und Neuenahr konnte man zwar nicht mithalten, aber man hatte sein eigenes Publikum gefunden.3)

Wie eingangs erwähnt, man war sich 1972, trotz der Anstrengungen der Jahre zuvor, der noch bestehenden Mängel in einer Kurort-gerechten Ausstattung des jungen Bades bewusst. Aber jetzt galt es erst einmal, drei Tage lang den neuen Titel des Dorfes mit Tanz-, Sport- und Kulturveranstaltungen zu feiern. Alles Weitere würde sich richten, wenn man, d.h. Kommune und private Investoren, nur beharrlich das Ziel, attraktiver „Badeort“ werden zu wollen, im Blick behielte.

Der Alptraum: Das Wetterstein-Desaster 1972/73

„Brechen große Zeiten für den Badeort Bodendorf an?“ lautete die Überschrift eines Artikels in der Lokalpresse (RZ 27./28. Januar 1973), der dann von den Plänen der Münchener Firma „Dr.h.c. Georg Hubmann (Wetterstein-Seniorenheime)“ für den gesamten Kurbereich berichtete, die auf der Jahresversammlung des Bodendorfer Verkehrsvereins vorgestellt worden waren. Was die Überschrift vorsichtigerweise mit einem Fragezeichen versehen hatte, hatte der Vorsitzende des Vereins, Kurhaus-Hotelier Werner Duddeck, am Beginn der Sitzung noch als klare Aussage formuliert: „Bad Bodendorf wird noch große Zeiten erleben können.“ Um was ging es: Zum 1. Oktober 1972, also nur viereinhalb Monate nach dem Festakt zur Bad-Verleihung, hatten die Eigentümerfamilie der Kuranlagen (die Erben des Badgründers Josef Hardt) und ein Architekt das gesamte Gelände an die oben genannte Firma verkauft. Wetterstein betrieb schon Senioren-Wohnhotels und -Wohnheime in München, Brühl, Nürnberg, Bad Reichenhall und Augsburg und befand sich in Bauvorbereitung in Vallendar, Speyer, Bad Lippspringe und München-Schwabing. Der Ankauf in Bad Bodendorf war nicht gänzlich überraschend gekommen. Schon seit längerem war die Eigentümerfamilie auf der Suche nach einem Interessenten gewesen, da sie sich nach gescheiterten Versuchen, damals noch zusammen mit dem Amt Remagen, größere Projekte in Angriff zu nehmen, selbst überfordert sah, die erwünschten Investitionen in moderne Kureinrichtungen zu tätigen.

Wetterstein versprach die Errichtung von drei in den unteren Geschossen durch einen Trakt verbundenen Hochhäusern mit 25, 20 und 15 Etagen. Die Gebäude sollten laut Firmenprospekt „Wetterstein Zentrum Heilbad Bodendorf“ (Frühjahr 1973) u.a. beinhalten: ein Senioren-Wohnhotel, Kurhotel, Konferenz- und Kongresseinrichtungen, ein Restaurant, einen Andachtsraum, einen „Wetterstein-Wein-Bier- Grill-Keller nach original oberbayerischer Art“, Weinstuben, Kegelbahn, ein Dachterrassen-Café, das größte „Wellen-Sole-Mare-Brandungs-Hallenschwimmbad“ der Bundesrepublik, ein Thermal-Hallenschwimmbad, ein Freibad, ein Ärzte-Diagnostik-Center, ein Kurmittelhaus, Wohnungen und Appartements mit Einkaufszentrum sowie eine Tiefgarage. „Kuranlagen und Kurpark werden ergänzt durch einen Konzertpavillon, eine Brücke über die Ahr, Teiche und Kleinsportanlagen. (…) Größten Wert will der Investor und Betreiber darauf legen, dass das Ganze wohltuend eingeordnet wird in die reizvolle Landschaft. Vor allem deshalb soll der Ahr-Ufer-Bereich völlig frei bleiben von Bauwerken“ (RZ 08.09.1972). Seitens der Stadt Sinzig gab es breite Zustimmung zu dem riesigen Projekt, von dessen monströsen Ausmaßen ein Bild des Modells in der Presse einen Eindruck vermittelte (RZ 07. Mai 1973).

Das Wetterstein-Projekt in der Rhein-Zeitung vom 07. Mai 1973. Die Ahrbrücke, linke untere Ecke des Bildes, hilft dabei, sich dieses Monstrum in der Landschaft vorzustellen.

Auch in der Bevölkerung gab es keinen Widerstand außer gegen eine Erhöhung der Eintrittsgebühren für das Schwimmbad. Umgehend wurde der geltende Bebauungsplan an die Wünsche des Investors angepasst. Sogar der seinerzeit hart umkämpfte Beschluss des Bodendorfer Gemeinderats vom 22. Juni 1966, den vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 266 über einen Damm durch die Ahrauen zu führen („Südtrasse“), wurde wohl auf Drängen Wettersteins am 1. Februar 1973 im Einvernehmen mit dem Bodendorfer Ortsbeirat vom Stadtrat Sinzig völlig überraschend aufgehoben mit der Begründung, der Lärmschutz sei nicht gewährleistet. Stattdessen befürwortete man jetzt eine Tieferlegung der bestehenden Trasse („Nordtrasse“).4)

„Wettersturz am ‚Wetterstein‘“ war der treffende Titel einer Sonderseite der Rhein-Zeitung (18./19. August 1973) für das im August 1973 eingetretene Desaster. Schon Mitte des Monats waren erste Presseberichte aufgetaucht, die von einer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens berichteten (RZ 14. August 1973, 18./19. August 1973). Während an den Baustellen in Vallendar, Speyer, Bad Lippspringe, Nürnberg und München wegen ausgebliebener Löhne umgehend die Arbeit eingestellt wurde, hatte Bad Bodendorf riesiges Glück. Eigentlich hätte im Herbst mit dem Bau begonnen werden sollen. Aber anders als dort war hier noch nichts geschehen. Mit Rohbauruinen hatte man in Bad Bodendorf bereits Erfahrungen gesammelt. Am linken Ahrufer verfiel seit 1964 das geplante „Sanatorium Dr. Wissing“, das erst 1985 nach dem Grundstückskauf durch die Stadt Sinzig abgerissen werden konnte. Man mag sich nicht vorstellen, welche Probleme mit riesigen ausgehobenen Baugruben des Wetterstein-Projektes entstanden wären, die Bad Bodendorf erspart geblieben sind. Dennoch stand bald die Frage im Raum „Was wird aus Bad Bodendorf?“ (General-Anzeiger GA 11. September 1973).

Stagnation und Rezession des Badeorts, starkes Wachstum des Wohnorts

1974-2013

Während Hubmann/Wetterstein erst im Dezember 1977 wegen mehrfachen Betrugs zu fünf Jahren Haft verurteilt worden ist, hatte die Stadt Sinzig zur Aufrechterhaltung des Kurbetriebs schon im Frühjahr 1974 die „Kurbad GmbH“ gegründet, die es noch heute gibt. Ansonsten waren ihr wegen fehlenden Grundbesitzes die Hände gebunden. Am 2. September 1974 ersteigerte nämlich Hubmanns Architekt, K.H. Volkmann, das Kurgelände aus der Konkursmasse. Seitdem prägten zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen dem Eigentümer, diversen Interessenten und der Stadt Sinzig das Geschehen im Kurgebiet von Bad Bodendorf, ohne dass an den Kureinrichtungen irgendwelche grundlegenden Investitionen vorgenommen worden wären.5)

1974 beginnend, investierte ein Familienunternehmen dagegen erfolgreich in die Umwandlung mehrerer ehemaliger Hotels in Senioren-Wohnheime („Maranatha“). Mit der Eröffnung des „Kurhaus Spitznagel“ (mit Hallenbad) erfolgte am 15. August 1976 die letzte größere private Investition im jungen Badeort. Das Kurhaus jedoch, Gründungsbau von 1924 und Flaggschiff des örtlichen Tourismus, stellte 1976 seinen Hotelbetrieb ein und verfiel bald. Völlig zugewachsen, musste es wegen mangelnder Verkehrssicherheit im Dezember 2010 abgerissen werden. Das gleiche Schicksal erlebte das 1940 eröffnete Hotel „Haus Elisabeth“, das nach seiner Schließung 1982 erst im Mai 2012 abgerissen und durch eine neue Wohnanlage ersetzt worden ist.

Die Zahl der Anbieter von Gästebetten hatte sich gegenüber 1971 bald nahezu halbiert (1982: 27 Betriebe mit 279 Betten), die Gästezahl sank um mehr als 1.000 (1981: ca. 5.000 Gäste), die Übernachtungen waren um ein Drittel auf ca. 42.000 gefallen. Dieser Rückgang der touristischen Nachfrage hatte allerdings auch Bad Neuenahr getroffen, so dass die Probleme in Bad Bodendorf nicht allein auf das Wetterstein-Desaster zurückzuführen sind. Das Reiseverhalten der Deutschen im Zeitalter des Massentourismus bevorzugte jetzt den Alpen- und Mittelmeerraum wie auch Fernziele. Dagegen war der Wohnort Bad Bodendorf bis Ende 1981 gegenüber 1972 um über 40 % auf 2.599 Einwohner gewachsen, wozu auch die günstige Verkehrslage zur neuen Autobahn 61 (seit 1975 in Betrieb) beigetragen hatte. Schon damals gab es die Vermutung, dass Bad Bodendorfs Zukunft eher als attraktiver Wohnort zu sehen ist.

Nach zähen Verhandlungen gelang es der Stadt Sinzig 1979, einen bedeutenden Teil des Kurgeländes (Schwimmbadareal, Quellbereich) ohne finanzielle Belastung zu übernehmen. Im Gegenzug ließ sie durch eine Änderung des Bebauungsplans jetzt Wohnbebauung zu. 1982 bis 1985 entstanden mehrere Blöcke nach „Bauherrenmodell“ direkt an der Ahr. Erwartete Investitionen in Kurort-bezogene Einrichtungen blieben allerdings aus. Bis 2013 hatte es 10 Projekte unterschiedlicher Investoren für größere touristische Objekte gegeben (z.B. „Rhein- Ahr-Thermen“ 1982/83, Rütsch-Projekt 1994, Hoischen-Projekt 1995, Leffeck/Röhn-Projekt 2011), die alle aus verschiedenen Gründen scheiterten, wobei auch immer die komplizierten Eigentumsverhältnisse im Gefolge des Wetterstein-Desasters eine Rolle spielten.

Hinzu kamen Reformen im Gesundheitswesen zum Nachteil von Kuren, Verlagerung von Investoreninteressen nach der Deutschen Einheit in die östlichen Bundesländer und der Verlust der Bonner Hauptstadtfunktion, der auch den Rhein- und Ahr-Tourismus traf. In Bad Breisig und Bad Neuenahr stemmte man sich mit beträchtlichen Investitionen in den Bau von Thermen gegen diesen Trend („Römer- Thermen“ 1991/92, „Ahr-Thermen“ 1993) und hoffte, mit „Kurlaub“ und Wellness in Zukunft zu bestehen. „Die Kur in Deutschland ging baden!“ So bilanzierte 1999 der Bad Neuenahrer Kurdirektor Rainer Mertel.6)

In Bad Bodendorf jedoch schrumpfte die Zahl der Bettenanbieter bis 2002 auf vier mit 110 Betten. Zwei Wohnmobilparks mit 33 Stellplätzen, 1997 und 1999 im Umfeld des Kurparks eröffnet, erfreuen sich bis heute eines regen Zuspruchs; sie vermögen die eingetretenen Verluste in den Gäste- und Übernachtungszahlen etwas abzumildern. Aber wegen ihres insgesamt geringen Aufkommens nennt die Tourismusstatistik kaum noch Zahlen zu Gäste- und Übernachtungsaufkommen, da man dann auf einzelne Betriebe schließen könnte. Im Sinziger Stadtrat war der weitere Betrieb des Schwimmbads angesichts der Kosten und des touristischen Niedergangs wiederholt strittig, ehe man sich dann doch immer wieder für einen Fortbestand aussprach (Renovierung 1988, neue Kinderbecken 1998). Dabei spielte auch das Wissen um die außerordentlich gute Qualität des Bad Bodendorfer St. Josef-Sprudels eine Rolle, die sich in regelmäßigen amtlichen Prüfungen erwies. Das örtliche Klima genügte jederzeit den Anforderungen an ein Heilbad. Allerdings erinnerte die Aufsichtsbehörde 1998 an die Mängelliste in der Ausstattung des Badeortes und mahnte Verbesserungen an, zumal 1997 auch das Kurmittelhaus geschlossen worden war.

Mit dem Verkauf des verbliebenen Kurparkgeländes, incl. Kurhaus-Ruine, an die Eigentümer der benachbarten Seniorenresidenz im Februar 2003 keimte erneut die Hoffnung auf baldige Investitionen in die Kuranlagen auf. Die Bonner Rundschau (22.2.2003) titelte aus diesem Anlass „Zeit des Dornröschenschlafs ist vorbei“. Angesichts der 2004 erfolgten weiteren Ankäufe („Ahrparkresidenz“,1996 eröffnet; Sanatorium/Hotel Spitznagel, bis 2009 zum 4-Sterne-Hotel „MaraVilla“ ausgebaut) änderte sich am Kurgelände nichts. 2004 hatte sich die Stadt Sinzig in der Hoffnung auf einen starken Impuls für den Tourismus gemeinsam mit Bad Neuenahr-Ahrweiler um die Ausrichtung der Landesgartenschau 2008 beworben, war dann aber gegen Bingen unterlegen.

Ein „Ideenpapier Sinzig-Bad Bodendorf“ 2009 bildete die Grundlage für eine Reihe von Aktionen in den Folgejahren, die Situation im Badeort zu verbessern, nachdem die „Vergleichende Heilbäderanalyse“ des Europäischen Tourismusinstituts erneut die Mängel (z.B. kein Badearzt, kaum kurrelevante Anwendungen, kein schöner Kurpark usw.) bestätigt hatte. Bad Bodendorf solle sich künftig als „das Wanderer-Bad an Ahr und Rhein“ profilieren. Hier brachten sich die „Dorfgemeinschaft Zukunft Bad Bodendorf“ und der „Heimat- und Bürgerverein“ engagiert ein. Auch Bad Breisig (u.a. Abriss des Kurhauses 2010/11, Kosten für Sanierung der Römer-Thermen) und Bad Neuenahr (u.a. Verkauf zentraler Liegenschaften der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr an die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler 2012/13) kämpften mit erheblichen Problemen.7) Bad Bodendorf als Wohnort war bis 2013 auf 3.784 Einwohner gewachsen, obwohl der historische Dorfkern den Verlust von Lebensmittelgeschäften und Gaststätten hatte hinnehmen müssen.

„Heilbad“? Nein! – „Bad“? Ja! 2013 – 2022

Am 19. Juni 2013 verlor Bad Bodendorf seinen Status als Heilbad. Das Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz hatte den Titel nach Prüfung der örtlichen Situation aberkannt. Strittig blieb zunächst die Frage, ob auch das „Bad“ im Ortsnamen damit verloren ginge. Es gab einiges Ringen um den Erhalt des inzwischen im allgemeinen Bewusstsein etablierten Namens. In drei öffentlichen Anhörungen (Ortsvereine, Einzelhändler/Firmeninhaber, Ortsbeirat) durch den Kreis Ahrweiler sprach sich eine einhellige Mehrheit für eine Beibehaltung aus. Dem von der Stadt Sinzig und dem Kreis Ahrweiler unterstützten Votum stimmte der für Ortsnamen zuständige Innenminister von Rheinland-Pfalz aus Gründen des Gemeinwohls rückwirkend ab dem 20. Juni 2013, also einen Tag nach der Aberkennung des „Heilbad“-Titels, zu: „Bad Bodendorf bleibt Bad Bodendorf“, wie ihn die Presse (GA 29. Oktober 2013) zitierte. „Die Beibehaltung des Namenszusatzes ‚Bad‘ sei für den Ort und die Stadt Sinzig eine motivierende Unterstützung in dem erklärten Bestreben, den Ort Bad Bodendorf wieder zu einem ‚echten Heilbad‘ hinzuführen“, hatte zuvor eine Lokalzeitung geschrieben (Blick aktuell Sinzig 2. Oktober 2013).

Am 25. Juni 2017 feierte man groß „80 Jahre Thermalfreibad“ Bad Bodendorf. Pächter, Stadt Sinzig und die „Freunde des Thermalfreibades“ hatten dazu das Bad einladend hergerichtet, dessen Hauptbecken im November 2015 aufwendig saniert worden war. Sinzigs Bürgermeister (seit 2002), Wolfgang Kroeger, betonte beim Festakt: „Die Zukunft des Bades steht nach meinem Verständnis nicht mehr zur Disposition“ (Blick aktuell Sinzig 28. Juni 2017). Bemerkenswerterweise wurde die Bedeutung des Schwimmbads für einen zukünftigen Tourismus und das Ziel, wieder „Heilbad“ zu werden, kaum thematisiert, viel mehr dagegen seine Bedeutung für die Stadt Sinzig und ihre Einwohner hervorgehoben.

Im Frühjahr 2018 zeichnete sich erneut erheblicher Sanierungsbedarf ab. Der neue Sinziger Bürgermeister (seit 2017), Andreas Geron, warnte angesichts der beträchtlichen Kosten für die Schaffung einer angemessenen Infrastruktur vor einer von manchen noch immer erhofften Wiederbelebung des „Heilbads“ Bodendorf. Er halte eine Stärkung des Erholungstourismus insgesamt in Sinzig und speziell in Bad Bodendorf für sinnvoller, man möge mehr auf Naturliebhaber als auf Gesundheitstourismus setzen. Im Februar 2020 stimmte der Sinziger Stadtrat einer Investition von 2,1 Millionen Euro in die Sanierung des „Nostalgiebades“, wie man es gerne nennt, zu. Angesichts der hohen Verschuldung der Stadt und drohender Kostensteigerungen wurde dieser Betrag im November des Jahres gedeckelt. Eine Arbeitsgruppe des Stadtrats soll nach Einsparungsmöglichkeiten suchen. Die dann noch notwendigen Arbeiten sollen neu ausgeschrieben werden. 2022 sollen die Baumaßnahmen abgeschlossen sein, wie man hofft (RZ 26.11.2020). Ob die Landesgartenschau (voraussichtlich 2023), die auch den Strukturwandel von Bad Neuenahr-Ahrweiler vom Bade- und Kurort zum Tourismus- und Gesundheitsstandort vorantreiben soll, etwas für Bad Bodendorf abwerfen wird, wird sich zeigen.

Das Luftbild vom 29. Mai 2020 dokumentiert den Zustand des Schwimmbades und des ehemaligen Kurparks vor der Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021. Der Bau des Gebäudekomplexes zur Ahr hin (1982-85) wurde möglich, nachdem die Stadt Sinzig 1979 in den Besitz des Schwimmbadareals gekommen war und im Gegenzug dem bisherigen Eigentümer Baurecht auf den Flächen an der Ahr eingeräumt hatte.

Die Trinkhalle von 1955 und das daneben befindliche Technikmuseum  (seit 2009) mit der historischen Kohlensäureverflüssigungsanlage spiegeln den verträumten Charme vergangener Zeiten. Wo ursprünglich im Hintergrund das Kurhaus das Ensemble überragte, wuchert heute üppiges Grün.

„Kurpark wird Wohnpark. In Bad Bodendorf geht das Kur- und Bäderkapitel zu Ende. 70 neue Wohnungen sind in der Planung“ (GA 6. Februar 2019). Der Journalist Victor Franke sprach in seinem Artikel von einer „Zäsur“ und erkannte damit klar die Konsequenz der noch unverbindlichen Pläne des Kurpark-Eigentümers (Seniorenresidenz Maranatha) für die Geschichte des Badeorts Bodendorf. 16 Jahre nach dem Kauf des Geländes 2003 zeichnet sich ab, dass es keine Investitionen in den Kur-Tourismus geben wird. Blickt man nach Bad Breisig und Bad Neuenahr, die Lösungen für ihre aufwendigen, aber hochdefizitären Thermen suchen, kann man in Bad Bodendorf eigentlich nur froh sein, dass alle vergleichbaren Projekte gescheitert sind. Nur noch ein Hotel und ein Gästehaus, beide auf der Dorfseite und nicht im „Kurgebiet“, bieten hier 69, bzw. 13 Gästebetten an, 8 Häuser stellen Ferienwohnungen zur Verfügung (2021).

Rund 100 Jahre nach dem Beginn des Kur-Tourismus 1925 und 50 Jahre nach der Bad-Erhebung 1972 endet so der Traum vom Badeort Bad Bodendorf unerfüllt. Das „Bad“ im Ortsnamen erinnert aber auch künftig im jetzigen Wohnort Bad Bodendorf an diese jüngste Epoche des alten Winzer- und Bauerndorfs, das inzwischen fast 4.000 Einwohner als ihren schönen Heimatort zu schätzen wissen.

Der vorstehende Text war im Mai 2021 abgeschlossen worden. Und dann folgte die Flutkatastrophe der Ahr am 14./15. Juli 2021, die auch Bad Bodendorf betroffen hat. Die Überschwemmung füllte weite Teile des Talgrunds bis in die Nähe zur Bundesstraße, u.a. auch das Sportgelände entlang der Ahr, den ehemaligen Kurpark und das Schwimmbad. Das ohnehin sanierungsbedürftige Schwimmbad, das dadurch weitere schwere Schäden erfuhr, soll nach dem Willen der Stadt Sinzig mit Mitteln des Wiederaufbauplans Ahrtal wieder hergerichtet werden. Ob der Eigentümer des Kurparks angesichts der erlebten Überflutung seine Pläne zu dessen Bebauung weiter verfolgt, ist bisher nicht bekannt.

Aufgrund der riesigen Schäden im gesamten Stadtgebiet wurde die für 2022 geplante Landesgartenschau in Bad Neuenahr-Ahrweiler abgesagt. Auch die dortigen Schwimmbäder (Ahr-Thermen, Hallen- und Freibad TWIN, Freibad Ahrweiler) sind zerstört, sollen aber mit einem neuen Konzept wieder erstehen. Für die Tourismusgeschichte des Ahrtals bedeutet die Flutkatastrophe eine grundlegende Zäsur, die sich ausgerechnet im fünfzigsten Jahr nach der Erlangung des Bad-Titels auch in dem kleinen Bad Bodendorf niederschlägt. Das Freibad in Ahrweiler konnte bereits im Sommer 2022 wieder seinen Betrieb aufnehmen.

Anmerkungen:

  1. Festschrift aus Anlass der Bad-Ernennung des Heilbades Bodendorf vom 12.-14. Mai 1972; Günter Haffke und der Autor haben daran mitgewirkt. Seitdem verfolgt der Autor die touristische Entwicklung Bad Bodendorfs, Bad Neuenahrs, Bad Breisigs, des gesamten Ahrtals und der Eifel, besonders des Nürburgrings (einige Texte im Internet unter www.weinbau-ahrtal.de ).
  2. Ausführliche Darstellungen bei Heinrich Holstein: Bodendorf wurde Bad. Stolze Anerkennung – Große Verpflichtung. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler (HJbAW) 1973, S. 93-98; Jürgen Haffke: Vom Winzerdorf zum Badeort. Bad Bodendorf und sein Fremdenverkehr im 19. und 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1979; ders.: Die Entwicklung des Kur- Fremdenverkehrs in Bad Bodendorf. In: HJbAW 1980. S. 13-21; ders.: Kulturlandschaften und Tourismus. Historisch-geographische Studien in Ahrtal und Hocheifel (Nürburgring). Diss. Bonn 2009; ders.: Felsen und Burgen, Wasser und Wein. 180 Jahre gastliches Ahrtal und Bad Neuenahr-Ahrweiler. Köln 2013; ders. u. Franz-Josef Knöchel: Die Eifel als Tourismusgebiet. In: Die Eifel. Beiträge zu einer Landeskunde. Düren 2013, S. 227-246
  3. siehe ders.: Bad Neuenahr, Bad Breisig, Bad Bodendorf. Das Bäderdrei- eck des Kreises Ahrweiler im Vergleich. In: HJbAW 1982, S. 153-163; 1984, S. 169-178
  4. siehe ders.: Lokale Demokratie im Wandel – Zum Verhältnis von Bürgern, Räten und Behörden. Beispiel: Die Planung der neuen Bundesstraße 266 in Bad Bodendorf. In: HJbAW 1987, S. 178-187. Dieser Beschluss wirkt bis heute, siehe auch ders.: Wohin mit dem Verkehr? 50 Jahre Diskussion um die B 266 in Bad Bodendorf. In: HJbAW 2012, S. 41-43.
  5. im Detail siehe ders.: 10 Jahre Bad Bodendorf. Gedanken zur jüngsten Vergangenheit des Badeortes. Sinziger Zeitung 19. Mai 1982; ders.: Träume und Alpträume für Bad Bodendorf. Eine Nichtbaugeschichte in vier Akten. In: Wasserlust. Mineralquellen und Heilbäder im Rheinland. Köln 1991, S. 140-153; ders.: Träume & Alpträume? Eine Chronik des Fremdenverkehrs in Bad Bodendorf. Sinzig-Bad Bodendorf 2002
  6. siehe ders.: Der Fremdenverkehr im Kreise Ahrweiler. Gegenwart und Geschichte. In: Der Kreis Ahrweiler im Wandel der Zeit. Studien zu Vergangenheit und Gegenwart Bd. 3. Bad Neuenahr-Ahrweiler 1993, S. 311-345, 392-398; ders.: Die Badeorte im Kreis Ahrweiler im Umbruch. In: HJbAW 2004, S. 44-49
  7. siehe ders.: Fast 200 Jahre Tourismus im Kreis Ahrweiler. In: HJbAW 2016, S. 122-128; ders.: Bad Neuenahr und seine „Wechselbäder“. Vom Privatbad zum städtischen Badeort 1858-2015. In: Eifeljahrbuch 2016, S. 29-37; ders.: Bad Bodendorf – Wohnort im Park. Ein Dorf im Um- bruch 2002-2020. Die Dorfschelle. Notizen für Bürger und Freunde Bad Bodendorfs. Hf.2 ff, 2020 ff

Die Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 erstreckte sich auch über den ehemaligen Kurpark und das Schwimmbad von Bad Bodendorf. Das Foto entstand am 15. Juli 2021.