Flutkatastrophe im Ahrtal –Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr

Der SPNV-Nord kümmert sich unter anderem um die Konzeption des Schienenersatzverkehrs und optimierte Fahrplankonzepte für die Zukunft

Thorsten Müller

Das Unwettertief „Bernd“ im Juli 2021 hat im Norden von Rheinland-Pfalz gewütet und dabei auch die 110 Jahre alte Ahrtalbahn schwer getroffen. Weite Teile ihrer Infrastruktur – Brücken, Gleise, Stellwerke – sind zerstört, Fahrzeuge beschädigt. Der Streckenabschnitt zwischen Remagen und Walporzheim ist stark in Mitleidenschaft gezogen, zwischen Walporzheim und Ahrbrück ist die Bahnstrecke so gut wie komplett zerstört. Die Gleise sind auf vielen Streckenabschnitten weggespült (Stand Juli 2022).

In Heimersheim riss die Flut gar den kompletten Bahnsteig mit sich und hob die Gleise auf einer Länge von mehr als 1,2 Kilometern aus ihrem Bett. Zwischen Walporzheim und Ahrbrück müssen acht Brücken und nahezu alle Stützbauwerke ersetzt, neue Schienen verlegt, sieben Bahnübergänge instand gesetzt und die zerstörten Stellwerke in Dernau und Kreuzberg repariert werden.

Der Wiederaufbau hat längst begonnen und zeigt Erfolge: Der erste Teilabschnitt der Ahrtalbahn zwischen Remagen und Walporzheim ist wiedereröffnet und befahrbar, wenn auch nur eingleisig. Seit Dezember 2021 hat auch Heimersheim wieder einen Bahnsteig – zumindest provisorisch. Darüber hinaus wurde der Bahnhof Ahrweiler Markt unabhängig vom Flutereignis modernisiert und präsentiert sich nun mit neuen Bahnsteigen, besserer Reisendeninformation und stufenfreiem Einstieg vom Bahnsteig in die Züge einladend und zeitgemäß.

Dennoch wird es noch lange dauern, bis alle Schäden behoben sind. Die Bauarbeiten im besonders betroffenen Abschnitt zwischen Walporzheim und Ahrbrück starten voraussichtlich im ersten Quartal 2023. Ende 2025 sollen die Züge im Ahrtal wieder durchgängig von Remagen nach Ahrbrück fahren.

Probefahrt der Ahrtalbahn am 5. November 2021 nach dem Wiederaufbau der Gleise bei Heimersheim. Dieser erste Streckenabschnitt zwischen Remagen und Ahrweiler wurde am 8. November 2021 wieder in Betrieb genommen.

Organisation des Schienenersatzverkehrs

Der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (SPNV-Nord) ist als Aufgabenträger unter anderem für die Angebotsgestaltung auf der Schiene im Norden von Rheinland-Pfalz zuständig.

Infolge der immensen Zerstörungen an der Bahninfrastruktur zählte es nach der Flutkatastrophe zu den ersten und vordringlichsten Aufgaben des SPNV-Nord, einen Busnotverkehr zu organisieren. Innerhalb weniger Tage wurden in Abstimmung mit der Kreisverwaltung Ahrweiler, der DB Regio und dem Verkehrsverbund Rhein-Mosel (VRM) bei den Verkehrsunternehmen Busse für den Verkehr zwischen Remagen und Ahrweiler bestellt. Parallel dazu wurden Linienkonzepte und Fahrpläne für einen regulären Schienenersatzverkehr (SEV) erarbeitet, der bereits nach kurzer Zeit Schritt für Schritt den Busnotverkehr ablöste. Ab dem 20.07.2021 wurde, abhängig von der tatsächlichen Befahrbarkeit der Straßen, ein SEV für die Ahrtalbahn im Halbstundentakt zwischen Remagen und Ahrweiler angeboten. Mit dem Schulstart im August wurde ein aus mehreren Linien bestehendes SEV-Konzept für die gesamte Ahrtalbahn von Remagen bis nach Ahrbrück, unter Einbeziehung des provisorisch eingerichteten Umsteigeknotens Gelsdorf, erarbeitet und umgesetzt.

Die Fahrzeiten der SEV-Busse auf der Straße sind jedoch mit denen der Züge auf der Schiene nicht konkurrenzfähig. Zusätzlich erschwerten die eingeschränkte Befahrbarkeit der Straßeninfrastruktur, kurzfristige Sperrungen oder Bautätigkeiten teilweise die Einhaltung des Fahrplans; manche Fahrten endeten vorzeitig oder fielen ganz aus. Bei alledem fehlte dann leider bislang auch die Kommunikation zu den Fahrgästen, von denen viel Geduld und Verständnis gefordert war.

Der SPNV-Nord suchte gemeinsam mit dem Verkehrsunternehmen nach Lösungen, um den SEV im Ahrtal zu stabilisieren und forderte die schnelle Einrichtung von Technik für Echtzeitdaten für die Busse, die den Fahrgästen gerade dann Information ermöglicht, wenn es hakt oder der Bus nicht kommt. Darüber hinaus wurde mit dem Einsatz zusätzlicher Fahrzeuge und weiterem Fahrpersonal gegengesteuert.

Der Fahrplan der Ahrtalbahn auf dem Anfang November wiedereröffneten Abschnitt Remagen – Ahrweiler musste nach kurzer Zeit angepasst werden, da sich der von der DB zu optimistisch geplante Betrieb mit zwei Linien pro Stunde in der Praxis als nicht umsetzbar erwies. Im Sinne eines stabilen Angebots wurde der Fahrplan deshalb auf einen Stundentakt mit der Linie RB 30 (Bonn – Remagen – Ahr- weiler) und der RB 39 (Remagen – Ahrweiler) in den Tagesrandlagen reduziert.

Linienskizze mit Konzept: Busse werden im Schienenersatzverkehr (SEV) eingesetzt, weil die Ahr- talbahn mit ihren Brücken, Gleisen und Stellwerken seit der Flutkatastrophe massiv zerstört ist.

Als Ersatz für die so wegfallenden Zugfahrten zwischen Ahrweiler und Remagen wurde die SEV-Linie 6 nach Ahrweiler verlängert und um Schülerverkehrsfahrten ergänzt.

Die nächste Änderung im SEV-Konzept erfolgte mit der Wiederinbetriebnahme des Streckenabschnitts Ahrweiler – Walporzheim zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021. Seitdem gilt im Ahrtal weiter der vom SPNV-Nord und der DB Regio organisierte SEV zwischen Ahrbrück und Ahrweiler sowie ergänzend zwischen Dernau und Remagen. Der westliche Abschnitt des Ahrtals wird über Gelsdorf angeschlossen.

Ein Blick in die Zukunft: Elektrifizierung der Strecke, moderne Antriebe und optimierte Fahrpläne

Der Wiederaufbau bietet auch große Chancen für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV), eventuell kann im Ahrtal mehr möglich sein als vor der Unwetterkatastrophe.

Beim eigentlichen Wiederaufbau der Bahnstrecke durch die DB Netz wird daher besonders auf Anpassungen zur Optimierung der Strecke geachtet. Diese sollen später als Grundlage für ein verbessertes Fahrplankonzept dienen. Der SPNV-Nord investiert viel Zeit in die Erarbeitung solcher Konzepte und Fahrplanstudien, bei der nach aktuellem Stand (Juli 2022) auf eine vollständige Elektrifizierung der Strecke gesetzt wird. Durch die Errichtung eines neuen und modernen elektronischen Stellwerks für die gesamte Ahrtalbahn sowie die geplante Elektrifizierung der Strecke wird es nach der Inbetriebnahme möglich sein, einen durchgängigen 20-Minuten-Takt im Ahrtal anzubieten. Der 20-Minuten-Takt zwischen Ahrbrück und Remagen, bzw. einmal pro Stunde von/ nach Bonn, wird einerseits in Remagen optimale Umsteigemöglichkeiten zu den Regionalexpress- und Regionalbahn-Zügen in Richtung Köln/Bonn und Koblenz bieten. Andererseits wird er in Ahrbrück in den „0-Knoten“ im Busnetz eingebunden sein und somit auch hier optimale Umsteigemöglichkeiten in das regionale Busnetz eröffnen. Entlang der Strecke im Ahrtal bieten sich Möglichkeiten, neue, zusätzliche Haltepunkte zu errichten, wie z.B. der schon länger geplante Haltepunkt Bad Neuenahr Mitte, oder auch Haltepunkte zu verlegen; z.B. könnte statt Dernau der frühere Haltepunkt Dernau Ort wieder in Betrieb genommen werden.

Mit neuen Verkehrsverträgen für den SPNV in den 2030er-Jahren wird sich zudem die Möglichkeit ergeben, Fahrten aus dem Ahrtal bzw. in das Ahrtal mit Fahrten auf der linken Rheinstrecke zu verknüpfen. Die jetzige „Rhein-Wupper-Bahn“ zwischen Wuppertal und Bonn-Mehlem (Linie RB 48) könnte über Bonn-Mehlem hinaus verlängert und einmal pro Stunde bis Ahrbrück geführt werden, so dass eine stündliche umsteigefreie Verbindung aus dem Ahrtal über den Köln/Bonner Raum hinaus bis Wuppertal und zurück bestünde.

Im SPNV ist insbesondere das Vareo-Diesel-Netz (Voreifel, Ahrtal, Rhein, Eifel und Oberbergisches Land/Oberes Volmetal) von der Hochwasserkatastrophe betroffen. Seitdem arbeiten der SPNV-Nord und der benachbarte NVR (Nahverkehr Rheinland) intensiv daran, die Flotte dieses Verkehrsvertrags mit Elektro-Fahrzeugen („EMU: Electric Multiple Unit“) anzureichern, sodass bereits vor dem Vertragsende im Jahr 2033 flächendeckend mo- derne Antriebe auf diesen Strecken eingesetzt werden können.

Der SPNV-Nord

Der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (SPNV-Nord) kümmert sich vor allem um die Verbesserung des Schienennahverkehrs in unserer Region. So lang wie sein Name ist auch die Liste der Aufgaben des Zweckverbandes: So entwickelt er bessere Fahrpläne, führt neue Freizeitangebote wie die RadBusse ein, sucht in Wettbewerben nach den besten Verkehrsunternehmen und versteht sich als Fürsprecher der Fahrgäste gegenüber den Verkehrsunternehmen. Außerdem unterstützt er die Modernisierung der Bahnhöfe und der Schieneninfrastruktur (www.spnv-nord.de).