Der größte Einsatz in der Geschichtedes Technischen Hilfswerkes

17.000 Kräfte aus allen 668 THW-Ortverbänden im Einsatz – 24 Behelfsbrücken in den betroffenen Gebieten errichtet

Christian Niemeyer und Annalena Di Carlo

Keiner der Helferinnen und Helfer des Technischen Hilfswerkes (THW) im Landkreis Ahrweiler oder der mehr als bundesweit 600 THW-Ortsverbände hätte vermutetet, dass der 14. Juli 2021 den größten und längsten Einsatz des THW in seiner fast 70-jährigen Geschichte einleiten würde, der auch nach einem Jahr nicht abgeschlossen ist.

Am Nachmittag des 14. Juli 2021 trat aufgrund der anhaltenden Regenfälle die Technische Einsatzleitung des Landkreises Ahrweiler in der Kreisverwaltung zusammen. Kurze Zeit später wurde das THW in Ahrweiler und Sinzig in Erwartung einer drohenden Hochwasserlage alarmiert. Mehr als 70 THW-Helferinnen und -Helfer begannen Sandsäcke zu füllen und transportierten diese zu Einsatzstellen im gesamten Kreisgebiet. Bereits am Nachmittag wurden zur weiteren Unterstützung der lokalen Einheiten aus Ahrweiler und Sinzig weitere Kräfte des THW aus Andernach, Bendorf und Koblenz alarmiert.

Am frühen Abend kamen weitere Einsatzstellen auch außerhalb des Ahrtals hinzu, die durch die weiter anhaltenden Regenfälle verursacht wurden. So mussten beispielsweise an einer eingestürzten Stützwand der A 61 Entlastungsbohrungen gesetzt werden, um ein Abrutschen der Fahrbahn der Autobahn zu verhindern.

Baumeister an der Ahrtorbrücke in Ahrweiler: THW-Experten errichteten Behelfsbrücken, die voraussichtlich noch in den kommenden Jahren weiterhin genutzt werden.

Einsatzschwerpunkt verlagerte sich hin zur Menschenrettung

Nachdem die THW-Helferinnen und -Helfer aus Ahrweiler, Sinzig und dem Regionalbereich Koblenz bereits seit vielen Stunden im Einsatz waren, sammelten sich die THW-Helferinnen und -Helfer aus Ahrweiler gegen Mitternacht in ihrer Unterkunft in der Sebastianstraße in Bad Neuenahr-Ahrweiler, um sich für die fortlaufenden Einsätze neu zu organisieren. Dort wurden sie selbst von den rasant ansteigenden Wassermassen überrascht und waren gezwungen, die Unterkunft fluchtartig zu verlassen.

Zwischenzeitlich trafen am Abend und in der Nacht auf den 15. Juli 2021 immer mehr THW-Einheiten aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland im Ahrtal ein. Der Einsatzschwerpunkt des THW verlagerte sich im Verlauf des Einsatzes immer stärker hin zur Menschenrettung. Trotz der schwierigen und unübersichtlichen Lage war es vielen THW- Einheiten noch möglich, Menschen und Tiere aus Gefahrensituationen zu retten und in Sicherheit zu bringen. Dabei wurde mit den vielen verschiedenen Einheiten von Feuerwehren, den Rettungsdiensten, der Polizei, sowie der Bundeswehr eng zusammengearbeitet.

Die ersten Tage danach

Trotz schwieriger Informationslage im Ahrtal und den darüber hinaus betroffenen Gebieten wurde schnell klar, dass es sich um eine Lage ungeahnten Ausmaßes handelte. Da viele Brücken und Verkehrswege zerstört, Ortschaften teils völlig abgeschnitten waren und auch das Kommunikationsnetz in weiten Teilen zusammengebrochen war, gestaltete sich der Einsatz sehr schwierig.

Das Gebot der Stunde war auch in den folgenden Tagen die Rettung von Menschen, sowie die Beräumung der teils schwer zerstörten Ortslagen, auch an den Zuflüssen der Ahr. Verkehrswege mussten erst wieder provisorisch hergerichtet werden, damit Hilfe überhaupt zu den Betroffenen gelangen konnte.

THW-Helferinnen und -Helfer aus den Einheiten Ahrweiler und Sinzig leisteten in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Flut ihren Dienst zur Rettung von Menschen, der Beseitigung der Schäden und zum Wiederaufbau ihrer Heimat.

2,6 Millionen Einsatzstunden

Die Flutkatastrophe im Juli 2021 ist eine der schlimmsten Naturkatastrophen, die die Bundesrepublik Deutschland je erlebt hat. Für das Technische Hilfswerk folgte der größte Einsatz in seiner mehr als 70-jährigen Geschichte. Über mehrere Monate leisten die Helferinnen und Helfer des THW rund 2,6 Millionen Einsatzstunden in Rheinland-Pfalz, Nordrhein- Westfalen, Bayern und Sachsen. Rund 17.000 Einsatzkräfte aus allen 668 THW-Ortverbänden waren im Einsatz.

Das THW war daraufhin mit allen 25 Typen seiner Einheiten und Teileinheiten im Einsatz. Die Liste der zu bewältigenden Aufgaben war lang: Von Pumparbeiten über das Räumen von Trümmern, der Wiederherstellung der Strom- und Wasserversorgung bis hin zur Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, Ölschadensbekämpfung, der Baufachberatung oder dem Brückenbau – das THW konnte seine gebündelte Expertise einbringen und bringt sie teilweise weiterhin ein. Denn abgeschlossen ist der Einsatz noch nicht, die Hilfe des THW wird auch ein Jahr nach der Katastrophe weiter benötigt (Stand Mitte August 2022).

Besonders die Fähigkeit des Brückenbaus ist an vielen Stellen weiterhin sichtbar. Das THW errichtete bislang in den betroffenen Gebieten insgesamt 24 Behelfsbrücken, die voraussichtlich noch in den kommenden Jahren weiterhin genutzt werden. Weitere Behelfsbrücken sind zudem in Planung.

Die Betroffenheit des THW im Ahrtal

Nachdem die Unterkunft des THW Ahrwei- ler in der Nacht des 14. auf den 15. Juli 2021 mit einem Wasserstand von annähernd drei Metern überflutet und dabei ein Großteil des Einsatzmaterials zerstört wurde, konnte die Liegenschaft nicht weiter genutzt werden und wurde in den darauffolgenden Monaten auf- wendig renoviert. Nach Abschluss der Arbeiten konnte die Unterkunft wieder im April 2022 bezogen werden. Zerstörtes Einsatzmaterial wurde in den Monaten nach der Flut ebenfalls nach und nach neu beschafft, um die Einsatz- fähigkeit der ehrenamtlichen Helferinnen und

Ein Hoffnungszeichen in schwerer Zeit: „Ahr- weiler lebt“ – auch dank des THW und seiner Ausrüstung

Helfer des THW im Landkreis Ahrweiler wieder herzustellen.

Viele der THW-Helferinnen und -Helfer aus Ahrweiler und Sinzig waren auch privat von der Flut betroffen. Ungeachtet der eige- nen persönlichen Betroffenheit leisteten die THW-Helferinnen und -Helfer in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Flut weiterhin ihren Dienst zur Rettung von Menschen, der Beseitigung der Schäden und zum Wiederauf- bau ihrer Heimat. Der Einsatz dauert auch im Jahr 2022 weiter an.

Die THW-Ortsverbände Ahrweiler und Sin- zig und die betroffenen THW-Helferinnen und -Helfer haben eine überwältigende Hilfsbe- reitschaft der Kameradinnen und Kameraden aus dem gesamten Bundesgebiet sowie vieler Unternehmen, Vereine und Privatleute erfah- ren. Die vielen Geld- und Sachspenden kamen unmittelbar den betroffenen THW-Helferinnen und -Helfern zugute und wurden für den Wie- deraufbau der THW-Ortsverbände genutzt. Für diese herausragende Hilfsbereitschaft und be- sondere Solidarität in diesen schweren Zeiten sind die THW-Helferinnen und -Helfer der be- troffenen Ortsverbände allen Spenderinnen und Spendern sehr dankbar.