Nach der Flutkatastrophe als Vor-Ort-Beauftragter im Ahrtal

Günter Kern

In Kirchsahr: Immer erreichbar, das Mobiltelefon war das wichtigste Arbeitsgerät als Vor- Ort-Beauftragter.

Als ehemaliger Mitarbeiter und Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley hatte ich schon einige Hochwasserkatastrophen am Rhein, unter anderem das Rekordhochwasser von 1988, erlebt, die erhebliche Schäden hinterlassen und viel von den Betroffenen und den Einsatzkräften abverlangt haben. Unter diesen Gesichtspunkten hatte ich auch die Berichterstattung in den Medien nach der schrecklichen Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 an der Ahr verfolgt und dabei schon wahrnehmen können, dass hier eine gewaltigere Naturkatastrophe die dort lebenden Menschen in einem unvorstellbaren Ausmaß getroffen hat.

Beeinflusst von diesen Eindrücken bin ich auch der Bitte der Landesregierung gefolgt, als sogenannter Vor-Ort-Beauftragter im Ahrtal zu helfen und habe am 6. August 2021 die Arbeit vor Ort begonnen. Schon bei meinem ersten Besuch am gleichen Tag mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewentz wurden meine Vorstellungen über die Wucht der Zerstörung und das Leid der Menschen dermaßen übertroffen, dass ich manchmal sprachlos und voller Emotionen war.

Immer wieder war zu hören, dass die Kommunikation mit dem Krisenstab nicht zufriedenstellend funktionierte. Auch wurde der fehlende direkte Kontakt mit den Kommunalverwaltungen kritisiert, die allerdings auch in ihren Verwaltungsgebäuden zum Teil von der Flut betroffen waren, genauso wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem privaten Bereich. Man vermisste in den Städten und Gemeinden direkte Ansprechpartner im Krisenstab und in den hauptamtlichen Kommunalverwaltungen und bemängelte fehlende Unterstützung. Unter all diesen Eindrücken habe ich mit Stefan Heimes und Uwe Rindsfüßer, die mit mir schon bei dem Tankerunglück 2011 an der Loreley 33 Tage im Krisenstab erfolgreich zusammengearbeitet haben, die Tätigkeit im Ahrtal im sogenannten Verbindungsbüro Wiederaufbau Ahr in der Kreisverwaltung Ahrweiler begonnen.

Um die Kommunikationslücken zu schließen, haben wir eine 24-Stundenerreichbarkeit für die Vertreter der Kommunen organisiert und eingerichtet. Über Handy und E-Mail waren wir an sieben Tagen in der Woche jederzeit erreichbar, um direkter Ansprechpartner für die kommunalpolitischen Verantwortlichen im Ahrtal zu sein und dafür zu sorgen, dass wichtige Aufgaben und Probleme sofort gelöst werden. Dabei stand die Sicherung und Organisation der schnellen, unmittelbaren Verbindung zum Wiederaufbaustab im Innenministerium, dem Krisenstab der ADD, zu den Bundes- und Landesbehörden, der Kreisverwaltung und den Verbandsgemeindeverwaltungen, den Hilfsorganisationen (z.B. Bundeswehr, THW, DRK, etc.) in vorderster Priorität, aber auch die Durchsetzung von Aufgabenstellungen an diese Stellen mit entsprechender Erfolgskontrolle.

Die ersten zwei Monate kam es zur intensiven Nutzung des Notfallhandys, mit der Bitte um Unterstützung in zahlreichen, unterschiedlichen Fällen (z.B. fehlende Toiletten und Waschgelegenheiten, Wasser- und Stromversorgung, Abfallentsorgung, Räumung der Ahr, Gestaltung des Ahrverlaufes, Abriss von Gebäuden, fehlende Notbrücken, fehlende Bautrockner, Kraftstoffversorgung, Kostenfragen im Rahmen der Sofortmaßnahmen, Ersatzbauflächen).

Gespräche in jedem Ort, jeder Stadt, jedem Ortsteil

In jedem Ort, jeder Stadt und jedem Ortsteil haben wir Vor-Ort-Gespräche geführt, um uns ein aktuelles Bild der Lage zu machen und in den Gesprächen uns die aktuellen Probleme und die künftigen Erwartungen aufzeigen zu lassen (z.B. Räumung der landwirtschaftlichen Flächen an der Ahr, künftige Hochwasservorsorge, Hochwasserschutzkonzept, Erdgas- und Stromversorgung, fehlende Heizungen, Veränderungssperren, Vorkaufsrecht für Gemeinden, neue Ortsbildgestaltung, Stationierung von Sanitätsfahrzeugen, Tankkonzept, Gutachten für Gebäude, Unterbringung von Obdachlosen, Verpflegungsfragen, Mobilfunkabdeckung, Einsatz von Polizeikräften, Winterunterbringung).

Bei den zuständigen Stellen wurde auf Lösungen gedrängt, mit dem Ziel, das was zeitnah umsetzbar ist, auch umgesetzt und was längere Zeit braucht, auch angegangen wird. Auch hier galt für uns das Prinzip der Erfolgskontrolle. Dazu gab es zahlreiche Abstimmungsgespräche mit dem Bundesinnenministerium, dem Wiederaufbaustab im Innenministerium des Landes, dem Krisenstab bei der ADD, der SGD Nord und weiteren Fachbehörden, den Kommunalverwaltungen, der Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer, den Energieversorgern, den Vertretern der Sportbünde und der Kirchen und vielen weiteren Stellen.

Darüber hinaus hat das Verbindungsbüro viele Ortstermine für die Kommunen zu Themen wie Aufräumungsmaßnahmen und Projekten des Wiederaufbaues mit den Fachbehörden organisiert. Es wurden Hilfs- und Spendenangebote vermittelt, und es fanden viele Bürgergespräche zu rechtlichen Fragen des Wiederaufbaues und zur Unterstützung zu weiteren Problemen statt.

17 Einwohnerversammlungen organisiert

In insgesamt 17 vom Verbindungsbüro organisierten Einwohnerversammlungen im Ahrtal wurde die Bevölkerung von Vertretern des Umweltministeriums und der SGD Nord zu den neu festgelegten Überschwemmungsgebieten mit den rechtlichen Folgen und von Vertretern der Investitions- und Strukturbank zu Förderfragen informiert. Zahlreiche Vertreter weiterer Fachinstitutionen standen anschließend zu weiteren Fragen Rede und Antwort. Zusätzliche acht Einwohnversammlungen schlossen sich dann in der Eifel an. Und nicht zuletzt wurden Termine und Gesprächsrunden für Innenminister Roger Lewentz und Staatssekretärin Nicole Steingaß im Ahrtal vorbereitet und organisiert.

Wechsel im Verbindungsbüro der Wiederaufbauhilfe: Günter Kern (3.v.l.) und Theo Dillenberger (links) beendeten Ende März 2022 ihre Arbeit im Ahrtal, bei der Stefan Heimes (rechts) in den ersten drei Monaten ebenso eingesetzt war – Thomas Weimer (2.v.l.) übernahm mit einem neuen Team die Leitung.

Auf der Landskrone: Günter Kern (rechts) und Thomas Weimer, sein Nachfolger als Leiter des Verbindungsbüros, im Gespräch mit den Ortsvorstehern von Heppingen und Lohrsdorf, Klaus Kniel (links) und Hans-Jürgen Juchem

Das Verbindungsbüro war zunächst mit den drei obengenannten Personen besetzt. Ab Oktober 2021 ersetzte Theo Dillenberger, ein ehemaliger, sehr erfahrener Kommunalverwaltungsmitarbeiter den ausscheidenden Stefan Heimes, und ab November kam der abgeordnete Richter Thomas Weimer als vierte Kraft hinzu. Thomas Weimer leitet seit dem 1. April 2022 nunmehr verantwortlich das Verbindungsbüro. Nach dem ebenfalls nun ausgeschiedenen Theo Dillenberger ist Uli Adams hinzugekommen. Wir haben uns stets als verlässlicher Ansprechpartner, Problemlöser und Vertreter der Kommunen gesehen und haben sehr schnell das Vertrauen bei den handelnden Personen vor Ort, durch eine sehr enge und verbindliche Kommunikation, aufbauen können.

„Großen Respekt für ihre geleistete Arbeit“

Flutmanager waren aus meiner Sicht und der gemachten Erfahrungen die Ortsbürgermeister, Stadtbürgermeister, Ortsvorsteher und Ortsvorsteherin, die in eigener Verantwortung das Aufräumen im Ahrtal umgesetzt und den Wiederaufbau begonnen haben, die einen klaren Zukunftsplan für ihre Kommunen haben. Ich habe großen Respekt für ihre geleistete Arbeit, viel Vertrauen in ihr Wirken und bin dankbar, dass ich mit diesen aktiven, kreativen und unermüdlich arbeitenden kommunalen Vertreter eine Zeit in Richtung Wiederaufbau an der Ahr zusammenarbeiten durfte.

Und ohne die tausenden von Helfern, ohne die vielen ehrenamtlich Tätigen und ohne die vielen freiwilligen Hilfsorganisationen wäre im Ahrtal vieles nicht so schnell voran gekommen.

Günter Kern, Staatssektretär a.D., war Vor- Ort-Beauftragter der Landesregierung Rhein land-Pfalz und Leiter des Verbindungsbüros Wiederaufbau Ahr.